Dem Faß die Krone aufsetzen

(Nachtrag am 20.6.2009)

Titel der "Neuen Kronenzeitung" vom 15.3.1995

Nach Hannah Arendt sind totalitäre Bewegungen überall dort möglich, wo Massen existieren, die aus gleich welchen Gründen nach politischer Organisation verlangen. Die eine Hälfte der eh schon sehr kleinen Masse der Österreicher verlangt was für sich, sie wollen sich als kleine Münzen zurückbekommen, damit sie nach Mehr aussehen, und sie bekommen es auch immer, damit diese Hälfte weiß, daß sie es gewollt hat und was die andre macht, die andre Hälfte. Das heißt das, was sie bekommt, wird zu dem, was sie verlangt, diese Landmasse mit den kompakten Bergerln und feste Tritte verabreichenden Talsohlen von Vibram,  nur anders verbrämt: Sie scheint nach einer, der Kronenzeitung zu verlangen. Die Menschen halten sich für gescheit, obwohl sie nicht immer ganz gescheit sind, und sie wollen sich wenigstens beim Lesen so gescheit fühlen wie sie sind. Das wird ihnen also zugeteilt. Es wird ihnen ihr Futter zugeteilt, das sie fressen müssen,  und sie sollen glauben, sie bekämen das, was sie so gescheit macht wie sie ohnedies schon zu sein glauben. Ich will mich keinesfalls über diese Menschen erheben, ich habe keinen Grund dazu, ich bin für mich genügend intelligent, aber für keinen sonst, und ich selber bin schon ziemlich anspruchslos. Die andern sinds hoffentlich auch, denn sie betreffen sich selbst und alles andre soll auch nur sie selbst betreffen. Was andre betrifft: Die sollen ordentlich getroffen werden, ein paar Kugeln haben wir schon noch übrig für diese Künstlerschweine und Politikertrotteln und Ausländerbagage, weil man solche Leute in Wirklichkeit nie zu treffen wünscht.  Oder nur, um ihnen um die Ohren zu hauen, was die Krone über sie gesagt hat. In meinen Augen werden diese Menschen aber,  die zur Lese in den Bierberg der Krone getrieben werden, indem sie bekommen was sie nicht verdient haben, für das sie aber trotzdem gearbeitet haben, von diesem Geschmiere bedient, bis sie wirklich bedient sind, ohne es zu ahnen. An den Gedanken, die diese kleine Dreckschleuder abschießt, sind immer so schrille Glocken montiert, sodaß man gar nicht mehr hört, was andre vielleicht auch mal sagen wollen.  Die Massen lesen die Kronenzeitung, das heißt, sie hören sich selber beim Denken zu, ohne zu ahnen, daß man ihnen nur gibt, was sie je, immer schon gedacht haben, im Gegenteil, sie freuen sich, daß es welche gibt, die sagen, was sie immer schon gesagt haben, nur besser, schneller, schwärzer,  und damit wird der Prozeß des Denkens abgebrochen, noch ehe er beginnen kann. Die Früchte des Lesens gehören eigentlich den Lesern,  aber diese speziellen Leser, diese Erntehelfer, haben die Früchte, bevor sie sie lesen konnten, auf den Baum gehängt, damit sie sie dann herunterholen können.  Eine ganz besondere Dienstleistung! Wie haben sie sich nach der Decke strecken müssen, um etwas zu finden, was noch keiner gefunden hat! Millionen haben es jetzt! Sie haben den Durchblick.  Als einzige.Da sind Dunkelmänner, entsetzliche Wesen, schwarze Glöckner ex Kathedrale von Notre Seigneur, die ihnen die Lese-Früchte in die Hand gegeben haben, damit sie immer grad hoch genug für sie hängen. Manchmal glauben die Menschen sogar, sie müßten sich anstrengen, um das zu lesen, aber dann haben sie was fürs Leben, weil es aus diesem, immer ihrem, Leben gegriffen wurde, am Nacken. Sie glauben dann, so weit wie sie reicht keiner hinauf. Sie sind die Größten, das sagt man ihnen ja, und sie müssen es nicht einmal selber sagen. Sie sprechen sich selbst und aus sich selbst, sie sind andere, und die sprechen. Sie sagen sich auf. Eine Agentur des gesunden Volksempfindens sagt es ihnen mit klingendem Fröhlichkeitsspiel, mit dröhnenden Publikumsspielen, mit Geistlichen, die ihren Mief verbreiten, mit Titten, die einem ihre Gesundheit wie Milch ins Gesicht spritzen, daß man grad nur den Mund zumachen kann, sonst regnets einem ins Hirn, auf Seite drei, glaub ich zumindest, nein, es ist die Seite sieben (in der Gratisversion für U-Bahn-Fahrer auf Seite 1)  oder so geschieht das jeden Tag, der greise Herausgeber selbst sucht die Nackerten aus, die sich ihm und seinem Beifall beugen wie alle, nein, nichts Krankes gibt es hier.  Er wird die nächste Regierung aussuchen (bei der letzten hat es noch nicht ganz geklappt, und jetzt ist er böse deswegen), er wird die nächsten Politiker aussuchen, und er wird die passenden Haustiere und Frauen dazu aussuchen, er hat ja auch selber einen lieben Hund, und wie der folgt! Was der kann, können die Politiker schon lang, man muß ihnen halt ein bissel helfen, bis ihre Waden nach vorne schauen, wo es vorwärts geht, denn wir müssen zurück. Da werden wir uns alle aber freuen! Und es gibt eben diesen greisen Herausgeber, dem es ein Leichtes ist zu sprechen, und er spricht ja immer zu der halben Bevölkerung. Es spricht ja auch immer die halbe Bevölkerung aus ihm und zu ihm zurück. Sowas nennt man Echo, falls eine feste Burg in der Nähe ist oder ein Fels. So und so ähnlich ist das bei uns daheim. Die Österreicherwelt beruht auf keinen Parteien, sie beruht auf der Kronenzeitung und dem Villacher Fasching, vielleicht beruht sogar der Villacher Fasching auf der Krone, die einem die Zähne ausschlägt, bevor man noch das Faß an die Lippen setzen konnte.

Hannah Arendt sagt auch, der Ausdruck Masse sei überall da zutreffend, und nur da, wo wir es mit Gruppen zu tun haben, die sich, entweder weil sie zu zahlreich oder weil sie zu gleichgültig für öffentliche Angelegenheiten sind, in keiner Organisation strukturieren lassen, die auf gemeinsamen Interessen an einer gemeinsam erfahrenen und verwalteten Welt beruht. Da sind Interessenverbände, Parteien, Organisationen, Berufs- und Standesorganisationen etc., und in irgendeine dieser Organisationen paßt immer ein Teil der Bevölkerung. Aber bei uns daheim passt die halbe Bevölkerung in eine einzige Organisationsform, und das ist die Kronenzeitung. Normalerweise schweigen diese Leute und versuchen, ihren Interessen gemäß zu leben. Aber hier schweigt die Hälfte der Menschen nicht, niemals, sie beruhen darauf, daß sie niemals schweigen;  aber es wird ihnen gesagt, was sie dann noch zu sagen haben, nachdem ihnen gesagt worden ist, was zu sagen war und was endlich einmal gesagt werden mußte. Schon recht. Schon gut. Nicht viel, denn es wird ja für sie gesagt, indem man ihnen vorspielt, sie hätten es schon viel früher und von ganz alleine gesagt. Die Krone übernimmt das Sagen, weil sie es hat, indem sie den Menschen mit ihrem unaufhörlichen Sprechen den Mund schließt. Wenn die Krone für sie zu sprechen scheint, müssen sie das nicht mehr tun, obwohl sie es immer schon gesagt haben. Sie lädt die Menschen, indem sie ihnen ihre politischen Interessen, von denen sie unaufhörlich spricht, gleichzeitig nimmt, sie also politisch enteignet, mit Sinn auf, die Krone, mit Sinn, der aus ihnen förmlich zu quellen scheint, und gleichzeitig apathisiert sie sie. Gerade die Uninteressierten, die Mehrheit also, wird hier zu einer Horde, einer Meute, einer Hetzmeute von Uninteressierten (das schönste Anliegen der Menschen: uninteressiert sein, aber bereit, die Finger in die Sinn-Steckdose zu stecken, bis ihnen die Haare zu Berge stehn), aufgegeben von der Politik und gleichzeitig von ihr umworben, aber es ist nicht Politik, was sie umwirbt, es ist eine Zeitung, die Politik macht, Politik IST, indem sie die Unpolitischen auf ihr Zeitungsaugenmaß zurechtklopft. Bis die Leser bereit sind, diese Propaganda als ihre eigene zu akzeptieren, ich meine die, die sie selber propagieren und die nur ihnen nützt.  Sie haben ja nur sich und halten sich daher für das Wichtigste, geeignet überall versprüht und verbreitet zu werden wie das neueste Sonderangebot vom Drogeriemarkt. Die Kronenzeitung sagt, Politik verdirbt die Menschen, sie brauchen sich jetzt aber gar nicht mehr um diese Politik zu kümmern, das übernimmt diese liebe gute Zeitung ja für sie, sie nimmt ihnen das Politische ab. Nicht indem sie Politik für sie macht, sondern indem sie Politik an ihrer statt und daher (angeblich) ganz besonders  und ganz allein nur für sie macht.

Gegen diesen in der westlichen Welt einmaligen Grad an Pressekonzentration, der die Menschen verdorben hat, bevor sie noch reif gewesen wären, selber zu bestimmen, was sie anbauen wollen und wo, indem sie so lange bearbeitet wurden, bis sie ihre eigenen Interessen, die sie ja ohnedies jeden Tag vom Kleinblatt ablesen konnten, gut vertreten sahen, ohne daß sie je irgendwo wirklich vertreten worden wären (Entpolitisierung durch Politisierung, also die Wandlung ursprünglich interessierter Menschen in uninteressierte, denn sie scheinen ja jeden Tag ohnedies zu bekommen, was sie gar nicht verlangt hatten, aber zu verlangen gehabt hätten, eine dumpfe Feindseligkeit also gegen über allen politischen Institutionen, denn die eigentliche ganze und einzig richtige Wahrheit sagt die Krone, und die sagt der, unser Jörg H. auch, der euch nie belogen hat, genau wie die Krone, die beiden sind eine Symbiose, obwohl oder gerade weil sie nicht immer an einem Strang gezogen haben,  zumindest scheinbar nicht) , die Zeitung also als Einheitspartei für alle und alles, egal was die andren Parteien sagen oder für wen sie sich einsetzen. Das ist das Ende der Demokratie, zumindest für die eine Hälfte der Bevölkerung eines Landes, indem es das Ende der Verpflichtung der Bürger ist, ihre Interessen wahrzunehmen (oder an ihre Vertretungen zu delegieren), es ist der Beginn der Herrschaft der indifferenten Masse, die alles bekommt was sie ausmacht, indem sie nichts bekommt, und das scheint niemand etwas auszumachen. Diese Masse kann jetzt hierhin und dorthin geschoben werden, ganz wie es dem  Spieler am grünen Tisch, demHerausgeber gefällt. Er hat ein kompaktes Menschenpaket aus der halben Bevölkerung geformt, ein wahres Prachtstück, einen Humpen Mensch, aus dem er säuft (a hunk, einen Kanten Bevölkerungsbrot, von dem er abbeißt, aber er sagt, es kommt von ihm, das Brot, er hat es gebacken, mehr noch, in einem quasi religiösen Akt als seinen Leib hingehalten, er hält den Rücken für alle hin, weil er ist wie alle, und so müssen alle tun was er sagt), ihren Beifall braucht er nicht, er fürchtet sich vor keinem Gespräch, denn Gespräche führt er nicht, er spricht mit sich selbst, und mit sich spricht er zu allen und streichelt seinen Hund dazu.  Nein, Macht will er nicht, die hat er ja schon. Er kennt keine Gruppen mehr, er kennt keine Hierarchien, keine Interessen, keine Klassen oder Schichten, er kennt nur mehr die Masse, die er selber zum Teig gerührt hat,  und er ist sie, diese Masse, er ist er selbst in ihr, er hat sie seit Jahrzehnten geformt nach seinem Ebenbild.  Und deswegen rührt er schon wieder den Kuchen an, er hat ja immer geschmeckt, das Rezept hat sich bewährt. Er ist Gott,  er könnte daher andre rühren, und deswegen darf Gott auch mit seinem Kosenamen Christianus zu uns sprechen. Gott spricht in seinem Sinn, sonst hätte das Herausgeben ja gar keinen Sinn, wenn ein andrer einfach was andres herausgeben dürfte. Der Herr Gott wird aber rasch durch Cato, den Denker, oder Aurelius, den Römerbrief, abgelöst, der uns sagt, ob Christ oder nicht, auch das ist egal, schließlich sind auch Nichtchristen unter uns, sie sollten es aber nicht sein, und es kommt nicht und nicht der Moment, wo diese große Menge Menschen sich von diesen Prachtstückeschreibern nicht mehr vertreten fühlen und gegen sie aufbegehren würde. Dieser Moment des Aufbegehrens kann nicht kommen, weil das politische Leben durch diese Zeitung zu einem unaufhörlichen künstlichen Aufbegehren gemacht wird, zu einem Hochpeitschen und Hochgepeitschtwerden, als wäre die Menge ein Meer, und die Zeitung die Ketten, mit denen blöd herumgepeitscht wird (eigentlich wird nur umgerührt), nur daß diesmal die Zeitung es aushält wie das Meer und die Menge zunichte, zu Nichts wird. Sie wird in ihrer Meinung scheinbar vertreten, indem ausgesprochen wird, was sie, die Menge, denkt, indem dem Volk aufs Maul geschaut wird, aber die Menge wird dabei in Wahrheit zu Asche. Die Menge rinnt sich selbst durch die Finger. Vorher darf sie aber noch ordentlich brennen,  für etwas, und das kann sehr gefährlich werden. Besser, die Menge würde zu Asche, ohne vorher für etwas gebrannt zu haben.  Ich kann nichts gegen diese Zeitung machen. Viel Bessere als ich haben ihr halbes Leben, in dem sie anderes, Besseres verdient hätten, im Kampf gegen diese Zeitung gegeben, zu ihrer eigenen Seligkeit wäre das doch nicht nötig gewesen! Aber sie haben es getan. Ich verbeuge mich vor ihnen. Sie mußten es offenbar tun, aber es hat nichts bewirkt. Soviel Intelligenz- und Kraftverschleuderung im Kampf gegen Schlamm, Gatsch, Dreck, die alle bekanntlich immer ausweichen, wenn man gegen sie tritt oder in sie tritt.  Ach, der Herr Quark ist ja auch da, willkommen! Es war alles umsonst. Können sich und uns und euch nicht helfen.

 

 

Zweiter

Teile und herrsche: Die Deutschen. Die Anteilseigner.  Die die Hälfte besitzen.Die WAZ. Jetzt sind Sie dran!

Der Herausgeber sagt also, er streichelt lieber seinen Hund als Macht auszuüben .  Er scheint die Macht zu seiner privaten Seligkeit nicht nötig zu haben, er ist auch so selig, wenn auch kein seliger Geist. Wer könnte sich in seiner Gesellschaft je langweilen? Also Macht hat er nicht und will er nicht und braucht er auch nicht, wie er angibt. Na, angeben muß er auch nicht. Aber dieser Krake von Zeitung kann nicht anders, er bemächtigt sich aller Dinge, die unter ihm sind, das heißt er muß sich all dessen bemächtigen, was ist. Er ist der Weg, und er ist die Gestalt, die den Weg beschreitet, der Krake; und er ist der Gang, der seinen eigenen Weg geht,  und der Weg, der seinen eigenen dunklen Gang entlang geht, und der Dichand-Krake geht ihn entlang, der Weg ist unter ihm zum einzigen Weg geworden, den alle gehen sollen.  Danke, daß er uns diesen Weg gezeigt hat, er hätte ja nicht müssen. Er mußte sich dafür nicht überwinden, er mußte gar nichts machen,  er macht ja gar nichts, und daher muß er die Macht ja wirklich nicht ausüben, da er sie ja hat, er muß sie nicht üben, er muß sie nicht ausüben, er hat sie, er hat sich dafür ermächtigt, daß diese Macht eine unbedingte sein soll. Ihr Wesen kann man nicht treffen, es ist oft versucht worden, die besten Kolumnisten schreiben, wie gesagt,  jeden Tag darüber, manche  nur einmal die Woche, weil ihre Zeitung halt nur einmal die Woche erscheint, aber sie haben beinahe nur dieses eine Thema, diese Besten, und das ist die Macht dieses angeblich Machtlosen, der seine Macht, da er sie ja unbedingt und absolut hat, nicht verteidigen muß, gegen wen denn? Wie soll man ihr Wesen treffen? Wir treffen dieses Wesen jeden Tag, man kann ihm ja gar nicht ausweichen, aber wir treffen den Kern seiner Totalität nicht. Da kommt etwas seltsam Diffuses hinein, denn wie kann ein Idiotenblatt, ein Sammelsurium aus nackten Frauen, christlichen Traktätchen, demagogischem Geschwätz, pseudo-lyrischer, fetzengereimter Hetze gegen alle und jeden (Herr Wolf Martin, unser braver Alltagsdichter) wirklich Macht haben, da hat er ja echt recht, der Herr Herrausgeber? Diese Macht, dieser Machtschlamm, dieser Machtbrei, den wir fressen sollen, wird ausgeübt, indem sie eben keine Ziele hat, aber Ziele vorgibt, und die einzige Zielsetzung besteht in dieser Ermächtigung ihrer selbst, in der sie sich, auch immer nur selbst,  behauptet. Also: Indem die Krone ist, ist sie mächtig und ist sie alles, was ist. Was daneben ist, die Lebenskraft hunderter Menschen, die gegen sie ankämpfen, ist nichts, schadet nicht, nützt nicht. Man kommt gegen die Kronenzeitungsmacht nicht an. Sie ist abstrakt, bleiern, diffus, diese Macht, wie sie eben tautologisch ist was sie ist, und mehr kann man nicht sein, und mehr kann man nicht von ihr verlangen. Ich bin die Todfeindin dieses Herausgebers, aber nützt das mir oder schadet das ihm? Er zieht an mir vorbei, und seine Spur ist so breit wie das ganze Land. Ein Gespenst, überall verbreitet, ein Gespenst, überall sein Unwesen ausbereitend wie Flügel und Dinge vorbereitend, die uns alle längst gezeichnet und das Land zerstört haben, selbst wenn wir diese Zeitung gar nicht lesen. Man kann sich ihr nicht entziehen. Das ist ein bereits abgeschlossener Vorgang. Das Gesicht dieser Macht ist schrecklich, und trotzdem müssen wir es anschauen, denn es gibt faktisch kein andres. Und für die Ausübung dieser Macht braucht der Herr Herausgeber in der Öffentlichkeit die Ausrufung von Zielen, die er selbst bestimmt, und er sagt den Seinen, lachenden Munds wie der Tod selbst, dem ja überhaupt alles egal ist, was sie zu denken und zu tun haben, und sogar was sie zu meinen haben, damit sie die Seinen bleiben. Das ist nicht einmal Heuchelei, weil er sich selber nicht an seine Vorgaben hält. Oder vielleicht hält er sich sogar daran, es ist gleich, er kann sich selbst daran halten oder nicht, die andren aber müssen es. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Da kann man sich über ihn entrüsten, da kann man gegen ihn rüsten, da kann man versuchen, sich zu retten vor seiner umfassenden Demagogie, es nützt alles nichts. Er ist so mächtig, daß seine Macht Macht ist, indem man sie nicht befragen kann.  Er befragt das Volk,  allein indem er es glauben macht, es würde befragt. Sie ist es, die befragt,  diese Zeitungsmacht, aber sie will, sie muß nichts erfahren und nichts wissen. Sie muß auch nicht antworten, die Macht.  Na ja, sie kann eben zum Beispiel das Volk befragen lassen. Sie kann das ganze Volk dazu aufhetzen, ein sogenanntes Volksbegehren gegen das tschechische Atomkraftwerk Temelin zu unterschreiben – und sich danach noch öffentlich damit brüsten, für ein paar hunderttausend Stimmen mehr gesorgt zu haben, die die Rechte allein nicht hätte mobilisieren können - , und sie kann dieser extremen Rechten, die in Österreich in der Regierung sitzt, damit noch ein paar hunderttausend Stimmen zutreiben wie Vieh, und sie kann diese Stimmen auch wieder wegnehmen und das Vieh schlachten, das eben noch mit einer Unterschrift sein Herzblut gegeben hat, egal. Nichts kann man vor ihm retten, vor dem Herrn Dichand. Er braucht diese Ziele für seine Macht,  oder er glaubt sie zu brauchen, da die Macht ja eben die Eigenschaft hat, einem zu gehören oder nicht, und ihm gehört sie bereits, und indem er einmal das eine Ziel vorgibt (Ausverkauf unsres schönen guten Wassers!) und ein andres Mal ein andres Ziel (Tschechen nicht rein in die EU, wenn sie dieses gemeine, gefährliche und gemeingefährliche Kraftwerk nicht zusperren) und ein drittes Mal Ausländer raus und ein viertes Mal Haider rein und Kanzler Schüssel raus, egal welches Ziel, indem er also diese Ziele kraft seiner Macht vorgibt, sogar der Politik vorgibt (die er aber auch selber gemacht hat, und wehe einem, der unautorisiert nach einem Stuhl greift, auf den er nicht gehört! Wir wissen, was mit dem passiert! Er wird vielleicht noch Bundeskanzler, aber er ist ein lebender Toter), allem vorgibt, was da ist, drängt sich dieses Macht aus ihm heraus und ist überall, sie ruht auf allem. Ja, die liebe Macht, sie darf ruhen, und wir müssen uns abstrampeln!  Egal, welches Zeitungsblatt auch fällt:Sie ist in allem, und die andren Blätter gibt es nicht. Zuerst ist die Macht, aber nachträglich sind diese Ziele da, die den Leuten vorgaukeln, sie könnten an dieser Macht teilhaben, die aber der Herr Dichand alleine hat und behält.

Aber da sind welche, die partizipieren daran, das heißt, sie verdienen gut daran. Und zu denen komme ich jetzt auf meinen leichten Laufschuhen, ganz recht, es ist der deutsche WAZ-Konzern,  und der ist eine Agentur der Kolonialisierung des Nachbarlandes Österreich. Die United Newspaper Company für die Hinterhof-Latrine Österreich. Und auf diese Leute will ich jetzt mit dem Finger zeigen, und die will ich anklagen, und wenn es das letzte ist, was ich tue.  Das ist das einzige, was ich bisher gegen die Kronenzeitung noch nicht unternommen habe.Diese Herrn Unternehmer Schumann und Grotkamp oder wie sie alle heißen, die sind unternehmungslustiger als ich, und sie haben auch Grund, allein immer nur lustig zu sein, sie haben diese schäumenden, hartgespültenPferde, die über uns hinwegtrampeln, diese temperamentvollen Tiere, die haben sie mit eingespannt. Ihnen gehört die Hälfte, den Herren von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Sie sind die Hälfteeigner der Kronenzeitung, und sie sind mitschuld, ob es ihnen gefällt oder nicht, aber es gefällt ihnen natürlich, denn sie verdienen viel Geld damit, daß sie ein Nachbarland in einen komfortablen Abort (leiser Sirenengesang ertönt, damit man ein paar Sachen, die niemand hören will, nicht allzu genau hört) verwandelt haben und die Hetze unerbittlich weiter vorangetrieben wird gegen das andre Nachbarland Tschechien, das wir ja schon einmal verwüstet haben. Warum sollen wir es nicht noch einmal fertig machen, bevor es uns mit dem Atom fertigmacht? Sie sind die Profiteure der Volksverhetzung und –verdummung, der Entdemokratisierung, der fortschreitenden Entropisierung eines ganzen Landes, die WAZ-ler. Und sie wollen weitermachen. Bis alles und jedes Kronenzeitung ist, das Maß der Unordnung das größte Ausmaß erreicht hat. Bis die Unordnung in der Ordnung herrscht.  Das alles kann all diese Jahre nicht wider Willen geschehen sein, und die deutsche Öffentlichkeit mit ihrer vielfältigen Meinungs- und Zeitungsvielfalt soll es von mir aus hier noch einmal erfahren. Jetzt gibt es schon Kaffee, Orangensaft und Bananen von Transfair,  nun sollen sie vielleicht einmal fair auch zu Österreich sein, das kann man verlangen, auch wenns nichts bringen mag. Auch wenn nur noch der heilige Nikolaus was bringt und eventuell der Osterhase. Wenn wir keine Turnschuhe kaufen, keine Teppiche, keine T-Shirts, die zu Dumpingpreisen von irgendwelchen armen Kindern in der Dritten Welt gefertigt sind, dann kann man auch Österreich nicht einfach mit dem ganzenDreck zumüllen, den die Kronenzeitung  mit dem Kapital der WAZ verbreitet.  Na, man kann schon.Die WAZ hat nicht kämpfen müssen, um uns zu kolonialisieren und geistig zu unterjochen, sie hat nur kaufen müssen,  eine internationale Leidenschaft, und die Deutschen sind politisch schwach, aber reich, auch meinungstechnisch reich,  aber nein, die Hälfte der Krone haben sie gekauft, das ist ein ziemlich risikoloser Profit, Presseförderung kriegt sie vom Staat auch noch,  aber mit dem Finger auf andre zeigen, die angeblich etwas vom Staat bekommen, das ihnen nicht zusteht, darin sind sie groß, und dafür haue jetzt ich sie hier in die Fresse, während sie ihre Krone noch ganz fest halten. Sie werden sie meinetwegen nicht loslassen. Wer bin ich schon? Ich bin niemand. Mir ist ganz wurscht, was dabei mit mir passiert. Ich bin ja niemand. Die WAZ kann von mir aus hinter der Kronenzeitung herrennen und ihre Brosamen aufklauben und sich den Dreck in den Mund stopfen, den sie fallen läßt, die Kleinteilzeitung, die Herren von der WAZ können das alles aufheben, denn das, was da geschissen wird, ist Geld Geld Geld, die können sich darüber kaputtlachen, wie die Kampagnen dieses kleinen Blatts von Tag zu Tag, von Woche zu Woche wechseln, wie sich arme Leute, die vielleicht etwas ganz andres vorhätten, daran abstrampeln, diese Schweinereien aufzuzeigen, und es ist doch schon längst die nächste Schweinerei in Gange, man kommt einfach nie nach, weil keinerlei Moralität dahintersteckt, sowas brauchen wir schon gar nicht. Die Moralisten und Gutmenschen können scheißen gehen, aber bitte auf den kleinen Haufen dort drüben, den wir nur in Augenschein nehmen, wenn wieder einmal Zeit für ein Gedicht sein muß, denn soviel Zeit muß sein. Jede Gegnerschaft zur Krone wird zur schalen, billigen Entrüstung, wird lächerlich, gutmenschenhaft (für die Gutmenschen haben wir doch längst was viel besseres, da haben wir den Herrn Pissoff Christianus, und mehr Güte ist unnötig, das ist grad ein Kastel auf einer Seite, mehr brauchen wir nicht, aber die Guten bedienen wir halt auch, obwohl wir auch sie nicht brauchen, jedoch benötigen wir die Bösen genausowenig, außer vielleicht für den hübschen Spruch Schwanz ab, Rübe ab. Jeder Kampf gegen diese Zeitung, wie ehrlich und herzbluthaft er auch geführt werden mag, verliert sich auf seinem Weg, verliert sich selbst, denn dieser Krake duldet eben keine Hinterfragung, einfach deshalb, weil er sie nicht braucht. Und was er nicht braucht, das braucht er auch gar nicht erst zu dulden. Das ist halt da, aber es stört ihn nicht weiter, weil es ihn nicht zu stören braucht. Es ist, als wäre das die Macht Gottes als die Macht des höchsten Seienden. Dichand ist Gott, das sagt nicht Christianus, der das nur denkt, das sage ich, die das weiß, aber nicht lenkt. Und die WAZ ist seine Mitprofiteurin, die Mitspielerin, und ich klage sie hier an.  Spaß macht mir das keinen, aber ich muß.Was soll ich denn retten, was will ich retten? Ich weiß es nicht, da ja nichts zu retten ist, wo alles mit Schleim überzogen worden ist, seit langem, wie in einem Sci-Fiction- Film, der Schleim von Aliens, aber fremd sind die nicht, die sind ja wie wir,  also im Film sind sie oft wie wir, aber sie sind nicht wir. Egal, sie sagen uns, sie sind wir, und wir fallen drauf rein. Dann schlagen wir eine Zeitung auf und finden Worte, die angeblich von uns sind, aber wir kennen sie plötzlich nicht mehr. Es kann uns bewiesen werden, daß sie trotzdem von uns sind und jederzeit gegen uns verwendet werden können, aber zum Glück wollen wir sie genauso haben wie sie sind. Wir könnten uns in ihnen ja sonst nicht wiedererkennen. Und wir können uns von uns nicht mehr unterscheiden, jedenfalls sind diese Wesen wie von einem andren Planeten: sie sind unzerstörbar. Und die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, der gehört das alles zu einem gleichen Teil. Ich will das hier sagen, ich habe mich selbst dazu ermächtigt, und mehr als mich selbst habe ich nicht, obwohl ich sicher andere auf meiner Seite habe, ich lese sie ja auch jeden Tag. Das ist eine Aufgabe, die wir uns jeden Tag stellen, aber dem steht entgegen, daß wir neben dieser Zeitung nichts sind und nichts zu sagen haben, gerade indem wir dauernd etwas sagen dürfen, egal wo. Die sind das gewohnt, daß jemand etwas gegen sie sagt, es bleibt wie nicht gesagt. Wir sind, glaube ich, ungeschickt, aber wir können gar nicht geschickt sein. Sie brauchen sich nicht rechtzufertigen, sie haben sich selbst ja so zurechtgefertigt, daß man nicht in sie hineinkommt, um von innen her etwas gegen sie zu unternehmen. Aber von außen kann man doch auch nichts machen! Man scheint nichts machen zu können. Selbst wenn Herr Dichand sich selbst einer Sache bezichtigen oder anklagen würde, wäre das nichts, weil er ja alles ist. Er ist das Maß, das in sich und aus sich schöpft. Er kann sagen was er will. Wir können auch sagen, was wir wollen, aber auf uns hört keiner, auf ihn hören sie, denn er ist so wandlungsfähig, daß er den Leuten einreden kann, er würde heute dies und morgen das wollen, heute dies fordern und morgen das, heute diesen fördern und morgen jenen.  Ich ahne schon, wen er als nächsten fördern wird, aber vielleicht fördert er auch etwas ganz andres zutage, und das wird dann die Wahrheit sein. Egal, das Ziel ist, alle und alles niederzuhalten, eine Herde Schafe, in die er als Blitz fährt. Nein, dämonisieren will ich ihn nicht. Er ist schon ein Dämon. Es geht ja gerade darum zu versichern, daß der Dämon ein ganz normaler alter Mann ist, über achtzig, wie viele, die auch alt geworden sind, er muß ja nichts andres sein, denn er ist, wie gesagt, für die österr. Öffentlichkeit kein geringerer als Gott. Er ist, der er ist.  Er kann sagen, dieser Kelch soll an ihm vorübergehen, aber der Kelch ist nun einmal da, weil er ihn gefüllt hat, und jetzt müssen wir das saufen.Und wir müssen ihm zuhören, ob wir wollen oder nicht, denn daneben kann nichts sein und nichts werden. Er ist Gott, indem er wie alle ist. Nein, indem er weiß, daß er wie alle ist. Nein, indem er weiß, wie alle sind und das jetzt nachmachen möchte, jeden Tag aufs neue. Ein Menschensohn im Biedergewand eines lieben Menschengroßvaters mit Hundi, unausweichlich wie etwas Gewachsenes, dessen man nicht mehr Herr wird.  Dieser Mann muß in sein eigenes Zentrum vordringen, in dem immer die Ruhe vor dem Orkan herrscht, den er gleich selbst entfachen wird, nur in ihm ist Ruhe und Ordnung, er stellt sie her und er verkörpert sie auch. Und die WAZ ist sein Prophet, und die letzten Unversöhnlichen, die letzten Gegner werden unter ihn, unter sein Joch gezwungen, als Gegner, weil es nur ihn allein geben darf. Weil wir das alles schon tausendmal gehört haben, nun, einmal mehr geht noch, hier z.B., an dieser Stelle, die ich gern hätte, angeblich soll sie ja noch frei sein; diese Macht ersetzt das Völkerrecht, die Demokratie, die Meinungsfreiheit, sie suggeriert anderen, daß ja eigentlich sie es sind, die die Macht hätten (diese Volksbefragung gegen die Böhmen und ihr Kernkraftwerk ist für den Hugo, in den Wind gefurzt, in den Reim geschissen, für nichts, aber die Leute waren damit kurz beschäftigt, und morgen werden sie wieder etwas andres wählen oder tun, und das wird ihr eigener freier Wille sein, den Er ihnen gegeben hat),  es gibt kein Rechtsmittel gegen sie (Kartellrecht?? Hugo, sofort her da, spielen kannst du später, da haben wir was für dich! Recht solo? Mir auch recht, soll das Recht halt Recht bleiben, das Recht müssen wir nicht einmal zurückweisen oder gar brechen, wir brechen irgendwas vom Zaun, da fällt uns keine Latte aus der Krone!), kein Einspruchsrecht, keine Berufung, denn die Kronenzeitung ist unberufen die mächtigste Instanz in diesem Land, und die WAZ , der Herr Schumann, ist ihr Prophet. Es paßt mir gut in den Kram, daß von diesem Herrn kolportiert wird, er sei nicht so ganz glücklich gewesen mit diesem Temelin-Begehren, na, das paßt doch. Er ist vielleicht nicht zufrieden, aber er muß zufrieden sein, in Deutschland hat ihn niemand zur Rede gestellt, was gehen uns die öden Ösis an, wenn die so blöd sind und sich das gefallen lassen, und er hat wie immer gut verdient, der Herr WAZ. Diese Zeitungsmacht kann nicht und muß nicht bestimmt werden, nicht definiert (obwohl ich das ja die ganze Zeit versuche),  na, ich kann sie noch irgendwie fassen und bestimmen, andre könnten das besser, haben es auch viel besser schon gemacht, oft, aber jetzt mache halt ich es auch, gut oder nicht, es muß einmal noch gemacht werden, bevor in diesem schrecklichen nahrhaften Brei des Kleinformats, der uns vorgekaut wurde, alles verschwindet, bevor auch ich verschwinde (vielleicht ist es ja genau das, was ich verdiene, weil ich in dieser Sache nichts zustandegebracht habe,  in dieser schrecklichen Willkür, unter deren Peitsche wir uns alle ducken müssen, verschwinden muß, nicht einmal als Gegnerin anerkannt oder gar gewürdigt, verschwinden muß als eine, auf die man nicht hört, als Nichts vor der absoluten Totalität). Also bevor mein Verschwinden als Sprechende nicht einfach nur meiner Gegnerschaft, meiner Feindschaft diesem Blatt gegenüber geschuldet ist, sondern bevor mein Verschwinden das tiefste überhaupt wird: daß ich einfach nicht nötig bin, daß wir alle nicht nötig sind. Die Macht kann uns nehmen oder auslassen oder lassen oder, das natürlich am liebsten: ausgelassen sein lassen. Auf den Schipisten und Rennbahnen, in Gameshows und Gewinnspielen. Das ist die Möglichkeit der unbeschränkten Unterwerfung der Menschen, sie ist da, und einer, der Herr Dichand, mithilfe der WAZ als dem Kolonialherren, hat sie bereits ergriffen. Es darf nur sein, was die Krone machen kann oder gemacht hat. Es kann nur sein, was Herrgott Dichand gemacht hat. Sogar die Herstellbarkeit dieser zentral gesteuerten Öffentlichkeit verschwindet, denn sie ist längst hergestellt: Sie ist. Sie muß nicht mehr geplant werden. Sie ist. Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Herrn Dichand. Und bei Herrn Schumann und Herrn Grotkamp. Vielen Dank, daß ich es einen Augenblick ergreifen und mir wenigstens anschauen durfte. Vielen Dank, daß Sie, Gott, Menschenmaterial gemacht haben, das Sie jeden Tag mit armen geschundenen Kolporteuren in die Straßen der Städte verschicken oder in einsame Ständer am Wegesrand stopfen! Danke, daß Sie uns alle gemacht haben, ohne uns überhaupt planen zu müssen. Jetzt wissen wir wenigstens, daß wir ersetzbar sind durch jeden anderen, denn die Kronenzeitung hat alle gleich gemacht, und gleich wird er sie zunichte machen, der Herr Kronenzeitungschef. Nicht einmal ganz wie er will, ohne es zu wollen, er braucht nichts zu wollen. Er ist. Er ist Gott, bei dem das Wort ist. Und dort bleibt es auch.

 

Hans Dichand / Photo: News / Paul Schirnhofer

 

Der Aufsatz erschien in einer gekürzten Fassung am 9.3.2002 in der Süddeutschen Zeitung

siehe auch

 

Nachtrag am 20.6.2009

 

Nachschrift, P.S., obwohl schon kaum jemand die Schrift interessiert hat:

Inzwischen ist vieles davon überholt, manches mehr, manches weniger, und die Kronenzeitung hat sich mit Hilfe von Politikern auch schon selbst überholt. Schauen Sie, grad kommt sie uns und sich selbst entgegen, daher wird auch ihr Herausgeber Entgegenkommen zeigen. Er muß nicht selber kommen, er kann das Entgegenkommen eben auch nur zeigen. Oder ist sie das gar nicht, unsere Zeitung? Sie schaut so komisch aus, trägt ein anderes Gesicht, sie trägt sogar zwei menschliche Gesichter, sie trägt einen Januskopf, nein, das wäre zu billig, zwei Gesichter auf einem Kopf, eins nach vorn, das andre nach hinten gerichtet; zwei Köpfe trägt sie, die Zeitung, einen mit dem Gesicht von Herrn Gusenbauer (Ex-Bundeskanzler des Landes, inzwischen also schon hopp, nein, nicht hopps, zum Glück nicht) und einen mit dem Gesicht von Herrn Faymann (bewarb sich als künftiger Bundeskanzler, ist es auch geworden, wird es vielleicht bald nicht mehr sein, nicht, weil er ein andrer geworden wäre, sondern weil es ein andrer geworden sein wird, je nach Belieben des lieben Onkels Hans), aber auf der Kanzel stand keiner von ihnen und wird keiner von ihnen stehen. Von der Kanzel herab spricht jetzt nämlich der Abkanzler, also die Kronenzeitung als neue Regierung des Landes. Alles muß ihr vorgelegt werden, dann müssen sich die Politiker vor ihr niederlegen, und dann darf endlich das Volk aufstehen, hat aber zuwenig Platz dafür und fällt bei jeder Gelegenheit gleich wieder um, auf den Platz, wo die Politiker eh schon schön flach liegen und ordentlich geschlichtet sind, sind ja schlichte Menschen. Wir sind schließlich alle nur Menschen, das Umfallen und das Liegen, das liegt uns einfach. So fällt es weich, das gute Volk. Es muß ihm von der Krone aber erst gesagt werden, in welche Richtung es umfallen soll. Nicht daß es noch auf seine Politiker drauffällt oder über sie drüberfällt. Da sollen die Politiker schon selber steigen und fallen wie Winddrachen, der Onkel Hans sagt ihnen, für welche es raufgeht und für welche runter. Es wurde einst der Kronenzeitung ein offener Brief von diesen beiden genannten Politikerspitzen geliefert, von dieser Doppelspitze, nein, Spitzen werden nicht zugestellt, die Spitzen würden uns die Sicht etwas verstellen, die werden abgeschossen, abgefeuert, ohne daß sich jemand verstellt; na, mach schon!, Elfi, komm endlich in die Gänge!, ein Brief, den ich nicht gelesen habe, was aber nichts macht, ich werde ja auch nicht gelesen, ich selber bin ja auch, ohne es zu wissen: Kronenzeitung, obwohl ich sie gar nicht lese, wir alle sind es, ob wir wollen oder nicht, wir sind verhaftet; der Brief wurde also dazumals der Krone zugestellt, er ist inzwischen längst überholt, aber damals war er es nicht; es war die Krone, die ihn uns weiterstellte, die uns bestellte, was wir bestellen sollten, die wir wiederum echte Menschen darstellen, die eine echte Zeitung, wenn auch eine kleine, lesen dürfen, ein Brief wurde damals angeliefert, der bewirkte, daß einer der Politiker, Bundeskanzler, damals noch!, geliefert war, noch bevor der Brief eingeliefert wurde, nur eine Formsache, denn sein Grab hatte er sich schon vorher gegraben, der damalige Bundeskanzler, graben müssen, und der andre Politiker, der Künftige, ein Warner, nein, ein Werner, der da kommen sollte, der jetzt da ist und seinerseits schon zu graben anfangen kann, der Jesus, Sohn von Gottvater, nein, der Neffe vom Gott Onkel (so nennt der Werner ja angeblich den Onkel Hans), wurde uns von dieser Zeitung als Neffe zugestellt und wird als Wasweißich wieder rauskommen, wenn Onkel mit ihm fertig ist. Die ganze Arbeit also macht Gottes Sohn, nein, Gottes Neffe, der vorgeschoben wurde, damit er ans Kreuz genagelt werden kann, es wird immer einer vorgeschoben (er freut sich oft auch noch darüber!), damit er angenagelt und wieder abgenommen werden kann, aber man sieht dabei natürlich nur Ihn, den Herrn. Und der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen. Er hat dem Werner seine Gunst gegeben, dann hat er sie dem Hans Peter und dem Martin gegeben, und dann hat er sie wieder genommen, er hat die Gunst wieder eingesammelt und wird sie neu verteilen, mit dem schönsten Ernst der Welt, ach, hat er etwa auch einen Ernst gegeben?, kann sein, ich bin nicht auf dem laufenden, also wenn er den Ernst gegeben hat, einen Ernst für die EU (oder wen auch immer) gegeben hat, ich weiß es ja nicht, dann kann Gott den Onkel Werner wieder vom Spielfeld nehmen, und dann kann er den Onkel Erwin und den Neffen Josef hinstellen, aufstellen, einen als Bundespräsidenten, den andren als Bundesprätendenten oder umgekehrt, nein, umgekehrt wird jetzt nicht, wo kommen wir denn da hin, wenn wir auf halbem Weg jetzt umkehren?, das wird ein Weg ohne Wiederkehr, außer der Onkel Hans sagt, wer sonst noch wieder mal kehren darf, sich wieder einmal kehren darf, o je, ich komme mit dem Schreiben gar nicht mehr nach, ein so alter Mann und so schnell im Denken und Sagen, freilich, der Weg vom Denken zum Sagen ist bei ihm kurz, weil er das Sagen ja hat, da kommt das Denken dann von ganz allein, weil nur er das Sagen hat, es ist sagenhaft, daß der immer das Sagen hat, das gehört nicht ins Reich der Sage, das gehört ins Reiche des Sagens, in den Reichtum des Sagens, und das gehört alles ihm. Der Onkel ist ein ganzes Stromnetz, das Strom befördert, und das in diesem Alter! Der ist ein Verteilernetz und er hat ein Verteilernetz von armen Teufeln, die er sich dafür geholt hat, aus dem Ausland, und für die gelten andre Gesetze, die der Onkel Hans aber auch gemacht hat, die er sich hat machen lassen, jedem sein Gesetz, maßgeschneidert, und sogar die armen Kolporteure haben ein eigenes, ist das nicht super, ein eigenes Gesetz für diese armen Verteiler aus dem Verteilernetz, die da vorwärtsgetrieben werden, wie unter Strom, die Meinung Gottes, des Vaters, zu verbreiten, unermüdlich treppauf, treppab. Straße lang, Straße kurz. Da lagert die Zeitung, und in ihr ist die Meinung des Herrn gespeichert, auch wenn es die Meinung andrer Herren sein sollte, von Kardinälen, von Kanälen, aus denen sie etwas Trübes speist, von Anwärtern, Wärtern, stets Wärtern nur des Eigenen; dort lagert sie, die Zeitung, und sie ist zur Stelle für die Bestellung und Lieferung in die Haushalte. Wir müßten uns die Köpfe aufstemmen, wollten wir diese Zeitung wieder aus uns rauskriegen. Diese Zeitung kriegt selber alles raus, das steht fest, und was sie rauskriegen will, das steht schon vorher fest. Das sitzt fest. So viele Haushalte, und alle halten sich an der Zeitung fest an. Wodurch wir in Betrieb bleiben, auch wenn die Betriebe nicht mehr bleiben dürfen. Wir erfahren sogar, was Jesus will, was Gott will, was Gott Vater will und was Gott Onkel will, denn nötig ist zu hören und zu vernehmen und einvernommen zu werden (falls man nicht zu uns gehört, und wir allein gehören uns und zu uns, und nur denen, die zu uns gehören, gehört auch alles übrige), bitte, vernehmen Sie jenes, was Sie immer schon hören wollten, und dies wird immer nur so entschieden, daß nur der so Angesprochene Mensch sein kann, darf und sogar muß. Der hier Mensch ist und es bleiben darf, der hier Mensch sein und nur hier es sein darf, das ist bestimmt, das ist ihm bestimmt vom Onkel Hans so bestimmt worden. Dieser Bundeskanzler ist ein Mensch, aber das ist zuwenig. Wir brauchen einen neuen, der dann aber auch manchmal Mensch sein darf. Um Gräber auszuheben, um sein Grab selber auszuheben als Bundeskanzler, dazu ist er bestimmt, das wird er bestimmt machen müssen, sagt sein Onkel Hans, denn der nächste wartet schon, es ist ein Josef, und sein Onkel Erwin wird Bundespräsident, und wir kommen alle alle alle in den Himmel, nein, nicht alle, nur die, die der Onkel Hans hineinlassen wird, der Herr Gott wird ja schließlich noch sein Hausrecht ausüben dürfen, und er weiß genau, welche er reinläßt, nur damit aus ihnen dereinst jemand aufersteht. So. Dafür verdient er zuviel, dafür verdient er, daß uns das schön langsam zuviel wird, daß wir ihn mit nassen Fetzen hinausjagen. Wer verdient wieviel?, welcher Politiker? der Politiker, jeder Politiker, jeder Politiker ist alle Politiker, und die verdienen überhaupt alle viel zuviel, das wird ihnen immer wieder gesagt, und was sie dafür verdienen, wird ihnen auch immer wieder gesagt, nein, die Kolporteure verdienen im Vergleich dazu nur sehr wenig, dafür muß man sich die Zeitung ja auch bei ihnen persönlich vom gefährlichen Platz mitten im Verkehr abholen, falls man kein Abonnent ist. Die Abonnenten bekommen sie gratis zugestellt mit dem Verteilernetz, arme Männer in abgetretenen Schuhen, treppein, treppunter, getretene Männer, die jeden Tag zeitig in der Früh antreten müssen. Also der Brief, längst zugestellt, längst verfallen, längst an einen anderen, vielleicht nicht als Brief, aber doch schon wieder neu zugestellt, längst von einem anderen für einen anderen, alles ist eins, alles ist der Onkel Hans, alles ist er, alles ist Wurst: Es stand also in ihm geschrieben, in dem Briefe, egal in welchem, was wir zu tun haben werden, und dabei haben wir jetzt schon gut zu tun (mit Ausnahme derer, die keinen Job mehr haben), daß nämlich, nachdem die EU-Verfassung im Parlament bereits angenommen worden ist, jaja, das ist alles längst in trockenen Tüchern, daß also alle künftigen EU-Fassungen, egal welche, durch den Edelstein des Volkes gebrochen und durch eine Volksabstimmung zu ratifizieren seien. Gutes Ratifizier ist teuer. Das war und ist die europäische Zukunftmusik, das eine Land will dies, das andre was andres, Irland will das Abtreibungsverbot, Österreich will die Marillenmarmelade, und die Zeitung, welche die Regierung jetzt endgültig übernommen zu haben scheint, was will die?, aber wer oder was ist schon die Regierung!, nein, die Zeitung, die will, was sie sagt, und die sagt, was sie will, und sie sagt, wer in der nächsten und der übernächsten Regierung sein wird und überhaupt in allen Regierungen, die dem Onkel Hans folgen und uns nicht folgen werden, sie nennt den nächsten Präsidenten und den nächsten Kanzler, die Zeitung, noch bevor sich der alte Kanzler vom Schrecken erholt hat, daß er es nicht mehr sein soll, ja, diese Zeitung ist die Vorsitzende der Regierung, eine Art Überregierung (diese Zeitung muß man einfach kaufen, und wenn nicht, dann kauft eben sie einen, wir sind ja billig! Uns gibts zu Tausenden, zu Millionen! Was kriegen wir schon für uns? Nichts. So ein Bundespräsident und so ein Bundeskanzler, die sind ja viel teurer als wir! Nein, die Regierung kann man selbstverständlich nicht kaufen. Es ist auch gar nicht notwendig, das wäre eine Unart von Insichgeschäft. Es ist jetzt aber billig wie nie, die Regierung zu kaufen, denn die Regierung IST ja die Zeitung, und die Zeitung IST die Regierung), zum Glück recht klein ist sie, die Zeitung, und es ist ein winziger Schritt, dieser Übergang von Regierung zu Überregierung, in dieser kleinen Form nimmt sie in der U-Bahn, wo ihre noch kleinere Schwester gratis zu haben ist, aber im Prinzip genau dasselbe sagt, nur noch kleiner und einfacher, nicht viel Platz weg. Jetzt brems dich ein, Elfi, du hast ja schon Schaum vorm Mund, was redest du da! Du hast hier nicht das Sagen, und wenn du es dir nimmst, dann kannst du es nur gestohlen haben! Schau, aber ja, schau nur hin, es geniert sich ja eh keiner, warum sollst du dich genieren? Diese Zeitung begründet nichts als die neue Regierung, das geht ganz schnell, und jetzt begründet sie eben schon die nächste, egal, die nächste wird nicht die letzte sein, die nächste wird genau die nächste sein, dein Nächster wird zwar nicht dein Nächster sein, aber die Letzten werden auch nicht die Ersten sein, wo kämen wir denn da hin?, da kommen wir nirgendwohin, es ist unbegründet, ihr Untätigkeit vorzuwerfen, es ist immer begründet, der Regierung Tätigkeit vorzuwerfen, äh, der Regierung jemanden vorzuwerfen, der Regierung etwas vorzuwerfen, denn diese Zeitung hat sie ja bestimmt, sie ist bereits seit Jahrzehnten tätig und rege, die Zeitung, wenn auch klein, und ihr Herausgeber ist alt, aber kerngesund, wenn auch klein, ach, ich weiß ja gar nicht, wie groß er ist, Hauptsache gesund, er ist im Kern gesund, der Herausgeber, mit fast neunzig ist er noch kerngesund, das Drumherum ist ihm egal, das kann um den Kern herum ruhig und in Ruhe faulen. Das Volk soll ruhig sein, nur wenn die Zeitung es will, darf das Volk auch lauter werden. Das Volk ist das Lauterste überhaupt, und das Volk bestimmt, was in der Zeitung gestanden ist. Diese Zeitung ist der Nachweis der Richtigkeit für alles, es fehlt nur noch, daß Gesetz würde, was in ihr steht. Was in ihr steht, wird zu einer Art natürlichem Sittengesetz und dann zu einem richtigen und ordentlichen Gesetz, das endlich unter den Menschen aufräumt, den Erwin nach oben, den Josef auch nach oben, aber eine Spur tiefer, noch ein Onkel, noch ein Neffe, wir habens ja, wir haben einen unerschöpflichen Vorrat an Onkeln und Neffen, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen; nein, das fressen wir nicht länger, wir fressen nicht länger, was von dieser Regierung kommt, die Überregierung muß her, du überreagierst, Elfi!, laß es!, ob du willst oder nicht: Sie muß zu uns herunterkommen, die Überregierung aus Papier, man kann sie zerknüllen, man kann sie anzünden, aber man muß sie vorher lesen, sie muß auf uns herabkommen wie der Hl. Geist, was sie auch jeden Tag brav tut, nur die Kolporteure, die das alles austragen, die müssen so oft hinauf, die müssen rennen, dritter Stock, vierter Stock und dann die endlosen Einfamilienhauszeilen entlang, immer weiter, unermüdlich, damit die Sprache des Onkels Hans wie ein ersichtliches, wohlbegründetes, auf ihn selbst begründetes Ding den menschlichen Augen dargeboten wird, den Augen schon, aber weiter gehts nicht, höher gehts nicht, aber tiefer gehts auch nicht, selbst wenn der Appetit manchmal größer als der Magen ist und die Augen größer als der Verstand sind, weiter gehts nicht, der Herr Bundeskanzler Faymann wird sich dafür einsetzen, daß es kommt und dann weitergeht, was auch immer, es ist jetzt schon weitergegangen, und der Herr Gusenbauer kann es schon lang nicht mehr, der ist abgesägt vom gesunden Stamm, aber der Herr Faymann hat ihn für kurze Zeit zumindest vertreten können, als der Bessere, jetzt wird es Zeit, daß den einer als der noch Bessere vertritt, daß er vortritt, ein Neffe, ein andrer Neffe von einem andren Onkel, eine andre Frucht von einem andren Stamm, ein Reis, das der Onkel Hans persönlich aufgepropft hat, damit der Baum noch edler wird und wir ihn noch besser an seinen Früchtchen erkennen können, denn wenn wir ihn nicht erkennen können, wie sollen wir ihn da wählen? In diesem Zeitungsherausgeber haben wir einen, einen Primus unter uns Parias, dem es egal ist, wer unter ihm Bundeskanzler wird. Das hat er uns doch selbst gesagt. So. Gestern hat er uns gesagt, wer unter ihm Bundeskanzler wird, ein Neffe, und ein andrer Onkel wird Präsident, das steht so fest wie der Kardinal im Blatt. Bald wird er es eh wissen, der Onkel, nein, er weiß es natürlich jetzt schon, weil er es uns jetzt schon sagt, damit auch wir es wissen. Er hat es auch gestern schon gewußt, und dann hat er uns gesagt, was wir heute machen sollen. Und inzwischen ist es ja so gekommen, und bald wird es anders gekommen sein, anders, als wir denken, aber nicht anders, als der Onkel Hans denkt. Die Europapartei SPÖ ist gegen sich selber, die Europapartei ÖVP ist für sich selber und gewinnt, bitte, der Herr Martin ist auch für sich selber und gewinnt auch, die SPÖ verliert, weil sie immer für Europa war, aber es wird ihr gesagt, daß sie trotzdem verlieren muß, und da verliert sie auch schon, doch die Außenbord-Regierung Kronenzeitung, die, selber getrieben wie ein Tier mit der Gerte, uns antreibt, hat ihr etwas andres eingegeben, und statt zu kotzen, weil sie das Schaukeln nicht verträgt, ist diese Ex- und Hopp-Kanzlerpartie zur Kronenzeitung und die Kronenzeitung zur Regierung geworden, zur Über-Regierung, zur Regierung der Regierung, also jetzt überreagiere ich ja schon wieder. Ich schnappe noch über! Jetzt bin ich schon übergeschnappt. Danke, daß Sie es mir sagen! Ich bin nicht eingeschnappt deswegen, ich bin nur übergeschnappt. Macht nichts. Es ist ja nur bei mir zu Hause, wo ich bin. Keiner sieht es, der es nicht sehen will. Man muß es sich holen. Ich bin keine Zeitung. Die Zeitung hingegen begründet etwas als Nachweis seiner Richtigkeit: Wir brauchen Volksabstimmungen, weil wir das Volk sind, und das Volk hat immer recht, und es stimmt so ab, wie es die Zeitung ihm sagt. Sonst bringen die ja nie was zustande! Sonst bringt niemand etwas zustande! Normalerweise ist niemals eine Begründung Nachweis der Richtigkeit, hier aber schon, egal, was überhaupt begründet wird, denn was begründet wird, die Fakten, die schafft die Zeitung auch selbst. Das schafft die auch noch! Dichand dixit. Und eine Begründung, die eine falsche Wahrheit verbreitet, greift über sich selbst hinaus und auf Menschen als Material zurück, die vergessen haben, wer oder was sie sind. Sie müssen es aber auch gar nicht wissen. Die Zeitung sagt es ihnen ja. Sie nimmt das, was sie schafft, die Menschen und deren Meinungen, als bare Münze, aber nicht für bare Münze, denn sie prägt selbst, sie prägt uns selbst, sie hat die Meinung geprägt, und jetzt kann sie sie (und uns!) als ihre Währung ausgeben. Parole Volksabstimmung. Nein, heute schon wieder andre Parole. Parole Martin. Parole angenommen. Martin durchgewinkt. Sein Blinker blinkt ja sogar noch, obwohl er gradeaus und graden Wegs weiterfährt. Dem Volk wird mit dem Zaunpfahl gewunken, und der Pfahl winkt dem Volk zurück, o je, hab ich Sie getroffen?, das tut mir aber leid! Ich kann nicht anders, ich werde als Pfahl geschwungen und komme als Keule wieder runter, sagt der Neffe. Dabei wollte er nur mit dem Zaunpfahl winken. Es hat aber keiner gesehen. Ohne zu fragen greifen wir auf eine Meinung zurück, die jetzt schon unsere ist. Danke, daß wir sie überhaupt bekommen haben! Es haben sich noch andre um diese Meinung beworben, doch es gab sie schon! Zu spät! Es gibt die Meinung immer schon, bevor wir sie haben können. Zu dumm! Aber wie kämen wir zu unserer Meinung, wenn es sie nicht schon geben täte? Es ist also vielleicht falsch zu sagen, die Kronenzeitung wäre eine Art Überregierung, richtig ist vielleicht: Wir alle sind eine Kronenzeitung, ein Anschein von Zeitung, denn eine andre Meinung als diese haben wir nicht, weil wir gar keine mehr kennen dürfen, und die keiner Meinung sind, oder die nicht der Meinung dieser Zeitung sind, die fallen nicht mehr ins Gewicht. So machen Feige ein Gewissen für uns alle. So und so ähnlich sagen es Ex- und Hopperlakanzler und der Hoppaufkanzler unter der Überregierung, ein Werner Faymann, diesen Namen werden wir uns nicht merken müssen, denn er wird ja jeden Tag von unserer Oberregierung (die sich nicht zu Unrecht die Krone nennen läßt, das Oberste, drüber ist nichts mehr, denn Gott ist sie auch, und zwar in der ehrwürdigen Gestalt ihres Herausgebers, das haben wir bereits nachgewiesen) aufs neue proklamiert. Und da sind auch schon neue Namen proklamiert worden, die wir nicht auswendiglernen müssen, weil wir sie schon aus der Zeitung kennen und morgen jemand andren kennenlernen werden. Wir haben sie schon lange erfahren, und wir werden gut mit ihnen fahren. Aber wenn nicht, dann werden sie uns schon noch kennenlernen! Wir sind das Volk mit der Krone. Wir sind der Souverän, aber souverän sind wir deswegen noch lange nicht. Da gibt es keinen Widerspruch, denn was Gott und die Krone sagen, das kann man nicht widerlegen. Es ist ja geschrieben, um nicht widerlegt werden zu können.

Da legst di nieda!

 

20.6.2009

 


'Leserbrief' in der Wiener Kronenzeitung



"Nicht ohne Krone"
Fam. Dichand und Pröll bei Sonnwendfeier
(Foto: Der Standard)

 

 


Dem Faß die Krone aufsetzen © 2002 / 2009 Elfriede Jelinek

 

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