Paula Wessely

Paula Wessely ist der Prototyp der Schauspielerin im Dritten Reich, einer Kriegsgewinnlerin, die das Naziregime massiv propagandistisch unterstützt hat. Gustav Ucickys Machwerk Heimkehr, in dem sie die Hauptrolle spielte, ist der schlimmste Propagandaspielfilm der Nazis überhaupt.


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Ihre Mitwirkung sowohl an ablenkenden Filmen als auch an diesem Propagandaspielfilm wird bis heute unterschätzt. Das Dritte Reich war das erste Regime, das sich mit Hilfe einer gigantischen Ablenkungs- und Propagandaindustrie an der Macht hielt. Und Wesselys Mitwirkung daran ohne Not und an einer dermaßen exponierten Stelle würde ich mit Kriegsverbrechen gleichsetzen. Nicht gezwungen und ohne Not ist das durch nichts zu rechtfertigen. Man darf nicht vergessen, daß Paula Wessely der höchstbezahlte weibliche Star der Nazizeit war. Das Argument einer „unpolitischen Frau“, wie man sie im günstigsten Fall nennen könnte, kann ich nicht akzeptieren. Denn wenn sie in „Heimkehr“ sagt, „Wir kaufen nichts bei Juden“, hätte sie als erwachsener Mensch wissen müssen, was sie da sagt. Und hätte versuchen müssen, das zu verweigern. Mit Erscheinungen wie Paula Wessely wurde auch im Nachkriegsösterreich sehr glimpflich verfahren, wie auch mit wirklichen Kriegsverbrechern. Unter ihrem „Heimkehr“-Regisseur spielte sie Anfang der fünfziger Jahre mit der gleichen abstoßenden Inbrunst in einer Wildgans-Verfilmung und stieg nahtlos vom Nazispielfilm in einen kitschigen, pazifistischen Film um. Das spricht weniger gegen Wessely als gegen dieses Nachkriegsösterreich, in dem so etwas möglich war. Die verkitschte Blut-und-Boden-Sprache dieser völkischen Heimatideologie hat in den Heimatfilmen der fünfziger Jahre fortgewirkt und reicht bis heute weiter in die verlogenen Fernsehserien wie „Schloßhotel Orth“. Ich habe Paula Wessely nie für eine große Schauspielerin gehalten. Sie hat nur einen Ton gehabt, und besonders mißfallen hat mir ihr prononciertes Natürlichsein, das nicht aus der Brecht-Tradition kam, aus der Durchdringung eines Inhalts, sondern es war eine Art Natürlichkeitsschleim, den sie über ihr Spielen breitete.

Dieser Natürlichkeitswahn, der etwas Künstliches in Natur verwandeln will, liegt auf einer Linie mit der Naturhaftigkeit der Geburt in Blut und Boden des Vaterlandes. Sie war eine heilige Kuh, übrigens auch für Thomas Bernhard oder Claus Peymann, die sie tief verehrten. Ich konnte von ihrer „Aura“ nichts bemerken. Ihre Person ist das genaue Gegenteil von dem, was ich für interessant halte am Theater.

Aus einem Telefoninterview mit dem Magazin FORMAT (erschienen am 15.5.2000)

 


Paula Wessely © 2000 Elfriede Jelinek

 

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