31.12.
05/1.1. 06

Im
Neuen Jahr werden Menschen und Dinge, zumindest die, die grad dran sind,
aber die sind dann wirklich dran!, wieder mal wie Bauklötze herumgeschoben
werden, die wir dann über sie staunen können. Manchmal staunen wir jetzt
schon. Diesmal sind wir aber Vorsitzende, zumindest eine Zeit lang, und
daher sollen die groben Klötze einmal kurz anhalten dürfen, damit sie
der Welt gezeigt werden können, und damit die Welt sie dann, o Welt, jaja,
wieder lassen, fallenlassen kann, wenn die Klöße in den Händen der Welt
zu heiß geworden sind unterm Fegefeuer der nationalen Eitelkeiten. Das
Internationale, ich meine das Intentionale von großen Menschen wie Mozart,
das bereits Niedergeschlagene mit Mozartkugeln noch weiter erschlagen
soll, damit die Mühseligen und Beladenen, aber natürlich auch die Fröhlichen,
Guten und Freundlichen nie wieder aufstehen können, auferstehen können
sie, als Unsterbliche, aber aufstehen können sie nicht mehr (Mozart ist
ja so heiter, und er gefällt allen, das ist eine Konstante in der Natur,
er gefällt sogar den Tieren, sie geben mehr Milch, falls sie Kühe sind,
das muß das Teutsche an ihm sein, wie derzeit oft betont wird, gemeint
ist wahrscheinlich: ohne die italienische Oberflächlichkeit eines Padre
Martini, des Lehrers, den der Schüler natürlich weit überholt hat, so
wie er alle überholt hat, alle Lehrer, alle Schüler, alle Schüler von
Lehrern und alle Lehrer von Schülern, und das Dunkle an ihm, Mozart, nur
der kennt es, der es beschreibt und deshalb Kenner genannt wird, und den
andren wird zugeschrieben, daß sie es nie kennenlernen können, weil sie
es nicht verstehen, weil sie das Dunkel nicht verstehen, das in Mozart
eben auch ist, aber in keinem andren sein darf, weil es, neben dem Hellen,
in ihm ebenfalls gesteckt hat und herausgekommen ist wie ein Span, den
man entweder aus dem Fleisch herausholen oder anzünden muß. Schauen Sie,
das ist so bei Mozart: Nur der, der über ihn schreibt, versteht ihn, indem
er ihn fortschreibt, indem er Mozart sich selbst zuschreibt, aber ich
ist ein anderer, immer, und das Phänomen ist dann letztlich, daß ihn alle
verstehen, indem sie ihn nicht verstehen können, aber eben auf eine andre
Weise verstehen als sie die schönen Weisen verstehen, die sie zu hören
glauben. Aber ein Melodiker war er nicht, Mozart, keine Ahnung, was er
war. Sie werden es mir schon sagen, hoffentlich oft genug, daß ich es
verstehe. Auf die Weise, daß sie sagen, keiner außer ihnen, jeweils dem
Einzigen, dessen Eigentum Mozart wirklich ist, indem er unser aller Eigentum
sein soll, aber nur des Einen Eigentum ist, der ihn versteht, keiner also
verstehe Mozart, indem alle Mozart verstehen können, das sei seine Größe,
sagen sie, die Einzigen. Ein Jeder auf seine Art. Das ist seine Größe.
Jeder auf seine Art, das ist seine Größe. Die Größe dessen, der spricht.
Mozart. Wann hört diese Klammer auf? Sie hört auf, wenn ich es sage! Keinen
Augenblick früher. Ich sage: Jetzt! Wunderbar, sie hört echt auf!), warum
sollten sie auch auferstehen, man würde sie nicht sehen, denn wir sind
es immer, die aufstehen wollen und jede Größe (wie jede Blöße) verdecken,
indem wir auf sie draufsteigen, um selber größer zu erscheinen. Der dunkle
Mozart wird die Kenner erhöhen, der helle Mozart der Unverständigen wird
nicht kleinzukriegen sein, aber auch der dunkle Mozart ist nicht ganz
unverständlich, sondern nur gerade genug, wie könnten ihn sonst die Verständigen
als Einzige, aber immerhin, verstehen? Jeder Mozart, den es je gegeben
hat, soll leben, und er soll dieses Jahr ganz besonders hoch leben, aber
nicht jeder kann ein Mozart sein, denn daß er so hoch leben soll, hat
ja nur darin seinen Grund, daß es nur den Einen Einzigen gegeben hat:
Mozart, der der Welt gehört, aber Europäer war, nein, Teutscher, nein
Österreicher natürlich, es ist nur natürlich, daß er Österreicher war
und daher ist, andre sind nicht Österreicher, aber Mozart ganz sicher,
er muß Österreicher gewesen sein, denn es ist eine Tatsache, daß Österreich
so große, ja die größten! Künstler hervorgebracht hat, damit es ihnen,
kaum daß sie da waren, einen ordentlichen Tritt versetzen konnte, damit
sie endlich wieder verschwinden, einen Tritt versetzen, das können wir
immer noch, ist ja nichts dabei, Bein heben und Tritt! So ists brav!,
aber das ist eine Binsenweisheit, da braucht man nicht den ganz speziellen
Fußtritt des Grafen Arco auf Mozarts Hintern, der sich, der Hintern, in
Stanniol gewickelt, zumindest die eine Backe, au, die andre aber auch,
die andre wird aber auch hingehalten, in ein andres glitzerndes Stanniol,
und sogar diese eine wie die andre, jede Arschbacke ist zusätzlich auch
noch verfärbt, vielleicht vom Tritt? und verfälscht, zumindest als Mindestes,
zumindest verkleinert, wenn auch nicht maßstäblich und nicht maßgebend
(im Arsch ists finster, singt Mozart, besessen vom Dunkel, das er sich
heiter singt, damit er nicht drin verschwindet, in seinem Kanon, im Arsch
der Mozartkugel ist es aber hell, denn innen ist sie aus Marzipan, im
Kern faul, aber dieses Marzipan ist hellgrün, hell grün) in diesen Kugeln
zur Welt bringen läßt, und zwar zur ganzen Welt, darunter tut es keiner,
der je eine Kugel geformt hat und dann abgedrückt, egal was. Die Kunst
wird ausgelagert, internationalisiert, wieder renationalisiert, sie gehört
ja allen, sie gehört keinem, aber wenn sie erfolgreich ist, gehört sie
wieder dem Lande, das den Künstler einst hervorbrachte, in einem Akt der
Vergesellschaftung, und darin ist Österreich groß, ob im Arisieren jüdischen
Eigentums oder im Einvernehmen, nein, nicht in dem, in der Einvernahme?
Im Einbenehmen? Mit seinen großen Künstlern, und Mozart gehört daher uns,
uns allein, das heißt: uns allen, da gibts nix, andere gehören nämlich
nicht uns, nein, und daher gehören solche wie Mozart ganz besonders uns,
weil die andren Platz gemacht haben, die nicht zu uns gehören, nein,
andre gehören vielleicht auch zu uns, aber nicht so sehr wie Mozart zu
uns und uns gehört. Wir probieren sie aus, andre Künstler, wir probieren
sie ständig aus, wo immer wir können, wann immer wir können, mal schauen,
was herauskommt nach dem Probieren, während die Künstler noch studieren,
aber nicht uns nicht uns, uns dürfen sie nicht studieren, sonst setzt
es was, aber bitte, leider: Sie entsprechen nicht. Sie entsprechen egal
wem, aber nicht uns. Wir sind es nicht, denen sie entsprechen. Und daher
sollen sie am besten überhaupt nicht sprechen. Sie dürfen uns auch nicht
vertreten, weil sie uns eben nicht entsprechen, sie treten zu kurz (naja,
lang hat der Graf auch nicht treten müssen, und er hat dafür, bei Mozart,
tanzen dürfen, wenn ihm die Füße vom Treten nicht zu schwer waren, und
nicht nur ihm), sie treten zu lang, sie treten zu kurz, sie treten nicht
in unsre Fußstapfen, die sind zu groß, die sind jedem zu groß, der nicht
zu uns gehört, sie dürfen uns nicht vertreten, die Tritte, und nicht Europa,
das dürfen sie nicht vertreten, dort dürfen sie sich noch nicht mal die
Beine vertreten, das dürfen sie nicht, das dürfen auch zum Beispiel nicht:
diese Fotos, die in ihren Leuchtkästen, den Rolling Boards, kurz auftauchen
durften, Kunstwerke, die jetzt aber nicht mehr erscheinen dürfen, die
uns nicht mehr vertreten dürfen, während wir uns noch gemütlich die Beine
vertreten, nicht einmal kurz dürfen sie uns vertreten, nicht einmal lang,
es ist Kunst, die vollkommen in Ordnung ist, astrein, aber uns darf sie
nicht vertreten, und wir sind nicht ihre Vertreter auf Erden, ja, Kunst
ist diese Courbet-Paraphrase mit dem Damenslip, von einer Künstlerin namens
Tanja
Ostojic, ich nenne sie hier mit Namen, und das andre Kunstwerk, die
von Arsch zu Arsch kopulierenden als Landesherrscher samt Queen maskierten
Völkervereiniger von Carlos Aires, das ist Kunst, das ist Kunst, das ist
nicht auch Kunst, das ist Kunst, weil ich es sage, und ich sage es, weil
sie es mir gesagt hat, und das genügt mir schon, die Kunst, daß sie es
ist, sie muß es ja wissen, die Kunst, ja, die, obwohl sie gänzlich verschieden
von etwas ist, das ich kenne, gerade deshalb weiß ich, daß es Kunst ist,
sie kommt nicht von Können, sondern von Kennen. Was der Bauer nicht kennt,
frißt er nicht, was ich nicht kenne, ist Kunst, allerdings ist nicht alles,
was ich nicht kenne, schon Kunst, aber Kunst hat die Voraussetzung, daß
man es nicht kennt und kennenlernen muß, das geht aber nur, wenn man vorgestellt
wurde, das heißt, wenn man eine Vorstellung davon entweder bekommen oder
gesehen hat (sollte das etwa schon die Kunst sein: daß vollkommen verschiedene
Dinge hervorgebracht werden, die sich andre, jeder, der nicht ich ist,
nicht einmal vorstellen können, nicht einmal vorstellen wollen?, aber
Mozarts Kunst kann man sich natürlich immer vorstellen, ob man sie nun
kennt oder nicht, indem man von ihm sagt, man könne sich sein Werk, ihn,
nicht vorstellen, so groß sei er gewesen, also wirklich nur er, Mozart
selbst, konnte Mozart hervorbringen, zumindest so, wie wir ihn heute kennen
und lieben und daher verraten, was schon Jesus gewußt hat. Der Verrat
ist immer wichtig und nötig. Verraten und verkaufen tun wir schon, damit
muß er sich nicht mehr beschäftigen, und es wird gesagt: Gerade indem
wir Mozart beschreiben können, in der Vereinzelung seiner Töne und deren
Verbindungen untereinander, der jeweiligen Tonarten, die er ausgesucht
hatte, um ein bestimmtes Gefühl auszudrücken, ein Gefühl, das er nicht
gebraucht, aber doch immerhin hergegeben hat, ob er es nun hatte oder
nicht, denn das ist der Kunst ganz egal, ob einer selber ein Gefühl hat,
wenn er es nur irgendwo hineinlegen und uns damit reinlegen kann; in all
diesen schrecklichen und schrecklich durchdachten Vereinzelungen und Parametern,
hört jeder nur diesen und jenen Ton, jeder einen Andren, jeder ein andres
Zusammenspiel von Tönen, und sieht man vom Wesen der Kunst, das Arbeit
ist, ab, ja, auch für Mozart war die Kunst Arbeit, obwohl es bei ihm fast
von selbst ging, diese unglaubliche Mischung von Unbewußt, Höchste Lust,
und Bewußt Gesetztem, egal, aus dem Was er gemacht hat, erfährt man ja
nichts von dem, was er gemacht hat, das kann nie geklärt werden. Man kann
in der Kunst sagen, was etwas ist, Millionen Menschen können es millionenmal
anders sagen, man kann es erfassen, erstellen, konstituieren, nachbauen,
aber was es ist, das weiß keiner. Und das weiß daher jeder. So. Klammer
zu, o Gott, wo ist die Klammer hin? Ach, ich habe sie verloren! Nein,
doch nicht, ah, das ist sie ja!, jetzt kommt das, was außerhalb der Klammer
kommt, nämlich): Was es ist, weiß keiner. Was es ist, weiß jeder. Was
etwas ist, kann man erst wissen, wenn man es weiß. Und so kann man, im
Glauben, daß man, indem man nichts definiert von dem, was etwas ist, nämlich
Kunst, die darin besteht, daß sie nicht definiert werden kann, so kann
man also darüber diskutieren, ob diese Bildwerke, die kurz im Licht erscheinen
sollten, erschienen sind und dann wieder verschwinden sollten und jetzt
endgültig verschwunden sind, aus Steuermitteln, aus den Mitteln, uns zu
steuern, aus der Dividende der Verstaatlichten Industrie oder von dieser
selbst, von diesem Selbst, bezahlt worden sind, darüber kann man endlos
diskutieren, ob die regierende, nach Beachtung gierende Partei es bezahlt
hat oder sich bezahlen hat lassen, und wer dafür überhaupt verantwortlich
ist, man kann den Scheiß weghauen, was man eh inzwischen getan hat, und
man glaubt, man kann genauso auch über Kunst reden, und man kann auch
die Künstler weghauen, mitsamt der Kunst, und: Keiner schützt sie. Keiner
hat sie je geschützt, und keiner schützt sie heute. Sie schützen Mozart,
der längst ungeschützt verschwunden ist, ohne Geleitschutz, sie schützen
alles Bewährte, egal, wie es zu Lebzeiten krepiert ist, o Gott, diese
Weisheit ist mir schon wieder in die Binsen gegangen!, aber sie schützen
keine Künstler. Sie schützen niemals Künstler. Sie schützen sie nicht.
Sie schützen sie nicht. Sie hassen sie. Ja, meinetwegen, sie hassen die
Kunst ja auch, sie hassen die Kunst, aber die muß sein, die muß sein,
weil es ihnen gesagt worden ist, daß Kunst sein muß und bleiben muß, aber
sie hassen die Künstler, bis sie von einem erfahren, daß er bleiben durfte,
nicht vorher, sie hassen ihn immer. Sie hassen die Künstler sogar ganz
besonders, denn die haben ihnen das alles eingebrockt. Sie verachten sie.
Bitte, das ist ja auch gut. Aber: Sie schützen sie nicht. Sie schützen
Parteien, sie schützen Politiker, sie schützen Industriellenvereinigungen,
sie schützen vor, Sponsoren gefunden zu haben, die aber dann nur das zahlen
wollen, was man ihnen vorher gegeben hat, jeder hat seine Lobby, die
ihn schützt, jeder schützt jeden, aber die Künstler schützt keiner, jeder
hat einen oder eine Organisation, die ihn schon schützt, bevor er noch
angegriffen wird von irgendwelchen sozialdemokratischen Volksparteilichen,
bloß die Künstler schützt wieder mal keiner. Das sage ich jetzt hier
und aus. Hier darf ich es sagen. Das, was des Schutzes bedarf, wird grundsätzlich
nicht geschützt, das ist unser Prinzip. Und ein unberatener Mensch (Wolfgang
Müller-Funk: „Negativ an einem solchen, historisch überholten Nationalismus
ist nicht dessen Negativität.... Nein, negativ daran ist, dass er ein
Nationalismus bleibt, eine übertriebene Selbstbezogenheit, die sich etwas
darauf einbildet, dass wir Österreicher angeblich ganz besonders schlimm
und verkommen sind. Im
Gegensatz dazu wäre es gerade vor dem Hintergrund der österreichischen
Ratspräsidentschaft angebracht,.... das Jahr 1945 - einschließlich der
Shoah - als gesamteuropäisches Ereignis zu betrachten“)
hat daher vorgeschlagen, weil unser Nationalbild ja, durch noch unberatenere
Künstler und Denker als er einer ist, so negativ geworden ist, daß es
im Ausland nur noch so gesehen wird wie diese paar unberatenen Künstler,
dieses Dreckhäufchen, es gesehen haben, deswegen berät der Unberatene
uns jetzt freigiebig, daß, man glaubt es kaum, aber er sagt es, daß die
Shoah ausgelagert werden soll, und zwar nach Europa. Dort wird sie beachtet
werden wie Kunst, hoffen wir, Kunst muß sein, die wird beachtet, Umbringen
muß auch sein, das wird auch beachtet. Sie soll zur europäischen Frage,
zum europäischen Problem werden, die Ermordung von Millionen. Sehr schön.
Das hat der, der das geschrieben hat, vielleicht vom iranischen Präsidenten
gelernt, der die Shoah doch auch wieder zurückbringen möchte, dorthin,
wo sie stattgefunden hat, aber zuerst müssen natürlich die Juden wieder
in die Länder, die sie einst ausrotten wollten, zurückgebracht werden,
damit man sie besser findet, die Juden, wenn man sie wieder umbringen
möchte, und so strengt sich der unberatene Ratgeber tapfer an, die Juden
auf eine gesamteuropäische Ebene zu heben, nach ganz Europa auszulagern,
umzulagern, nach ganz Europa, wenn schon, denn schon, schließlich sind
wir jetzt Präsident von dem Ganzen!, und dort haben sie überhaupt mehr
Platz, wenn sie auch nicht ihren Platz finden sollen, während der iranische
Präsident, um sie erneut zu vernichten, sie zurückbringen möchte in die
Ursprungsländer, wie er es nennt, und so schließt sich der Kreis, alles
ist erleuchtet, jetzt nicht mehr, denn die Leuchtkästen sind nicht mehr
bestückt, alles wird verlagert. Alles wird verlangt und bekommen. Was
da ist, muß weg. Was weg ist, soll her. Ruckzuck! Juden an den Wörthersee,
aber das geht nicht, da müßten sie nämlich dreisprachige Ortstafeln anbringen,
und sie schaffen ja nicht mal zweisprachige.
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8.1.06
Der Präsident des Nationalrats, Khol, sagt heute öffentlich, in
seiner Eigenschaft als Politiker ins Fernsehn eingeladen, daß es
gut sei, daß diese „Plakate“, von denen hier die Rede ist, entfernt
worden seien, weil sie ein „Schmarrn“ seien, jedoch er, Khol, aber
(jetzt erst recht!) immer für die Freiheit der Kunst eintreten werde,
solange er noch Tritte übrig habe. So erfahren wir von einem führenden
Politiker etwas über die Erfahrungsarten, die es bei der Betrachtung
von Kunst gibt, denn seine Erfahrungsart scheint immer die primäre
zu sein, nein, das Primäre, weil er, der Primus, es ist, der die
Kunst anschaut, und er erhält ja auch, als Primus unter andren Primadonnen,
die aber heute leider heiser sind und nicht mitsingen können, ausgiebig
Gelegenheit, sich öffentlich zu entäußerln, wurde er doch zum Äußerln
in die Öffentlichkeit geführt. Damit er sein eigenes Nest nicht
beschmutzt. Er läßt dem von ihm Erfahrenen also keinerlei Chance,
daß es sich selbst einen Sinn geben könnte, und zwar durch sich
selbst. Der Primus, der Paritäten setzt, gibt den Sinn und ergibt
den Sinn und ergibt sich, willig, dem Sinn, den er selbst, großzügig,
wie er ist, hergegeben hat. Kunst, die er mit allen Sinnen zu erfahren
imstande ist, die er besitzt (was uns Gemeine betrifft, so hat es
keinen Sinn, uns Kunst zu erklären, wir verstünden sie doch nicht,
wir haben ja keinen Sinn für sie, wie wir überhaupt keinen Sinn
haben), Kunst, wie er, der Nationalratspräsident, sie erfahren hat,
ist für ihn nichts als die Herausarbeitung seines naturtrüben Bewußtseins,
das sich vor jeder Theoretisierung scheut wie ein Tier vor der Stallmauer,
die nicht mit der Schallmauer zu verwechseln ist. Die Kunst ist
grenzenlos, daher muß man ihr Grenzen setzen. Sogar dem Schall ist
ja seine Schallgrenze gesetzt worden. Es scheut sich der Herr Nationalratspräsident
offenbar ganz entsetzlich vor einer geistigen Stadlmauer, hinter
der sich etwas tun könnte, ein echter Erfahrungs- und Erfassungsprozeß
vielleicht. So aber ist Kunst für Khol nur etwas, das man anschauen
kann, bis man wieder wegschauen muß, weil man den Anblick von diesem
Schmarrn nicht erträgt, und sonst ist Kunst nichts. Es wird eine
Kunst sein dürfen, oder es wird keine Kunst sein dürfen. Na schön,
dann eben nicht. Gut, daß sie jetzt weg ist, es gibt ja bessere
Kunst, die natürlich frei sein muß und es auch bleiben darf. Die
andre Kunst, die keine Kunst ist, weil ja jeder sie sehen könnte,
wenn er wollte, soll zwar auch frei sein, muß aber weg, weil er,
Khol, es sagt, und er sagt doch nur, was alle sagen. Schließlich
ist er Volksvertreter und vertritt uns, indem er sich die Beine
an der Kunst vertritt. Das ist ein Unglück. Er zapft sich seinen
trüben Saft aus einem Fäßchen Meinung Uralt, aus dem das Klare nie
mehr wiederzugewinnen sein wird, nicht mehr herausgearbeitet werden
wird können. Die Theorie leckt noch daran, an diesem Safterl (zum
Schmarrn ißt man doch eher Kompott, oder?), aber der Politiker bleibt
unbeleckt und ist stolz darauf. Kein Unglück, oder doch ein Unglück?
So. Also der Saft wäre jetzt abgeleitet und ausgetrunken, vom Präsidenten,
aber für alle, stellvertretend für uns alle, weil es offenbar persönliche
Erfahrungen gibt, die sagen, daß das keine Kunst ist, was zwar immer
noch geschützt werden muß, aber selbstverständlich nur, solange
es Kunst ist. Was keine ist, wird auch nicht geschützt. Und jeder
bestimmt das Seine (und damit das Sein), entzieht der Kritik den
Boden, indem er ihr das entzieht, was sie kritisieren könnte, und
so bleiben wir schön im Faß sitzen, halten aber nicht, wie Diogenes,
den Mund. Nein, was immer wir halten, den Mund halten wir nicht.
Und sehen tun wir auch nichts, wie denn auch? Sehen tun wir in keinem
Sinn einen, in einem Sinn keinen, sondern eben: nichts. Am Ende
werden wir uns dann auf das Faß mit dem guten Saft der trüben, aber
immerhin frommen Denkart ausreden, wenn wir nichts gesehen haben
werden. So ist das geplant, und so ist es auch gewünscht. Und was
der Gast wünscht, das wird ihm gebracht, mit oder ohne Trinkgeld.
Aber irgendwer wird zahlen müssen, das seh ich schon kommen. Und
der wird dann sagen: Das habe ich nicht bestellt! Wieso soll ich
denn das zahlen? Ich wollte keinen Schmarrn, ich wollte lieber einen
lieben Leberkäs.
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2.1.2006
/ 8.1.2006
Bilder: Mozart? 1790,
Johann Georg Edlinger, München; Mozartkugel 2005, Salzburg
Neujahr
© 2006 Elfriede Jelinek

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