Neid

Privatroman

Viertes Kapitel, c

 


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Die arme Brigitte K. hat den Schock nicht überwunden, von sich und ihrem Heim getrennt zu werden, doch wen kümmerts? Wen kümmerts, ob ein Mensch oder eine geshrinkte Stadt einen Schock überwinden kann oder nicht? Die niedrigen Menschen lachen ja sogar noch über die kleine N. und machen ihre Scherze über sie, weil sie etwas zu überwinden hat, das die übrigen Menschen sich nicht einmal vorstellen können. Das Überwinden ist immer schwierig, denn man braucht dafür jemanden, der sich zur Verfügung stellt und in Reserve hält, damit man über ihn bockmistspringen kann, ja, genau, damit man mehr bekommt, als man hat, denn wenn man über jemand drüberspringt, hat man einen kurzen Moment lang eine Ahnung, wie viele Bessere es geben könnte, über die man sich dann hinwegsetzt und die selber alle höher springen können, über die man dann wieder in einem riesigen Satz hinwegsetzen kann, so wie ich mich über all dies hinwegsätze, au, FG. Was man nicht hat, kann man auch nicht herborgen, nicht wahr, verbergen sollte man es aber auch wieder nicht, denn ein bißchen sollte schon die Stimmung für den Tourismus aufbereitet werden, wenn sie zusammengesunken ist, dann kämmen wir sie ein wenig und bürsten sie gegen den Strich, so wie ich das seit vielen Jahren mit meinem Vaterland versuche, was bei Ihnen auch nie gut angekommen ist, am wenigsten bei den engagierten Verteidigern der einstigen Verteidiger des lieben Landes, welche einst ihr Leben riskierten oder gaben, mir ausnahmsweise nicht egal, mehr sage ich nicht, also, bitte den Prospekt, o je, der färbt ab, macht nichts: Einen Berg hätten wir da im Angebot, eine Skipiste, ein Naturschauspiel, eine naturtrübe Tasse wie Brigitte eine ist und


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ich auch eine bin, nein, bitte nehmen Sie wenigstens mich nicht!, ich war, von mir selbstgewählt, schon zu oft dran!, man braucht etwas, um dann darüber hinwegzukommen, doch plötzlich merkt man, daß man nicht drüber hinwegkommt, denn man hat einen zu hohen Berg aufgebaut, ich um mich herum, Brigitte jedoch, um draufzusteigen (wollte sie einmal sehen, wie das ist, nachdem bei der Scheidung dermaßen auf ihr herumgetrampelt wurde?). Auf andre Drauftreten, da wird immer was draus! Fröhliche Überlegenheit auf der einen Seite, auf der andren Matsch. Umgekehrt wird auch ein Schuh draus, aber dann tut es erst recht weh. Ja, so machen wirs. Da war einst in Bruck a. d. Mur eine Handlung, die stand bombenfest, dort spielte die Geige und dort spielte auch das richtige Leben, bevor sie später in der Erzstadt erst richtig in Schwung kam, die Handlung, haha, ich sehe weit und breit keine, und überhaupt – was verstehe ich unter Schwung?, etwa Aufschwung?, den sehe ich nämlich genauso wenig, also dort wurde auf einen Menschen draufgetreten, was gar nichts ist im Vergleich zu dem, was in Guantanamo den armen Menschen angetan wird, die dort eingekerkert sind, schon wieder haben sich drei von ihnen umgebracht, wir können sofort aufhören, ich bin bereit zu bezeugen, was ich aber auch nur gelesen habe: Dieser Mann hier soll für viele stehen, bei 40 Grad steht er aber nicht mehr, der Häftling der Vereinten Staaten, er liegt fast bewußtlos auf dem Boden, ein Haufen Haare neben sich. Er hat sich über Nacht buchstäblich die eigenen Haare ausgerissen, wer, bitte, ist hier der Verantwortliche, daß ich ihn zur Rechenschaft ziehen kann, wo ich doch gar nicht rechnen kann?, doch dazu die Embryonalstellung


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einzunehmen und mich anzuurinieren oder einzukoten, wie dieser arme Mensch es tat, das lehne ich für mich und ihn entschieden ab. Das lehne ich ab, und ich lehne es auch ab, wenn dieser Politiker von den unseligen Unsrigen, Vater unser, zum Glück hast du mit dem nichts zu tun, seit du ihn unter dich gelassen hast, sagt: Der und der wird abgeschoben, da kann er sich anurinieren und einkoten, soviel er will, er wird von hier, wo wir sind, abgeschoben, LG und aus. Ja, das hat er gesagt, der Einheimische, der uns dereinst regieren will, aber nicht wird, obwohl er denkt, daß er das kann. Soll er doch, man würde keinen Unterschied merken, ich weiß nur nicht zu wem oder was. Doch kehren wir lieber wieder zum Skisport zurück, denn dieser Politiker hat den Sport ja selber auch viel lieber; wenn ich die Wahl hätte, tot zu sein, dieser Politiker zu sein oder Sport zu machen, würde sogar ich den Sport wählen, und zwar den Breitensport, da falle ich nicht so unangenehm auf, bloß: Was verstehe ich unter Schwung? Das habe ich immer noch nicht beantwortet. Ich verstehe ihn nicht, kann es Ihnen dennoch gern sagen und bitte, lassen Sie es sich auch gesagt sein: Der Schwung dreht ein Brett, aber nicht eins vorm Kopf, das unter dem Aufspritzen des Schnees gegen feist aufgespritzte Lippen klatscht, weil es sich von den Füßen gelöst hätte, um Sie zum Sportarzt zu bringen, hören Sie nicht auf mich, aus mir spricht nur der Neid, daß ich keine Giftspritze für meine Lippen und meine Stirn habe, nirgendwo ein Botulin in Sicht, um mich jünger und schöner zu machen, über der Nasenwurzel habe ich eher, an Stelle des Gifts, die Stirn, die Unwahrheit zu


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sagen, und dies hier spricht auch nicht aus mir und nicht für mich, bitte, was soll das, das ist doch nicht schon wieder eine Aussage über den Sport, oder? Es ist nur neidisches Nattern, mehr nicht. Eine Handlung ist das hier, die keine ist, Scheiße!, die niemals eröffnet werden konnte, obwohl ich mir schon verschiedene Sachen gekauft hatte, die ich hineintun wollte wie Heu in die Krippe fürs Jesuskind, derzeit grade wieder hochaktuell, jawohl, heute ist Heiligabend, morgen wird was andres sein, aber, Kinder, da wirds nix mehr geben, und wenn ich bloß aus dem Fenster schaue, sehe ich schon eine mit Anoraks behangene Menschenmenge zwecks Verhandlung über die Geburt ihres Herrn in einer Punschhütte zusammenkommen, in einem Pfefferkuchenhaus (wohin wir alle geschickt haben, die wir nicht brauchen, ja, auch dieses Häuschen quillt aus allen Ziernähten, aus allen Zuckerpatzen, die es zusammenhalten, die Hexe hat ziemlich zugenommen, die hat ordentlich zugelegt von all den Menschenkindern, die sie bereits gefressen hat), Sie, Brigitte, hätten das alles, diese heilige Handlung und Verwandlung in eine innen gut isolierte, flüssige Rumkugel, gratis haben können, hätten Sie sich in dieses, mein Gehege begeben, wären Sie hier, wieso sage ich eigentlich „Sie“? Heute sagt das kein Mensch mehr, aber ich weiß ja nicht, was man heute zu Menschen sagt, es sagt ja jede Verkäuferin schon du zu mir und darf das gern, und in diesem Elektrogeschäft gibt es auch den einen oder andren Computer zu kaufen, glaub ich (ja, Computer hatte ihr Exmann auch im Angebot, Notebooks und alle möglichen Zusatzgeräte, ich werde fragen, wie manche davon heißen, aber mein Gewährsmann ist noch nicht aufgestanden, obwohl


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er normalerweise immer recht ausgeschlafen ist, so, jetzt ist er schon auf, eine Viertelstunde später als sonst, und er sagt, daß in einer Elektrohandlung unmöglich Computer gekauft werden können, da sie als Bürobedarf gelten und nicht als Elektrobedarf verkauft werden dürfen, es sei denn, das Geschäft wäre ein ganzer, gut sortierter Elektromarkt über viele Stockwerke, also da mußte es Brigittes Ex doch ein paar Nummern kleiner geben, was wiederum in einem Schuhgeschäft leichter gewesen wäre), ich muß fragen, ob man ein Notebook überhaupt als Elektrogerät bezeichnen kann, man wird mir sagen, eher: elektronisches Gerät, naja, also mein Gelege ist ein Gerät, mein Unterleib wäre damit ja nie fertiggeworden mit all den Eiern, die inzwischen nutzlos in mir verschimmelt und abgestorben sind, nur für die Schimmelbriefe und die Schummelzettel, die ich verfaßte, ließ ich das schöne Kinderhaben einmal beiseite und dann für immer, jetzt habe ich keine Eier mehr, jetzt muß man mich selbst in die Pfanne hauen, LMAO, null, und Brigitte darf auch keine mehr haben, aus denen man was machen kann, sie ist kinderlos, und das bleibt sie jetzt auch, sie soll bloß nicht denken, sie wäre was Besseres als ich, sie ist unfertig geblieben, wie ich, und jetzt mach ich sie fertig! Sie ist nicht ich. Denn wenn ich mit ihr fertig bin, lasse ich sie ohne Bedauern fallen. Ich bin schon am Boden, grüß Gott und willkommen hier unten. So, diese Hand da fällt, es ist in mir, und hier habe ich dafür auch ein Gerät, wo ich mich selber hege, sonst tut es ja keiner, das ist, in Ermangelung von unausgereiften Kindern, mein Brutkasten für meine unsympathischen Gestalten in Frauenkleidern, aber


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Transvestiten sind sie nicht, es sind echte Vollblut-Frauen, so, sie sind raus, wo tun wir sie jetzt hin?, also, da war einst, ich sagte es schon vielhundertmal, ein stattlicher Elektroladen mit einem stattlichen Besitzer, und hätte Brigitte, die Gattin des Besitzers, sich nicht zu hoch eingeschätzt in Bezug auf ihr Herrchen, den bedeutenden und mächtigen Herrn des Stroms, –  in Kleinstädten schauen ja alle Menschen größer aus als sie sind – (Gas haben wir hier nicht, nur in Flaschen, falls Sie welches wünschen, um fliegen zu lernen, was heutzutage schon Analphabeten können, das Fliegen in ferne Länder), der Wasserkraft, der Energie, der Industrie und der Schmutzentfernung (Staubsauger, alle Miele-Modelle jederzeit vorrätig, ja, auch den, der im Konsumententest – Entschuldigung, nicht die Konsumenten wurden getestet, sondern das, was sie sich kaufen wollen, aber oft nicht können – neulich so gut abgeschnitten hat, daß man jemanden ermorden würde, um ihn zu bekommen, was nicht nötig ist, er ist hier vorrätig im Angebot und nicht einmal teuer, mittelpreisig, und zu Weihnachten wird er vielleicht sogar ein süßes kleines Sonderangebot, und wieso gibt es hier nicht diesen süßen kleinen Staubsauger aus SFU, einen mit so einem Scheinwerfer vorne dran, sehr praktisch, wieso hat das nicht jeder?), dann wäre Brigitte nicht so tief gefallen und hätte im Fallen nicht wie eine Vision, wie einen Alptraum, die plötzlich wie durch ein Wunder (na, ein Wunder wars keins, einmal das Wunder der unbefleckten Empfängnis und der unbefleckten Zeugung und dann nie wieder) schwangere junge Sekretärin erblickt (die sie bis dato stets völlig übersehen


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hatte, und so plötzlich war es gar nicht, nebenbei bemerkt), welche ihr, Brigitte,  ein gewisses Sortiment triumphierender Blicke zuwarf, schon seit längerem, kaum verhüllt, die Sekretärin kaum verhüllt, der Bauchnabel auch nicht verhüllt, sogar gepierct, in Graz gepierct, und auch die Blicke nicht, wer verhüllt heutzutage schon einen Blick?, lohnt sich doch gar nicht, es ist ja immer alles zu sehen, und sehen heißt: begutachten, nicht zu verwechseln mit achten, und diese junge Frau hat den Stöpsel der Musik fest im Ohr, ihr Baby später, als es endgültig raus war, ich meine draußen, fest im Griff und den Mann fest zwischen ihren Schenkeln, so sind moderne Menschen heute, gestern und morgen, da sie allerdings unmodern geworden sein werden. Sie verstehen es dennoch zu leben. Sie werden es immer verstehen. Sie versuchen ja nur zu leben. So werden sie immer sein, nur eben jedes Jahr vollkommen anders. Sie werden sich nämlich nach dem Jahr richten und was und wer dort grade herrscht. Und wenn sie etwas brauchen, gehen sie in die neue Disco, die oben eine Disco und unten ein Schwimmbad ist, das ganze im Fluß vertäut, damit es nicht wegschwimmt, es kann auch sein, daß es umgekehrt ist, nicht daß der Fluß im Schiff vertäut ist, sondern daß die Disco unten und das Schwimmbecken oben ist, ja, ich glaube, so ist es wirklich. Ich habe es nicht gesehen, nicht erkannt, wie fast alles, das es gibt, aber so ist es wirklich, lese ich. Tja, so sind sie immer gewesen, die Menschen, nur ist die Zeit, da wir anderen selbst modern waren, längst vorbei. Schicksal. Nun, er hat ihn immer noch, Brigittes Exmann seinen Elektroladen, er


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beschäftigt einige Monteure und Installateure, seine neue junge Frau macht, wie früher, wie immer, wie seit drei Jahren schon, Umsatz mit modernen Geräten, sie macht ordentlich Kohle allein dadurch, daß sie da ist und ihr Fleisch beschaut werden kann, und als Brigitte sich mehr und mehr auf den Geigenunterricht konzentrieren wollte, auf diese hohle Sache, diese hohle Sackgasse, und noch mehr Schüler draufbekam, weil die alte Lehrerin in Pension ging, da machte die Neue die Buchhaltung erst recht, und was ist heute der Erfolg? Es ist ein großer Erfolg, denn die beiden Elektrobesitzer, Besitzer und Besitzerin, haben einen reizenden kleinen Sohn, der mit Muttermilch in den Falten (aus Speck, nicht, wie bei mir, aus Leere und Langeweile) geschmiert werden möchte, damit seine Hautfalten nicht wund werden, ich sage Ihnen, das habe ich in der Zeitung, nein, es war eine Zeitschrift, egal wo, gelesen, ich weiß sowieso nur, was ich lese: Es ist ein Wundermittel! Mittels Muttermilch erspart sich jeder das Wundliegen auf einem harten Lager und Tonnen von kommerziell hergestellter Babycreme aus dem Drogeriemarkt, und außerdem, mein Gott, warum hast du mich verlassen, ich hätte dir noch so viel zu sagen gehabt: Ein paar Tropfen Muttermilch, egal wo, auch im Säugling selbst, wo sie fröhlich herumtobt, wenn ers braucht, damit ers dann hat, wirken wahre Wunder und schließen sogar Wunden, echt! Es spottet jeder Beschreibung, und dennoch versuche ich es und spotte selbst, aber nur, weil andre es ohne Spott vor mir beschrieben haben, vor meinen eigenen Augen beschrieben haben, ohne Spott, mit Ernst und Interesse (beides kenne ich gar nicht), ich sagte es schon, ich kann nicht anders, ich


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wollte, ich könnte, aber ich kann nicht anders, und das, was ich kann, kann ich leider auch nicht. Und Schmieren hilft bei allem, Schmieren mit Muttermilch (wetten, das haben Sie noch nie probiert, dabei hat doch wirklich jeder eine Mutter, oder?!) beeinflußt die Mutter-Kind-Bindung äußerst positiv, leider nicht die Geigenbindung zwischen Instrument und Mensch, dafür tut sie garnichts, das ist dann Brigittes Aufgabe an einer winzigen Minderheit von Menschen, die das Kreuz des Geigenspiels freiwillig auf sich nehmen und dabei öfter stürzen als Jesus unter seinem, was viel Leid, Schmerzen und häßliches Geheule mit sich bringt, und manch andre Menschen nehmen dafür, ich meine, manche Mütter, die sich beschäftigt halten wollen, nehmen für das Wichtigste und Schönste in ihrem Leben, das Kind, an Stelle von Muttermilch für die Hautfalten, die gern, nein, ungern, aber sie müssen: WUND WERDEN, Meersalz und Olivenöl, das sind natürliche Produkte, rückfettend,  ph–neutral, bereits eßfertig für die freundlichen MenschenfresserInnen unter uns, vielleicht stimmt das ja alles gar nicht, bitte tun Sie keinesfalls irgendetwas, das Sie von mir lesen, machen Sie es nicht nach, ich habe es schließlich selber nur abgeschrieben und abgedacht und abgepaust – eine uralte Kulturtechnik, leider in Verschwendung geraten, weil es ja nur noch Abgekupfertes und Abgepaustes gibt, da fällt man leider nicht mehr auf –  und nachgemacht, weil ich selbst überhaupt nichts habe und auf Fremdes sozusagen angewiesen bin, um überhaupt irgendetwas zu sagen (überprüft habe ich das mit der Muttermilch nicht,


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persönlich an mir nicht und mit mir auch nicht), und manche Eltern wollen bis zur Pubertät ihres Kindes und womöglich bis zur Vollendung seiner Lehre oder seines Studiums: kein Shampoo verwenden für den Kopf, denn erst durch Shampoo würde der Kreislauf von Schuppen und Flechten und Fetten und Pilzen und Klabusterbeeren (die woandershin gehören) am Kopfboden, worunter eigentlich das Hirn angewachsen sein sollte, in Gang gesetzt, und der Kopf des Säuglings ist halt leider nicht der gute Erdboden, der hier keineswegs knapp ist, von dem aber dennoch mehr bereitgestellt werden soll, bitte, den müssen Sie sich aber wirklich von woanders holen, Menschen hat man mehr, ich sagte ausdrücklich nicht: Von Menschen hat man mehr. Jedenfalls hat man immer mehr als genug von ihnen. Soweit kann ich mich schon noch ausdrücken, aber nicht viel stärker, dann kommt nämlich kein Saft mehr raus, und ich bin ausgepreßt. Wenn das Kind, dem kein Shampoo an den Kopf kommt, nach saurer Milch und Glatzenschweiß riecht, wird es mit Wasser nur kurz eingeschäumt, angemacht und gegessen oder für später in die Tiefkühltruhe gelegt, und die Fettfalten werden gut getrocknet und gefönt, da können Sie sich tonnenweise Tiegel aus der Drogerie (Massagebutter, Salben, Körperöle, Schmieröle, Fußsalben auf dem Kind verschmieren, aber das alles ist nicht so gut wie Muttermilch und Trockenheitmittel-Föhns – verbrennen Sie um Gottes willen, aber auch um seiner selbst willen dieses Kind nicht! – und Handtuch) ersparen, doch da rede ich und rede ich, aber diese neue junge Mutter, die neue Frau des Geschäftsinhabers, kauft Penaten und Allegorin oder wie das Zeugs heißt im Drogeriemarkt und aus,


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hier kennt man es nicht anders, und ihr Mann, dessen Geschäft floriert, obwohl seine Produkte mit Blüten nicht das geringste zu tun haben, auch nicht mit Bachblüten, dieser Mensch ist nicht leicht zu beruhigen, allerdings auch nicht leicht aufzuregen, er hat gute Werbeideen dafür, die er auch ausführt, auf die Auslagenscheiben gepickt, an denen die Menschen dann von der anderen Seite her mit den Nasen kleben, damit sie alles gut lesen können und gleich erfahren, ob sie sich das leisten können, was sie sich wünschen, nein, nicht ob, sondern wann, denn einmal werden sie wieder einen Kredit bekommen, wenn der alte abgezahlt ist, Bruck ist schließlich keine sterbende Stadt, ganz im Gegenteil, es ist Mittelpunkt der schönsten Konzentration, hat sogar ein Gymnasium mit Hunderten von Fahrschülern, die noch nicht das Fahren mit Geräten lernen dürfen, dazu sind sie meist noch zu jung (und so jung wie der Vierzehnjährige neulich sollten sie schon sein, der seine Oma totgefahren hat, weil er mit der Automatik vom BMW nicht zurande und gleich, ohne Umwege, an den Rand der Existenz gekommen war, zum Glück nicht seiner eigenen, was er auch nicht erwartet hatte), sondern gefahren werden müssen, um der Gefahr des Verunfallens am Baum oder im Fluß zu entgehen, in unbequemen Zügen der ÖBB fahren sie, glaub ich zumindest, aber ich habe damit keine Erfahrung, ich habe überhaupt keine Erfahrung, ich schau jetzt nach, ob dort wirklich ein Gymnasium ist, ich weiß ohne nachzuschauen, daß es ein Spital dort gibt, dort sind Menschen gelandet, die ich einst kannte und liebte, und nie wieder rausgekommen, und was sehe ich hier zu diesem wichtigen Schwerpunkt: Fahren? Schon lange bin ich nicht mehr


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gefahren, so lange, daß ich nichts über das Fahren weiß, das in meinem Fall darin besteht, daß alles an mir vorüberrauscht, immerhin schneller als ich je sein könnte: Ich sehe, die Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten bringt bedeutende Vorteile (keine Ahnung welche), aber auch wieder bedeutende Nachteile (alles ist ein Nachteil, was einen was kostet, und wäre es Zeit), und daher versuchen diese Jugendlichen, wann immer sie Zeit haben, auch ihren Bewegungsspielraum zu erweitern. Sie legen, ich sagte es schon, große Distanzen zurück und nutzen das Freizeit- und Infrastrukturangebot, keine Ahnung welches, der umliegenden Regionen, ja, Mobilität stellt damit eine zentrale Voraussetzung dar, Bildungs-, Berufs- und Freizeitangebote in Anspruch zu nehmen, bumm, krach, so, das war JFYI, haben Sie jetzt genug? Interessieren die drei Burschen, einer davon in Frauenkleidern, die sehen wollten, wie ein Mensch stirbt, ihm dabei zuschauen wollten, natürlich anhand eines weiblichen Menschen zuerst die Vergewaltigung, dann den Aufstand gegen die Natur, das Morden, erproben wollten, nur bleibt es beim Morden leider nicht bei der Anprobe, es muß auch ausgeführt werden, die ausgestreckte Hand Gottes wird ausgeschlagen, das Messer wird eingesteckt, aber es bleibt zum Glück arbeitslos, so, der Richter spricht jetzt ein Machtwort, und weg sind die Drei, weg von der Straße, interessieren die Sie denn gar nicht, interessiert Sie das nicht? Nein, denn es ist doch überhaupt nichts passiert. Die Mädel sind wieder ungefährdet. Und die Steiermark wendet sich wieder dem beliebten Sport des Autounfalls und des Menschenumfallens und des Bäumefällens zu. Ich weiß noch mehr, ich weiß, daß


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Beschränkungen der Mobilität zu den größten Barrieren gehören, wenn man einen Arbeits- oder Trainingsplatz bekommen möchte, kein Wunder, daß die Jugend da auf dumme Gedanken kommt, sie will sich ja betätigen, und zwar unabhängig davon, was man arbeiten und was man trainieren möchte, ob Geige oder Abfahrtslaufen oder mit Fellen an den Skiern oder mit den schutzlosen Füßen Aufwärtssteigen. Ich sehe im Verzeichnis, sie hat sogar einen Gitarren-Shop, diese Stadt, Bruck a. d. Mur, die Schöne, dieser gordische Bahnknoten, womit ich keinesfalls gesagt haben will, daß man sie durchhauen sollte, diese Göttin, versuchen Sie das nicht, falls Sie dort je hinfahren, immerhin, Sie müssen fundamentalethisch entscheiden, ob Klagenfurt oder Graz, und hier können Sie es auch, übrigens: Was braucht sie den Knoten in der Bahn, nun ja, besser dort, denn in der Brust brauchen Sie ja keinen? Ich muß mich bei Ihnen wirklich entschuldigen, aber da ich eben absolut nichts mehr erlebe, was ich auch schon dreitausendmal gesagt habe, werden mir Dinge wichtig, die ich einst erlebte, vor vielen Jahren, ich kann mich kaum noch erinnern, aber dazu gehört unverrückbar, wirklich unverrückbar, bitte, vielleicht verschiebbar, aber nicht verrückbar (und in meiner Familie hat es weiß Gott genug Verrückte gegeben), ein Aufenthalt von zehn Minuten in Bruck a. d. Mur, und einmal waren es 30, das weiß ich heute noch, so wie Sie wissen, wo Sie waren, als der Tsunami kam, Sie waren in Kao Lakh, ich war in Bruck, zu einer andren Zeit, und ich kann das nicht vergessen, weil damals der Anschlußzug nicht kam. Daher muß man diese zehn Minuten einplanen, die es normalerweise plangemäß dauert, bis der


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Anschlußzug einfährt, sodaß, aufgrund dieser Erfahrungen, die Einplanung überschüssiger Zeit, die einem später, wann immer das ist, ein Nichts nach einem ordentlich ausgestanzten Zeitloch, fehlen könnte, keinen überraschen wird, der mal drei Tage in Heathrow warten mußte, dreimal Wolkendecke Verfinstern und wieder Aufhellen, mich überrascht das nicht. Ich mußte so was noch nie, drei Tage auf etwas warten, ich wüßte nicht einmal, was man da tut, ich wüßte ja nicht einmal, wie man an einen fremden Ort kommt, nur um dann dort bleiben und für Fertiggetränke blechen zu müssen, die den Körper sehr rasch zerstören, damit er nicht noch länger warten muß. Ich bleibe zu Hause, obwohl ich keine Hausmeisterin bin, die würde ja nach Thailand fliegen, aber ich bleibe hier, wenn auch nicht freiwillig. Dort kann ich auch recht gemütlich zerstört werden, ohne daß es jemandem besondre Umstände machen würde. Ich sage unwillig, daß ich weg will, daß ich diejenigen beneide, die weg können, doch Taten folgen dem nicht. Und was braucht diese kleine Stadt einen eigenen Gitarrenshop? Wo man doch durch sie nur hindurchfahren oder den Zug wechseln will, wenn überhaupt, so leicht wechseln wie ein Hemd, außer man hat viel Gepäck, aber mir macht schon dieses Leichte große Sorgen, es kann so viel passieren, man kann beim Umsteigen stolpern, etwas verlieren, die Zeitung im alten Zug liegenlassen, mitten in dem Artikel, den man gerade gelesen hat, das Buch vor lauter Schreck liegenlassen, ja, das kann man auch, mir passiert sowas öfter, denn ich gerate leicht in Panik, und was macht er, der Elektrohändler, der Installateur gelernt hat und sogar die Elektros selber anschließen kann, welche auch immer, und das


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ist heute nicht mehr leicht, es ist mehr Elektronik als Mechanik in einer Waschmaschine, sogar in einem Auto, glauben Sie mir, starten Sie diesen BMW, dann werden Sie es merken, und warum der Trockner immer Alarm gibt, obwohl das Flusensieb im Handbetrieb stets fleißig gereinigt wurde, es ist ja selber brav und fleißig und hält trotzdem alles auf, warum also dieser Alarm, das weiß ich nicht, nein, falsch, seit gestern weiß ich es, es war der Luftkühler, ein Einschub, der nirgendwo stand, auch hier nicht steht, und in der Gebrauchsanweisung auch an der falschen Stelle, wie hier, aber hier suchen Sie ja nichts, unauffindbar im Geschreibsel der Gebrauchsanweisung abgetaucht war dieser Kühler, kein Buchstabenauge lugte hervor (was eine Geschirrspülmaschine für Schwierigkeiten hat, weiß ich ebenfalls nicht, ich habe, wie bereits beteuert, nie eine besessen, und nicht, weil sie mir zu teuer gewesen wäre, ich glaube, der Sensor ist zu sensibel, wenn Sie mich fragen, heute weiß ich: Das ist er nicht!, aber er ist sicher so sensibel, wenn auch nicht meiner, also da ist der Mensch ein Dreck dagegen, und den kann man nicht aus ihm rausnehmen, den Dreck, der er ist, und zwar im Luftkühler, Dreck im Luftkühler, keine Menschen, nein, Sie können mich gern fragen, wieso der Trockner immer Alarm gibt, im ungeeignetsten Moment am liebsten, aber tun Sie das nicht, ich hatte noch gestern davon keine Ahnung, aber heute kann ich es Ihnen erklären, wenn Sie wollen. Nein, Sie wollen nicht), was macht er, der Elektrohändler? Er, der sich etwas aufgebaut hat, in den letzten Jahren mit Hilfe seiner Sekretärin, die jetzt endlich (sie hätte noch Zeit gehabt, sie ist ja noch jung, aber sie hat sich gedacht, sie


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nützt es aus, daß sie noch viel Zeit hat, was bedeutet, daß sie keine mehr hat, und in dieser feuchten schmalen Spalte bewegt sich was, ich meine in dieser schmalen Zeitspalte, die ihr bleibt, damit sie überhaupt ein Mensch sein darf,  muß die Frau alles tun, damit sie jemanden ausnützen und jemand dafür sie benützen kann, also nein, nicht dafür!) was davon hat, nämlich den Händler selbst und sein schönes großes Geschäft, das unverändert fortbestehen wird und keine Standortnachteile, schlechte infrastrukturelle Anbindungen und zu geringes Eigenkapital zu befürchten haben wird, der alten Frau, der Ex und Hopp, wird ja kaum was gezahlt, das Geschäft, für das die neue, ohne Wunder sehr verjüngte Frau, kein Wunder, sie ist ja eine andere!, früher als ungelernte Sekretariatskraft und Mädchen für alles, aber wirklich alles, vor allem für den Inhaber des Ladens, gearbeitet und in den Pausen die Neue Frau gelesen hat (die erste Frau hat dieses Weltblatt, das eine bessere Welt mit besseren Leuten enthält, nicht gelesen, sondern Geige geübt!), man faßt es kaum, und was macht er, der Händler? Er hat sein Leben gewechselt wie ein Umsteiger den Zug, und er will in dieser Region auch bleiben, warum sollte er denn weg, ausgerechnet er und ausgerechnet jetzt, da er mehr als alles hat, was er je zu brauchen glaubte?,  im Gegensatz zu vielen Jugendlichen, die das auch wollen, aber nicht dürfen. Sie dürfen nicht, weil sie nicht können. Ähnlich wie mit der Geige oder mit mir. Das ist alles vollkommen normal. Ich habe den Ehrgeiz, vollkommen normal zu sein und vollkommen normale Dinge zu tun und zu sagen, und hier sehen


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Sie das Ergebnis: Ich kenne keine normalen Dinge, das haben Sie ja bereits gemerkt, und mache sie auch nicht und kann nichts über sie aussagen, ein andrer muß sie herstellen und mir hinstellen, wie jene 17-Jährige, die heute Nacht auf dem Rücksitz eines von einem Führerscheinneuling gesteuerten Autos verbrannt ist, ein andrer, immer sind es die anderen!, muß für mich aussagen (das tut aber keiner! Also zwingen kann ich niemand!), sie sind mir zu schwer, die Dinge. Ich kenne nicht einmal die Mechanik der Geschirrspülmaschine, keine Ahnung, wie sie das macht, daß alles so glänzend ist, was sie erzeugt bzw. wieder hergibt, nachdem sie es in der Mangel gehabt hat. Wie gern würde ich das auch können! Die Jugendlichen wollen, trotz der gegebenen Defizite, in dieser Region bleiben, die ihre Heimat ist, die jungen Leute hier, ihr jungen Leute ihr, und die Verwaltung dieser Region versucht auch tapfer, die Spielräume der Jugend, wenn auch nicht die Geigenspielräume, die nun wirklich nicht gebraucht werden, wo die halbe Schule, ja die halbe Stadt bereits leersteht und die halben Menschen weg sind – immer zwei ergeben ein Ganzes – in diesem Sinn zu erweitern, aber immer nur spielen kann sie auch nicht, die Jugend, einmal beginnt der Ernst des Lebens, doch es gibt hier keinen Ort mehr, wo er je beginnen könnte. Wer will schon, daß es von Anfang an endet, obwohl es so ist? Wer will den Wald des Lebens kennenlernen, wo sich Mächtigere als man selber mischen: Bäume? Ich meine damit, daß es viel zu viele Orte gibt, aber keinen, der zu einem steht, ich meine, der einem zugestanden wird. Bitte, man kann die regionale Identität des Orts stärken und die Jugendlichen motivieren, selbst in


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diesem Sinn aktiv zu werden und vielleicht ein kleines Unternehmen zu eröffnen, einen DVD-Verleih, einen Spielkonsolenverleih, einen Skiverleih, einen Paraglider-Verleih, einen Windsurfverleih, einen Windverleih, einen Wasserverleih, damit man diese Dinge auch bis zur Neige nutzen kann, einen Elektrogitarrenverkauf (oder -verleih) samt Synthesizer-Verkauf (oder -verleih, echt eine knochenbrechende Konkurrenz für die Geige), einen Frauenverleih gleich an der Autobahn, beim letzten Zubringer, von Ihnen aus gesehen, falls Sie auf meiner Seite sind, ja, Sie können sich sogar selber am Bahnhof verleihen, denn jahrhundertelang haben ihre Väter schließlich ihre Hintern herhalten müssen, also warum den Hintern ausgerechnet jetzt schließen, nur weil der Fahrkartenschalter ab 18, ich meine ab 18 Uhr, geschlossen ist und wir auf den Automaten angewiesen sind, welchen wir leider nicht bedienen können (eigentlich sollte er ja uns bedienen! Und die Latrine ist dauerhaft abgesperrt, fällt sie mir ins Wort, ich bin zu oft dort, und daher glaubt sie, überall ein Anrecht auf Erwähnung zu haben), aber wer will mich?, fragt die Bahnkarte, mit der man irgendwohin fahren könnte, falls man die richtigen Stellen am Schutzschirm des Automaten berührt, ich weiß nicht welche. Keine Stelle finde ich, die ich berühren und die das ertragen könnte, ich wüßte nicht wo ich überhaupt suchen sollte. Ich sagte es schon oft, ja, ja, ach, wie ich doch die Lebenden beneide, ja, meinetwegen die Toten auch, nur nicht die Leute dazwischen, die sich immer einmischen! Die beneide ich nicht, die werden von unten getreten und von oben auch sehr belastet. Diese Gespenster der Geschichte


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(fast tun sie mir jetzt leid, so lang durften sie ruhen, und jetzt, da sie sich in ihrer ewigen Ruhe endlich eingerichtet haben, werden sie wieder hervorgezerrt von unverantwortlichen Vergangenheitsrettern und deren Änderungsschneiderei – doch es ist zu spät, es ist immer schon zu spät, wenn es einmal zu spät ist, dann ist das nicht mehr aufzuholen, bitte, der Zug der Zeit kann schon was aufholen, aber nichts mehr einholen, denken Sie an Achill und die Schildkröte, nein, denken Sie besser nicht!), diese unseligen Geister hatten immer und haben auch jetzt wieder recht, viel zu oft, ich meine, nicht sie haben viel zu oft recht, sondern ich wiederhole mich viel zu oft, was unangebracht ist, auch wenn ich recht habe, diese falschen Rechtschaffenen wie ich, die schaffen nicht Recht, die haben das Recht schon an sich fest anmontiert, wie der Trockner seinen Kühler, nur sieht man nichts davon, man sieht ja nicht einmal, wie man ihn rauskriegt, aber ich, ich kriege alles raus!: Wer will wen, aber wer gehört rechtmäßig wem? Ich jedenfalls gehöre nie, nie, nie zu der Auswahl, die grade auf den Platz läuft, gewollt von den Massen, mich will keiner, und Brigitte will auch keiner. Wir sind die dazwischen. Wir beneiden alle um alles. Uns beneidet keiner. Schluß, aus. Nein, nicht Schluß aus, mit Ihnen bin ich noch lange nicht fertig! Nein, Brigitte, du bleibst auch noch da, Moment, mit dir hab ich noch was vor, wenn ich auch nicht mit dir ausgehen würde, weil ich mit niemandem mehr ausgehe. Ich kenne ja niemanden mehr. Sonst täte ich es schon. Aber ich gehe mir langsam selbst aus, es ist nichts über mich zu sagen, nichts mehr, Schluß! Schluß! Nicht ausgehn: Schluß!


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aber mit Ihnen bin ich noch nicht durch! Aus! Bitte bleiben Sie! Bitte warten Sie! Vielleicht weil wir beide, Brigitte und ich, einst zufällig Geige lernten, womit man ein Leben lang nicht fertig wird (und man sieht es heute noch meinem Kinn an, welches dieses Instrument festhalten mußte, so wie man es dem Kinn dieser früher berühmten Läuferin ansieht, welche Medikamente sie fürs Laufen einnehmen mußte)? Das kann ich mir denn doch nicht vorstellen. So einen Zufall gibt es gewiß nicht. So, jetzt machen wir uns erst einmal einen guten Kaffee und essen was dazu, das wir uns gekauft haben. Das ist einmal etwas, bei dem Beschränkungen der Mobilität keine Rolle spielen, nicht einmal ein Rollstuhl müßte vor der Tür der Konditorei haltmachen, denn sie hat keine Schwelle, nur leider ist die Schräge viel zu schräg, und so kommt leider höchstens ein Kinderwagen drüber, wenn man ihn nur fest anschiebt, aber nicht ein Rollstuhl, wer kennt schon eine Schwellenangst? Der Rollstuhlfahrer  kennt sie spätestens jetzt. Aber sonst niemand. Das ist eine Lüge. Ich kenne sie nämlich auch, ob mit oder ohne Schwelle. Sie gehört nicht zu den Gebäuden, die geschleift werden sollen, diese Konditorei, und wenn, dann könnte sie Einspruch einlegen, doch sie befindet sich in einem historischen Gebäude der Altstadt, und die ist ganz im Zentrum der Stadt, weil sich eine Stadt eben nicht von außen nach innen ausbreiten kann, nicht wahr, sie wüßte ja nicht, wo alles endet, es sei denn, zwei Fassaden würden auf ihrem energischen Marsch ins Zentrum, wo schließlich jeder sein möchte (wer nicht?, naja, manche sind lieber im Grünen), mit den Gesichtern zusammenstoßen und einander die sorgsam angemalte Fresse polieren,


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daß nicht einmal der Polier, der die Fassaden einst sorgfältig mitsamt ihren Applikationen gestaltete, sie wiedererkennen würde. Geschleift wird derzeit überall, damit das Zentrum wiederum an uns heran-,  näherrückt. Und wir rücken auch heran, wir rücken an, jawohl, in Kompaniestärke in dieses riesige Outlet hier rücken wir ein. Geschliffen, nein, nicht geschleift, werden die Menschen nur an ihren Rändern, es wird auch an ihnen herumradiert, bis sie verschwunden sind, und geschleift, nicht geschliffen (obwohl das ebenfalls ginge!), werden nur die Gebäude, die man nicht mehr benötigt. Bis auch sie weg sind. Diese Stadt rückt zusammen, damit man die durch Schilder in Fenstern angebotenen Privatzimmer besser sieht, aber wer würde hier ein Privatzimmer mieten? Wer eine solch raffinierte Verdeckungsart seiner selbst wählte, könnte nicht auf die Ausrede zählen, diese Art des Daseins in der Welt wäre ihm schon wesenhaft mitgegeben worden, denn niemand, wirklich niemand würde hier wohnen wollen und noch dazu in einem Privatzimmer (Dusche und WC muß man sich mit den Besitzern teilen, also wirklich!), keiner würde das wollen, denn es gibt hier keine Entdeckbarkeiten und aus. Warum also hinfahren? Diese Birne hier donnert und kracht gegen eine Wand, diese andre hier fällt in die Einkaufstasche. Wo herrscht Gerechtigkeit? Wir haben kein Geld, das ist z. B. schon mal ungerecht. Unsere räumlichen Möglichkeiten sind begrenzt, daher muß man sie schon mal mittels Abrisses von unbenutzten Wohnbauten noch weiter begrenzen, um einmal an die Begrenzung zu stoßen und durch diesen harten Schlag vielleicht endlich aufzuwachen. Es gehört uns


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nichts, das ist alles nur gemietet! Ich sehe Ratlosigkeit in Ihrem Benehmen, Sie warten immer noch, daß hier etwas anfängt, aber ich schreibe ja über etwas, das ständig nur aufhört! Wie gern schriebe ich über etwas, das beginnt, ein neues Leben vielleicht, aber es beginnt nur das Vorabendfernsehprogramm, das sich als Ratgeber freundlich zu den Menschen begibt, auch zu mir, und von den meisten geflohen wird, denn wie sie leben, wissen sie selber, sie müssen es nicht vorgeführt bekommen, sie wollen lieber andre vorgezeigt bekommen, die sie beneiden können, und Rat brauchen sie auch keinen, denn kommt Zeit, kommt Rat eh von alleine. Der Neid ist immer schon vorher da. Aufgrund dieser Vorgabe, nein Aufgabe (welcher? Keine Ahnung! Es hat mir niemand eine Aufgabe gestellt oder eine Vorgabe gegeben, nur einmal habe ich ein Viertelmeter Stoff als Vorgabe, nein, als Draufgabe bekommen, weil der Stoff dort, ein wenig später sozusagen, zu Ende war, ich mußte für den Rest nicht extra zahlen) fühle ich mich völlig frei, endlich frei, endlich frei zu schreiben, was ich will. Verstehen Sie das denn nicht? Was, Sie wollen gar nicht? Sie sind verständnislos bezüglich der Verkleinerung eines früher bedeutenden und wichtigen Ortes? Eines einstmals wichtigen Werks? Eines für die gesamte Region wichtigen Erz-Bergbaus? Da scheiß ich drauf, worauf Sie mich nur verständnislos anstarren können! Das kenn ich schon länger, als ich mich hier ständig wiederhole SRY! Sie wollen auf die Eisenstraße gehen, denn die, die wir schon haben, genügt Ihnen wohl nicht, Sie wollen was Besondres? Sie wollen auf die Autobahn? Und das soll was besondres sein? Naja, fahren Sie halt und Sie auch, aber Sie


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bleiben da! Das trifft sich gut, leider kann ich Sie also, obwohl ich es lange versucht habe, trotzdem nicht mehr treffen, so gern ich es täte, und obwohl Sie eigens hiergeblieben sind um einzukehren, oder aus der Fremde eigens angereist sind um auszukehren, denn Sie befinden sich nun in Eintracht mit dem Verein Steirische Eisenstraße, jawohl, Sie kommen aus ehemals nagelneuen Bundesländern in Deutschland und wollen in Österreich geringfügig bezahlt und ausführlich beschäftigt werden, da müssen Sie sich woanders melden, die Eisenstraße hat nichts mit mir zu tun, die führt kilometerweit an mir vorbei, deshalb können wir einander auch nicht treffen, das macht aber nichts, ich bin schon genug getroffen worden, Sie und ich werden einander nicht zu sehen bekommen, nur die Eisenstraße und ihr Verein haben hier, eben im Verein miteinander, ihren Hauptsitz und das Sagen, nur sagen sie nichts. Sie hat lauter Hauptsitze, diese Eisenstraße, denn es gibt keine Nebensitze, und gäbe es sie – keiner wollte sie in Anspruch nehmen, wie ich meine Nebensätze, von denen ich keinen einzigen hergeben würde, alle wollen z. B.  auf den Thron der Königin von Dänemark, England oder Holland, deren Familien wir gut vom Skifahren her kennen, denn wir können schließlich höhere Ansprüche stellen, auf einem höheren Roß sitzen, am Arlberg, ja, ja, befreites Lachen in Lech! Gehen Sie und befreien Sie nun auch Ihres, äh, das Ihrige!, und wo wir sitzen, da ist es niemals nebensächlich. Und sie, die steirische Eichen-, äh: Eisenstraße, die sich in ihre blutigen Verbände längst stattgefundener Katastrophen erfolglos, ich meine natürlich erfolgreich verheddert hat,


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versucht als ein regionaler Entwicklungsverband Ihre Gelenke, nachdem sie die alten harten Bandagen abgerollt hat, die steifen, mit dem Blut und der Schinderei der Menschen jahrhundertelang durchtränkten, versucht also, Ihre bloß vom Sport, den Sie erst seit zweieinhalb Jahren ausüben, zu dem Sie aber extra herfahren, geprägten Bänder mit Bandagen liebreich zu umschlingen, nein, das versucht sie nicht, die eiserne Straße, sie will, daß Sie von Anfang an gesund bleiben, und sie versucht, damit sie selbst gesund bleibt oder sich notfalls gesundschrumpft, den Tourismus in der Steiermark zu fördern, einfach so, so einfach ist es, jetzt ist es heraus und weiß nicht wohin mit sich. Alles liegt im Hellen, der Schnee wird bestrahlt, er wendet der Sonne sein Gesicht zu, aber nicht, um braun zu werden. Der will unbedingt weiß bleiben, auch in der hellen lieben Sonne, grade dort gefällt ihm Weiß als Farbe am besten, obwohl es gar keine Farbe ist und aus einer Schneekanone für die Skikanonen da hingeschleudert wird, bis es hoch hergeht. Bis der Bär steppt, den die Freizeitjäger aber bereits erledigt haben. Los, errichten wir einen Nationalpark, damit es so bleibt, nur ohne Jäger! Verhindern wir Emissionen, die das alles noch im letzten Moment verändern könnten! Verbieten wir die Schneekanonen wieder, die wir herbeigerufen haben, und keine Menschen sind gekommen! Ändern wir uns, damit wir so etwas erwünschen könnten, denn der Grat zwischen Kaufen und Sich-Verkaufen ist äußerst schmal, jeder verkauft schließlich jeden, falls möglich, und außerdem wandelt dort schon die neue touristische Identität der Bewohner, mit der wir zusammenstoßen könnten, denn


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wir haben die Augen geschlossen, um nicht schwindlig zu werden und von unsrem hohen Roß runterzufallen, ja, wir könnten eine neue Sportart erfinden: Das auf dem schmalen Grat Balancieren, das wäre für Kinder zwischen eins und drei eine geeignete Sportart, und diese Kinder gibt es ja auch noch, und nicht alle Eltern trauen sich gleich, mit ihnen zur lieben Großflutwelle nach Thailand, nach Kao Lakh oder sonstwohin zu fahren, Hauptsache weit und Hauptsache hoch. Wenn wir jetzt nicht aufpassen, wird hier auch noch ein Verwaldungsprozeß stattfinden, das geht zwar nicht so schnell wie der Tsunami (immerhin ein Vorteil!), aber es geht, das ist eine Art Verwilderungsprozeß, den wir unmöglich gewinnen können, denn der Wald holt sich alles, jeden freien Flecken Ort. Der Wald holt alles ein, was er noch nicht hat, der Wald ist gieriger, als ein Mensch es je sein könnte, da sehen Sie, daß der Mensch gar nicht so schlecht ist, denn der Wald ist sogar noch schlechter, er ist groß, aber wesenlos, der will und nimmt sich alles, aber der Wald ist irgendwie auch gut, lesen Sie bei Dichtern nach, was man in ihm alles sehen und tun kann und unterlassen sollte! Das Verwalden wäre Veröden, alles gleich, alles das Gleiche, so weit man schweift, das bringt niemals die erhofften Einnahmen, ich meine das bringt niemals Einnahmen, die man sich erhofft hatte (nicht daß es Einnahmen brächte, die man niemals so erhofft hätte!), der Verwaldungsprozeß muß unbedingt gestoppt werden, das ist jetzt unsere bedeutendste Aufgabe, es muß Platz geschaffen werden für die Biobauern und ihre Direktvermarktung ab Hof, Platz auch für ökologisch bauen, ökologisch essen, ökologisch Energie erneuern und ökologisch die Oberfläche von Holz


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behandeln, das aber nicht als Baum plus Baum plus Baum die freien Flächen verstellen und verwüsten sollte. Die Oberflächen von Holz müssen, wenn auch nicht ärztlich, das käme zu teuer, behandelt werden, nur wenn sie sich noch am Baum befinden, dann nicht, dann übernimmt das die Natur persönlich, das ist ihr persönliches Wellnessangebot für den Baum. Alles, was wächst, ist vergiftet, dieser blöde Baum hier, der mir die Sonne wegnimmt, er ist bereits vergiftet, weil er als einziger nicht ökologisch erneuert wurde und ich ihm im Insgeheimen eine Spritze scharfen Unkrautvernichter verpaßt habe, seine Kohlenstoff- und Stickstofflüsse sind nur simuliert, so, der Baum simuliert daraufhin eine Krankheit, und dank meinem entschlossenen Zugriff hat er sie jetzt wirklich, er wird gefällt, obwohl er meinem Nachbarn irgendwie gefallen hat, glaub ich, und neu angepflanzt, an andrer Stelle, wo es mit nicht zuviel wird und er mir die Sonne nicht nimmt, und wo es auch ihm nicht zuviel wird, daß es dort noch mehr Bäume gibt, nur keinen Neid!, er ist ja selber einer, ein Stück Baum (ich rede wirres Zeug daher, entschuldigen Sie bitte!), aber wo es vielleicht uns zuviel wird, daß nun wieder zu viele Bäume da sind – Verwaldung, eine kleine Arbeitsgruppe Baum denkt jetzt nach, ja, Menschen denken nach, während ich nur schreibe und schreibe, ohne nachzudenken, und sogar noch während Sie dies nicht lesen, diese Menschen denken dennoch darüber nach, daß uns alles zuviel werden könnte, aber an der falschen Stelle, die Bäume stehen, die Wurzeln fest in den Boden gerammt, beieinander, die Bäume, die lieben Bäume, falls Sie eine genauere Beschreibung der Natur wünschen, lesen Sie den Stifter, nein, nicht den Stifter


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dieses Naturparks, und leeren Sie dazu ein Stifterl, wie es der Stifter auch ständig getan hat, nur in größeren Behältnissen, dafür behalten jetzt wir ihn im Gedächtnis, und was der fressen konnte, der Mann, unfaßbar, ich könnte nicht einmal eine von seinen Vorspeisen mit mir und in mir fassen, und sie denken nach, die Bäume, und mit ihnen die Arbeitsgruppe Baum, aber alle andren hören deswegen nicht mit dem Denken auf, nur weil der Baum und seine Gruppe es jetzt tun, leider, denn die andren denken eher nach, wie sie die Bäume verwerten könnten, ohne sie vorher gefragt zu haben, sie denken über die Natur und ihre eigene Natur nach, die lieben Bäume und ihre Spiel-, Schmuse-, Hüpf- und Krabbelgruppe Baum (vielleicht eher eine Stehgruppe?), damit sie endlich gesund für die Menschen werden können, die Bäume, damit sie sich endlich nachhaltig entwickeln können, was die Menschen schon lange können und sollen und dürfen, damit endlich neue Einkommensmöglichkeiten geschaffen werden können, aber gesunde, Prosit!, damit endlich Profite geschaffen werden können, natürlich gesunde, und damit eine Verlangsamung des Verwaldungsprozesses bei gleichzeitiger Minimierung möglicher negativer ökologischer Auswirkungen geschaffen und erreicht werden kann, der arme Boden, er weiß ja gar nicht mehr, wohin mit sich und was in sich hinein, jeder rät ihm was andres, da geht nur noch Rutschen, alles andre hat er schon probiert, er will schließlich auch gesund essen, der Boden, und das Wirtshaus steht drunt im Tal, gleich haben wirs, dieser Baum ist für den Boden gesund, für die Fremdenverkehrswirtschaft aber nicht. Weg mit ihm, dem Bruder Baum, wer will schon einen Bruder, der so viel


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größer ist als man selber! Lieber einen kleineren, den man täglich mehrmals verdreschen kann, aber das kann man nur mit dem Korn, und sogar das verflüssigt und trinkt man besser. Ich hätte es vielleicht gar nicht erst herauslassen sollen, dieses wilde gefährliche Tier Tourismus, aber nun ist es schon mal da! Stellen Sie sich vor: Ein wilderes Tier kenne ich gar nicht! Bitte, nehmen Sie Platz, aber nicht den von dem Baum dort, den hat er sich markiert, der hat das gar nicht gern, ach was, der spürt das schon nicht. Der Tourismus, wenn er mal auf Touren ist, glaubt doch tatsächlich, seine vordringlichen Aufgaben lägen in der Konzeption von Museen und Schaubetrieben, wo einst echter Betrieb geherrscht hat. Und touristische Angebote sollen auch erstellt werden, fallen aber gleich wieder um, kaum daß sie stehn, weil keiner sie annehmen möchte. Wer macht denn mir ein Angebot, egal welches? Danke, ich hab schon, würde ich ihm dann antworten, ich habe überhaupt keinen Grund, neidisch zu sein, ich warte sogar auf eine neue Gelegenheit, Ihr Angebot nicht anzunehmen, denn ich habe keinen touristischen Umgangston, ich hasse alle andren Menschen und mich dazu, mich am meisten, ich bin für jede Art von Verkehr ungeeignet, und ich könnte keinen Hund vor die Tür locken, geschweige denn Sportler auf den Ortler, ich meine an diesen Ort. An diesem Ort, an dem Eisen und Menschen gebrochen wurden, ein Ort, dem es nie an Eisen gebrach, über die Jahrhunderte hinweg? Da wollen Sie jetzt Menschen herkriegen? Dort wollen Sie Touristen hinbringen? Um sie durch Abstürze über den schmalen Grat der Natur umzubringen? Natürlich nicht! Damit sie Spaß, Spaß, Spaß haben! Zeige deine Eisenwurzel, o Ort! Was man hat, muß


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man schließlich herzeigen. Sie, Dame und Herr, werden mich damit noch ins Grab bringen, wenn Sie versuchen, dieses neue Image für die Region der Steirischen Eisenstraße zu kreieren, Sie werden mit mir in einen Zusammenstoß kommen, denn ich versuche ja auch, hier etwas zu kreieren, Holzwelten, Metallwelten, Steinwelten, nein, nicht Kristallwelten, die gibt es schon, mit noch weniger Erfolg als die Eisenstraßenvereinigung, die einen Hauptgeschäftsführer und einen normalen Geschäftsführer hat, von jeder Partei einen, das ist normalerweise so üblich, aber nein, hier muß mal wieder eine Ausnahmeregel her und dort ausnahmsweise ein neues Regal, hier haben immer nur die Roten das Sagen gehabt, aber die Schwarzen lauern von jeher im Hintergrund, um die Roten umzubringen, und im Sommer 1945 haben sie alle beide gemeinsam alle übrigen umgebracht. Sie haben sie abgepaßt, die Menschen auf ihren Hunger- und Foltermärschen, und dann haben sie sie erschlagen und erschossen, bis auf ein paar Heilige, die das nicht getan und ihnen was zu essen gegeben haben, vielleicht können wir daraus etwas für den Fremdenverkehr nachstellen, das mit dem Essen bestimmt!, und dann eine große ökonomische, ich meine ökumenische Bußfeier mit derber Pop- oder Rockmusik organisieren w00t? Das werden wir noch schaffen, das Erschlagen haben wir damals ja auch geschafft, den Todesmarsch der jüdischen Arbeitssklaven haben wir dafür erfolgreich gestoppt, bis es keine mehr gab, warum sollten wir also nicht auch die Touristenströme herholen, die leider immer an uns vorbeiziehen, die Todesmarschierer nicht, die haben wir zu uns reingetrieben, damals ist uns das noch gelungen, wir müssen diese


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Menschenströme, die auf Vergnügungssuche sind, also heute, in der Jetztzeit, nur geschickt umlenken, etwa zu uns her umlenken? Ich warte. Das ist überhaupt das, was wir am besten können: lauern und still sein und beten und warten, Hände falten, Goschen halten, nein, Hände falten, Tempo halten, das können wir sogar öffentlich, und eine schöne Feldmesse gelesen bekommen oder von mir die Leviten gelesen bekommen, das kann wirklich jeder, der eigens dafür geweiht worden ist und lesen kann, was wir als gesichert annehmen; wir, die wir uns endlich dem Fremdenverkehr geweiht haben, können das auch, also los, wir stellen den Todesmarsch der ungarischen Juden hier einfach nach, mit Fremden jeder Sorte, die entweder billig sind oder es zumindest billiger geben werden, wenn sie von uns wieder wegfahren, weil sie ja immer leider wieder gehen müssen, die einen Fremden, und leider nie kommen dürfen, die anderen, ein One-Way-Only-Ticket für diese Fremden, Sie wissen schon welche, los los!, Tempo!, das schaffen sie schon, wir schaffen die schon, und mehr wird von ihnen ja nicht verlangt, und wer sich von uns erschlagen oder erschießen läßt, bekommt ein Extra, einen Bonus, der gehört dann zu den Darstellern, der hat vielleicht sogar Text, nicht nur zu den Statisten, die immer statisch, statistisch aufgeladen bleiben, und wir könnten sogar, wenn wir genug zusammenbringen, einen tüchtigen Spießrutenlauf veranstalten, für die Mutigsten unter den Fremden, denen unser normaler Verkehr einfach zu schwach ist und die noch keine Anlagen vorfinden, um einen andren Sport ausüben zu können, ich sagte es schon, woran es mangelt (Dixi-Klohütten und Jagerteehütten und Taxis


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und Sackis fürs Gacki vom Hund, den wir selbstverständlich mitgenommen haben, der gehört ja schließlich mehr zu uns als wir selber), wir könnten uns ganz ordentliche Stücke aus dem Lebendigen rausbeißen, wenn wir uns nur etwas mehr anstrengen würden, endlich zum Zahnarzt gingen, damit wir wieder fest zubeißen und dafür unseren eher harschen, rauhen Umgangston aufgeben können, der auch ein Hindernis für den Fremdenverkehr ist; wenn wir nur etwas höflicher wären, kämen mehr Leute her, aber man kann es auch positiv sehen, finde ich, wenn dieser rauhe Höflichkeitston noch nicht kommerzialisiert ist. Das wissen die Fremden (was weiß ein Fremder? Das weiß er jedenfalls!), die zu uns kommen, solang nur ordentlich und fleißig Zeit vergeht und keine Juden mehr zu uns herkommen, die uns verleiten, wieder mal unser wahres Selbst zu zeigen, welches wir für den Tourismus ja grade und eigens verstecken sollen wie die lieben bunten Ostereier, das lernen wir jetzt erst mühsam, und Sie werden sehen, wir erreichen es noch, daß wir sie dann spielen, alle Stückln, mit den Knochen der Bergmänner und der anders Toten, im Tod sind sie ja alle gleich, frisch hergestellt und grade erst hereinbekommen vom Volkssturm, der sich ebenfalls in den Dienst der guten Sache gestellt hatte, so wie wir uns jetzt in den Dienst einer guten Sache, des Tourismus, stellen wollen, immer und immerdar, nur kein Neid! Wer hat, der hat! Ich meine: immer genau da, wo wir sind, ist es Tourismus, wenn Fremde kommen. Verstehen Sie mich? Nein. So, und was brauche ich jetzt, damit Sie mich verstehen? Ich brauche jetzt einen Sägewerksbesitzer, geben Sie mir bitte einen, warum krieg ich immer nur den leitenden Manager des


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Walzwerks ans Telefon, ans Handy, der sich noch dazu in Linz befindet? Was brauche ich Menschen in Linz? Ich brauche sie hier, und wenn Sie hier keine mehr finden, dann schaffen Sie sie mir gefälligst von woanders her, wirds bald! Früher haben Sie das doch auch gekonnt, sie wurden unter Mühen, wenn auch ihren eigenen, angeliefert, die fremden Menschen. Aber Sie müssen doch deswegen nicht umziehen, weil es hier einmal so entsetzlich gefährlich gewesen ist!, das wäre das Gegenteil von dem, was ich will, ich will ja, daß die Leute herkommen, was glauben Sie, nein, nein, umsiedeln werden wir Sie deswegen nicht. Das haben wir schon einmal probiert, als im Osten zuviel Platz war und hier zuwenig, da haben wir Menschen hingebracht, die uns damals wie später auch nie mehr gefehlt haben, und was ist passiert? Wir haben hier jetzt mehr Platz als wir überhaupt brauchen. Wenn wir das nur früher gewußt hätten! Den Platz nimmt sich jetzt der Wald, so war das nicht gedacht, das ist kein Wald-Menschen-integriertes Modell, mit dem wir es hier zu tun haben, da wir nichts mehr am Berg zu tun haben, nur unsere Körper zum Vergnügen hinauf- und wieder hinuntertragen, mit eigener Kraft und von einer guten Brettljause gesponsert, die brauchen wir schon, und einen ordentlichen Sprit dazu, und wenn wir von diesem Fels oder von jenem dort drüben abstürzen, dank dem Sprit, gehts sogar noch schneller. Stoffe und Materialien fließen, das nennt man kurz Stoff- und Materialfluß, aber ich weiß nicht, was ich mir darunter vorzustellen habe, darf ich also Ihnen dieses Modell vorstellen, vielleicht können ja Sie sich etwas drunter vorstellen, ich bin nur eine Akteurin, eine Amateurin, nicht mal eine Animateurin, denn da


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müßte ich ja was tun. Sie haben sicher bessere Fachkräfte zu bieten, und in einer Laufzeit von sagen wir 2 Jahren für die Gemeinde, die derweil die größten Opfer bringen muß, das tut sie ja gern, sie tut es ja für sich selbst, hat unser Projekt das Ziel erreicht, daß hier alles dem Fremdenverkehr gewidmet wird, auch das Fremde selbst, das ist ein neuartiges integriertes Modell, aha, das ist also mit Integral gemeint, daß alles in dem Modell enthalten ist, was früher durch Arbeit erschaffen wurde, und jetzt dürfen die Menschen die Arbeit hier heraussaugen, und, wenn sie fertig sind, eine neue bestellen und sich und ihre Erholung an deren Stelle setzen, ein gigantischer Vorgang, ähnlich dem, was ein Staubsauger (der schon wieder! Von dem haben wir uns doch vorhin erst verabschiedet, und jetzt ist er schon wieder da, wie immer ausgeschlafen und bereit zu handeln) leisten muß, wenn er alles rausholt, was wir an Dreck, der einmal eine schöne Gestalt hatte, z. B. ein Kipferl oder eine Topfengolatsche, in unsere Behausungen hinein echt, also: reine, echte Butter reingebuttert haben. Wir verändern alles, nachdem es von Menschen beinahe komplett gesäubert wurde, schon wieder stutze ich, denn von Menschen wird immer alles gesäubert, doch hier werden die Menschen selber weggesäubert, das meine ich, ich will ganz genau sein, auch wenns niemanden interessiert, es soll alles verändert werden, um Menschen anzulocken, und zwar andre, als diejenigen, welche ohnedies schon da sind. Und natürlich andre als diejenigen, die schon tot sind. Das versteht sich von selbst, wird aber trotzdem von mir eifrig aufgeschrieben. Die schon da sind, sollen ihnen zu Diensten sein oder verschwinden. So einfach ist das.


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So viele Worte für einen so einfachen Vorgang, aber ich brauche und gebrauche sie alle! Und vor so einem Hintergrund, wo sogar ein persönlicher Minister ein Schloß persönlich bewohnt und beackert und ökologisch sinnvolle Pharmaprodukte anbaut, sät und erntet, natürlich mehr erntet als sät, nein, es sind keine Naturprodukte, in einem Schloß, in dem früher eine echte KZ-Außenstelle gewesen ist, echt!, statt daß er drauf stolz ist!, vor so einem Hintergrund, den Sie hier aber überall finden werden, wenn Sie den Vordergrund ein wenig verrücken, ja, vor so einem Hintergrund, da macht sich jeder gut, da müssen Sie nur die Möbel ein bissel umstellen, und schon werden Sie verrückt, wenn Sie sehen, was dahintersteckt, da könnten wir wahnsinnig tolle Sachen damit machen! Da brauchen wir gar keinen anderen Hintergrund! Der, den wir bereits haben, genügt vollständig! Wir könnten bei Regen einen Bunten Nachmittag veranstalten, von dem nichts als eine Sauerei an Abschnipseln übrigbleiben wird: Wir basteln uns eine Gegend aus einem einzigen, allerdings sehr großen, Bogen Papier! Ich beneide Sie, daß Sie das dürfen! Ich beneide Sie sogar darum, daß es bei Ihnen regnet, bis das Papier wieder abschmilzt! Das könnten wir alles nutzen, das ganze Drum und Dran, an dieser Gegend ist sogar entschieden was dran, all die Toten könnten wir noch nutzen, wenn wir nicht so blöd wären und das Risiko zur Umerziehung in einen fremdenverkehrsfreundlichen Menschen nicht im letzten Moment noch gescheut hätten, bescheuert, wie wir sind, naja, die Möbel verrücken müssen Sie, wie gesagt, schon, das ist ja das Mindeste, wer würde denn schon so leben wollen


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wie Sie?, was Sie aber nicht tun, die Möbel verrücken, sonst sähe man vielleicht Sie nicht mehr, und zwar, wenn Sie sich irrtümlich hinter ein verrücktes Möbelstück gestellt hätten, was Sie aber nie tun würden, denn Sie selbst sind der Vordergrund, jawohl!, also, was wollte ich sagen, vor so einem Hintergrund bietet der Eisenstaßenverein Projektwochen an, in denen die Teilnehmer unter fachlicher Anleitung aus ihren Fächern genommen werden und Erz abbauen dürfen, nur so zum Spaß, wo früher ein Ernst war, jetzt wird es Ernst, aber zum Spaß. Als Urlaubsfreude dürfen Sie jetzt das ganze Eisen, das drin ist, herausschmelzen aus so einem Stein, nicht wahr, dort ist es ja drin, das Erz, und als Touristenattraktion wird dann gelten, daß Sie dieses Erz werden verarbeiten dürfen, was andre hier im Prinzip immer schon getan haben, nur um Geld zu verdienen. Nur taten die es länger, die hatten mehr Ausdauer als Sie. Bitte, und jetzt tun sie es ebenfalls, um Geld zu verdienen, das Sie allerdings schon verdient haben, bevor Sie kamen, und wieder auszugeben, das ist doch ganz einfach, oder? So funktioniert alles, wenn es funktioniert. Ist das nicht fein, daß das so geht?! Ja. Ich weiß, für Arbeitslosigkeit haben auch Sie wenig Verständnis, aber Sie haben doch gar keine Arbeitslosigkeit, Sie loser Schlingel Sie!, wer hat denn Sie so losgelassen, wo gehören Sie denn hin, wem gehören Sie?! Wollen im Urlaub Erz verarbeiten, wir haben hier schon einen, der Ihnen vormacht, wie das geht, ohne daß er Ihr Vorarbeiter wäre, wollen aber das hier nicht lesen, unglaublich! Sie wollen lieber frei bestimmen, was Sie verarbeiten und wozu Sie selbst verarbeitet werden möchten, am liebsten zu Tom


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Cruise oder wie heißt der, fällt mir grad nicht ein, und ich muß ja weiter, Clooney? Oder zu Britney Spears, ja, die ohne Unterhosen und Haare, die mit der Spalte, wo andre ein Loch haben, groß wie eine Tür, oder Paris Hilton, nein, die nicht, da lege ich mein Veto ein, diese Frau ist natürlich nur eine Vision, die uns dauernd vorgegaukelt wird, die ist ein Automat, nein, keine Automaut, ein Automat, ersparen Sie mir diese Frau, nur wenn Sie der Opernball sind, dürfen Sie sie meinen Augen kurz aushändigen, damit ich sie in den Müll werfe, bald ist sie sowieso im Knast, und bald ist sie wieder draußen. Ein ständiges Hin und Her ist das bei den Berühmten. Doch Ihre entzündeten Augen werden sie nicht schauen können, da sie von einer goldenen Dose und von Gefängnismauern verdeckt sein wird, diese Frau. Nur kein Neid! Lesen Sie, was ich alte Ziege so vor mich hinmeckere! Sie wollen nicht? Denken Sie an Ihre Kinder, die auch einmal gesundes Wasser trinken und biologisch angebautes grausliches Gemüsliches genüßlich essen wollen! Und dann lesen Sie, wenn Sie noch können! Wenn Sie zuviel auf Ihre Gesundheit achten, werden Sie noch darüber das Lesen verlernen, das sage ich Ihnen. Ich habe es schon verlernt, aber nicht, weil ich so gesund gewesen wäre. Gesundheit ist überhaupt abzulehnen. Lesen Sie, meinetwegen nicht das hier, aber lesen Sie, lesen Sie, anstatt gesund zu sein oder gesund sein zu wollen! Sie brauchen keine Gesundheit, das schwöre ich! Bitte, ich hab sie, aber Sie brauchen keine, nur keinen Neid auf die Gesunden! Lesen Sie also! Nein, natürlich nicht mich, aber lesen Sie! Loslesen, jetzt! Ich habe Sie nicht losgelassen, damit Sie gleich loslesen, aber so, jetzt


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dürfen Sie! Los!  Wollen Sie etwa, daß auch ich arbeitslos werde? Sowieso, denn mich sollen Sie ja gar nicht lesen! Außerdem krieg ich nichts dafür, daß ich mich hier selber im Netz einfange. Wollen Sie, daß ich meinen Arbeitsplatz, der schon fast abgebaut ist wie der Erzberg, wo ich auf Sprache eingeschlagen habe, jahrzehntelang, unaufhörlich, wie der Arbeiter auf diesen Berg, nichts mehr da, ja, wollen Sie, daß ich meinen Arbeitsplatz, das Wort, nicht mehr erreiche, jedenfalls nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreiche, denn dies hier ist privat, ich habe mich privatisiert (dabei bin ich, wie jeden Tag, rechtzeitig aufgebrochen, doch ich komme nirgendwo mehr hin, auch deshalb, weil ich öffentliche Verkehrsmittel gar nicht mehr mit mir verkehrsbemitteln kann oder so und nicht etwa, weil mir die Mittel fehlen würden), weil schon wieder eine öffentliche Verkehrsverbindung eingestellt wurde, früher gabs noch zwei davon, eine am Vormittag, eine am Nachmittag, und dabei benutze ich hier ohnedies schon eine sehr moderne Verkehrsanbiederung, das Internetz, ich binde mich dabei an mich selbst und los gehts! Dieses Netz gibt Ihnen die ungefähre Richtung vor, damit Sie nicht sinnlos im All, ach so, nein, im Alles herumirren, und dann können Sie loslegen, falls Sie wissen womit und wohin Sie es legen und wohin Sie damit kommen wollen, wenigstens ungefähr, ja, Sie können sich gern anschließen, es kostet nichts. Diese grenzenlose Mobilität kann grundsätzlich auch ein Arbeitsloser in Anspruch nehmen, warum tut er es dann nicht? Er tut es ja, denn dieses Gerät ist sein letzter einziger Schatz und Schutz auf Erden! Gehen statt


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bleiben? Er tut es ja! Damit trägt er sich, mit diesem Gedanken, der Arbeitslose hat schwer zu tragen an jedem Gedanken, sein Fortkommen betreffend, kein Niemand will er bleiben, welcher abseits von Hauptverkehrsrouten wäre und daher nicht einmal besucht werden könnte, falls man ihn mal zu sehen wünschte, um ihm einen Posten anzubieten, wenn er sich ordentlich wäscht und kämmt, eine Stelle, die noch kein andrer hat, und die dann er regelmäßig besuchen kann. Es tut mir wahnsinnig leid, daß sich die Bevölkerung in den letzten Jahren so negativ entwickelt hat, auch gedanklich, und trotzdem, die Arbeit noch viel negativer, und daher sind immer noch zu viele Menschen da, was auf große Gebiete in aller Welt zutrifft, Menschen sind einfach eine Hürde in der regionalen Entwicklung, sie halten sie auf, und sie halten alles und jedes auf, einfach deshalb, weil sie schon da sind, immer noch zuviele von ihnen, als daß Fremde mitsamt ihrem Fremdenverkehr sich genau hier aufhalten möchten. Da stimmt was nicht. Wenn sie alles aufhalten, bleibt es ja da. Egal. Es ist einfach kein Platz, aber es gibt andauernd diesen Wunsch nach Meer und Mehr. Die Menschen sind ein Hindernis für alles, vor allem aber für andre Menschen. Man sieht doch lieber junge Menschen als alte, nicht wahr, aber gerade die Jungen wandern aus der Region ab, das Niveau ist niedrig, dabei sollte es für unsere Skifahrer doch eher hoch sein, damit sie von dort dann mit Karacho runterkönnen, damit ein ordentliches Gefälle hergestellt ist, was für ein Spaß, und ein großes Problem, glauben Sie mir, sind auch die voreiligen, ich meine die frühen SchulabgängerInnen, das ist ein gesamteuropäisches Problem, das mich


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aber nicht weiter interessiert, ich komm eh nirgends mehr hin. Das Land interessiert mich, wo ich schon bin, und seine Landschaft, wo ich noch nie war, das ist der eingetragene Trägerverein, der Hosenträgerverein für die Landschaft, die Landsmannschaft hat wieder andre Träger, und die tragen sie wieder woandershin, zum Beispiel in die große Fernsehsendung Musikantenstadl, die es immer noch gibt, ich hätte es nicht glauben können, hätte ich ihn mir auch diesmal nicht angeschaut, doch es gibt ihn, den Stadl, jetzt unter neuer Leitung, ich fasse es nicht, aber was erfasse ich schon: Seit 15 Jahren schreibe ich über sie, diese lange Leitung, die zu einem Stall führt, denn unsere große Weihnachtsübertragung will ja zeigen, wie sich eine Religion auf andere übertragen kann, wie sich die Leute infizieren können, naja, so ungefähr halt, so lang ungefähr die Leitung zum Stall in B., denn diesmal findet er in B. statt, und dorthin tragen die Landsmannschaften ihre aufgeputzten, niedergetrachteten Körper und schmeißen ihre Knochen dort hinein, direkt ins Saalpublikum hinein, die Knochen auf den einen Haufen, das Fleisch auf den andren, die Kleidung hauen sie sowieso weg, wer würde sowas schon anziehen wollen, nicht einmal wenn sie tot sind, ich meine nicht einmal wenn die Landsmänner und Landfrauen tot sind, würde man ihre Trachtenkleidung anziehen wollen, das Wegschmeißen müssen sie also schon selber besorgen, ich eile mit meinen Fingern hurtig dahin, da muß ich nicht ins Fernsehn und nicht in eine Mannschaft, die ich doch nur behindern würde mit meinem Ungeschick, das sich überall befindet, nur nicht in meinen Fingern, die noch recht beweglich sind.


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Das Geschick dieser ehemaligen Industrieregion ist ein furchtbares, da ist nichts zu beschönigen, denn das Angebot an Arbeitsplätzen und Lehrstellen ist so gering, daß andre Menschen an ihre Stellen gesetzt werden müssen und die ganze Stadt im Ganzen gröblich verkleinert werden muß. Die Menschen in ganz Österreich müssen jetzt überhaupt zusammengeschoben werden wie Spielsteine, und irgendwo wird das enden. Meine Aufgabe ist, das zu beschreiben, aber da können Sie noch tagelang drauf warten, was Sie ohnedies nicht tun, Sie haben das Papier längst weggeschmissen, den Bildschirm nicht, den brauchen Sie noch für was Besseres, macht ja nichts, das war gut von Ihnen, Sie haben schließlich auch nichts dafür bezahlt als Ihren lieben Donaustrom oder wo der halt herkommt, der Strom, aus der Steckdose kommt er, echt, aber ein Mascherl trägt er nicht, da ist auch ein wenig Atom dabei, was Sie nicht gewünscht haben können, aber so ist das mit dem Strom, welcher keinen Körper hat und trotzdem eingefangen und gebändigt wird, der trägt keinen Namen, sodaß Sie nicht wissen können, ob es gesunder Wasserkraftstoff oder kranker Atomstrom ist, der z. B. dieses Schreiben genährt hat. Gut. So können Sie auch niemanden deswegen verklagen. Schluß, aus, Sense aus dieser Qualitätsproduktion: Hier in der Erzstadt war es wirklich die Sense. Er tut nämlich gar nichts, der Arbeitslose, der sich dieses Los schließlich nicht gekauft, nicht einmal gewünscht hat, und irgendwann, unmerklich für ihn, nicht für uns, wird er auf dem Sessel, auf dem er sitzt und auf dem bald ein andrer sitzen wird, immobil, Telecom-mobil, er trägt an der Immobilität dieser Region zwar nicht direkt die Schuld, aber er


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trägt dazu bei. Die Stimmung ist lausig, das Warenangebot beim Spar und beim Billa wird immer geringer, die Diversifizierung der Waren (nur noch eine einzige Sorte Trauben, ich faß es nicht, aber es sind immerhin Trauben, keine Jungfrauen, für die der Araber sich jederzeit in den Siebenten Himmel sprengen würde, wüßte er überhaupt, wer er ist und wo der Himmel ist, na ja, das alles muß er eigentlich nicht so genau wissen, er ist ein Nichts im Vergleich zu seinem Gott, der sein Alles ist, das genügt, und die Jungfrauen finden Sie im Puff drei Kilometer vorn an der Hauptstraße, aber Jungfrauen sind sie nicht, der ganze Fremden-Verkehr beruht nämlich auf Betrug, das versuche ich Ihnen ja schon die ganze Zeit klarzumachen) wird immer geringer, die Entropie steigt schwindelerregend an, es gibt von ein und demselben immer nur dasselbe, und zwar überall, das Maß der Unordnung, welches wir zur Tarnung Ordnung nennen, steigt immer, es ist alles aufgeräumt, auch die Menschen sinds inzwischen, denn die Frauen können immer noch putzen gehen, selbst wenn sie sonst gar nichts mehr können und nie etwas andres konnten, während der Tourist ganz andre, aber ebenfalls vorindustrielle Techniken anwendet, um bloß zum Spaß hier Erz zu schmelzen und zu einer Statue von wunderbar antikisch-ebenmäßiger Scheußlichkeit zu formen, die sofort zu ihrer eigenen Salzsäule erstarren würde, hielte man ihr einen Spiegel vor, ja, wahre Schönheit ist echt ein Hammer, nein, es ist da eindeutig eine Eisensäule entstanden, sogar ein sprechender Hund könnte es, der sein Bein immer woanders hebt: diese grenzenlose Mobilität ausprobieren, ein Hund (Pugnax), der Henry James liest, Rr Rff-rff Rr-rr-rff-rrf-rrf,


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bitte um Entschuldigung, das ist nicht von mir, leider, das ist vom MEISTER, meinem persönlichen Gott P., persönlich. Also: Sie führt in alle denkbaren Richtungen, deswegen heißt sie ja Mobilität, und die Mobilatsalbe beseitigt ihre Folgen, eigentlich heißt sie ja mit vollem Namen Automobilität, und so weit wie Sie wollen kommen Sie damit, sogar wenn Sie sich selbst mitnehmen und noch dazu zwei Stück andre Menschen oder gar drei. Diese Stadt ist kein Hindernis, das Netz läuft glatt hindurch wie ein straff gespannter Faden, mit dem man einen Griespudding aufschneidet oder harte Eier oder sonst welche ekelhaften Reste von was auch immer zwischen den Zähnen der roten Gfrieser herausholt, die bis vor kurzem hier noch alles bestimmen durften und jetzt bald wieder und dann wieder nicht mehr. Ein Raster, in dem man sich ausrasten kann oder nicht, je nachdem, wie man will. Es heißt immer und überall: Je nachdem, ganz wie man will. Das ist gut, und es geschieht das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, daß jeder kann wie er will. Nur keinen Neid! Nur keinen Neid, bloß weil Sie was andres wollen! Denn auch bei den bildungsfernsten Arbeitsstellen, welche sich sogar von Gott bereits entfernt haben, gilt: danach sofort denen ins Netz gehen, die es ausgespannt haben, weit wie die Seele ihre Flügel, tief und nutzlos wie ich meinen Flügel namens Steinway. Ich muß nachschauen, wie dieser Hund im Ballon, nein, im Zeppelin, heißt, und ob mein Klavier überhaupt noch steht. Ich darf nicht vergessen nachzuschauen, wie der Henry James lesende Hund heißt, den die Ballon- oder Zeppelinfahrer verstehen, Ende der Hommage an den größten lebenden allgemeinen


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Unfall- und Verfall-Verdichter! Was brauchen Sie eine Wohnung, wenn Sie ein Netz haben, das Sie auffangen wird, bevor Sie noch wirklich auffällig werden können? Vor allem für junge Frauen wird das Netz jetzt eng, aber sie kommen trotzdem noch raus, weil sie einen Körper haben, was nicht viele Menschen haben, ich sagte es schon öfter IIRC. Es ist immer alles, was einem passieren kann, an den Körper gekoppelt, vor allem die Frauen hängen da drin und können nicht mehr raus, die rackern sich kaputt, und außerdem kann man an sie noch vieles drankoppeln, was man grade vorrätig hat, Kinder, Alte, Arme, Kranke, aber immer eins hinter dem andern, nicht nebeneinander, sonst springt Ihnen der Körper noch aus dem vorgefertigten Gleis, und drei Leute, eine Polizistin, ein Polizist und ein Leichenbestatter, welche den Selbstmörder untersuchen und verpacken wollten, sind jetzt tot, weil der Lokführer nichts von ihrem Kommen geahnt hat (da kommt endlich mal jemand, und man ahnt es nicht). Und das Gleis wiederum ist an Ihre Lebensumstände angeschweißt, ohne Schweiß kein Preis, ich meine ohne Fleiß, aber das ist dasselbe, der Schweiß bewirkt, daß Sie nicht aus Ihren Schienen springen können und an den Hintermann gekoppelt sind, egal wie Ihr eigener Hintern ausschaut. Jung wäre grundsätzlich besser, aber nur kein Neid, auch Ältere können noch eine gute Figur machen und haben. Was machen Sie diese gewagte Turnübung, den Feldaufschwung, wenn es keinen Aufschwung gibt, kein Feld, keine Felge für Ihr Rad, kein Rad für Ihren Wagen, was machen Sie also diese Übung, wenn Sie ja doch am Ende im sozialen Netz landen werden? Könner arbeiten ohne Netz, aber Sie brauchen eins, und das ist schon der


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falsche Anfang. Ich und Brigitte, wir befinden uns im Nichts, aber jede in ihrem eigenen, und Bilder hängen bei uns an der Wand, die aber eine Wand dahinter nicht vorzutäuschen vermögen: das Nichts. Immer das Nichts. Uns zerfrißt der Neid, denn wir wollen ja etwas, bekommen es aber nicht, und wir sind beide auch noch selber schuld. Der rötlich gefärbte Berg mit seinem Erz, die riesige Stufenpyramide, als wären wir in Mexiko, und wären wir in Mexiko, dann wären wir jetzt endlich weg von hier, wir würden den Fremdenverkehr fördern, allerdings woanders, weg von unserem alten Heim und eben in Mexiko, doch leider wären wir dann schon wieder woanders, im Altersheim, weil dazwischen zuviel Zeit vergangen wäre, die wir nicht sinnvoll genützt hätten, und dabei müssen wir doch hierbleiben, und keine höhere Kultur hat sie geschaffen, diese eindrucksvolle Stufenpyramide, nur die Kultur der Arbeiter und ihrer Vorsetzer, der Hammerherren und Gewerken und Sensenherren und Sichelherren, was sogar im Staatswappen verewigt ist, mit gesprengten Ketten, die ebenfalls aus Eisen sind. Das Werkzeug ist ewig, jeder, der es schuf, soll verdammt sein auf ewig und ist es auch. Vorbei. Fleiß und Industrie – vorbei. Das Stadtbild wird vom Berg beherrscht, und inzwischen hat es selbst gelernt, sich zu beherrschen, denn der Herrscher, der Berg, ist tot. Alles ist tot, was nicht bearbeitet werden kann. Dieses Kind z. B. wurde monatelang bearbeitet, mit bloßen Händen, aber auch mit Stuhlbeinen, Stricknadeln und brennenden Zigaretten, die sich in diesen Händen befanden, und jetzt ist es eben tot, da kann man nichts mehr machen. Was wollen Sie gegen Tote unternehmen, die


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teilweise, nein, nicht teilweise, im Ganzen, schon seit fast zehn Jahren tot sind? Dieses Kind hier wäre jetzt sogar elf, je nach Kalender auch zwölf oder dreizehn, keine Ahnung, wie viele von denen, von den Kinderleichen, da noch vergraben sind! Aber es gibt dieses Kind, diese Kinder nur noch als Skelette und Gatsch. Diese andren Kinder, in Blumenkübeln, Betontrögen, auf Balkons, in Tiefkühltruhen, sie alle wurden nicht mehr bearbeitet, denn es hat sich nicht gelohnt, es hat sich für die Mutter nicht gelohnt, sie sitzt lieber mit den Kindern beinander, nachdem sie tot sind. Und sie ist selbst eine lebende Tote, aber ihre Kinder hat sie bei sich, und sie widersprechen nie, und sie hat ihrem Lebensgefährten nie gesagt, daß sie überhaupt welche hatte, und der Lebensgefährte hat in seiner kleinlichen Kurzsichtigkeit nie etwas von Kindern bemerkt, woher kommt das Wort Gefährte überhaupt?, wahrscheinlich vom Auto, diesem fleißigen Handwerker, nein, eher Mechaniker seiner selbst, und sie selbst doch auch eine fröhliche, freundliche Frau, wenn auch tot, aber fröhlich war sie, ein netter Kumpel, mit dem man hätte Pferde stehlen können, meist im Gasthaus, gäbe es dort welche, Pferde meine ich, doch dort gibt es nur Schnapsleichen, die irgendwann wieder aufwachen, die Kinder aber wachen nimmer auf, da wachen eher Millionen Inder auf als diese Kinder, also sie, die Mutter, war eine lebende Leiche neben ihren toten Kindern, diese Frau und Mutter, die wir als solche schon irgendwie schätzen, aber nicht als eine solche, die ihre Kinder umbringt und vergräbt, einbetoniert oder tiefkühlt. Lebend hätten diese Kinder vor allem den Vater zu sehr belastet, diese Vermutung wage ich einmal,


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und der Vater, der das Geld bringt, darf niemals belastet werden. So steht es im Grundgesetz, das aber keinen Grund dafür angibt. Erstes Gebot, denn ihn belastet alles, sogar der Alkohol, den er deswegen oft wieder von sich geben muß, obwohl er ihn gern behalten hätte. Die Stadt belastet ihn schon genug, weil sie den Lebenden immer leichter wird, wie Erde, wie die liebe Erde, nicht wie die liebe Sonne, welche sich immer nur um sich selber dreht, stimmts, oder hab ich recht?, und alles andere dreht sich außerdem noch um sie, wenn sie sich überhaupt mal bequemt, ihr Haupt über den Horizont zu erheben und dann dort stehenzubleiben, wo sie niemanden belastet und alle erfreut, zumindest in unserer Gegend, einem Schattenreich, wo sie nur selten vorbeikommt. Haben Sie vielleicht einen Spiegel, damit auch ich einmal die Sonne sehen kann? Danke. So. Diese Wohnung wird aufgelassen, Sie bekommen eine Ersatzwohnung, näher beim Zentrum, wo das Gasthaus steht, bei dir, o Gott, näher, mein Gott, zu dir!, aber Sie sehen es ohnehin nicht, denn Sie schauen auf ihren Schutz und Bildschirm, und dort ist alles, was der Fall ist. Vorsicht, fallen Sie nicht selbst! Und das Netzwerk, das Sie vor sich sehen, haben Sie es erst mal eingeschaltet, erschließt Ihnen völlig neue Chancen in der Region, und nun damit Schluß. Ich kann nichts dafür, so ist es. Brigitte wirft die Kaffeemaschine an und wickelt ihr Nußkipferl aus, das sie sich vorhin gekauft hat. Sie holt es aus dem Sackerl mit dem Aufdruck der Konditorei. Sie schaut gar nicht recht hin, was sie da macht, sie späht gedankenlos und absichtslos, ohne wirklich hinzuschauen, aus dem Fenster, in der Ferne sieht sie den hohlen


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Zahn dieses öden Wohnblicks, ich meine Wohnblocks, der zu entfernen ist wie meine Tippfehler auch, und sie sieht nicht die Menschen, die mit Sack und Pack still, aber unaufhörlich näherrücken, aber etwas fällt ihr doch auf: Ist nicht auch das Einfamilienhaus genau gegenüber dem ihren, diese Pufferzone zwischen ihr und dem Abstieg ins Massenwohnquartier mit seinen sozialen Problemen, die darin bestehen, daß die Menschen Kinder haben und alte Leute werden, im Lauf des Tages, der keineswegs gelaufen, eher geschlichen ist, ist ihr dieses Haus nicht ein Stück nähergerückt? Wie praktisch!, da kann sie jetzt also besser betrachten, was drinnen vor sich geht. Man sagt ja, die Menschen sollen einander näherrücken, sogar näherkommen, aber gleich ein ganzes Haus? Ein ganzes Haus, das näherrückt wie Bileams Esel, nein, ich meine Birnams Wald auf Dunsinan, ach was, keine Ahnung, was ich meine. Brigitte blinzelt, vielleicht spielt ihr der Kreislauf, wie in letzter Zeit häufiger, einen Streich? Kommt ihr das nur so vor, ist es eine Sehstörung? Ist es das, was V. W. beschreibt: ein kurzes wahnwitziges Herzrasen, das dann wie eine Flamme in den Kopf, ins Hirn schlägt und dort Verheerungen anrichtet und sie, V. W., niederstürzen ließ, was ich auch schon erlebt habe? Ihr, Brigitte, scheint der Abstand zwischen den beiden Einfamilienhauszeilen beinahe unmerklich, aber doch, enger geworden zu sein (naja, mir auch, der Nachbar gegenüber ist irgendwie auch schon näher an mich herangerückt, kommt mir vor, vielleicht hat er die Bauordnung nicht eingehalten, wie andre auch, die größer und höher bauten, als sie durften, ihren Mitbürgern die Aussicht abschneidend, oder auf größerer


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Grundfläche, als sie durften?). Hat Gott oder wer auch immer sich vorgenommen, in größeren Buchstaben auf unsere krummen Zeilen zu schreiben? So blöd wär das gar nicht von dem. Da würde er sich und uns einiges ersparen!

29.8.2007, Fortsetzung folgt bald


 


Bilder: Hieronymus Bosch (1450-1516): Die sieben Todsünden, Garten der Lüste, Ausschnitte

 

 

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Neid © 2007 Elfriede Jelinek

 

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