Zu Sini Coreths Installation "How to get out"

Es ist die Verbindung zur Welt aufrechtzuerhalten, indem man etwas aufrecht hält, das eigentlich fort möchte. Beim Schreiben versucht man schon einmal nicht, die Buchstaben, die Worte zurückzuhalten. Man bringt sie hervor und ab die Post. Dann gibt man sie preis, damit sie ein wenig spazierengehen können.

Sini Coreths "how to get out": das Zurückhalten von etwas, das sie unbedingt beleben möchte, doch es belebt sich ja selbst! Nein, eigentlich hat es die Erinnerung des Belebtwerdens bewahrt, das Etwas hat die schrecklichen Folgen des Belebtwordenseins nun ganz alleine zu tragen. Es ist angefüllt, doch nicht mit Empfinden. Da bringt sich etwas, schwerelos, ungewaltsam, ins Werk, das sich selbst davoneilen möchte. Ein Ort ist verkörpert worden, dem sich Gegenden eröffnen würden, der Ort einer Ortschaft, aber auch die Ortschaft jedes Orts, denn man wird nie wissen, wohin dieser Ballon geflogen wäre, alle Ziele trägt er ja in sich. Aber das, was sich dem Ballon, nein, das ist kein Schwebebalken!, erschließt, ist das Wohnen, oder besser: kein Wohnen, denn dieser Ballon wohnt selbst. Indem er sich dem Draußen verschließt, oder besser: indem ihm das Außen gewaltsam verschlossen wird, wohnt er sich zurück in sein mögliches Verweilen, das aber gewiß kein Überdauern sein wird, denn dieses angehende, angefachte Ding, keine Flamme, wird, irgendwann, wieder in sich zurückgehen, dann aber ein ganz anderes sein, das noch eine Erinnerung in sich bewahrt vom Aufgeflogensein.

Da ist also etwas verkörpert worden, das, im Aufgehn, gleichzeitig seinen eigenen Ort bestimmt hat. Schauen Sie, dort diese Pflanze, die hat, im Gegensatz dazu, ihren Ort schon gefunden, sie mußte ihn nicht mehr herstellen!


Sini Coreth, Installation

Installation, Helium-Gasflasche, Plastikschlauch, Ballon, Seile,
Markierung, Pflanze, die während der Arbeitsphase gewachsen ist.
640x530x400 cm


Entscheidend dabei ist, daß der Raum ringsherum leer ist und doch wieder nicht. Normalerweise ist Leere das Fehlen von etwas, das sie ausfüllen, etwas, das auch alle ihre Zwischen-Räume ausfüllen würde. In diesem Fall ist die Leere aber etwas anderes, wie soll ich es sagen: Diese Leere ist gleichzeitig der Zwischenraum und jeder andere Raum, der sich denken ließ e, auch noch, denn dieses Kunstwerk ist leer und angefüllt zugleich. Doch die mit Nichts aufgefüllte Leere des Ballons, die durch dieses Nichts ein Etwas geworden ist, sie gehört in diesen Raum, denn sie macht erst den Raum, sie bringt ihn hervor und bringt gleichzeitig sich selbst hervor. Daher ist dieses Werk auch sein eigenes Negativ, ein Nicht-Werk, das sich selbst den belebenden Wink gibt oder den Finger, der Adam aus sich herausreißt, ins Leben. Es würde nur eines winzigen Zeichens der Schöpferin bedürfen: z.B. des Heraussägens von etwas Eisengitter!, dann, ohne Unterstützung von unten, flöge er fort, der aufgeblähte Wanderer, sich und sogar den Bericht von sich einzufangen, der, ohne Worte und Zeichen, nichts ist: genau das ist was bleibt. Ein Nichts, das mehr wäre als dieses Nichts, hat man noch nie gesehen, denn es verkörpert die Leere in der Leere, es ist also das meiste Nichts, das denkbar ist. Diese Leere macht erst den Ort, einen Ort im Ort, denn der Ort, wo sich das abspielt, bleibt da, auch wenn einmal die Hülle schlapp am Boden liegt und auf nichts mehr verweist als auf das, was sie einmal eingeräumt hat: den Raum, der die Leere seinerseits lebend nicht mehr freigegeben hat. So, diese Gegend ist eröffnet! Doch dieser Käfig ist nicht erst ein Ort geworden dadurch, daß man den Ballon in ihn eingehängt hat, er ist schon vorher ein Platz gewesen, im Gegensatz zum Weiten und Freien, wo der Ballon ursprünglich ja hinwollte. Jetzt ist er in Verwahrung genommen von seinem eigenen Ort, der ihn verhaftet hat, und so gehören sie zueinander, der Ort und der Nichtort, der eben auch wiederum ein ganz eigener Ort ist, vielleicht aber auch ein andrer. Wenn man es sich anders vorstellen wollte: Jetzt sind soeben zwei Ortschaften zusammengestoßen, das ist eine Folge des Einräumens, das, selber schuld, kein Ordnen ist, sondern ein Freigeben. Warum also haben Sie das alles nicht selber freigegeben? Das Offene ist ja die ganze Zeit dagewesen und hat drauf gewartet, sich endlich um etwas schließen zu dürfen. Warum muß ten sie sich auch ausgerechnet hier versammeln, diese Ortschaften? Indem man von ihnen spricht, rodet man sie, man nimmt alles weg, was da war, nur um sie besser sehen zu können.

 

 


Zu Sini Coreths Installation "How to get out" © 1997 Elfriede Jelinek

 

zur Startseite von www.elfriedejelinek.com