Ich Ding der Unmöglichkeit

 

Wir entdecken einen Raum und sehen, daß er leider Dimensionen hat, die uns zu groß sind. Wir müssen ihn unterteilen, damit wir uns orientieren können, damit wir sehen, wozu der Raum dienen könnte und damit wir Wesenheiten uns ins Unhafte begeben und verschwinden können, weil man nicht mehr sieht, wo innen und wo außen ist. Man kann jedoch, wenn man durch das Ausgedinge der Dinge streift, um ihr Gewand, ihren Bewandtnischarakter zu prüfen, unmöglich etwas fassen, denn was man faßt, das ist es nicht, es ist entweder ganz verräumt oder verräumlicht, aber so, daß es nicht mehr zu erkennen ist, weil wir schließlich drin eingeschlossen sind und unsere Grenzen nicht kennen. Es ist entweder von außen übergestülpt, sodaß wir es innen nicht merken, oder es hängt innen drinnen und hat sich so ausgedehnt, daß man seine Dimensionen nicht mehr fassen kann. Alles scheint in etwas Größeres eingehängt, hineingehängt, und man kommt nicht ran. Die Folge: Fassungslosigkeit. Schauen Sie, dann sehen Sie ihn aber auch nicht: einen Verstand, der nicht echt ist (du mußt zwei sein oder mehrere, denn einer allein kann nicht so dumm sein!, das habe ich als Kind oft gehört), sagen wir also künstliche Intelligenz dazu, die den größtmöglichen Verstand des Menschen noch mühelos übertrifft, die wäre auch so etwas Eingehängtes. Und vielleicht wäre er gar nicht größtmöglich, er käme uns nur so vor, weil das, worin er placiert worden ist wie ein Gast an einem Tisch, nicht für uns erkennbar wäre.

Außen ist die Figur, innen das Skelett, und sonst noch irgendwo innen das breite Wissen, die menschliche Such- und Antwortmaschine (die Suchmaschine gibt es schon länger, die Antworten kommen jetzt, das Licht ist das Schnellste, das es gibt, und es kommt natürlich immer vor uns an, wir kommen immer danach, wir sind das Danach, und als wir schon dachten, das Danach wäre das Eigentliche, weil wir das Davor verpaßt haben,— wie hätten wir auch wissen sollen, daß das an allem schuld war, es hat ja nach nichts ausgesehen?— kam diese künstliche Intelligenz, ja, so wird sie genannt, ohne daß sie eine sogenannte wäre, und setzte sich auf uns drauf, gerade weil sie nicht je schon da war, sondern weil sie erst relativ spät über uns gekommen ist, nachdem sie seit langem im Kommen war, sie wurde uns verheißen, sie soll kommen und zwar immer: bald. Noch sehen wir nichts von ihr. Der Letzte hat wohl das Licht angemacht, und das hat sie vertrieben. Kein Zweifel, es gibt sie nicht. Der Vertrieb hat nicht funktioniert. Noch ist sie nicht eingetroffen. Und wer zuletzt kommt, mahlt uns dann zu Staub). Das in Silizium Eingeschlossene reist mit halber Lichtgeschwindigkeit, und wir werden auch nur halb da sein, um es zu empfangen, vielleicht werden wir schon weg sein, wenn es kommt. Vielleicht kommt es ja nie. Da ist es noch nicht, Moment, ich schaue mal raus, also ich sehe es noch nicht. Sie würde uns sprengen, diese da hingestellte Intelligenz, die wir nicht dahingestellt sein lassen werden, wie alles, das nicht von uns kommt. Unsere Aufnahmebereitschaft ist begrenzt, man kann ja nicht immer in Bereitschaft sein, und was hätten wir und was hätte sie davon, wenn sie endlich käme? Da wäre ja nichts mehr, in das sie sich einhängen könnte, die paar Klicks, was wären die schon, wenn niemand sie machen könnte? Kann es sein, daß wir nichts wissen wollen, während andre schon alles über uns wissen?

Für das Gestell hat es keinen Sinn zu bestehen, wenn alles und jedes es gleich wieder sprengen könnte, denn wohin soll es sich wenden, wohin soll es sich hängen, in welchen Wind soll es sich drehen, wenn Gram und Schmerz es drücken? So ähnlich spricht das Kirchenlied, es fällt mir grad ein, weil Gott natürlich das Allergrößte wäre, gäbe es ihn denn. Da wäre kein Gerüst mehr nötig, es hielte eh nicht, und die Menschen halten das sowieso nicht aus. Vielleicht ist diese künstliche Intelligenz sich aber auch selber genug, wer weiß. Niemand würde es wissen, also gibt es keinen Wer. Wer ist denn schon er selber? Keiner, denn er wäre nicht mehr nötig. Das Denken würde herumstreifen, es könnte nicht zugeben, daß es sich in diesem Raum nicht auskennt, dessen Innen und Außen es nicht unterscheiden könnte, vielleicht hätte es sogar Gefühle der Scham, es könnte aus den vielen Möglichkeiten in diesem Raum die eigenen Möglichkeiten nicht abschätzen, aber das Wer, das so gern wer sein will, wüßte das nicht.

Das was hineinkommt, egal wo, ist immer zu groß. Sogar eine lustige kleine Komödie ("The Interview") ist schon jetzt, in dem Davor, zu groß, um ins Kino hineinzugehen. Die großen Kinos ärgern sich, weil der Film um sie herum und gleich nach Hause gegangen ist. Inzwischen ist dieses Geschriebene hier schon verfallen (es verfällt besonders schnell, ein Fingerzeig, und es ist gelöscht), denn der Film war bereits im Kino, er war in diesem und jenem kleinen Kino, hat Popcorn ausgeschenkt, er war in vielen Fernsehgeräten, vor denen man alles essen konnte, was man wollte, ja, da hat es sich doch hineingezwängt, kein Problem mit diesem Problem. Der Film hat seinen Ausweis, seinen Aufweis genommen und durfte dann, nach einer Pause, endlich hinein, um, wo auch immer, angemessen wiedergegeben zu werden, nur kann es nicht angemessen sein, wenn man kein Maß hat. Wer war wer? Wer war zu klein, wer war zu groß, hat es aber nicht gemerkt? Es haben Computerangriffe stattgefunden durch etwas sehr Großes, etwa eine furchtbare Diktatur mit Folterlagern und Hungerkuren, die nichts heilen (fettleibig ist in diesem Land, das schuldig ist oder auch nicht, nur einer, wahrscheinlich ist nur dieser eine schuld, und ihm würde eine heilsame Fastenkur nur guttun, ihn vielleicht sogar retten)?, oder es haben ein paar kichernde Teenager mit Hackerbeilchen sich da reingehängt, ohne überhaupt zu sehen, was die vorgegebene Aufgabe war, ohne daß ihnen etwas Gegebenes vorgezeichnet gewesen wäre. Sie haben es halt gemacht. Kleine Ursachen, große Wirkung? Große Ursache, kleine Wirkung? Schreiben und überhaupt keine Wirkung? Bitte, kann alles geliefert werden. Der Wirt wird zerstört, nein, er wird nicht zerstört, dauernd verschwindet was im Arsch, das dort kaum hineingeht, eine ziemlich große Kapsel aus einer Drohne, wohin damit?, in den Arsch! Eine andre Öffnung haben wir nicht, ein Ball, wohin damit? In den Korb, der kein Futterkorb ist und tiefer gehängt wurde, damit der kleine Diktator auch immer schön hineintrifft, um er selbst sein zu können, das heißt der, der er sein will, und das ist auch immer: das, was er sein will. Eine kleine Komödie wird versenkt wie der Ball im niedrigen Korb, ihre Kosten werden nicht mehr eingespielt, aber es kommt einiges zusammen, ich staune selber, inzwischen sind sogar ziemlich viele Kosten eingespielt worden (der Film lief ja nur in Programmkinos oder als bezahlter Download), denn ganz Nordkorea würde natürlich dieses lustige Hollywoodprodukt auf der Stelle zerstören, wenn es sich als Ball hineinwerfen würde. Es wäre zu groß für es, oder wäre es zu groß für es? Mittels Hineistopfens von Zuviel, dem aber der Korb dafür niedriger gehängt worden wäre, wäre dieses Etwas dann zu klein oder wie oder was? Aber was ist, wenn das Große nur vermeintlich ist? Wenn irgendwelche Hacker (und offenbar noch nicht einmal sonderlich geschickt, sie wären ja vom Unternehmen selbst geschickt worden, ja, auch das wäre möglich) sich in das Filmunternehmen Sony Pictures reingehängt hätten? Dann wäre das Kleine plötzlich sogar zu groß fürs Kleine geworden. Es soll ja unten wieder rauskommen, wie diese Drohnenkapsel, die für jeden Arsch zu groß ist, sein muß, wenn man sie sich anschaut, aber trotzdem reingeht, das ist ja der Witz! Es kann alles ein Witz sein, wenn man es nicht sieht. Aber wenn das Kleine nur etwas, eine Kleinigkeit, zu groß ist, funktioniert das natürlich leichter. Die kleinen Differenzen sind bequemer. Wo ist das Seiende, inmitten dessen die Lichtung klafft?, eine Art Loch, wo nichts mehr wächst, wo das Sein selbst die Instrumente stimmt, was nicht heißt, daß es dann selber stimmt. Und wo ist diese Lichtung, auf der sich das abspielt? Nichts ist, wo es sein sollte, und wie soll das Sein dann wissen, wohin es gehört? Ist die Lichtung vielleicht eine Art Tennisplatz, wo die Wesen des (von einer künstlichen oder einer natürlichen Intelligenz errechneten) Seins einander zugeworfen werden können, aber immer auf den Gestellen landen, die, eben immer größer als man selbst, wenn auch nicht sehr, es genügt ja ein Weniges, uns umgeben? Nein, dieses Sein ist eine Turnhalle mit niedrigen Basketballkörben. Damit wir glauben, etwas erreichen zu können. Und dieses Gemüsegeschäft ist eine Kunstgalerie, in der das Obst täuscht echt aus bemalten Gips ausgestellt wird. Hier muß keiner hungern, aber zu essen gibts nichts. Ausgerechnet ein Comedian wie (im Film) Dave Skylark, der seine berufliche Karriere auf Schein aufgebaut hat, auf Lügen und Täuschung, Hauptsache komisch, hat hier sein Damaskus-Erlebnis. Wer hält sich nicht an welches Gebiet? Derjenige, der das Gebiet bestimmt, allerdings, um sich dann mit Leichtigkeit daran halten zu können. Aber es ist sein Gebiet und sein Maß. Eins wirft sich dem andren zu. Tennisschläger, größer als jeder Schläger. Bälle, kleiner als jeder Korb. Kapseln mit giftigen Danaergeschenken, um ein Winziges kleiner als jeder Arsch, aber viel größer aussehend, das ist ja der Witz, irgendwie gehen sie grade noch rein, man kann sich nicht vorstellen, wie. Man sieht es nicht. Die Oberfläche ist erschöpft von all den Angriffen und Einflüssen, der sie ausgesetzt ist. Das, was dann einmal zu groß ist, wäre nicht die Kapsel, die man sich in den Arsch schiebt, das wäre man selber, nein, daß das Sein, in das etwas hineingezwängt wird, nicht man selber ist, weil man es nicht sein kann. Das geht dort nie rein! Warum sollte denn etwas ausgerechnet in uns hineingehen wollen? Daß ein andrer im Arsch ist, weil er es sein muß, wenn nicht wir es sind, das steht fest. Daß man eben nicht immer Herr seines Daseins wäre.

Landet also das Sein einmal auf uns, ist es schnell wie das Licht und trifft uns nicht. Es spart uns aus, es rast immer an uns vorbei. Egal, wer oder was kommt, wir sind nicht mehr anwesend. Zwei monströse Kleinkinder treffen da aufeinander zum Spielen, die sich die Macht von einem Entsetzensregime geborgt hätten und nicht wüßten, daß das Kleine noch kleiner wäre als man selbst, und man selbst ist ja schon ziemlich klein. Dieser lustige kleine Film (das ist ja alles nur gespielt!) muß ganz Nordkorea in sich aufnehmen, die kriegen ihn allerdings nicht, sind aber trotzdem dagegen. Das sind sie immer. Was fällt Nordkorea ein! Der amerikanische Präsident ein Affe im Urwald? Und man selbst der Urwald, in dem er sich verirrt? Denn nur so macht es Sinn, nur so kann man sich über ihn setzen, denn der Affe ist im Urwald ja meist recht zufrieden. Menschen müssen davor geschützt werden, sich diesen Film anzuschauen, sonst kommt ein ganzes Land in sie hinein und sprengt sie, so wie diese Kapsel, so, wie sie aussieht, eigentlich jeden Arsch sprengen müßte. Was ich schreibe, ist viel zu klein, es ist total überflüssig, denn inzwischen haben schon viele den lustigen Film gesehen, er war ihnen nicht zu groß, sie haben gar keine Angst gehabt, daß irgendwelche Trümmer sie treffen! Sie sind zuviele, und er, der Film, ist nicht so groß, wie man gedacht hat. Wir sind davon befreit worden, dem Film, dem fremden Bewußtsein, eine Bedeutung zu geben. Indem wir es einlassen durften, hat es diese Bedeutung bekommen. Wir wurden nicht mehr gebraucht.

Das Problem ist, daß das Sein sich durch den Verstand nicht fassen lassen kann, denn der Verstand hat die Körper ja nicht hergestellt, er hat sie nicht einmal da hergestellt, wo sie sind und nie bleiben wollen, doch jetzt geht er nicht mit rein. Es wurde für ihn nicht genug Platz gelassen. Da hat zum Beispiel jemand andrer die Infantin Margarita Teresa in ihren blauen Reifrock hineingestellt, der so riesig ist, daß sie darin verschwindet (oder erst recht zum Vorschein gebracht wird? Die Macht als ihr Scheinen, im Gestell fürs Erscheinen), das hat Velazquez gemalt, ein kleiner Körper eines Mädchens, eines Kindes, hineingesteckt in einen riesigen Kleidertopf, von dem kein Dampf aufsteigt, denn die schweren silbernen Bordüren und Schmuckelemente sind auf dem Brokat wie angenagelt, unverrückbar wie Herrschaft sich eben zeigt. Umgekehrt wird kein Schuh draus, man könnte die Krinoline nicht in das Mädchen hineinstopfen, die erstickende Glocke dieses Rocks zeigt, daß da etwas Größeres ist als der königliche Körper (es wird gesagt, die Einheit zwischen Macht und königlicher Familie, und zwar genau dieser Familie, werde so hergestellt, nicht nur die Krinoline ist größer als das Kind, das Kind ist zwar kleiner als die Macht, aber es IST die Macht, nicht: es repräsentiert sie), der dort eingehängt wird wie erdbebensichere Wolkenkratzer in ihre Gestelle, wo sie eine Schwankungsbreite erhalten, Raum für sich, aber nicht für andre, für nichts sonst als für andre, die sich in ihm aufhalten, damit jedes Selbst dort drinnen auch selbständig bleiben kann und nicht zerquetscht wird. Irgendwo hängt immer was, und andre hängen einen hinein. In altmodischen Krimis liest man das: Jemand hat einen andren hingehängt. Das heißt verraten. Und wenn das Sein zu groß wird, sodaß es nirgends mehr reingeht (aber das ist unmöglich, denn es gibt immer etwas Größeres als das Sein, sonst wäre dieses nicht so fragil und zerbrechlich, jeder Stein kann größer sein! Es genügt ja schon, wenn man der Welt als etwas Bedrohbares entgegentritt), dann gerät es in die Nähe der Gefahr, sich selbst zu verstehen, und wäre es nur als Entwurf seiner selbst, der nicht hineingehängt, sondern eben: geworfen würde, wie ein Schatten, der aber niemandem wehtut, im Gegensatz zum Werfer. Filmbilder sind ja auch Schatten in uns, die uns nicht, aber dafür gleich ganz Nordkorea wehtun. Sie geben eine Idee davon, nichts um sich herum zu haben, an dem man sich stoßen könnte. Und dann kommt eine Drohne (früher hat man etwas Untätiges damit bezeichnet, das auf Kosten andrer lebt, nun: das Gegenteil, das das Leben andrer ausradiert), und man kann sich die Bedrohung buchstäblich in den Arsch schieben.

Man könnte sich endlos selber nachmachen, bis es endlich paßt, und man gleich groß wäre wie sein eigenes Gestell und endlich unverstehbar wäre, außer für sich selbst. Dieses Gestell vernichtet Aussichten! Wenigstens die Ansichten bleiben da. Es wird nicht passieren, daß man selbst etwas begreifen muß, sonst könnte ja jede Stimmung die Welt verändern, einmal höher, einmal tiefer, je nach Gestimmtheit, wir als Filter (die Welt bleibt ja gleich, und wir sind ihr ganz gleich) sind jederzeit ersetzbar, weil ja diese künstliche Intelligenz schon draußen wartet, uns den Filter vorschiebt und uns dann aufißt, wenn wir ihr groß genug erscheinen, daß es sich lohnt. Wenn man sich endlich von sich selbst freigestrampelt hat und sich etwas anmessen, nein, anmaßen will, das es aber gar nicht gibt. O Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Und das tut er auch, ich weiß bloß nicht, welcher Herr, erst wenns mich trifft (und vielleicht nicht einmal dann), aber es wird uns von außen gegeben, daß etwas Größeres als wir das alles versteht. Unser Denken wird von dieser Form der Intelligenz längst ersetzt sein, sie wird schon deshalb größer sein als wir, weil sie keine Befindlichkeit hat, denn sie erschließt alles aus ihrer eigenen Analytik, sie braucht keinen Körper und kein Kleid, vielleicht ist es schon soweit. Da haben wir uns die Welt erschlossen, und da kommt ein Etwas, das wir gemacht haben, und sagt: Das ist nicht die Welt, und wäre sie es, kämen Sie nie soweit, daß Sie sie aufsperren können. Ich habe ganz andre Erschließungsmöglichkeiten. Aber sie scheint, obwohl sie uns ja gar nicht braucht, noch nicht zu wissen, wie sie in uns Platz nehmen könnte. Keine Sorge, sie existiert noch nicht, diese künstliche Intelligenz, mir hat man jedenfalls noch nicht mitgeteilt, daß man mit ihr fertig wäre und sie aussenden könnte, ich wüßte dann sofort, daß ich zu klein bin, bitte nicht stören, die Furcht schlummert noch in mir, daß da etwas kommen könnte, das mir zu groß, aber kein Gott wäre, an den ich dann auch noch glauben müßte, nein, noch sind wir selbständig und begreifen uns als ständig, als immer und ewig existierend, denn unser Ende können wir uns nicht vorstellen, obwohl es kommen wird, mit Sicherheit, es wäre dann doch nett, würden wir den Zugang zu uns, die es nicht mehr geben würde, einem Denken anvertrauen können, welches wir zwar gemacht haben, das sich dann aber den Meisterbrief an die Wand gehängt und selbständig gemacht hat, ein Denken, das seine Ständigkeit über uns hinaus garantieren könnte, zwar als Unselbständigkeit einer fremden Existenz, die dann aber auch wir wären, gesteuert von außen, aber immerhin, lebensfähig auch ohne uns. Das hätten wir damit erreicht. Wir, der Kern unseres Seins, wären weg, aber das Denken wäre immer noch da. Von mir aus. Nicht ohne uns, bitte warten Sie! Die KI wartet nicht, es gibt sie noch gar nicht. Vielleicht gibt es sie aber schon? Es gibt etwas, das so genannt wird, solange wir noch die Herrschaft darüber haben. Keine Ahnung, wie es sich jetzt nennt. Vielleicht ist sie schon längst, als Herrschaft, nicht als Repräsentanz von Herrschaft, in uns eingehängt, nicht um, Arm mit Armut, einen kleinen Spaziergang mit uns zu machen, sondern um ohne uns weiterzugehen, als wir es uns je hätten vorstellen können. Sie ist noch nicht ausgereift, hoffentlich!, und an wem könnte sie wohl reifen? An uns nicht, nicht mit uns! Sie müßte ja leistungsfähiger sein als wir, sonst hätte es keinen Sinn. Wir wären nur das Erschießungs-, nein, das Erschließungskommando. Drücken wir Enter, und dann kommt keiner. Wir waren da, wir sind jetzt weg. Wir sind durch Entsetzliches ersetzt. Durch ein Entsatzheer fremder Ausdrücke und Ausdrucke.

Es ist unmöglich, und es handelt sich hier um Unmögliches. Aber mir zum Beispiel ist ja so gut wie alles unmöglich, wie soll ich dann irgendwas fassen, wenn ich gleichzeitig doch mein eigenes Gestell bin. Das merke ich sofort, wenn ich einmal über mich hinausgehen möchte. Es läßt mich nicht sein. Wo bin ich? Ich möchte mich überwinden, bloß die Windrichtung ist derzeit ungünstig. Wann bin ich dort angekommen? Wo? Es ist hier gleich klein wie ich, ich habe mich offenbar für eine eher kleine Größe entschieden, soweit ich sehe, weit ist es nicht, und so schaue ich durch meine eigenen Gitterstäbe hindurch (das gleiche Bild, das der Affe gemalt hat, als man ihm den Pinsel gab: Gitter! Obama ist natürlich nicht der Affe, als den ihn die Nordkoreaner schimpfen, aber Gitter, die kennt er wohl!), die man mir angepaßt hat wie im Mittelalter einem betrügerischen Bäcker beim Bäckerschupfen oder den Hingerichteten, die man wochen-, monatelang in eng angepaßten Maß-Metallkäfigen, echte Wertarbeit!, zur Schau gestellt hat, bis das Metall nachgegeben hat und sie heruntergestürzt sind. Der Käfig ist dabei zerschellt. Man hätte mir was angepaßt?, na irgendwer oder irgendwas halt hat sie mir angepaßt, anstatt daß ich mich hätte dort einhängen können ins Große, das dann schon fertig gewesen wäre anstatt mich dauernd fertigzumachen, ein Großes, das ich mir nur so groß vorgestellt habe, weil ich weiter als zu mir selbst gar nicht hätte sehen können. Ich hab mich zwar oft reingehängt, in eine Sache, die größer war als ich, die meisten Sachen waren mir sowieso zu groß, auch wenn diese eine spezielle Sache relativ klein war, aber indem ich mich für sie, eine Angelegenheit, eine Ungerechtigkeit (in meinen Augen), einen politischen Sachverhalt, reingehängt hatte, habe ich mich nur eingesetzt im Sinn von: reingesetzt ins Gestell, welches bereits vorhanden war. Bequem wie ein niedriges Turngerät, kein Problem, es ist nur mir so groß vorgekommen. Doch es war immer nur so groß wie ich, ich habe mich nicht von innen dagegengelehnt, ich habe mich grade nur so groß gemacht wie das Außen, gegen das ich mich aufgelehnt habe (in Wirklichkeit höchstens: mich sicherheitshalber abgestützt und dagegengelehnt, an dieses Gestell, das ich immer nur selber war, mein eigener Maßstab, das konnte ja gar nicht umfallen, ich war zu dicht dran, nein, drin, immer zu dicht drin, auch wenn ich weit entfernt war, immer war ich reingestopft wie der tote Delinquent, und nie zu dicht dran. Das habe ich mir nur eingebildet, oder ich habe es mir selber vermasselt, das Dicht Dransein, weil ich ja immer nur mich als Maß genommen habe, und das war immer zu klein, ein größeres hätte ich doch nie genommen!, woher denn?, eine absurde Situation, aber umgefallen bin ich eben nicht, dies das Ergebnis: Das konnte ich gar nicht: umfallen. Ich wurde ja strengstens festgehalten, manchmal auch ungehalten aufgehalten, aber das wäre doch gar nicht nötig gewesen!)

Wer sich also nicht selbst herstellen kann, der kann sich nur da herstellen, um sich zu fassen, aber das geht nicht. Das Unwesen des Denkens breitet sich aus, doch es kommt nicht weit, es wird gegenüber dem Sein sofort ohnmächtig, woher käme denn sonst der Wunsch nach einer von uns unabhängigen künstlichen Intelligenz?, und das wirkliche Leben geht an jedem Sein achtlos vorbei, es kann schließlich sogar jemand tot sein und bekommt trotzdem keine Beachtung. Wie der Obdachlose neulich, der auf dem Bahnhof dort erfroren ist, und keiner hats gesehn. Das wirkliche Leben ist auch so eins, das sich gern anderen überläßt, von denen es sich dann oft nicht mehr zurückkriegt oder in einer Form, die Selbsterkenntnis unmöglich macht. Oder die andern nehmen es erst gar nicht, nicht, weil es ihnen nicht gehört (als hätte je jemand Hemmungen gehabt, etwas Fremdes anzunehmen!), sondern weil es ihnen zu nahe kommt, dieses andere den anderen, es droht die Erkenntnis, daß das Andre so sein könnte wie man selbst bzw. einem nahekommt, und dann muß es sofort wieder weg. Bevor es anfängt zu sprechen, bevor eine Verbindung hergestellt, eine Mitteilung gemacht werden kann. Rede ist die Artikulation der Verständlichkeit, sagt Heidegger. Da ist einer wie wir, aber seine Rede ist uns nicht verständlich, in ihr wird seine Fremdheit, die daran hindert, den Anderen als man selbst zu erkennen, wieder aufgehoben. Die Bedeutungen bleiben aber doch da, oder, wenigstens die? Und ihnen wachsen die Worte zu, wie der Philosoph sagt, es ist nicht so, daß Wörter"dinge" mit Bedeutungen versehen würden. Das geht sich nie aus, sage ich. Im Sprechen, in der Rede, existiert der Andere, was wir nicht wollen. Was nur wenige wollen. So, ich mache eine Aussage, wen interessierts. Deswegen existiert keiner und keiner existiert nicht.

Die Infantin streckt die Ärmchen aus, aber besser ist es, sie auf dem Reifrock ruhig ruhen zu lassen, der gibt eine gute Unterlage für eine Art Handlangerschaft, der ihrerseits niemand die Hand reicht, und wäre es nur, um zu zeigen, was etwas bedeuten kann. Die Bedeutung dieser auf ewig Stummen und Gebannten — denn die Macht muß nicht sprechen, sie muß nur da sein — wäre dann schon außerhalb des Rocks. So weit könnte die Infantin gar nicht hinausreichen, um eine Kleinigkeit wie Staunen zu fassen. Erschrecken wird sie noch früh genug, das hat ihr Kleid ihr nicht prophezeit, was es dort draußen alles gibt. Ihre Bestimmung war klar und durch einen sehr weiten Rock, in den sie eingeplant und dann eingespannt war, definiert. Also die Grenzen waren abgesteckt. Die Hände hätten die Grenzen des Rocks kaum erreichen können. Das Denken ist sehr groß, vielleicht sogar größer als die Kleidung, in der man steckt. Aber nie groß genug. Weshalb sollten wir sonst ein ganz neues wollen? Es streckt seine Hände aus und erreicht knapp die Grenzen, in die es eingehängt wurde, daher geht sich das eben immer nur knapp aus. Die Grenzen der Sprache die Grenzen der Welt? Das stimmt sicher genauso, wie alles andre auch stimmt, je nachdem, wo man sich grade eingehängt hat; und dasjenige, dem man vertraut hat, indem man Vertraulichkeit signalisierte, geht ohne einen weg, während man feststeckt und nicht über sich hinauskommt. Es ist auch nicht notwendig.

Das Denken ist nicht notwendig, nicht, daß es das nicht einmal gewesen wäre, am Anfang von etwas, das ich nicht kenne, da hätte ich vielleicht die Chance gehabt, aber jetzt ist es unmöglich, weil ich den Anfang leider versäumt habe, und jetzt zeigen sie den Film nicht mehr, sie trauen sich nicht, weil das Große droht, aber das Große droht immer, und manchmal kommt es auch, aber diesmal kommen nur ein paar Script Kiddies oder ein andrern Haufen Miet-Hacker, die sich einen Spaß machen und am Nachmittag auf echtem Wasser surfen gehn, wetten?, denn die können auch auf dem Wasser gehen, wie Jesus, genau, das können sie auch noch, zu allem anderen dazu. Die Bedeutungen, die sie einschleusen und diejenigen, die sie herausholen, haben für sie einen Sinn. Dieser Rechner kann alles, aber wenn man etwas sehr Kleines in ihn einpflanzt, kann er das alles auch für andere. Man muß nur die Anlage öffnen, die von Natur aus jedem gegeben ist, jedem eine andre. Das dient der Verständlichkeit, und zwar für andere: der Trojaner als Dolmetsch, der übersetzt, was nicht gewußt werden soll. Andere sollen es verstehen und was damit anfangen.

Die Bedeutung des Verständlichen kommt, ohne daß der Besitzer des Rechners das weiß, zu Wort, aber nicht für ihn, für andere. Den Bedeutungen wachsen Worte zu, sagt der Denker. Nicht aber werden diese Wörterdinge mit Bedeutungen versehen. Das geschieht im Hinblick darauf, daß andere etwas wissen wollen, das einem gehört, indem es einem schon nicht mehr gehört, weil jeder, der will, es bekommen kann. Diese Bedeutungen treten ihren Versehgang an, sie sind mit Schildern versehen, was sie für andere bedeuten könnten, und auch, wenn die anderen sie nicht verstehen, sie wollen sie trotzdem haben. Und wenn Sie das lesen (oder auch nicht, es ist egal, es existiert trotzdem, Sie müssen es nicht mal stehlen), dann wird das schon alles gewußt und wieder vergessen sein, ich werde dem Unmöglichen, das aber das Möglichste überhaupt ist, sonst wäre es für mich ja gar nicht erreichbar, nachgehechelt haben, und schon ein paar Tage später ist es raus und kennt sich im Außen nicht aus. Alles muß raus, immer, für jeden. Ich tue es selbst. Was? Ich tue mein Möglichstes. So, jetzt ist rausgekommen und bringt die Rechnung mit, denn umsonst ist nichts. Es wird jetzt abgerechnet, was das alles für die insgesamte Kultur bedeuten kann, die ich aber in meinem Maß-Korsett nicht erreichen kann, und den Rock darunter kann ich gar nicht sehen, ich kann mich nicht vorbeugen, etwas hält mich fest. Ich habe angeblich viel erreicht, aber ich kann nichts erreichen, und schon gar nicht das, was auch nur zehn Zentimeter außerhalb meines Reifrocks, meines Gestells wäre. Das ist wie bei der Infantin. Es ist unmöglich. Die Hülle ist außer Reichweite. Und so gerate ich in eine Situation der Betreuung, die auch nur so eng ist wie meine Grenze um mich herum. Betreuung ist schon das Größte, was ich erreichen kann, denn da muß ich nicht raus, die kommt zu mir herein, und zwar im Dienste der Sicherung, die beim Philosophen noch eine Entfaltung ist. Aber genau das geht nicht, ich bin davor, ich bin dazwischen. Es ist unmöglich. Ich reiche also nicht einmal so weit wie die Grenzen meiner Sprache, mir reicht es selbst, mir reicht es schon, ich muß an keine Grenze gehen, damit es mir reicht. Ich kann nicht mein Herr sein, auch nicht meine Herrin, dazu müßte ich rauskommen. Und das ist möglich. Das ist unmöglich. Sie hören hier nicht die Stimme eines Freundes.

Herr Heidegger, bitte um Entschuldigung, aber wenn Sie mir nicht den Schlüssel zur Hütte geben, trete ich die Tür ein!

Bilder: Infantin Margarita Theresa von Spanien, Diego Velázquez, Kunsthistorisches Museum Wien, div. Columbia Pictures

1.1.2015


Ich Ding der Unmöglichkeit © 2015 Elfriede Jelinek

 

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