Dem
Faß die Krone aufsetzen
Titel
der "Neuen Kronenzeitung" vom 15.3.1995
Nach
Hannah Arendt sind totalitäre Bewegungen überall dort möglich,
wo Massen existieren, die aus gleich welchen Gründen nach politischer
Organisation verlangen. Die eine Hälfte der eh schon sehr kleinen
Masse der Österreicher verlangt was für sich, sie wollen sich
als kleine Münzen zurückbekommen, damit sie nach Mehr aussehen,
und sie bekommen es auch immer, damit diese Hälfte weiß, daß
sie es gewollt hat und was die andre macht, die andre Hälfte. Das
heißt das, was sie bekommt, wird zu dem, was sie verlangt, diese
Landmasse mit den kompakten Bergerln und feste Tritte verabreichenden
Talsohlen von Vibram, nur anders verbrämt: Sie scheint nach einer,
der Kronenzeitung zu verlangen. Die Menschen halten sich für gescheit,
obwohl sie nicht immer ganz gescheit sind, und sie wollen sich wenigstens
beim Lesen so gescheit fühlen wie sie sind. Das wird ihnen also zugeteilt.
Es wird ihnen ihr Futter zugeteilt, das sie fressen müssen, und
sie sollen glauben, sie bekämen das, was sie so gescheit macht wie
sie ohnedies schon zu sein glauben. Ich will mich keinesfalls über
diese Menschen erheben, ich habe keinen Grund dazu, ich bin für mich
genügend intelligent, aber für keinen sonst, und ich selber
bin schon ziemlich anspruchslos. Die andern sinds hoffentlich auch, denn
sie betreffen sich selbst und alles andre soll auch nur sie selbst betreffen.
Was andre betrifft: Die sollen ordentlich getroffen werden, ein paar Kugeln
haben wir schon noch übrig für diese Künstlerschweine und
Politikertrotteln und Ausländerbagage, weil man solche Leute in Wirklichkeit
nie zu treffen wünscht. Oder nur, um ihnen um die Ohren zu hauen,
was die Krone über sie gesagt hat. In meinen Augen werden diese Menschen
aber, die zur Lese in den Bierberg der Krone getrieben werden, indem
sie bekommen was sie nicht verdient haben, für das sie aber trotzdem
gearbeitet haben, von diesem Geschmiere bedient, bis sie wirklich bedient
sind, ohne es zu ahnen. An den Gedanken, die diese kleine Dreckschleuder
abschießt, sind immer so schrille Glocken montiert, sodaß
man gar nicht mehr hört, was andre vielleicht auch mal sagen wollen.
Die Massen lesen die Kronenzeitung, das heißt, sie hören sich
selber beim Denken zu, ohne zu ahnen, daß man ihnen nur gibt, was
sie je, immer schon gedacht haben, im Gegenteil, sie freuen sich, daß
es welche gibt, die sagen, was sie immer schon gesagt haben, nur besser,
schneller, schwärzer, und damit wird der Prozeß des Denkens
abgebrochen, noch ehe er beginnen kann. Die Früchte des Lesens gehören
eigentlich den Lesern, aber diese speziellen Leser, diese Erntehelfer,
haben die Früchte, bevor sie sie lesen konnten, auf den Baum gehängt,
damit sie sie dann herunterholen können. Eine ganz besondere Dienstleistung!
Wie haben sie sich nach der Decke strecken müssen, um etwas zu finden,
was noch keiner gefunden hat! Millionen haben es jetzt! Sie haben den
Durchblick. Als einzige.Da sind Dunkelmänner, entsetzliche Wesen,
schwarze Glöckner ex Kathedrale von Notre Seigneur, die ihnen die
Lese-Früchte in die Hand gegeben haben, damit sie immer grad hoch
genug für sie hängen. Manchmal glauben die Menschen sogar, sie
müßten sich anstrengen, um das zu lesen, aber dann haben sie
was fürs Leben, weil es aus diesem, immer ihrem, Leben gegriffen
wurde, am Nacken. Sie glauben dann, so weit wie sie reicht keiner hinauf.
Sie sind die Größten, das sagt man ihnen ja, und sie müssen
es nicht einmal selber sagen. Sie sprechen sich selbst und aus sich selbst,
sie sind andere, und die sprechen. Sie sagen sich auf. Eine Agentur des
gesunden Volksempfindens sagt es ihnen mit klingendem Fröhlichkeitsspiel,
mit dröhnenden Publikumsspielen, mit Geistlichen, die ihren Mief
verbreiten, mit Titten, die einem ihre Gesundheit wie Milch ins Gesicht
spritzen, daß man grad nur den Mund zumachen kann, sonst regnets
einem ins Hirn, auf Seite drei, glaub ich zumindest, nein, es ist die
Seite sieben (in der Gratisversion für U-Bahn-Fahrer auf Seite 1)
oder so geschieht das jeden Tag, der greise Herausgeber selbst sucht die
Nackerten aus, die sich ihm und seinem Beifall beugen wie alle, nein,
nichts Krankes gibt es hier. Er wird die nächste Regierung aussuchen
(bei der letzten hat es noch nicht ganz geklappt, und jetzt ist er böse
deswegen), er wird die nächsten Politiker aussuchen, und er wird
die passenden Haustiere und Frauen dazu aussuchen, er hat ja auch selber
einen lieben Hund, und wie der folgt! Was der kann, können die Politiker
schon lang, man muß ihnen halt ein bissel helfen, bis ihre Waden
nach vorne schauen, wo es vorwärts geht, denn wir müssen zurück.
Da werden wir uns alle aber freuen! Und es gibt eben diesen greisen Herausgeber,
dem es ein Leichtes ist zu sprechen, und er spricht ja immer zu der halben
Bevölkerung. Es spricht ja auch immer die halbe Bevölkerung
aus ihm und zu ihm zurück. Sowas nennt man Echo, falls eine feste
Burg in der Nähe ist oder ein Fels. So und so ähnlich ist das
bei uns daheim. Die Österreicherwelt beruht auf keinen Parteien,
sie beruht auf der Kronenzeitung und dem Villacher Fasching, vielleicht
beruht sogar der Villacher Fasching auf der Krone, die einem die Zähne
ausschlägt, bevor man noch das Faß an die Lippen setzen konnte.
Hannah
Arendt sagt auch, der Ausdruck Masse sei überall da zutreffend, und
nur da, wo wir es mit Gruppen zu tun haben, die sich, entweder weil sie
zu zahlreich oder weil sie zu gleichgültig für öffentliche
Angelegenheiten sind, in keiner Organisation strukturieren lassen, die
auf gemeinsamen Interessen an einer gemeinsam erfahrenen und verwalteten
Welt beruht. Da sind Interessenverbände, Parteien, Organisationen,
Berufs- und Standesorganisationen etc., und in irgendeine dieser Organisationen
paßt immer ein Teil der Bevölkerung. Aber bei uns daheim passt
die halbe Bevölkerung in eine einzige Organisationsform, und das
ist die Kronenzeitung. Normalerweise schweigen diese Leute und versuchen,
ihren Interessen gemäß zu leben. Aber hier schweigt die Hälfte
der Menschen nicht, niemals, sie beruhen darauf, daß sie niemals
schweigen; aber es wird ihnen gesagt, was sie dann noch zu sagen haben,
nachdem ihnen gesagt worden ist, was zu sagen war und was endlich einmal
gesagt werden mußte. Schon recht. Schon gut. Nicht viel, denn es
wird ja für sie gesagt, indem man ihnen vorspielt, sie hätten
es schon viel früher und von ganz alleine gesagt. Die Krone übernimmt
das Sagen, weil sie es hat, indem sie den Menschen mit ihrem unaufhörlichen
Sprechen den Mund schließt. Wenn die Krone für sie zu sprechen
scheint, müssen sie das nicht mehr tun, obwohl sie es immer schon
gesagt haben. Sie lädt die Menschen, indem sie ihnen ihre politischen
Interessen, von denen sie unaufhörlich spricht, gleichzeitig nimmt,
sie also politisch enteignet, mit Sinn auf, die Krone, mit Sinn, der aus
ihnen förmlich zu quellen scheint, und gleichzeitig apathisiert sie
sie. Gerade die Uninteressierten, die Mehrheit also, wird hier zu einer
Horde, einer Meute, einer Hetzmeute von Uninteressierten (das schönste
Anliegen der Menschen: uninteressiert sein, aber bereit, die Finger in
die Sinn-Steckdose zu stecken, bis ihnen die Haare zu Berge stehn), aufgegeben
von der Politik und gleichzeitig von ihr umworben, aber es ist nicht Politik,
was sie umwirbt, es ist eine Zeitung, die Politik macht, Politik IST,
indem sie die Unpolitischen auf ihr Zeitungsaugenmaß zurechtklopft.
Bis die Leser bereit sind, diese Propaganda als ihre eigene zu akzeptieren,
ich meine die, die sie selber propagieren und die nur ihnen nützt.
Sie haben ja nur sich und halten sich daher für das Wichtigste, geeignet
überall versprüht und verbreitet zu werden wie das neueste Sonderangebot
vom Drogeriemarkt. Die Kronenzeitung sagt, Politik verdirbt die Menschen,
sie brauchen sich jetzt aber gar nicht mehr um diese Politik zu kümmern,
das übernimmt diese liebe gute Zeitung ja für sie, sie nimmt
ihnen das Politische ab. Nicht indem sie Politik für sie macht, sondern
indem sie Politik an ihrer statt und daher (angeblich) ganz besonders
und ganz allein nur für sie macht.
Gegen
diesen in der westlichen Welt einmaligen Grad an Pressekonzentration,
der die Menschen verdorben hat, bevor sie noch reif gewesen wären,
selber zu bestimmen, was sie anbauen wollen und wo, indem sie so lange
bearbeitet wurden, bis sie ihre eigenen Interessen, die sie ja ohnedies
jeden Tag vom Kleinblatt ablesen konnten, gut vertreten sahen, ohne daß
sie je irgendwo wirklich vertreten worden wären (Entpolitisierung
durch Politisierung, also die Wandlung ursprünglich interessierter
Menschen in uninteressierte, denn sie scheinen ja jeden Tag ohnedies zu
bekommen, was sie gar nicht verlangt hatten, aber zu verlangen gehabt
hätten, eine dumpfe Feindseligkeit also gegen über allen politischen
Institutionen, denn die eigentliche ganze und einzig richtige Wahrheit
sagt die Krone, und die sagt der, unser Jörg H. auch, der euch nie
belogen hat, genau wie die Krone, die beiden sind eine Symbiose, obwohl
oder gerade weil sie nicht immer an einem Strang gezogen haben, zumindest
scheinbar nicht) , die Zeitung also als Einheitspartei für alle und
alles, egal was die andren Parteien sagen oder für wen sie sich einsetzen.
Das ist das Ende der Demokratie, zumindest für die eine Hälfte
der Bevölkerung eines Landes, indem es das Ende der Verpflichtung
der Bürger ist, ihre Interessen wahrzunehmen (oder an ihre Vertretungen
zu delegieren), es ist der Beginn der Herrschaft der indifferenten Masse,
die alles bekommt was sie ausmacht, indem sie nichts bekommt, und das
scheint niemand etwas auszumachen. Diese Masse kann jetzt hierhin und
dorthin geschoben werden, ganz wie es dem Spieler am grünen Tisch,
demHerausgeber gefällt. Er hat ein kompaktes Menschenpaket aus der
halben Bevölkerung geformt, ein wahres Prachtstück, einen Humpen
Mensch, aus dem er säuft (a hunk, einen Kanten Bevölkerungsbrot,
von dem er abbeißt, aber er sagt, es kommt von ihm, das Brot, er
hat es gebacken, mehr noch, in einem quasi religiösen Akt als seinen
Leib hingehalten, er hält den Rücken für alle hin, weil
er ist wie alle, und so müssen alle tun was er sagt), ihren Beifall
braucht er nicht, er fürchtet sich vor keinem Gespräch, denn
Gespräche führt er nicht, er spricht mit sich selbst, und mit
sich spricht er zu allen und streichelt seinen Hund dazu. Nein, Macht
will er nicht, die hat er ja schon. Er kennt keine Gruppen mehr, er kennt
keine Hierarchien, keine Interessen, keine Klassen oder Schichten, er
kennt nur mehr die Masse, die er selber zum Teig gerührt hat, und
er ist sie, diese Masse, er ist er selbst in ihr, er hat sie seit Jahrzehnten
geformt nach seinem Ebenbild. Und deswegen rührt er schon wieder
den Kuchen an, er hat ja immer geschmeckt, das Rezept hat sich bewährt.
Er ist Gott, er könnte daher andre rühren, und deswegen darf
Gott auch mit seinem Kosenamen Christianus zu uns sprechen. Gott spricht
in seinem Sinn, sonst hätte das Herausgeben ja gar keinen Sinn, wenn
ein andrer einfach was andres herausgeben dürfte. Der Herr Gott wird
aber rasch durch Cato, den Denker, oder Aurelius, den Römerbrief,
abgelöst, der uns sagt, ob Christ oder nicht, auch das ist egal,
schließlich sind auch Nichtchristen unter uns, sie sollten es aber
nicht sein, und es kommt nicht und nicht der Moment, wo diese große
Menge Menschen sich von diesen Prachtstückeschreibern nicht mehr
vertreten fühlen und gegen sie aufbegehren würde. Dieser Moment
des Aufbegehrens kann nicht kommen, weil das politische Leben durch diese
Zeitung zu einem unaufhörlichen künstlichen Aufbegehren gemacht
wird, zu einem Hochpeitschen und Hochgepeitschtwerden, als wäre die
Menge ein Meer, und die Zeitung die Ketten, mit denen blöd herumgepeitscht
wird (eigentlich wird nur umgerührt), nur daß diesmal die Zeitung
es aushält wie das Meer und die Menge zunichte, zu Nichts wird. Sie
wird in ihrer Meinung scheinbar vertreten, indem ausgesprochen wird, was
sie, die Menge, denkt, indem dem Volk aufs Maul geschaut wird, aber die
Menge wird dabei in Wahrheit zu Asche. Die Menge rinnt sich selbst durch
die Finger. Vorher darf sie aber noch ordentlich brennen, für etwas,
und das kann sehr gefährlich werden. Besser, die Menge würde
zu Asche, ohne vorher für etwas gebrannt zu haben. Ich kann nichts
gegen diese Zeitung machen. Viel Bessere als ich haben ihr halbes Leben,
in dem sie anderes, Besseres verdient hätten, im Kampf gegen diese
Zeitung gegeben, zu ihrer eigenen Seligkeit wäre das doch nicht nötig
gewesen! Aber sie haben es getan. Ich verbeuge mich vor ihnen. Sie mußten
es offenbar tun, aber es hat nichts bewirkt. Soviel Intelligenz- und Kraftverschleuderung
im Kampf gegen Schlamm, Gatsch, Dreck, die alle bekanntlich immer ausweichen,
wenn man gegen sie tritt oder in sie tritt. Ach, der Herr Quark ist ja
auch da, willkommen! Es war alles umsonst. Können sich und uns und
euch nicht helfen.
Zweiter
Teile
und herrsche: Die Deutschen. Die Anteilseigner. Die die Hälfte besitzen.Die
WAZ. Jetzt sind Sie dran!
Der
Herausgeber sagt also, er streichelt lieber seinen Hund als Macht auszuüben
. Er scheint die Macht zu seiner privaten Seligkeit nicht nötig
zu haben, er ist auch so selig, wenn auch kein seliger Geist. Wer könnte
sich in seiner Gesellschaft je langweilen? Also Macht hat er nicht und
will er nicht und braucht er auch nicht, wie er angibt. Na, angeben muß
er auch nicht. Aber dieser Krake von Zeitung kann nicht anders, er bemächtigt
sich aller Dinge, die unter ihm sind, das heißt er muß sich
all dessen bemächtigen, was ist. Er ist der Weg, und er ist die Gestalt,
die den Weg beschreitet, der Krake; und er ist der Gang, der seinen eigenen
Weg geht, und der Weg, der seinen eigenen dunklen Gang entlang geht,
und der Dichand-Krake geht ihn entlang, der Weg ist unter ihm zum einzigen
Weg geworden, den alle gehen sollen. Danke, daß er uns diesen Weg
gezeigt hat, er hätte ja nicht müssen. Er mußte sich dafür
nicht überwinden, er mußte gar nichts machen, er macht ja
gar nichts, und daher muß er die Macht ja wirklich nicht ausüben,
da er sie ja hat, er muß sie nicht üben, er muß sie nicht
ausüben, er hat sie, er hat sich dafür ermächtigt, daß
diese Macht eine unbedingte sein soll. Ihr Wesen kann man nicht treffen,
es ist oft versucht worden, die besten Kolumnisten schreiben, wie gesagt,
jeden Tag darüber, manche nur einmal die Woche, weil ihre Zeitung
halt nur einmal die Woche erscheint, aber sie haben beinahe nur dieses
eine Thema, diese Besten, und das ist die Macht dieses angeblich Machtlosen,
der seine Macht, da er sie ja unbedingt und absolut hat, nicht verteidigen
muß, gegen wen denn? Wie soll man ihr Wesen treffen? Wir treffen
dieses Wesen jeden Tag, man kann ihm ja gar nicht ausweichen, aber wir
treffen den Kern seiner Totalität nicht. Da kommt etwas seltsam Diffuses
hinein, denn wie kann ein Idiotenblatt, ein Sammelsurium aus nackten Frauen,
christlichen Traktätchen, demagogischem Geschwätz, pseudo-lyrischer,
fetzengereimter Hetze gegen alle und jeden (Herr Wolf Martin, unser braver
Alltagsdichter) wirklich Macht haben, da hat er ja echt recht, der Herr
Herrausgeber? Diese Macht, dieser Machtschlamm, dieser Machtbrei, den
wir fressen sollen, wird ausgeübt, indem sie eben keine Ziele hat,
aber Ziele vorgibt, und die einzige Zielsetzung besteht in dieser Ermächtigung
ihrer selbst, in der sie sich, auch immer nur selbst, behauptet. Also:
Indem die Krone ist, ist sie mächtig und ist sie alles, was ist.
Was daneben ist, die Lebenskraft hunderter Menschen, die gegen sie ankämpfen,
ist nichts, schadet nicht, nützt nicht. Man kommt gegen die Kronenzeitungsmacht
nicht an. Sie ist abstrakt, bleiern, diffus, diese Macht, wie sie eben
tautologisch ist was sie ist, und mehr kann man nicht sein, und mehr kann
man nicht von ihr verlangen. Ich bin die Todfeindin dieses Herausgebers,
aber nützt das mir oder schadet das ihm? Er zieht an mir vorbei,
und seine Spur ist so breit wie das ganze Land. Ein Gespenst, überall
verbreitet, ein Gespenst, überall sein Unwesen ausbereitend wie Flügel
und Dinge vorbereitend, die uns alle längst gezeichnet und das Land
zerstört haben, selbst wenn wir diese Zeitung gar nicht lesen. Man
kann sich ihr nicht entziehen. Das ist ein bereits abgeschlossener Vorgang.
Das Gesicht dieser Macht ist schrecklich, und trotzdem müssen wir
es anschauen, denn es gibt faktisch kein andres. Und für die Ausübung
dieser Macht braucht der Herr Herausgeber in der Öffentlichkeit die
Ausrufung von Zielen, die er selbst bestimmt, und er sagt den Seinen,
lachenden Munds wie der Tod selbst, dem ja überhaupt alles egal ist,
was sie zu denken und zu tun haben, und sogar was sie zu meinen haben,
damit sie die Seinen bleiben. Das ist nicht einmal Heuchelei, weil er
sich selber nicht an seine Vorgaben hält. Oder vielleicht hält
er sich sogar daran, es ist gleich, er kann sich selbst daran halten oder
nicht, die andren aber müssen es. Es bleibt ihnen nichts anderes
übrig. Da kann man sich über ihn entrüsten, da kann man
gegen ihn rüsten, da kann man versuchen, sich zu retten vor seiner
umfassenden Demagogie, es nützt alles nichts. Er ist so mächtig,
daß seine Macht Macht ist, indem man sie nicht befragen kann. Er
befragt das Volk, allein indem er es glauben macht, es würde befragt.
Sie ist es, die befragt, diese Zeitungsmacht, aber sie will, sie muß
nichts erfahren und nichts wissen. Sie muß auch nicht antworten,
die Macht. Na ja, sie kann eben zum Beispiel das Volk befragen lassen.
Sie kann das ganze Volk dazu aufhetzen, ein sogenanntes Volksbegehren
gegen das tschechische Atomkraftwerk Temelin zu unterschreiben –
und sich danach noch öffentlich damit brüsten, für ein
paar hunderttausend Stimmen mehr gesorgt zu haben, die die Rechte allein
nicht hätte mobilisieren können - , und sie kann dieser extremen
Rechten, die in Österreich in der Regierung sitzt, damit noch ein
paar hunderttausend Stimmen zutreiben wie Vieh, und sie kann diese Stimmen
auch wieder wegnehmen und das Vieh schlachten, das eben noch mit einer
Unterschrift sein Herzblut gegeben hat, egal. Nichts kann man vor ihm
retten, vor dem Herrn Dichand. Er braucht diese Ziele für seine Macht,
oder er glaubt sie zu brauchen, da die Macht ja eben die Eigenschaft hat,
einem zu gehören oder nicht, und ihm gehört sie bereits, und
indem er einmal das eine Ziel vorgibt (Ausverkauf unsres schönen
guten Wassers!) und ein andres Mal ein andres Ziel (Tschechen nicht rein
in die EU, wenn sie dieses gemeine, gefährliche und gemeingefährliche
Kraftwerk nicht zusperren) und ein drittes Mal Ausländer raus und
ein viertes Mal Haider rein und Kanzler Schüssel raus, egal welches
Ziel, indem er also diese Ziele kraft seiner Macht vorgibt, sogar der
Politik vorgibt (die er aber auch selber gemacht hat, und wehe einem,
der unautorisiert nach einem Stuhl greift, auf den er nicht gehört!
Wir wissen, was mit dem passiert! Er wird vielleicht noch Bundeskanzler,
aber er ist ein lebender Toter), allem vorgibt, was da ist, drängt
sich dieses Macht aus ihm heraus und ist überall, sie ruht auf allem.
Ja, die liebe Macht, sie darf ruhen, und wir müssen uns abstrampeln!
Egal, welches Zeitungsblatt auch fällt:Sie ist in allem, und die
andren Blätter gibt es nicht. Zuerst ist die Macht, aber nachträglich
sind diese Ziele da, die den Leuten vorgaukeln, sie könnten an dieser
Macht teilhaben, die aber der Herr Dichand alleine hat und behält.
Aber
da sind welche, die partizipieren daran, das heißt, sie verdienen
gut daran. Und zu denen komme ich jetzt auf meinen leichten Laufschuhen,
ganz recht, es ist der deutsche WAZ-Konzern, und der ist eine Agentur
der Kolonialisierung des Nachbarlandes Österreich. Die United Newspaper
Company für die Hinterhof-Latrine Österreich. Und auf diese
Leute will ich jetzt mit dem Finger zeigen, und die will ich anklagen,
und wenn es das letzte ist, was ich tue. Das ist das einzige, was ich
bisher gegen die Kronenzeitung noch nicht unternommen habe.Diese Herrn
Unternehmer Schumann und Grotkamp oder wie sie alle heißen, die
sind unternehmungslustiger als ich, und sie haben auch Grund, allein immer
nur lustig zu sein, sie haben diese schäumenden, hartgespültenPferde,
die über uns hinwegtrampeln, diese temperamentvollen Tiere, die haben
sie mit eingespannt. Ihnen gehört die Hälfte, den Herren von
der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Sie sind die Hälfteeigner
der Kronenzeitung, und sie sind mitschuld, ob es ihnen gefällt oder
nicht, aber es gefällt ihnen natürlich, denn sie verdienen viel
Geld damit, daß sie ein Nachbarland in einen komfortablen Abort
(leiser Sirenengesang ertönt, damit man ein paar Sachen, die niemand
hören will, nicht allzu genau hört) verwandelt haben und die
Hetze unerbittlich weiter vorangetrieben wird gegen das andre Nachbarland
Tschechien, das wir ja schon einmal verwüstet haben. Warum sollen
wir es nicht noch einmal fertig machen, bevor es uns mit dem Atom fertigmacht?
Sie sind die Profiteure der Volksverhetzung und –verdummung, der
Entdemokratisierung, der fortschreitenden Entropisierung eines ganzen
Landes, die WAZ-ler. Und sie wollen weitermachen. Bis alles und jedes
Kronenzeitung ist, das Maß der Unordnung das größte Ausmaß
erreicht hat. Bis die Unordnung in der Ordnung herrscht. Das alles kann
all diese Jahre nicht wider Willen geschehen sein, und die deutsche Öffentlichkeit
mit ihrer vielfältigen Meinungs- und Zeitungsvielfalt soll es von
mir aus hier noch einmal erfahren. Jetzt gibt es schon Kaffee, Orangensaft
und Bananen von Transfair, nun sollen sie vielleicht einmal fair auch
zu Österreich sein, das kann man verlangen, auch wenns nichts bringen
mag. Auch wenn nur noch der heilige Nikolaus was bringt und eventuell
der Osterhase. Wenn wir keine Turnschuhe kaufen, keine Teppiche, keine
T-Shirts, die zu Dumpingpreisen von irgendwelchen armen Kindern in der
Dritten Welt gefertigt sind, dann kann man auch Österreich nicht
einfach mit dem ganzenDreck zumüllen, den die Kronenzeitung mit
dem Kapital der WAZ verbreitet. Na, man kann schon.Die WAZ hat nicht
kämpfen müssen, um uns zu kolonialisieren und geistig zu unterjochen,
sie hat nur kaufen müssen, eine internationale Leidenschaft, und
die Deutschen sind politisch schwach, aber reich, auch meinungstechnisch
reich, aber nein, die Hälfte der Krone haben sie gekauft, das ist
ein ziemlich risikoloser Profit, Presseförderung kriegt sie vom Staat
auch noch, aber mit dem Finger auf andre zeigen, die angeblich etwas
vom Staat bekommen, das ihnen nicht zusteht, darin sind sie groß,
und dafür haue jetzt ich sie hier in die Fresse, während sie
ihre Krone noch ganz fest halten. Sie werden sie meinetwegen nicht loslassen.
Wer bin ich schon? Ich bin niemand. Mir ist ganz wurscht, was dabei mit
mir passiert. Ich bin ja niemand. Die WAZ kann von mir aus hinter der
Kronenzeitung herrennen und ihre Brosamen aufklauben und sich den Dreck
in den Mund stopfen, den sie fallen läßt, die Kleinteilzeitung,
die Herren von der WAZ können das alles aufheben, denn das, was da
geschissen wird, ist Geld Geld Geld, die können sich darüber
kaputtlachen, wie die Kampagnen dieses kleinen Blatts von Tag zu Tag,
von Woche zu Woche wechseln, wie sich arme Leute, die vielleicht etwas
ganz andres vorhätten, daran abstrampeln, diese Schweinereien aufzuzeigen,
und es ist doch schon längst die nächste Schweinerei in Gange,
man kommt einfach nie nach, weil keinerlei Moralität dahintersteckt,
sowas brauchen wir schon gar nicht. Die Moralisten und Gutmenschen können
scheißen gehen, aber bitte auf den kleinen Haufen dort drüben,
den wir nur in Augenschein nehmen, wenn wieder einmal Zeit für ein
Gedicht sein muß, denn soviel Zeit muß sein. Jede Gegnerschaft
zur Krone wird zur schalen, billigen Entrüstung, wird lächerlich,
gutmenschenhaft (für die Gutmenschen haben wir doch längst was
viel besseres, da haben wir den Herrn Pissoff Christianus, und mehr Güte
ist unnötig, das ist grad ein Kastel auf einer Seite, mehr brauchen
wir nicht, aber die Guten bedienen wir halt auch, obwohl wir auch sie
nicht brauchen, jedoch benötigen wir die Bösen genausowenig,
außer vielleicht für den hübschen Spruch Schwanz ab, Rübe
ab. Jeder Kampf gegen diese Zeitung, wie ehrlich und herzbluthaft er auch
geführt werden mag, verliert sich auf seinem Weg, verliert sich selbst,
denn dieser Krake duldet eben keine Hinterfragung, einfach deshalb, weil
er sie nicht braucht. Und was er nicht braucht, das braucht er auch gar
nicht erst zu dulden. Das ist halt da, aber es stört ihn nicht weiter,
weil es ihn nicht zu stören braucht. Es ist, als wäre das die
Macht Gottes als die Macht des höchsten Seienden. Dichand ist Gott,
das sagt nicht Christianus, der das nur denkt, das sage ich, die das weiß,
aber nicht lenkt. Und die WAZ ist seine Mitprofiteurin, die Mitspielerin,
und ich klage sie hier an. Spaß macht mir das keinen, aber ich
muß.Was soll ich denn retten, was will ich retten? Ich weiß
es nicht, da ja nichts zu retten ist, wo alles mit Schleim überzogen
worden ist, seit langem, wie in einem Sci-Fiction- Film, der Schleim von
Aliens, aber fremd sind die nicht, die sind ja wie wir, also im Film
sind sie oft wie wir, aber sie sind nicht wir. Egal, sie sagen uns, sie
sind wir, und wir fallen drauf rein. Dann schlagen wir eine Zeitung auf
und finden Worte, die angeblich von uns sind, aber wir kennen sie plötzlich
nicht mehr. Es kann uns bewiesen werden, daß sie trotzdem von uns
sind und jederzeit gegen uns verwendet werden können, aber zum Glück
wollen wir sie genauso haben wie sie sind. Wir könnten uns in ihnen
ja sonst nicht wiedererkennen. Und wir können uns von uns nicht mehr
unterscheiden, jedenfalls sind diese Wesen wie von einem andren Planeten:
sie sind unzerstörbar. Und die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, der
gehört das alles zu einem gleichen Teil. Ich will das hier sagen,
ich habe mich selbst dazu ermächtigt, und mehr als mich selbst habe
ich nicht, obwohl ich sicher andere auf meiner Seite habe, ich lese sie
ja auch jeden Tag. Das ist eine Aufgabe, die wir uns jeden Tag stellen,
aber dem steht entgegen, daß wir neben dieser Zeitung nichts sind
und nichts zu sagen haben, gerade indem wir dauernd etwas sagen dürfen,
egal wo. Die sind das gewohnt, daß jemand etwas gegen sie sagt,
es bleibt wie nicht gesagt. Wir sind, glaube ich, ungeschickt, aber wir
können gar nicht geschickt sein. Sie brauchen sich nicht rechtzufertigen,
sie haben sich selbst ja so zurechtgefertigt, daß man nicht in sie
hineinkommt, um von innen her etwas gegen sie zu unternehmen. Aber von
außen kann man doch auch nichts machen! Man scheint nichts machen
zu können. Selbst wenn Herr Dichand sich selbst einer Sache bezichtigen
oder anklagen würde, wäre das nichts, weil er ja alles ist.
Er ist das Maß, das in sich und aus sich schöpft. Er kann sagen
was er will. Wir können auch sagen, was wir wollen, aber auf uns
hört keiner, auf ihn hören sie, denn er ist so wandlungsfähig,
daß er den Leuten einreden kann, er würde heute dies und morgen
das wollen, heute dies fordern und morgen das, heute diesen fördern
und morgen jenen. Ich ahne schon, wen er als nächsten fördern
wird, aber vielleicht fördert er auch etwas ganz andres zutage, und
das wird dann die Wahrheit sein. Egal, das Ziel ist, alle und alles niederzuhalten,
eine Herde Schafe, in die er als Blitz fährt. Nein, dämonisieren
will ich ihn nicht. Er ist schon ein Dämon. Es geht ja gerade darum
zu versichern, daß der Dämon ein ganz normaler alter Mann ist,
über achtzig, wie viele, die auch alt geworden sind, er muß
ja nichts andres sein, denn er ist, wie gesagt, für die österr.
Öffentlichkeit kein geringerer als Gott. Er ist, der er ist. Er
kann sagen, dieser Kelch soll an ihm vorübergehen, aber der Kelch
ist nun einmal da, weil er ihn gefüllt hat, und jetzt müssen
wir das saufen.Und wir müssen ihm zuhören, ob wir wollen oder
nicht, denn daneben kann nichts sein und nichts werden. Er ist Gott, indem
er wie alle ist. Nein, indem er weiß, daß er wie alle ist.
Nein, indem er weiß, wie alle sind und das jetzt nachmachen möchte,
jeden Tag aufs neue. Ein Menschensohn im Biedergewand eines lieben Menschengroßvaters
mit Hundi, unausweichlich wie etwas Gewachsenes, dessen man nicht mehr
Herr wird. Dieser Mann muß in sein eigenes Zentrum vordringen,
in dem immer die Ruhe vor dem Orkan herrscht, den er gleich selbst entfachen
wird, nur in ihm ist Ruhe und Ordnung, er stellt sie her und er verkörpert
sie auch. Und die WAZ ist sein Prophet, und die letzten Unversöhnlichen,
die letzten Gegner werden unter ihn, unter sein Joch gezwungen, als Gegner,
weil es nur ihn allein geben darf. Weil wir das alles schon tausendmal
gehört haben, nun, einmal mehr geht noch, hier z.B., an dieser Stelle,
die ich gern hätte, angeblich soll sie ja noch frei sein; diese Macht
ersetzt das Völkerrecht, die Demokratie, die Meinungsfreiheit, sie
suggeriert anderen, daß ja eigentlich sie es sind, die die Macht
hätten (diese Volksbefragung gegen die Böhmen und ihr Kernkraftwerk
ist für den Hugo, in den Wind gefurzt, in den Reim geschissen, für
nichts, aber die Leute waren damit kurz beschäftigt, und morgen werden
sie wieder etwas andres wählen oder tun, und das wird ihr eigener
freier Wille sein, den Er ihnen gegeben hat), es gibt kein Rechtsmittel
gegen sie (Kartellrecht?? Hugo, sofort her da, spielen kannst du später,
da haben wir was für dich! Recht solo? Mir auch recht, soll das Recht
halt Recht bleiben, das Recht müssen wir nicht einmal zurückweisen
oder gar brechen, wir brechen irgendwas vom Zaun, da fällt uns keine
Latte aus der Krone!), kein Einspruchsrecht, keine Berufung, denn die
Kronenzeitung ist unberufen die mächtigste Instanz in diesem Land,
und die WAZ , der Herr Schumann, ist ihr Prophet. Es paßt mir gut
in den Kram, daß von diesem Herrn kolportiert wird, er sei nicht
so ganz glücklich gewesen mit diesem Temelin-Begehren, na, das paßt
doch. Er ist vielleicht nicht zufrieden, aber er muß zufrieden sein,
in Deutschland hat ihn niemand zur Rede gestellt, was gehen uns die öden
Ösis an, wenn die so blöd sind und sich das gefallen lassen,
und er hat wie immer gut verdient, der Herr WAZ. Diese Zeitungsmacht kann
nicht und muß nicht bestimmt werden, nicht definiert (obwohl ich
das ja die ganze Zeit versuche), na, ich kann sie noch irgendwie fassen
und bestimmen, andre könnten das besser, haben es auch viel besser
schon gemacht, oft, aber jetzt mache halt ich es auch, gut oder nicht,
es muß einmal noch gemacht werden, bevor in diesem schrecklichen
nahrhaften Brei des Kleinformats, der uns vorgekaut wurde, alles verschwindet,
bevor auch ich verschwinde (vielleicht ist es ja genau das, was ich verdiene,
weil ich in dieser Sache nichts zustandegebracht habe, in dieser schrecklichen
Willkür, unter deren Peitsche wir uns alle ducken müssen, verschwinden
muß, nicht einmal als Gegnerin anerkannt oder gar gewürdigt,
verschwinden muß als eine, auf die man nicht hört, als Nichts
vor der absoluten Totalität). Also bevor mein Verschwinden als Sprechende
nicht einfach nur meiner Gegnerschaft, meiner Feindschaft diesem Blatt
gegenüber geschuldet ist, sondern bevor mein Verschwinden das tiefste
überhaupt wird: daß ich einfach nicht nötig bin, daß
wir alle nicht nötig sind. Die Macht kann uns nehmen oder auslassen
oder lassen oder, das natürlich am liebsten: ausgelassen sein lassen.
Auf den Schipisten und Rennbahnen, in Gameshows und Gewinnspielen. Das
ist die Möglichkeit der unbeschränkten Unterwerfung der Menschen,
sie ist da, und einer, der Herr Dichand, mithilfe der WAZ als dem Kolonialherren,
hat sie bereits ergriffen. Es darf nur sein, was die Krone machen kann
oder gemacht hat. Es kann nur sein, was Herrgott Dichand gemacht hat.
Sogar die Herstellbarkeit dieser zentral gesteuerten Öffentlichkeit
verschwindet, denn sie ist längst hergestellt: Sie ist. Sie muß
nicht mehr geplant werden. Sie ist. Am Anfang war das Wort, und das Wort
war bei Herrn Dichand. Und bei Herrn Schumann und Herrn Grotkamp. Vielen
Dank, daß ich es einen Augenblick ergreifen und mir wenigstens anschauen
durfte. Vielen Dank, daß Sie, Gott, Menschenmaterial gemacht haben,
das Sie jeden Tag mit armen geschundenen Kolporteuren in die Straßen
der Städte verschicken oder in einsame Ständer am Wegesrand
stopfen! Danke, daß Sie uns alle gemacht haben, ohne uns überhaupt
planen zu müssen. Jetzt wissen wir wenigstens, daß wir ersetzbar
sind durch jeden anderen, denn die Kronenzeitung hat alle gleich gemacht,
und gleich wird er sie zunichte machen, der Herr Kronenzeitungschef. Nicht
einmal ganz wie er will, ohne es zu wollen, er braucht nichts zu wollen.
Er ist. Er ist Gott, bei dem das Wort ist. Und dort bleibt es auch.
Hans
Dichand / Photo: News / Paul Schirnhofer
Der Aufsatz
erschien in einer gekürzten Fassung am 9.3.2002 in der Süddeutschen
Zeitung
siehe
auch
Nachtrag am 20.6.2009
Nachschrift, P.S., obwohl schon kaum
jemand die Schrift interessiert hat:
Inzwischen ist vieles davon überholt,
manches mehr, manches weniger, und die Kronenzeitung hat sich mit
Hilfe von Politikern auch schon selbst überholt. Schauen Sie,
grad kommt sie uns und sich selbst entgegen, daher wird auch ihr
Herausgeber Entgegenkommen zeigen. Er muß nicht selber kommen,
er kann das Entgegenkommen eben auch nur zeigen. Oder ist sie das
gar nicht, unsere Zeitung? Sie schaut so komisch aus, trägt
ein anderes Gesicht, sie trägt sogar zwei menschliche Gesichter,
sie trägt einen Januskopf, nein, das wäre zu billig, zwei
Gesichter auf einem Kopf, eins nach vorn, das andre nach hinten
gerichtet; zwei Köpfe trägt sie, die Zeitung, einen mit
dem Gesicht von Herrn Gusenbauer (Ex-Bundeskanzler des Landes, inzwischen
also schon hopp, nein, nicht hopps, zum Glück nicht) und einen
mit dem Gesicht von Herrn Faymann (bewarb sich als künftiger
Bundeskanzler, ist es auch geworden, wird es vielleicht bald nicht
mehr sein, nicht, weil er ein andrer geworden wäre, sondern
weil es ein andrer geworden sein wird, je nach Belieben des lieben
Onkels Hans), aber auf der Kanzel stand keiner von ihnen und wird
keiner von ihnen stehen. Von der Kanzel herab spricht jetzt nämlich
der Abkanzler, also die Kronenzeitung als neue Regierung des Landes.
Alles muß ihr vorgelegt werden, dann müssen sich die
Politiker vor ihr niederlegen, und dann darf endlich das Volk aufstehen,
hat aber zuwenig Platz dafür und fällt bei jeder Gelegenheit
gleich wieder um, auf den Platz, wo die Politiker eh schon schön
flach liegen und ordentlich geschlichtet sind, sind ja schlichte
Menschen. Wir sind schließlich alle nur Menschen, das Umfallen
und das Liegen, das liegt uns einfach. So fällt es weich, das
gute Volk. Es muß ihm von der Krone aber erst gesagt werden,
in welche Richtung es umfallen soll. Nicht daß es noch auf
seine Politiker drauffällt oder über sie drüberfällt.
Da sollen die Politiker schon selber steigen und fallen wie Winddrachen,
der Onkel Hans sagt ihnen, für welche es raufgeht und für
welche runter. Es wurde einst der Kronenzeitung ein offener Brief
von diesen beiden genannten Politikerspitzen geliefert, von dieser
Doppelspitze, nein, Spitzen werden nicht zugestellt, die Spitzen
würden uns die Sicht etwas verstellen, die werden abgeschossen,
abgefeuert, ohne daß sich jemand verstellt; na, mach schon!,
Elfi, komm endlich in die Gänge!, ein Brief, den ich nicht
gelesen habe, was aber nichts macht, ich werde ja auch nicht gelesen,
ich selber bin ja auch, ohne es zu wissen: Kronenzeitung, obwohl
ich sie gar nicht lese, wir alle sind es, ob wir wollen oder nicht,
wir sind verhaftet; der Brief wurde also dazumals der Krone zugestellt,
er ist inzwischen längst überholt, aber damals war er
es nicht; es war die Krone, die ihn uns weiterstellte, die uns bestellte,
was wir bestellen sollten, die wir wiederum echte Menschen darstellen,
die eine echte Zeitung, wenn auch eine kleine, lesen dürfen,
ein Brief wurde damals angeliefert, der bewirkte, daß einer
der Politiker, Bundeskanzler, damals noch!, geliefert war, noch
bevor der Brief eingeliefert wurde, nur eine Formsache, denn sein
Grab hatte er sich schon vorher gegraben, der damalige Bundeskanzler,
graben müssen, und der andre Politiker, der Künftige,
ein Warner, nein, ein Werner, der da kommen sollte, der jetzt da
ist und seinerseits schon zu graben anfangen kann, der Jesus, Sohn
von Gottvater, nein, der Neffe vom Gott Onkel (so nennt der Werner
ja angeblich den Onkel Hans), wurde uns von dieser Zeitung als Neffe
zugestellt und wird als Wasweißich wieder rauskommen, wenn
Onkel mit ihm fertig ist. Die ganze Arbeit also macht Gottes Sohn,
nein, Gottes Neffe, der vorgeschoben wurde, damit er ans Kreuz genagelt
werden kann, es wird immer einer vorgeschoben (er freut sich oft
auch noch darüber!), damit er angenagelt und wieder abgenommen
werden kann, aber man sieht dabei natürlich nur Ihn, den Herrn.
Und der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen. Er hat dem Werner
seine Gunst gegeben, dann hat er sie dem Hans Peter und dem Martin
gegeben, und dann hat er sie wieder genommen, er hat die Gunst wieder
eingesammelt und wird sie neu verteilen, mit dem schönsten
Ernst der Welt, ach, hat er etwa auch einen Ernst gegeben?, kann
sein, ich bin nicht auf dem laufenden, also wenn er den Ernst gegeben
hat, einen Ernst für die EU (oder wen auch immer) gegeben hat,
ich weiß es ja nicht, dann kann Gott den Onkel Werner wieder
vom Spielfeld nehmen, und dann kann er den Onkel Erwin und den Neffen
Josef hinstellen, aufstellen, einen als Bundespräsidenten,
den andren als Bundesprätendenten oder umgekehrt, nein, umgekehrt
wird jetzt nicht, wo kommen wir denn da hin, wenn wir auf halbem
Weg jetzt umkehren?, das wird ein Weg ohne Wiederkehr, außer
der Onkel Hans sagt, wer sonst noch wieder mal kehren darf, sich
wieder einmal kehren darf, o je, ich komme mit dem Schreiben gar
nicht mehr nach, ein so alter Mann und so schnell im Denken und
Sagen, freilich, der Weg vom Denken zum Sagen ist bei ihm kurz,
weil er das Sagen ja hat, da kommt das Denken dann von ganz allein,
weil nur er das Sagen hat, es ist sagenhaft, daß der immer
das Sagen hat, das gehört nicht ins Reich der Sage, das gehört
ins Reiche des Sagens, in den Reichtum des Sagens, und das gehört
alles ihm. Der Onkel ist ein ganzes Stromnetz, das Strom befördert,
und das in diesem Alter! Der ist ein Verteilernetz und er hat ein
Verteilernetz von armen Teufeln, die er sich dafür geholt hat,
aus dem Ausland, und für die gelten andre Gesetze, die der
Onkel Hans aber auch gemacht hat, die er sich hat machen lassen,
jedem sein Gesetz, maßgeschneidert, und sogar die armen Kolporteure
haben ein eigenes, ist das nicht super, ein eigenes Gesetz für
diese armen Verteiler aus dem Verteilernetz, die da vorwärtsgetrieben
werden, wie unter Strom, die Meinung Gottes, des Vaters, zu verbreiten,
unermüdlich treppauf, treppab. Straße lang, Straße
kurz. Da lagert die Zeitung, und in ihr ist die Meinung des Herrn
gespeichert, auch wenn es die Meinung andrer Herren sein sollte,
von Kardinälen, von Kanälen, aus denen sie etwas Trübes
speist, von Anwärtern, Wärtern, stets Wärtern nur
des Eigenen; dort lagert sie, die Zeitung, und sie ist zur Stelle
für die Bestellung und Lieferung in die Haushalte. Wir müßten
uns die Köpfe aufstemmen, wollten wir diese Zeitung wieder
aus uns rauskriegen. Diese Zeitung kriegt selber alles raus, das
steht fest, und was sie rauskriegen will, das steht schon vorher
fest. Das sitzt fest. So viele Haushalte, und alle halten sich an
der Zeitung fest an. Wodurch wir in Betrieb bleiben, auch wenn die
Betriebe nicht mehr bleiben dürfen. Wir erfahren sogar, was
Jesus will, was Gott will, was Gott Vater will und was Gott Onkel
will, denn nötig ist zu hören und zu vernehmen und einvernommen
zu werden (falls man nicht zu uns gehört, und wir allein gehören
uns und zu uns, und nur denen, die zu uns gehören, gehört
auch alles übrige), bitte, vernehmen Sie jenes, was Sie immer
schon hören wollten, und dies wird immer nur so entschieden,
daß nur der so Angesprochene Mensch sein kann, darf und sogar
muß. Der hier Mensch ist und es bleiben darf, der hier Mensch
sein und nur hier es sein darf, das ist bestimmt, das ist ihm bestimmt
vom Onkel Hans so bestimmt worden. Dieser Bundeskanzler ist ein
Mensch, aber das ist zuwenig. Wir brauchen einen neuen, der dann
aber auch manchmal Mensch sein darf. Um Gräber auszuheben,
um sein Grab selber auszuheben als Bundeskanzler, dazu ist er bestimmt,
das wird er bestimmt machen müssen, sagt sein Onkel Hans, denn
der nächste wartet schon, es ist ein Josef, und sein Onkel
Erwin wird Bundespräsident, und wir kommen alle alle alle in
den Himmel, nein, nicht alle, nur die, die der Onkel Hans hineinlassen
wird, der Herr Gott wird ja schließlich noch sein Hausrecht
ausüben dürfen, und er weiß genau, welche er reinläßt,
nur damit aus ihnen dereinst jemand aufersteht. So. Dafür verdient
er zuviel, dafür verdient er, daß uns das schön
langsam zuviel wird, daß wir ihn mit nassen Fetzen hinausjagen.
Wer verdient wieviel?, welcher Politiker? der Politiker, jeder Politiker,
jeder Politiker ist alle Politiker, und die verdienen überhaupt
alle viel zuviel, das wird ihnen immer wieder gesagt, und was sie
dafür verdienen, wird ihnen auch immer wieder gesagt, nein,
die Kolporteure verdienen im Vergleich dazu nur sehr wenig, dafür
muß man sich die Zeitung ja auch bei ihnen persönlich
vom gefährlichen Platz mitten im Verkehr abholen, falls man
kein Abonnent ist. Die Abonnenten bekommen sie gratis zugestellt
mit dem Verteilernetz, arme Männer in abgetretenen Schuhen,
treppein, treppunter, getretene Männer, die jeden Tag zeitig
in der Früh antreten müssen. Also der Brief, längst
zugestellt, längst verfallen, längst an einen anderen,
vielleicht nicht als Brief, aber doch schon wieder neu zugestellt,
längst von einem anderen für einen anderen, alles ist
eins, alles ist der Onkel Hans, alles ist er, alles ist Wurst: Es
stand also in ihm geschrieben, in dem Briefe, egal in welchem, was
wir zu tun haben werden, und dabei haben wir jetzt schon gut zu
tun (mit Ausnahme derer, die keinen Job mehr haben), daß nämlich,
nachdem die EU-Verfassung im Parlament bereits angenommen worden
ist, jaja, das ist alles längst in trockenen Tüchern,
daß also alle künftigen EU-Fassungen, egal welche, durch
den Edelstein des Volkes gebrochen und durch eine Volksabstimmung
zu ratifizieren seien. Gutes Ratifizier ist teuer. Das war und ist
die europäische Zukunftmusik, das eine Land will dies, das
andre was andres, Irland will das Abtreibungsverbot, Österreich
will die Marillenmarmelade, und die Zeitung, welche die Regierung
jetzt endgültig übernommen zu haben scheint, was will
die?, aber wer oder was ist schon die Regierung!, nein, die Zeitung,
die will, was sie sagt, und die sagt, was sie will, und sie sagt,
wer in der nächsten und der übernächsten Regierung
sein wird und überhaupt in allen Regierungen, die dem Onkel
Hans folgen und uns nicht folgen werden, sie nennt den nächsten
Präsidenten und den nächsten Kanzler, die Zeitung, noch
bevor sich der alte Kanzler vom Schrecken erholt hat, daß
er es nicht mehr sein soll, ja, diese Zeitung ist die Vorsitzende
der Regierung, eine Art Überregierung (diese Zeitung muß
man einfach kaufen, und wenn nicht, dann kauft eben sie einen, wir
sind ja billig! Uns gibts zu Tausenden, zu Millionen! Was kriegen
wir schon für uns? Nichts. So ein Bundespräsident und
so ein Bundeskanzler, die sind ja viel teurer als wir! Nein, die
Regierung kann man selbstverständlich nicht kaufen. Es ist
auch gar nicht notwendig, das wäre eine Unart von Insichgeschäft.
Es ist jetzt aber billig wie nie, die Regierung zu kaufen, denn
die Regierung IST ja die Zeitung, und die Zeitung IST die Regierung),
zum Glück recht klein ist sie, die Zeitung, und es ist ein
winziger Schritt, dieser Übergang von Regierung zu Überregierung,
in dieser kleinen Form nimmt sie in der U-Bahn, wo ihre noch kleinere
Schwester gratis zu haben ist, aber im Prinzip genau dasselbe sagt,
nur noch kleiner und einfacher, nicht viel Platz weg. Jetzt brems
dich ein, Elfi, du hast ja schon Schaum vorm Mund, was redest du
da! Du hast hier nicht das Sagen, und wenn du es dir nimmst, dann
kannst du es nur gestohlen haben! Schau, aber ja, schau nur hin,
es geniert sich ja eh keiner, warum sollst du dich genieren? Diese
Zeitung begründet nichts als die neue Regierung, das geht ganz
schnell, und jetzt begründet sie eben schon die nächste,
egal, die nächste wird nicht die letzte sein, die nächste
wird genau die nächste sein, dein Nächster wird zwar nicht
dein Nächster sein, aber die Letzten werden auch nicht die
Ersten sein, wo kämen wir denn da hin?, da kommen wir nirgendwohin,
es ist unbegründet, ihr Untätigkeit vorzuwerfen, es ist
immer begründet, der Regierung Tätigkeit vorzuwerfen,
äh, der Regierung jemanden vorzuwerfen, der Regierung etwas
vorzuwerfen, denn diese Zeitung hat sie ja bestimmt, sie ist bereits
seit Jahrzehnten tätig und rege, die Zeitung, wenn auch klein,
und ihr Herausgeber ist alt, aber kerngesund, wenn auch klein, ach,
ich weiß ja gar nicht, wie groß er ist, Hauptsache gesund,
er ist im Kern gesund, der Herausgeber, mit fast neunzig ist er
noch kerngesund, das Drumherum ist ihm egal, das kann um den Kern
herum ruhig und in Ruhe faulen. Das Volk soll ruhig sein, nur wenn
die Zeitung es will, darf das Volk auch lauter werden. Das Volk
ist das Lauterste überhaupt, und das Volk bestimmt, was in
der Zeitung gestanden ist. Diese Zeitung ist der Nachweis der Richtigkeit
für alles, es fehlt nur noch, daß Gesetz würde,
was in ihr steht. Was in ihr steht, wird zu einer Art natürlichem
Sittengesetz und dann zu einem richtigen und ordentlichen Gesetz,
das endlich unter den Menschen aufräumt, den Erwin nach oben,
den Josef auch nach oben, aber eine Spur tiefer, noch ein Onkel,
noch ein Neffe, wir habens ja, wir haben einen unerschöpflichen
Vorrat an Onkeln und Neffen, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten
ins Kröpfchen; nein, das fressen wir nicht länger, wir
fressen nicht länger, was von dieser Regierung kommt, die Überregierung
muß her, du überreagierst, Elfi!, laß es!, ob du
willst oder nicht: Sie muß zu uns herunterkommen, die Überregierung
aus Papier, man kann sie zerknüllen, man kann sie anzünden,
aber man muß sie vorher lesen, sie muß auf uns herabkommen
wie der Hl. Geist, was sie auch jeden Tag brav tut, nur die Kolporteure,
die das alles austragen, die müssen so oft hinauf, die müssen
rennen, dritter Stock, vierter Stock und dann die endlosen Einfamilienhauszeilen
entlang, immer weiter, unermüdlich, damit die Sprache des Onkels
Hans wie ein ersichtliches, wohlbegründetes, auf ihn selbst
begründetes Ding den menschlichen Augen dargeboten wird, den
Augen schon, aber weiter gehts nicht, höher gehts nicht, aber
tiefer gehts auch nicht, selbst wenn der Appetit manchmal größer
als der Magen ist und die Augen größer als der Verstand
sind, weiter gehts nicht, der Herr Bundeskanzler Faymann wird sich
dafür einsetzen, daß es kommt und dann weitergeht, was
auch immer, es ist jetzt schon weitergegangen, und der Herr Gusenbauer
kann es schon lang nicht mehr, der ist abgesägt vom gesunden
Stamm, aber der Herr Faymann hat ihn für kurze Zeit zumindest
vertreten können, als der Bessere, jetzt wird es Zeit, daß
den einer als der noch Bessere vertritt, daß er vortritt,
ein Neffe, ein andrer Neffe von einem andren Onkel, eine andre Frucht
von einem andren Stamm, ein Reis, das der Onkel Hans persönlich
aufgepropft hat, damit der Baum noch edler wird und wir ihn noch
besser an seinen Früchtchen erkennen können, denn wenn
wir ihn nicht erkennen können, wie sollen wir ihn da wählen?
In diesem Zeitungsherausgeber haben wir einen, einen Primus unter
uns Parias, dem es egal ist, wer unter ihm Bundeskanzler wird. Das
hat er uns doch selbst gesagt. So. Gestern hat er uns gesagt, wer
unter ihm Bundeskanzler wird, ein Neffe, und ein andrer Onkel wird
Präsident, das steht so fest wie der Kardinal im Blatt. Bald
wird er es eh wissen, der Onkel, nein, er weiß es natürlich
jetzt schon, weil er es uns jetzt schon sagt, damit auch wir es
wissen. Er hat es auch gestern schon gewußt, und dann hat
er uns gesagt, was wir heute machen sollen. Und inzwischen ist es
ja so gekommen, und bald wird es anders gekommen sein, anders, als
wir denken, aber nicht anders, als der Onkel Hans denkt. Die Europapartei
SPÖ ist gegen sich selber, die Europapartei ÖVP ist für
sich selber und gewinnt, bitte, der Herr Martin ist auch für
sich selber und gewinnt auch, die SPÖ verliert, weil sie immer
für Europa war, aber es wird ihr gesagt, daß sie trotzdem
verlieren muß, und da verliert sie auch schon, doch die Außenbord-Regierung
Kronenzeitung, die, selber getrieben wie ein Tier mit der Gerte,
uns antreibt, hat ihr etwas andres eingegeben, und statt zu kotzen,
weil sie das Schaukeln nicht verträgt, ist diese Ex- und Hopp-Kanzlerpartie
zur Kronenzeitung und die Kronenzeitung zur Regierung geworden,
zur Über-Regierung, zur Regierung der Regierung, also jetzt
überreagiere ich ja schon wieder. Ich schnappe noch über!
Jetzt bin ich schon übergeschnappt. Danke, daß Sie es
mir sagen! Ich bin nicht eingeschnappt deswegen, ich bin nur übergeschnappt.
Macht nichts. Es ist ja nur bei mir zu Hause, wo ich bin. Keiner
sieht es, der es nicht sehen will. Man muß es sich holen.
Ich bin keine Zeitung. Die Zeitung hingegen begründet etwas
als Nachweis seiner Richtigkeit: Wir brauchen Volksabstimmungen,
weil wir das Volk sind, und das Volk hat immer recht, und es stimmt
so ab, wie es die Zeitung ihm sagt. Sonst bringen die ja nie was
zustande! Sonst bringt niemand etwas zustande! Normalerweise ist
niemals eine Begründung Nachweis der Richtigkeit, hier aber
schon, egal, was überhaupt begründet wird, denn was begründet
wird, die Fakten, die schafft die Zeitung auch selbst. Das schafft
die auch noch! Dichand dixit. Und eine Begründung, die eine
falsche Wahrheit verbreitet, greift über sich selbst hinaus
und auf Menschen als Material zurück, die vergessen haben,
wer oder was sie sind. Sie müssen es aber auch gar nicht wissen.
Die Zeitung sagt es ihnen ja. Sie nimmt das, was sie schafft, die
Menschen und deren Meinungen, als bare Münze, aber nicht für
bare Münze, denn sie prägt selbst, sie prägt uns
selbst, sie hat die Meinung geprägt, und jetzt kann sie sie
(und uns!) als ihre Währung ausgeben. Parole Volksabstimmung.
Nein, heute schon wieder andre Parole. Parole Martin. Parole angenommen.
Martin durchgewinkt. Sein Blinker blinkt ja sogar noch, obwohl er
gradeaus und graden Wegs weiterfährt. Dem Volk wird mit dem
Zaunpfahl gewunken, und der Pfahl winkt dem Volk zurück, o
je, hab ich Sie getroffen?, das tut mir aber leid! Ich kann nicht
anders, ich werde als Pfahl geschwungen und komme als Keule wieder
runter, sagt der Neffe. Dabei wollte er nur mit dem Zaunpfahl winken.
Es hat aber keiner gesehen. Ohne zu fragen greifen wir auf eine
Meinung zurück, die jetzt schon unsere ist. Danke, daß
wir sie überhaupt bekommen haben! Es haben sich noch andre
um diese Meinung beworben, doch es gab sie schon! Zu spät!
Es gibt die Meinung immer schon, bevor wir sie haben können.
Zu dumm! Aber wie kämen wir zu unserer Meinung, wenn es sie
nicht schon geben täte? Es ist also vielleicht falsch zu sagen,
die Kronenzeitung wäre eine Art Überregierung, richtig
ist vielleicht: Wir alle sind eine Kronenzeitung, ein Anschein von
Zeitung, denn eine andre Meinung als diese haben wir nicht, weil
wir gar keine mehr kennen dürfen, und die keiner Meinung sind,
oder die nicht der Meinung dieser Zeitung sind, die fallen nicht
mehr ins Gewicht. So machen Feige ein Gewissen für uns alle.
So und so ähnlich sagen es Ex- und Hopperlakanzler und der
Hoppaufkanzler unter der Überregierung, ein Werner Faymann,
diesen Namen werden wir uns nicht merken müssen, denn er wird
ja jeden Tag von unserer Oberregierung (die sich nicht zu Unrecht
die Krone nennen läßt, das Oberste, drüber ist nichts
mehr, denn Gott ist sie auch, und zwar in der ehrwürdigen Gestalt
ihres Herausgebers, das haben wir bereits nachgewiesen) aufs neue
proklamiert. Und da sind auch schon neue Namen proklamiert worden,
die wir nicht auswendiglernen müssen, weil wir sie schon aus
der Zeitung kennen und morgen jemand andren kennenlernen werden.
Wir haben sie schon lange erfahren, und wir werden gut mit ihnen
fahren. Aber wenn nicht, dann werden sie uns schon noch kennenlernen!
Wir sind das Volk mit der Krone. Wir sind der Souverän, aber
souverän sind wir deswegen noch lange nicht. Da gibt es keinen
Widerspruch, denn was Gott und die Krone sagen, das kann man nicht
widerlegen. Es ist ja geschrieben, um nicht widerlegt werden zu
können.
Da legst di nieda!
20.6.2009
'Leserbrief' in der Wiener
Kronenzeitung
"Nicht ohne Krone"
Fam. Dichand und Pröll bei Sonnwendfeier
(Foto: Der Standard)
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Dem Faß die Krone aufsetzen © 2002 / 2009 Elfriede Jelinek
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