sich mit der Sprache spielen

Johann Nestroy

 


Nestroy
Lithographie von August Prinzhofer, 1846

 

Nestroy ist ein verspielter Autor, glaube ich, er spielt sich (ja: sich!) mit der Sprache, in die er sich einmal hineinbringt und dann wieder herausnimmt. Er zwängt sich hinein, schmeißt ein bissel mit den Worten und Sätzen herum, dann läßt er sie wieder fallen, und dann sagen sie ohne Umschweife: was los ist. Was sich irgendwo losgerissen hat. Es treten Zauberer auf, die sich verzaubert haben (nicht sich selbst, sondern die einen Zauberfehler gemacht haben oder gar keine richtigen Zauberer sind), egal, ihre Tricks funktionieren jedenfalls nicht. Und es treten Spieler auf, die sich verspielt haben, und es treten Spekulanten auf, die sich verspekuliert haben. Und die Luft ist nicht immer so wie sie sein soll, sagt der Zauberer verlegen zu den Vorhaltungen, die ihm gemacht werden, weil er das fesche Mädel nicht durch die Luft hat daher fliegen lassen können. Wie ungeschickt von mir, nicht einmal eine einzige Replik kann ich wiedergeben, ich müßte sie denn schon abschreiben. Aber wenn ich wiedergeben will, was gesagt wird, werde ich, nicht nur aus Unvermögen, sofort sehr umständlich. Man könnte sehr viel darüber sagen, warum das so ist, natürlich in erster Linie deshalb, weil die Sprache sich selbst spricht und mit sich selbst spricht, und wenn ihr ein andrer dreinpfuscht, dann zieht sie sich sofort wieder in ihr Häusel zurück: Machen Sies halt besser, Sie werden schon sehen, daß es ohne mich nicht geht. Es geht wirklich nicht. Man kann Nestroy, glaube ich, nur erklären, indem man sagt, daß er sagt, was er sagt. Und diese Sprache denkt ja gleichzeitig ihre Voraussetzungen mit, sie schreibt sie mit, aber sie problematisiert sie nicht, sie sagt sie. Sie entwickelt sich aus sich selbst, in einer eigenen Art Logik, die in keiner Metaphysik, Religion, nicht einmal in einem Materialismus gründet, sondern eben: ist was sie ist und immer weiter, spielerisch, entwickelt, was die ganze Zeit schon da ist und gar nicht entwickelt zu werden braucht. Und indem etwas sich, im Fortschreiten eines Theaterstücks entwickelt, ändern sich seine Voraussetzungen und Folgen und bleiben gleichzeitig gleich. Man kann nicht sagen, daß Nestroy ein fortschrittlicher Dichter sei, und man kann nicht das Gegenteil davon sagen. Ich glaube, das ist es: Fortschritt, indem er sagt was ist, es damit aber auch fest-schreibt. Gemeint ist was gesagt wird und das Gesagte gleichzeitig.

Nestroy als Tratschmiedl - Öl von Franz Gaul, 1866

 

Beitrag für das Programmheft einer Nestroy-Aufführung im Wiener Burgtheater, Anfang 2001

(Bilder aus www.nestroy.at)


sich mit der Sprache spielen © 2001 Elfriede Jelinek

 

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