NeidPrivatromanFünftes Kapitel, c
sehr weit, der wandelnde Wotan, der aber noch beide Augen hatte, sonst aber nicht mehr viel, beide Augen weit offen für die Natur, mit denen er als Städter die Vorberge des Wienerwalds besuchte, den Schöpfl und die schöne Sophienalpe, wo wir ganz dicht dran wohnen, und wo viele, die Sommer im Winter haben möchten, ganzjährig ihre Sommerwohnungen bereits bezogen haben, obwohl noch Winter ist, die neue Kanalisierung macht das möglich, und da lag also der alte Fahrschein, bewegungsunfähig, unter lauter Poststücken, als dummes Stück, in absoluter Verlegenheit, die Beine beim Gehen so komisch verknotend, nein, das kann man dem Fahrschein nicht nachsagen, der ja fährt bzw. zum Fahren berechtigt, sofern er entwertet wurde, der hat seine Mitfahrgelegenheit, der muß nicht zu Fuß gehen, aber von meinem Papa kann man das schon behaupten, es ist egal, es hört einen eh keiner, nur Papier, und auch jetzt hört mir nur dieses liebe Papier noch zu, mein ein und alles, jetzt, da es vorbei ist, mit Papa vorbei und auch mit Mama, wenn auch viel später, hört das Papier mir zu?, nein, dieser Bildschirm hört ebenfalls mein Flehen nicht, meine leisen Lieder, welche flehen durch die Nacht zu dir, Leserin, Leser, ihr könnt mich mal!, also mein Medium, das mich Gespenst nicht erhören mag, das aber gar kein Papier ist, nein, ich sehe, es ist ein Bildschirm, bitte, noch besser, mit Fernsehen hab ich doch insgesamt, ich kann diese Bilanz jetzt bereits ziehen, schönere Sachen erlebt als je mit einem einzigen Menschen, der mir in die Nähe kam, obwohl ich es zu verhindern suchte, willkommen, lieber Bildschirm, wo ist dein Schutz, wo ist dein Schoner, womit bedecke ich diese Novelle, eine Klammer hatte ich schon, aber bedeckt hat die nichts, und schon gar nicht eine Novelle, die eh keine mehr wird, ich würde so gern noch etwas zum sich Bedeckthalten finden, damit wenigstens ein paar Leute glauben, die Novelle sei drunter? Keine Sorge, ich weiß ja, was drauf ist, und jetzt kommt er nicht, weil ich ihn ja benütze, den Schirm, warum auch, hier innen regnets ja nie, sonst wäre er schnell hin; und Sie wollen sicher endlich wissen, wie das alles ausgeht, denn eine Novelle muß ein Ende haben, ja, einen Anfang meinetwegen auch, also meinetwegen nicht, ach nein, wen interessierts?, denn von allein befreien hätte ich mich vom Papi nicht können, der hat sich an mich gekrallt, als wollte er, ich sollte ihm im Heim Gesellschaft leisten, nachdem er sein eigen Heim verloren hatte, in einem fremden Heim senil werden, was man im Grunde schon ist, nachdem man geboren wurde, schon da kann man nicht sprechen, aber man ist in diesem Zustand noch nicht recht zu Hause, das in der Fremde zu sein ist schwer, in einem fremden Heim den Rest des Verstandes zu verlieren, ist nicht angenehm, wo man sich doch in seinem eigenen schon nicht mehr zurechtgefunden hat, wie wir und wie eine andre Nachbarin glaubwürdig angeben kann, jederzeit, das ist keine Angabe, wenn einer sagt: Bitte helfen Sie mir, meine Frau und meine Tochter wollen mich hier weghaben, und was die wollen, das schaffen sie auch, aber munter und frisch, ich kenne die doch! Ich hätte Papi schließlich grob zu Boden stoßen müssen, doch wer tut denn sowas einem so arg Behinderten an?, ich, ja ich, ohne daß ich einen Behindertenzuschuß dafür bekommen hätte, na, Sie bekommen vielleicht den einen oder den andren Zuschuß, immer noch besser als der Genickschuß, den Papi auch gut von den Nazibazis in ihren privaten Skipullovern unter einem Hüttendach, das dichter und dauerhafter gewesen wäre als Papis Verstand Jahrzehnte später, hätte bekommen können, allerdings nicht von uns und nicht später, sondern früher, ich habe mich schon wieder verfranzt, aber was ich auch tue, ich bekomme ihn nicht, diesen Zuschuß, und zugehört hat mir auch nie einer, genau wie Mama, oder zuviele haben zugehört, genau wie Sie, die Sie sogar Ihrem Aussehen Beachtung schenken, mir aber nicht, obwohl ich rede und rede, aber alles umsonst, man hört mir zu, aber man versteht mich nicht, auf diese Weise habe ich Papas Schicksal geerbt, ja, Sie lesen recht, hier ist alles umsonst, ich meine gratis, hier steht ein Mensch, und ja, ich bin auch einer! Sie haben recht gesehen!, nur stehen tu ich derzeit nicht, jedenfalls hat mein Herr Papa, der sich krallend in mich eingehängt, eingekrampft hatte, obwohl er in irgendeinem Teil seines Gartengeheges, das früher ein Hirn war, gespürt, geahnt haben muß, daß wir, Mama und ich, gehen, er aber bleiben mußte, im Gegensatz zum munter murmelnden Bächlein, das immer gehen muß, nie bleiben darf, immer dem Bache nach, hinunter und immer weiter und immer dem Bache nach, im Grunde sich selbst nach, darin besteht der Bach, nach einiger Zeit also hat der Papa offenbar gemerkt, daß da irgendwas nicht stimmte, wahrscheinlich meine Körpergröße, die ihm komisch vorgekommen sein mußte, er krallte sich an mir fest, aber in Wahrheit meinte er Mama, die viel kleiner war als ich, er muß Mama gemeint haben, denn ich hatte nie etwas zu sagen, wenn sie auch nur in der Nähe war, er muß gemerkt haben, daß er sich an eine komplett Stumme anklammert, und deswegen sage ich ja jetzt soviel, weil sie weg ist, jawohl, Mama ist jetzt auch weg, ich bin so froh, aber Papi schien ursprünglich nicht aufgefallen zu sein, da die liebe Abendsonne auch nicht mehr schien und er mein Gesicht daher im allzu milden Lampenschein, wir wollen schließlich Strom sparen, damit wir möglichst viel von dem, was die Angehörigen unserer Insaßen für diese zahlen, sparen können, um noch ein weiteres Haus zu bauen, in das wir Menschen hineinstopfen können, um um sie besorgt zu sein, nicht sehen konnte, es war zu hoch über ihm, einen Viertelmeter oder so, denn er saß ja da, inmitten zweier Ladys, die ihn bereits mit Beschlag belegt hatten, kaum daß sie ihn gesehen, und dabei trug er noch Mamas Beschläge, die halten ewig, ich weiß das, Sie wissen es inzwischen auch, und hätte Papa es gekonnt, mich loslassen, es hätte nichts geändert, er wäre unverändert schlecht gelaunt gewesen, da er mich nicht erkannt hätte oder als jemand anderen erkannte, als meine Mutter vielleicht, Gott behüte, er vermeinte ja, endlich eine echte Freundin gefunden zu haben, aber da stutzte er, irgendwas stimmte nicht, hier zwei Frauen, dort auch zwei, an eine (mich) klammerte er sich fest, sah mich an und sprach zu mir: Bist du es nicht, mein liebes Kind? Dabei nannte er der Mama, seiner Gefährtin seit vielen Jahren, ihren, der Gefährtin teuren Vornamen, den ich nicht vergessen habe und wie Aas in meiner Tiefkühltruhe hüte, Loni, Loneli, Lonele, obwohl ich wahrscheinlich nur auf die Türklingel schauen müßte, ich glaub, dort steht aber nur unser Familienname, einer für alle, und ich sagte, nein, ich bin es nicht, ich bin es nicht, hören Sie zu: Ich bin es nicht!, ich bin es nicht!, nicht ich bin es!, jene ist es, die du nicht siehst, obwohl sie doch dort steht!, Mama!!, diese Ansprache ist jedoch sinnlos gewesen, zum Glück wenigstens recht kurz, aber Papa hat sie trotzdem nicht verstanden, und warum hat er ausgerechnet mich angesprochen, da doch noch drei andre Frauen um ihn herum lagen, saßen und standen und ein Mittagessen bestellen wollten, in einem schattigen Garten, dann zahlen und fort, fortgehen durch die Mündung des Tales und in ein andres, breiteres, hinaus?, wie komm denn ich dazu?, aber seine Frau hat der Papi nicht erkannt, nicht um die Burg, obwohl sie sich doch den ganzen Tag mit ihm unter einem Dach befunden hatte, über vierzig Jahre lang, so mein Befund, eine Befindlichkeit, in der ich mich nicht befinden würde wollen (sogar Sie, Frau S., hätten sie verstanden, diese kleine Rede: Ich bin es nicht! Rotzen Sie jemand andren an, denn ich bin es ja gar nicht! Brauchen Sie vielleicht ein Taschentuch?), doch jedenfalls ließ Papas grip, sein Griff, sein Eingriff in meine Persönlichkeits- und Unversehrtheitsrechte, ergriffen von etwas wie Entsetzen, aber das interpretiere ich sicher nur hinein, etwas nach, der Griff ließ nach, der Schreck nicht, und ich konnte meinen Arm durch diese Großzügigkeit von Seiten meines Vaters befreien, mich von seiner Seite wegreißen, rasch den Arm herausziehen, bevor der Mann wieder wie eine Fuchsfalle zuschnappt mit seinem Griff, übergeschnappt war er ja schon, und ich sagte also: Ich bin es nicht, ich bin es nicht, nein, nein, und ich floh und ließ den armen kranken Papi (also arm ist er mir in diesem Moment gar nicht vorgekommen, der war stärker als ich, was keine große Kunst war, in seinem Zustand aber doch, und man hat schließlich Hemmungen, sich eines Wahnsinnigen so grob zu entledigen, wer weiß, vielleicht kommt der einmal mitsamt seinem Irrsinn wieder zurück, was tatsächlich auch stattfand, mit einem Irrenwärter als treulichem Begleiter, aber nur kurz, nur kurz durfte er in sein altes Heim noch einmal hineinspechteln, Mama dachte, der Anblick dieses Lebenswerks eines Einfamilienhauses würde ihn ein letztes Mal erfreuen, begeistern und ihm neuen Mut fürs Irrenhaus einflößen, ich habe mich derweil heulend am Dachboden versteckt, sicher hat er mein Heulen für das des Windes gehalten, der unser Häuschen umtoste, umtoastete, bis alles dazwischen zu Asche verbrannt war, nein, das möchte man doch verhindern, daß gleich das Haus einstürzt und buchstäblich verschwindet, nur weil eine Naturgewalt deswegen schon vorher zu heulen anfängt. Man möchte, daß sie damit zu jemand anderem geht, die Natur. Die Natur könnte doch Lustigeres anfangen, sie könnte jauchzend erdrutschen zum Beispiel, sie könnte sich als Schwemmkegel selbst in einem See versenken, mitsamt den Häusern, die drauf stehen, auf dem Kegel, sie könnte aber auch bewirken, daß das Erdreich nur oben weich zu sein scheint, mit zunehmender Tiefe aber stabiler wird, und dadurch genau vor so einem Rutschungsereignis bewahrt bleibt. Die Natur könnte sich also einbremsen und das Ausmaß ihrer Erdbewegungen etwas herunterschrauben in ihrer seit Jahrhunderten bekannten Instabilität. Was, sie droht mir, ausgerechnet mir, die Natur? Nein, sie droht derzeit nicht mir, sondern in Gmunden am Traunsee, weil ihr der Gefahrenzonenplan, der dort erstellt wurde, was allerdings auch schon wieder ein paar Jahrzehnte her ist, nicht mehr gefällt und sie sich einen neuen wünscht. Die Natur, um es kurz zu sagen, wünscht einen neuen Gefahrenzonenplan, damit sie sich danach richten kann und mal was andres sieht, denn Ungewißheit liegt bedrückend auf der Natur wie auf den Menschen, viele wollen aber die Hoffnung nicht aufgeben, aber wenn ein alter Bekannter wie der Geschliefengraben, der hinunterrutscht, nicht wahr, jetzt persönlich daherkommt, was schon davor in jedem Flächenwidmungsplan vorbildlich berücksichtigt wurde, aber wie soll man berücksichtigen, daß das Ganze einfach abrutscht und weg ist, im See verschwunden ist?, na, zum Glück wird es wahrscheinlich nicht so weit kommen, anders als beim Irakkrieg, verzeihen Sie bitte die Abschweifung, daß ich einem Krieg den gleichen Rang zuweise wie der Natur, die sich uns ja vollständig entzieht und nicht beherrschen läßt, wie auch, wir können uns ja selbst nicht beherrschen, tun es aber meist nicht, was wollte ich sagen, wo fing es an, wer hatte den Plan, nun, ich hatte keinen, und für eine Novelle hätte ich einen gebraucht, wie der Geschliefengraben in Gmunden einen gebraucht hat, damit er wußte, wo er runterkommen mußte, trotzdem, es muß ja weitergehen, ich sagte, die Natur habe einen Plan, murmel, murmel, nein, sie will einen neuen Plan bekommen, um sich nach dem zu richten, weil ihr das Alte schon langweilig geworden ist, und um den Menschen zu helfen, besser mit ihr, der Natur, auszukommen, wo nicht einmal ich hier weiterkomme, ich bin ja auch ein Mensch, oder? Finden Sie nicht?, also als Mensch werden Sie mich doch wahrnehmen können, da Sie die Natur als solche auch wahrzunehmen imstande sind, aber deswegen endet dieser Satz noch nicht; bloß weil Sie es wollen, beende ich ihn noch lange nicht, ich beende ihn nämlich genau jetzt, wo ich und die Natur es endlich gemeinsam wollen und an einem Strang ziehen, der aber ein Gerinne ist, wie ich entsetzt feststellen muß, ein Geschiebe, eine Mure, ein Erdrutsch, Hilfe!, was nützt es uns jetzt, daß auf die Gesundheit der Bevölkerung geachtet wird?, die Natur in allen Plänen berücksichtigt werden wird und sogar Filet-Seegrundstücke nicht verbaut werden dürfen, weil sonst der ganze Graben mitsamt seinen ganzen Häuser, die dann wahrscheinlich nicht mehr ganz sein werden, runterkommt und alles plattwalzt und im See untertaucht und verschwindet? Nein. Punkt. Bis jetzt ist das das Gegenteil einer Novelle, ich muß das Steuer entschlossen herumreißen, aber der Entschluß allein nützt mir leider nichts und Ihnen auch nicht. So, ich muß jetzt mal als erstes dringend mein Inneres revidieren und einen kleinen Straßverkauf, einen Flohmarkt aus Sachen in meinem Inneren, die ich nicht mehr brauche, organisieren, aber nicht einmal vors Haus trau ich mich noch, und wenn ich mich mal traue und ein paar alte Plüschtiere nett auslege, damit einer sie kauft, arm und zerzaust schauen sie aus, die Tiere, wie aus dem Regen gezogen, sehen Sie selbst, was mir dann passiert!, ich muß auf der Straße stehen, ich mußte nun auf der Stelle stehenbleiben und mich am Dachboden vor Papa verstecken, der derweil eine Privatführung durchs Haus bekam, von Mama persönlich angeleitet, damit er einen guten Eindruck von seinem Heim bekam, bevor es nach Steinhof ging, denn nein, auf die Straße durfte er nicht mehr, nicht mehr allein, er wurde direkt aus diesem Mehrpersonenraum, wo man ihn nicht mehr behalten wollte, für eine halbe Stunde in sein altes Heim transferiert, Zweige knicken ein, Mama nicht, und ich knicke auch nicht ein, ich verstecke mich bloß vor Papa, der kurz im Haus west, schon wesenlos anwest, wie ein Gespenst, das da ist und gleichzeitig längst fort, beachten Sie mich gar nicht, ihn aber auch nicht! Er kam direkt aus dem Fegefeuer, mein Papi, und war unterwegs in die Hölle, aus dem Fegefeuer des überbelegten Hauses, das unserem recht ähnlich war, was die äußere und innere Häßlichkeit betraf, nur wohnten locker über 50 Personen drin plus Personal, das aber abends nach Haus durfte, nachdem die Schicht ausgewechselt worden war, stellen wir uns also noch ein letztes Mal das Fegefeuer für schuldige Kinder und Erwachsene vor, wo er, einer von zuvielen, wie angenagelt blieb und sprach und seine seltsame Sprache stakkatoartig herausspeichelte, einem unbekannten Ausland gehörig diese Sprache vermutlich, eine Nichtsprache, sehr interessant, einem Land zugehörig, gewiß, aber keinem bekannten, keinem Vaterland, mir ist ja ohnedies gar kein Ausland bekannt, und meinen Vater kannte ich auch nicht gut, leider, immer weitersprach der Mann, mit dem ich doch so eng verwandt war, enger gehts gar nicht, bis sich endlich, auf meiner Häuserseite, von mir aus, auf Seiten der Besitzer einer Pension für Irre, ein Gartentor öffnete, aus dem die gutmütige, freundliche Heimleiterin und Hausbesitzerin zu ihrem neuesten Hausbesetzer hervortrippelte und schnurstracks, wie man früher sagte, und wir sind schließlich jetzt im Früher, Steinhof kommt noch, das kommt später, diese Frauen des Hauses und Heimes, diese Heimchen, scheinen mir nämlich einer andren, noch älteren Generation anzugehören, die noch weiß, was Geld ist und was es wert ist, auf uns, Mama und mich, zukam, dem Vater nicht entgegenkam, sondern uns, die wir ohnehin nur noch weg wollten, in unser eigenes schönes Heim zurück, aus dem wir Papa energisch verstoßen hatten, hierher verstoßen mußten, und dann war alles wieder in Ordnung, im Lot, senkrecht nach unten, wundersam einige Zwietracht zweier Frauen, nein, es waren mehr, es waren ja noch die beiden andren Insassinnen vorhanden, welche Vater wie ihren grade frisch angelieferten Gott anbeteten, sich selbst sofort ausblendeten, ihn umdrängten und bestürmten wie ein herzhaftes, deftiges Gulasch (sind das nicht inzwischen mindestens sechs Frauen? Und alle für Sex zu haben, auch wenn sie nicht mehr wissen, was das ist, tun wollen sie es trotzdem, Verzeihung, das war mein Tiefpunkt, aber weitere Punkte sollen weiter unten noch folgen), wie die Mure des Geschliefengrabens den Traunsee, in den sie hineinwill, das Gulasch ist mir lieber, ich hätt jetzt gern auch eins, ein leckeres Gulasch, das, direkt von Heim und Herd geliefert, gleich am Tisch des Hauses stehen wird, wenn auch nicht für lange, denn alte Menschen sind gierig und verschlingen alles, was man ihnen zuwirft, jeden einzelnen Brocken, und Mama und ich, wir haben verhindert, daß Papa auf einem seiner einsamen Spaziergänge womöglich ebenfalls, wie Jahrzehnte später eine andre Dame, diese steile Böschung dort unten beim Gemeindebau herabstürzte wie dieses Felsgerinne in Gmunden, das alle Häuser in den See mitreißen möchte, na, bin ich nicht auch eine mitreißende Novellenerzählerin?, dort, wir haben Papa davor bewahrt, dort also runterzukollern, wo es an der Kehre steil runtergeht, den sogenannten Geschliefengrabenumweg direkt in der Direttissima zu nehmen, anstatt die Spitzkehre ordnungsgemäß mit den Füßen auszuschmieren, damit nichts anbrennt, nein, eigentlich ist die Kehre indirekt dazu da, daß die Autos sich dort gewaltsam einbremsen und die Menschen am Lenkrad fest herumkurbeln müssen, während ja eigentlich Gott lenken sollte, aber wir haben Papa ja grade davor bewahren wollen, womöglich die Direttissima über den steilen Hang zu nehmen, ja genau diesen Hang, nicht zum Müßiggang, sondern für die menschliche Sturzflut, ein Hang zum billiger Wohnen, direkt vor dem Gemeindebau, wo sie, ich sagte es schon, den armen Buben ermordet haben, das heißt, sein Freund hat ihn abgestochen und in den Müll geschmissen, in den Container, ja, genau dort ist nämlich und neulich eine andre nette alte Frau, nicht von heute, sondern von gestern, aber trotzdem neulich, bekleidet nur mit einer Combinaige (einem Unterkleid), einer alten Jeansjacke vom längst aus der Wohnung ausgezogenen Sohn, mit einer Pudelmütze auf dem Kopf und in Pantoffeln, nein, nicht der Sohn, die Frau Mama mit ihrer Haube, die ihr natürlich keinen Halt geben konnten, Wollhaube und Pantoffeln, wem könnten die schon einen Halt bieten?, ohne den Schutz und Schirm von überhaupt irgendwem, einer Freundin vielleicht, die sie aber wahrscheinlich auch nicht hätte behüten können, nur die Pantoffeln und das Unterkleid ihr vielleicht ausreden, aber die Freundin, welche die arme Pudelhaubenfrau leider nicht beschützen konnte, deren mit einer Haube beschütztes Haupt nicht zusätzlich schützen konnte (diese Sturzlawine von Frau hat sich in diesem Aufzug ja offenbar pudelwohl gefühlt, na, das mußte ja kommen, aber doch nicht so!), also eine solche Freundin wäre gleich daneben sicher mitgeflogen, hinuntergestürzt, mitgerissen worden, von und neben der Frau, die im Sturz ihre Pantoffeln verloren und es schon zuvor nicht für nötig befunden hatte, sich wenigstens ein Hauskleid überzustreifen (aber an eine Jacke und eine Mütze hat sie immerhin gedacht, das ist nicht nichts), runtergeflogen, hat sich entweder selber hinuntergestürzt oder ist gestürzt, ja die dort, wo der Gemeindebau steht, in dem, erinnern Sie sich? Haben Sie brav mitgedacht, haben Sie auch brav mitgelesen, ich habe es um Ihretwillen schon mindestens ein dutzendmal wiederholt, es überarbeitet und feingeschliffen, nein, mitgearbeitet haben Sie nicht?!, aber das dürfen Sie!, ha, ha, im Reich der Zeichen, wie Sie sehen, dort also, wo das arme 12-jährige Kind ermordet wurde und verschwand, in der Müllverbrennung am Flötzersteig spurlos als Rauch durch den Schornstein geblasen wurde, um die Fernheizung anzutreiben oder aus irgendeinem andren Grund (das kommt mir doch irgendwie bekannt vor, oder?), und genau in Sichtweite dieser Fenster (inzwischen ausgetauscht und frisch renoviert, keine Ahnung, wer jetzt in dieser absolut und garantiert blutspritzerfreien Wohnung wohnt, sogar die Fenster sind neu, ganz genau wie meine neu sind, nur natürlich billiger als meine, das ist nur natürlich) stürzte nun also – na ja, ein paar Monate ist das auch schon wieder her – die liebe kleine fremde Dame senkrecht hinab, Papa konnten wir vor einem solchen Sturz bewahren, diese Dame aber leider nicht, weil wir nicht persönlich dabei waren, aber Papa hat sie auch gekannt, aber der ist jetzt genauso weg, wem hätte der auch was nützen können?, Papa ist nicht mehr vorhanden, aber andre Zeitzeugen schon noch, und diese kleine Dame stürzte also genau hier (es hätte ja auch Papi sein können, wir haben verhindert, daß er es sein konnte!) jählings holterdipolter, nein, eher lautlos, es war eine sehr kleine zierliche Dame, hinunter, verletzte sich recht ordentlich und üppig, blutete blütengleich aus zahllosen Wunden, kam zwangsweise ins Spital, ihre Körperteile zwanglos ausgebreitet neben sich, aus welchem sie einen Tag später wieder in einem unbeobachteten Moment entwich, abpaschte, wie man hier sagt. Punkt. Weiter weiß ich nicht. Na, erfüllt das Ihre Ansprüche ans Erzählen? Nein, auch nicht? Viel zu umständlich? Völlig uninteressant! Hätte man viel kürzer sagen können? Was ist das überhaupt für eine Frau, haben wir hier denn nicht schon genug Frauen? Wäre in einem Satz möglich gewesen unter Umständen? Bitte sagen Sie mir, unter welchen, und ich stelle sie eigenhändig her, diese Umstände!, vielleicht taugen sie ja für mich als Unterstände?, aber leider, über die Umstände gebiete ich nicht, ich gebiete über nichts, was außerhalb meiner 325 Quadratmeter Gartenfläche liegt, es war mir halt nicht anders möglich? So, meinen Sie? Sie werden schon recht haben, aber dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Wollen Sie mehr wissen, dann lesen Sie die Lokalseiten der einschlägigen, bunten, aber je bunter, desto rascher verwelkenden und verfallenden Blätter, wo immer genau steht, dann werden Sie niedergeschlagen bemerken, wie das ist, zu spät dran zu sein, lesen Sie, wer wieder erschlagen, erschossen oder einem feindlichen Autoangriff erlegen ist, man kann gar nicht alle Angriffe aufzählen, es kommt doch immer wieder Nachschub, ja, auch an Promis. Das ist heute der Tag (ich sage es Ihnen, wie immer gratis, damit Sie sich orientieren können, der düstre Tag, da klar wurde, daß die Mehrheit der Gemeindebaubewohner es ausdrücklich gebilligt hat, daß mit einem Luftdruckgewehr aus einem Fenster auf Kinder geschossen wurde, nicht in der Absicht, sie zu töten, eins war schon hin, und es waren ja auch nur Kinder, welche ungebührlich lärmten, das ist zwar nicht wahr, die meisten Menschen lehnen sowas ab, aber dafür müssen Sie hier keine Gebühren entrichten, daß Sie das ablehnen, dafür steht Ihnen eine Belohnung zu), da es endgültig und unwiderruflich heißt: Wien, Wien, nur du allein. Ab jetzt stimmt das immer. Doch dieser kleine schmerzhafte Vorfall aus meinem Privatleben, und es war noch nicht mal meins, es gehörte einer fremden, zierlichen Dame, die über ihren Hang nach Höherem gestürzt war, weil sie es mit dem Tieferen verwechselt hatte (und es war schon das größte Ereignis der letzten zwei Jahre in meinem armen kleinen Leben, das doch qasi nur mich selbst als Zuschauerin hat), dieser Fall, nein, dieser Vorfall fand seinen Weg nicht und nicht, er fand seinen Weg nicht in die Zeitungen, und daher – oder gerade deswegen? – ist es trotzdem passiert, äh, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, wie soll ich da erzählen können, wenn ich noch nicht mal was sagen kann? Punkt. Aus. War das etwa schon die versprochene Novelle, die ursprünglich hier erscheinen sollte, wars das schon? Das hat ja gar nicht weh getan, das hat gar nicht in mir gebohrt, es war ganz einfach, es war aber gar keine. Es war nichts. Ich glaube nicht, daß das irgendeine Art von Erzählung war. Nein. Ich sollte vielleicht, wie ein andrer, ebenfalls sagen, daß meine Freunde von mir fort mehr laufen als gehen, und zwar über die Wiese in die sanft geschwungene Wiege hinab, in der für mich kein Platz mehr ist und nie einer war, ich kann mich nie mehr wie neu fühlen, das ist vorbei. So. Meine Freunde gehen durch die Mündung des Tales in ein andres breiteres hinaus, in dem ein Strom fließt, und es ist nicht derselbe, der vom Traunstein herab in den See stürzt, letzterer ist nämlich aus Erde und Geröll und Gatsch. Vielleicht eine ganz kurze Novelle hätte das sein können, aber wahrscheinlich wäre es so und so gar keine geworden. Ich kann es doch nicht. Ich sehe es ein. Sie haben recht, Frau S., und Sie, Frau R., auch, Sie haben genauso recht, Herr M.!, Sie haben ja so recht! Ich erzähle nicht, möchte es aber doch so gern, bitte helfen Sie mir, vielleicht können Sie mir helfen, bitte helfen Sie mir, wer immer Sie sind, das sagte mein Vater zu einer anderen lieben Nachbarin, die ihm aber auch nicht gegen uns, Mama und mich, helfen konnte, das hätte allerdings keiner gekonnt, gegen uns war kein Kraut gewachsen, wir haben ihn deportiert, einen mehr, den man gut hätte schon jahrzehntelang früher deportieren können, dann hätten wir die Arbeit nicht gehabt, es hätte dann allerdings mich nicht gegeben, freuen Sie sich nicht zu spät, aber freuen dürfen Sie sich bei diesem Gedanken!, so, nun mußten wir das also erledigen, sein „bitte helfen Sie mir“ verschwendet, was hätte die arme Frau tun können?, Papi wurde abtransportiert, ob er wollte oder nicht, aber er hatte nichts mehr zu wollen, so, und Jahrzehnte später wurde Mami von mir dann auch abtransportiert, was mit Sport auch irgendwie was zu tun hat, würde Oswald Wiener vielleicht sagen, und jetzt quält mich die Frage: Wer wird mich deportieren, wenn ich es nötig habe?, ich habe keine Erfahrungen mit Transporten, da ich ja nie hinausgehe, aber Papi hätte gut seine Erfahrungen machen und dann sammeln können, er hätte sie vielleicht sogar nachmachen können wie man eine Schularbeit nachmachen darf, weil man zum originalen, optimal gewählten Zeitpunkt dafür krank geworden ist, Papi hätte den Transport ja nachmachen können, und dazu haben wir ihm auch verholfen, von uns wurde ihm geholfen, denn er hatte die Transporte damals, Jahre davor, doch versäumt, macht nichts, wir haben das Absporteln, das Abtransporteln später gründlich nachgeholt, Mama und ich, jetzt nur noch ich, und ich transportiere alles, was Sie mir angeben, ich transportiere es mit Sprache, das macht mir weniger Mühe, und wenn die nicht mehr will, dann haue ich sie, dann peitsche ich sie bis aufs Blut, ja, ich bin eine Spezialistin für Transport geworden, und wir mußten nicht einmal eine Selektion vornehmen, Mama und ich, es war ja nur einer da, der weg mußte, und auch diese liebe Frau und Nachbarin, die noch heute meine Freundin ist, weil sie meinen Vater nicht aufhalten konnte und das auch rasch eingesehen hat, denn es ging sie nichts an, die Ärmste in ihrem Konflikt, ja, sie mußte das zur Kenntnis nehmen, es war schließlich nicht ihr Papi, er war unser, ganz unser, unser Besitz, mit dem wir machen konnten, was wir wollten, und dafür hat dieselbe Nachbarin mir Jahrzehnte später geholfen, auch noch Mama zu deportieren, und damit hat sie die Scharte von damals mehr als ausgewetzt, als sie Papa nicht vor uns retten konnte, jetzt konnte sie also auch Mama nicht vor mir retten, nur ich war noch übrig, rette sich, wer kann, aber alle, die ich deportieren ließ, konnten eben nicht mehr gerettet werden, und mit ein wenig Hilfe von unsrem lieben Nachbarn auch retten wir alle uns nicht, rette ich mich auch nicht, denn außer mir war niemand mehr übrig, danke, N.!, ihr verdanke ich mein Leben, tja, Mama und ich verdanken ihr viel, ich alleine verdanke ihr noch mehr, zuerst mußte Papi raus, das war unsere Aufgabe, und sie mußte in einen ziemlichen Konflikt geraten sein, die arme Nachbarin, meine Freundin, aber bitte, was soll sie machen in einer solchen Situation? Sie hat wohl nicht ahnen können, daß sie mir mit dieser vorletzten Bitte meines Vaters (die letzte an mich lautete, und das war endgültig und gilt heute noch, da es unnötig ist: Nicht schlagen! Bitte nicht schlagen!) , von der sie mir Jahrzehnte später eher beiläufig, nicht landläufig, aber doch mitleidig, wie im Walde träumend oder Schwammerln suchend, berichtet hat, das Erzählen damit ein für allemal abgewöhnt, vergällt hat, aber das ist eine Ausrede, eine willkommene Ausrede, daß ich es nicht kann (mein Papi war hier nicht willkommen, was jede Ausrede ist: willkommen), hier, wo ich rede, wovon ich rede, bitte, von mir aus versuche ich es anders, ich versuche, etwas zu sagen, das nur von mir aus gesagt werden kann, und zwar von meinem Onkel, noch ein Verwandter, den ich aber nicht gekannt habe, Onkel Adalbert, mit dem ich von meiner und meiner Mutter Schuld an Papi ablenken möchte, sofort, schnell ablenken, bevor das noch jemand für eine Novelle hält und irrtümlich liest!, können Sie bitte noch einmal kurz herschauen?, damit er wieder auf seine Anhöhe zurückgeht, auf die Anhöhe von Steinhof mit der schönen frisch restaurierten Otto-Wagner-Kirche, und ein echtes Restaurant plus Kaffeehaus, ein Patientencafé gibts dort als Beilage garantiert auch, auf jener berühmten Anhöhe im Westen der Stadt also, von meinem Gärtchen aus beinahe ersichtlich, beinahe könnte ich sogar, obwohl mein dunkler Fleck im linken Auge mich dabei stören würde, zumindest würde er sich ordentlich anstrengen, könnte ich sehen, wo Papi krepiert ist, es ist nicht dieselbe Anhöhe, auf die ich ihn nachträglich gestellt habe, als wir ihn endlich vertrieben hatten, Mama und ich, von ihm und seiner Anhöhe, seinem letzten Wohnort aus, schaue ich jetzt kurz noch einmal auf Papis Verwandten Adalbert (bitte um Erinnerung! Aber wie kann man sich an jemand erinnern, den man nie gesehen hat?), ja, genau, Béla, den ich nicht einmal gekannt habe, seinen Sohn aber schon, der ist mit 101 Jahren in Denver, Colorado, gestorben (ist auch schon wieder ein paar Jahrln her, aber was zählen schon Jahre in einem großen Kulturland, es müssen schon Jahrhunderte sein in diesem berühmten uralten Land, darunter tun wirs nicht!), wohin er sich schließlich vor uns Österreichern über mehrere Umwege hinweg retten konnte, eine Möglichkeit, die meinem Papi nicht offenstand, den mußten wir schon selber entfernen, wenn auch reichlich spät, dabei hat uns aber kein Herrgott geholfen. Der hat es richtig gemacht, dieser Sohn vom Onkel Adalbert, er ist weg und weggeblieben, sein Papa ist dafür, wofür eigentlich?, leider wieder zurückgekommen, dumm von ihm, meinen Papa haben wir dafür selber, Mama und ich, in Eigenregie, in einer beispiellos energetischen Eigenmaßnahme, deportiert, es war eine exklusive Privatdeportation ganz für ihn allein, für meinen Papi eigens veranstaltet, sogar mit Personal, vielleicht zuviel der Ehre, aber wir haben uns das was kosten lassen: Für die Nazis hat er chemisch arbeiten müssen, und dann hat er für uns chemisch arbeiten müssen, wenn auch woanders und für etwas anderes, damit wir uns nämlich dieses Einfamilienhäuschen überhaupt leisten konnten, das war ziemlich teuer, obwohl dermaßen klein, das gibts gar nicht, nein, das gibt es schon, brav; vieles, was klein ist, ist auch brav, weil ihm nichts andres übrigbleibt, wenn auch nicht alles. Er war nicht einmal bei der SS, noch nicht mal bei der Waffel-SS (und damals hatte er noch die längste Zeit keinen an der Waffel!), mein Papa, aus einsichtigen Gründen, die ich gern die dunklen unbebauten unbehausten Rassengründe nenne, andre nennen sie anders, ich kann nichts dafür, also einsichtig sind sie nicht, die Gründe, nicht einmal der Grund, auf dem mein Häuschen steht, ist einsichtig, links ist keiner, rechts ist fast keiner, er ist ein zureichender Grund, diesen Satz widme ich ihm, nur von rechts her ist der Grund einsichtig, ich meine einsehbar, aber da ist fast nie einer, wenn es auch niemand einsehen mag, was ich mir zuschulden kommen ließ, ich sehe es ja selber ein, zu spät, aber das kann sich jederzeit ändern, daß etwas zu spät ist, es kann aus einem Zu-Spät ein Zu-Früh werden, und ich selber war auch nicht bei der SS, aus so einsichtigen Gründen, aus nun wirklich allen einsichtigen Gründen, die es gibt und ein paar mehr Gründen, die es wahrscheinlich auch noch gibt, wir waren allesamt nicht bei der SS, keiner von uns, ich weiß nicht, wo wir sonst hätten sein können, aber dort waren wir jedenfalls nicht, und wir waren auch kein Pferd und bei der SA, wie es unserem ehemaligen Herrn Bundespräsidenten, der Italienischdolmetscher bei dem Deutschen Heer war, aber angeblich gar kein Italienisch konnte, wie es diesem eindrucksvollen, hageren, inzwischen verstorbenen Mann so unverhofft, wenn auch nicht oft, passiert ist, man kann nämlich nur ein einziges Mal Italienisch nicht können, ein zweites Mal ist nicht nötig, hoppala, also dort waren wir schließlich alle nicht, obwohl wir schon oft in Griechenland waren, bevor es diesen Sommer beinahe ebenfalls verbrannte, keine Ahnung, wo wir waren, ich war noch gar nicht anwesend, hatte mein Wesen noch gar nicht ausgebildet, aber dafür war ich, allerdings Jahre später, schon auf einem Plakat, bitte sehr, und das waren Sie garantiert nicht!, ich bin nicht schlecht stolz darauf, aber wieso eigentlich?, nun, aber bei der SS war ich naturgemäß nicht, und vielleicht hat man mich deshalb nicht richtig lieb, vielleicht bin ich deshalb so unbeliebt, wie die neueste Umfrage eines Markt-Instituts schon wieder bewiesen hat, als hätte es dieses Beweises noch bedurft, jedenfalls nicht so beliebt, wie ich es mir wünschen würde. Ich glaube, es liegt daran, daß ich den Verkehr im Auto und den mit Menschen nicht beherrsche. Vielleicht lieben die Deutschen nur Leute, die einst bei der Waffel-SS waren? Na, lang werden sie die nicht lieben können, die sind doch bald alle tot! Wen werden sie dann lieben?, frage ich mich. Ich weiß es nicht, aber ich habe einen Verdacht. Meinen Papa liebzuhaben, diese Gelegenheit bekamen die Deutschen gar nicht, oooch, vielleicht hätten sie ihn gemocht?, aber sie kannten ihn nicht und bekamen die Gelegenheit, ihn kennenzulernen, nie, vielleicht haben sie diese durchlüfteten Gummistiefel (Patent! Von der Allgemeinen Schutzstaffel persönlich angemeldet, denn ein wenig Schutz braucht jeder!) gekannt, die er frei, nein, nicht frei, zwangsweise, erfunden hat, erfinden mußte, aber sie waren so unpraktisch, denn, nicht wahr, wann immer man mit diesen Stiefeln aufgetreten ist, hat es laut hörbar gequietscht und gequatscht im Schuh, ruckediguh, sagt ein Märchen, Blut ist im Schuh, nein, Luft, nur Luft ist im Schuh, keine Sorge, keine Angst, schön angstfrei bleiben, schön ruhig atmen wie neuerdings dieser Schuh für militärische Zwecke und seit gestern meine neuen Stiefel für private Zwecke, mit echt atmender Sohle, heute geht sowas ganz leicht, wenn man es kann, ist alles ganz leicht!, sagen Sie sich das immer wieder vor, und dann bleiben Sie es auch, angstfrei, aber laut quatschend und quietschend, also für das Heer, das ja nicht stehen, sondern marschieren sollte, wären diese Stiefel, obwohl zu hundert Prozent wasserdicht, vollkommen ungeeignet gewesen, na ja, mein Papi war viel, aber ein praktischer Mensch war er nie, und jetzt kriegen die Landser halt nasse Füße, weil man das Herannahen eines wahnsinnig wütenden Heeres ja nicht durch lautes Quatschen tausender Fußstimmchen schon von weitem hören soll, nicht wahr (bin ich jetzt völlig übergeschnappt, ein solches Familiengeheimnis auszuplaudern, nur weil ich nicht erzählen kann und deswegen schon vollkommen verzweifelt bin?), da waren die Treibriemen für nein, nicht für alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will, sondern für Textil mit Buna, denn diese beiden mußten schließlich ordentlich miteinander verklebt werden (das ist nicht so wie mit dem Gummi, den man einfach nur drüberziehen muß), verklebt also, damit sie sich fest zusammenschließen konnten, Stoff und Buna, um als Treibriemen geeignet und würdig zu sein, und den Klebstoff dafür, wie stolz macht mich das!, hat Papa erfunden für das Neutsche Neich, das Keusche Keuch, das Leuchte Leicht, egal, das war eine wichtige und wertvolle Erfindung für die Meutsche Mindustrie, matürlich minus Krupp, Flick und Thyssen, die wir heute noch vermissen, sonst hätte Papi das nicht erfunden, nicht erfinden müssen, und sie hätten doch auch nie getan, was von ihnen verlangt wurde, diese Treibriemen, die hätten ihrerseits auch gar nichts gemacht, wie die ganzen Meuchelmeutschen selbst gar nichts gemacht hätten, wenn sie nur aus Buna oder nur aus Stoff bestanden hätten, das meuchtet Ihnen doch wohl ein, oder?, die müssen irgendwie aneinander befestigt werden, der Stoff und der Kunstgummi, das ist doch klar, wo war ich gleich?, wo waren wir? Schon im Kenseits?, Blödsinn!, da müssen wir was rausnehmen, na, was jetzt?, guter Erzählrat in zwanzig deutschen Feuilletonen getagt, teuer und gut konsumiert und ergebnislos wieder abgebrochen?, was soll denn dann ich dann sagen? In Einschüben erzählen wäre auch blöd, obwohl Module noch immer in TV-Geräten in Gebrauch sind, was ihre Reparatur doch sehr erleichtert, die Deutschen, kehrt euch marsch!, die Deutschen und wir Ösis, uns gibts als Draufgabe dazu, bis wir merken, daß eigentlich wir die Hauptspeise sind, hätten was nicht getan, wenn sie noch einmal die Gelegenheit dazu bekämen?, sie würden nicht noch einmal vorrücken, höchstens gegen solche wie mich, nein, da überschätze ich mich aber wirklich maßlos, ich bin es nicht wert, mich haben sie zwar nicht lieb, die Deutschen ebenso wie die Ösis, da sind sie sich ausnahmsweise einmal einig, aber vorrücken gegen mich, das würden sie nicht, das wäre zuviel Arbeit, das steht für mich fest, daß die nicht gegen mich vorrücken, nie, wozu die Mühe?, dafür habe ich viele viele Beweise, daß sie zwar meinem Papi und meiner halben Familie was getan haben, aber mir nichts tun werden. Nur ein bisserl schimpfen, aber nichts tun. Unzählige Beweise habe ich, daß die Deutschen mir nichts tun werden. Und auch sonst hat mir niemand was getan. Meinen Papa hat ja nicht einmal die eigene Familie liebgehabt, nicht ich, nicht Mama, das ist schon was, das passiert nicht so oft. Das ist eine Leistung! Und dann mußte er halt weg aus diesem Häuschen, alles muß raus, nein, nur er, aus dem Häuschen, das er eh nicht wollte, bitte, als er gefragt wurde, sagte er ja, er will das Haus, aber wer hätte meiner Mami widersprechen können? Jetzt widerspricht sie längst garantiert dem Teufel, der ihr sagt, sie soll endlich in die Badewanne steigen, das Feuer brennt schon längst, das ist pure Energieverschwendung, und die wollen wir doch nicht, ganz zu schweigen vom Feinstaub, den die Ofenverbrennung ohne Filter erzeugt, vielleicht hat die Hölle aber schon Öfen mit Partikelfiltern, die deutsche Hölle speziell kennt sich mit Öfen aus, nicht wahr?, aber sogar in der Hölle sind die meisten Wälder schon abgeholzt, das kommt ja noch dazu, nein, das kommt weg, deswegen oder teilweise deswegen ist sie ja die Hölle, nun, genauso wenig wie ich war mein Papi einverstanden mit einem Haus, das zu erbauen so innig erwünscht war, wenn auch nur von Mama, wir wußten beide, Papi und ich, es würde uns keine erbauliche Zeit bevorstehen, aber dafür eine sehr lange, nur hatte er später, als es fertig war, noch weniger davon als ich. Da war er dann selber fertig. Erledigt. Und nun darf ich hier nicht weg, kann auch gar nicht weg, das ist meine Strafe, das heißt, ich dürfte wahrscheinlich schon, aber ich kann nicht, denn draußen ist es finster und ungemütlich, dort sind die Menschen, die ich alle nicht liebe und die auch mich nicht lieben. So. Uff. War das schwierig, Sie glauben es nicht! Jetzt habe ich es gesagt, alles Unsinn, sinnlos und überflüssig, wen interessierts. Bitte, ich weiß, daß es Sie nicht interessiert, aber hier ist es, wie oft gesagt, folgenlos. Weg damit und aus! Marsch, raus hier, die Elektronen, alle raus! Weg mit meinem Leben und Schluß! Ich glaube aber, nach allem, was ich weiß, aber am Ende ist man ja immer klüger: Alle Menschen sollten einmal sterben, und es wäre eine gute Erfahrung für sie, wenn sie es schon zu Lebzeiten täten und mich nicht länger belästigten und damit aufhören würden, mich nicht zu lieben, es ist kaum noch zu ertragen, nicht geliebt zu werden, und zwar von allen, ja, von allen, von jedem einzelnen von Ihnen, Sie Mensch Sie, nicht bei der SS zwischen zwei Waffelscheiben eingeschoben gewesen, aber trotzdem geliebt, warum dann ich nicht?, und sehen Sie, schon habe ich es erreicht, was ich mir gewünscht habe: Alle Menschen müssen sterben, jetzt ist es heraus, und zwar, weil ich es will, das ist eine Tatsache, daß ich es will, um einmal wenigstens auf der Seite der breiten Mehrheit zu sein, die das auch glaubt, wir müssen alle sterben, schon J. S. Bach hat das gewußt, und ich habe es mit meinen eigenen Händen und Füßen auf der Orgel gespielt, das Choralvorspiel, ja, alle Menschen müssen sterben. Chloralhydrat (ist das giftig? Also irgendwas Giftiges halt) hätte mein Onkel Adalbert natürlich auch nehmen können, das wäre ein schonenderer Tod geworden, ich denke, das hatte er nicht, aber Gas war praktischer, das war gleich da, ein winziger Dreh am Hahn, ein jüdischer Dreh, wie man in Österreich sagt und gern auch heute noch sagt, seit den Juden wieder alles gehört, mir aber meine halbe Familie nicht mehr, ich meine, sowas sagt man hier gern, und schon war er weg, der arme Onkel, nur sein Arm hat gefehlt, uns nicht, aber ihm, Österreich nicht, aber ihm, er ist in Dachau, heute Deutschland, damals auch Deutschland, immer Deutschland, einig Beutelland, nein: Beuteland!, geblieben, der Arm, dorthin ist er mit dem sogenannten Prominententransport, dem ersten überhaupt, April, April!, immer vorneweg dabei, meine Familie!, auch ich strenge mich da an, ästhetisch eine Fackel voranzutragen, nur folgt mir nie einer!, im Gegenteil, ich folge allen, die das von mir verlangen, dorthin also ist mein Onkel gebracht worden und ohne einen Arm, aber sonst im Ganzen, Adalbert („Béla“) Felsenburg, ich sage es hier zum Beweis, daß ich nicht lüge, obwohl ich es nicht sagen sollte, ist er schließlich ein paar Jahre später sogar wieder nach Hause zurückgekommen, damals war das noch möglich, etwas später schon nicht mehr, also er kam rein, dann raus, schöne Reise nach Südfrankreich, auch nicht schlecht, dann rein, dann wieder raus, dann wieder rein, dann ins Gas, Jahre nach dem Krieg ins Gas, das muß man sich einmal vorstellen, Jahre nach dem Gas, dem er so glücklich, glücklich, glücklich entgangen war, noch aus freien Stücken ins Gas gehen, ist das zu fassen?, das ist schon was, was ist dagegen mein Schreiben, das sich von sowas ernährt wie ein Vampir? Gar nichts. Es ist dagegen. Es ist nicht dagegen. Aus. Es ist aus. Es weiß nicht mehr, wogegen es ist, daher ist es gegen alles, das werden Sie sicher schon bemerkt haben. So. Wir machen einen Überschlag, echt, Bücken, die Arme auf den Boden und dann die Beine über den Kopf schleudern, bis sie vor den Armen zu stehen kommen, in der Brücke zu stehen kommen und nicht einstürzen, den Überschlag konnte ich noch, als ich ein Kind war, leichter gings immer mit den Füßen voran bergauf, da hat man zum Überschlagen keinen so langen Weg, heute würde sich dabei zuviel überschlagen, ich bin fast 1 m 80 groß, ich würde hinter meinem Körper nicht mehr herkommen, versuchte ich einen Überschlag, aber mein Körper wäre so froh, denn er will eh schon seit langem nicht einmal mehr mit mir mitkommen, er will mir nicht folgen und in einem Kreis aus mir selbst, um mich herum wirbeln, selbstgemacht der Kreis um mich herum, ich glaube, inzwischen kann er das gar nicht mehr, sicher nicht, mein Rückgrat würde in der Mitte durchbrechen oder an mehreren Stellen zugleich, es ist ja lang nicht mehr so elastisch und biegsam wie früher, also, Überschlagsrechnung: Wer lebt jetzt noch? Wenn Sie brav mitgearbeitet haben, wissen Sie, daß mit dem heutigen Datum mein Onkel Adalbert längst, lange, lange tot ist, denn dies geschah in den im Prinzip ungefährlichen 50- er- Jahren des größtenteils ungefährlichen vergangenen Jahrhunderts, und mit ihm ist alles vergangen, ja, sein Sohn Walter auch, mein Cousin, dessen Frau auch, meine angeheiratete Cousine Clary. Alle tot, alle tot, das trifft gewiß auch auf Sie zu, wenn Sie scharf über sich nachdenken: Sie sind zwar nicht tot, aber viele, sehr viele Ihrer Verwandten. Das trifft faktisch auf jeden Menschen zu, das heißt, im Grunde brauchen Sie nicht scharf über sich nachzudenken, es ist nichts Besonderes, tot zu sein, das ist doch ein gewisser Trost, oder? Ist es nicht traurig, daß ich mich Verstorbener brüsten muß, weil ich selber nichts aufzuweisen habe, was auch nur im entferntesten interessant oder erwähnenswert wäre? Aber alle Menschen, wirklich alle, wie ich sie nenne, um ihre Persönlichkeitsrechte zu bewahren, die sie allerdings längst nicht mehr besitzen, haben sie sich doch schon beinahe ins Nichtstun, welches aber in regen, aufgeregten Tätigkeiten besteht, aufgelöst, all die Menschen, die jetzt tot sind, aber auch wenn sie tot sind, darf man ihre Persönlichkeitsrechte nicht beschädigen, solang noch Verwandte von ihnen leben, darf man das nicht, und ich halte mich dran, da nichts von ihnen mehr bewahrt ist und nichts bewahrt sein und werden wird, außer einem kurzen Gedächtnis, das ich Ihnen hier gebe, Gedächtnis geben und nehmen, wie die See, die ich auch nie mehr sehen werde, immerhin, die leben noch, die Menschen, die ich kenne, viele sinds nicht, sie leben, heureka, wenn auch beinahe nur noch im Bett, aber dort haben sie alles, was sie brauchen, vor allem genügend Schlaf, die lieben Mitmenschen, also gestern haben sie noch gelebt und im Standard gepostet, aber nachgeschaut hab ich seither nicht, ich werde gleich anrufen, um zu erfahren, ob das mit heutigem Datum immer noch so ist oder ob inzwischen einer dieser Menschen oder gar alle verstorben sind. Nein, sie sind nicht alle verstorben, heute sind ja ganz neue Postings von ihnen da, das weiß ich definitiv. Ich habe mich erkundigt. Ich habe sie gelesen. Sehen Sie: Das konnte ich Ihnen alles mitteilen, Sehen Sie weiters, aber nicht viel weiter, sonst wären Sie ein Hellseher, mein Gesicht habe ich vor Ihnen nicht verborgen, mein schlimmstes Verbrechergesicht, das einen Menschen einst deportiert hat, mit dem es eng verwandt war, am engsten sogar, enger gings nicht, aber meine Strafe ist doch: Ich kann nicht erzählen, was mit der jungen Frau, welche wie alle ist, die man überall sieht, diese aber sieht man nur in der Erzstadt (oder besser: Man sah sie, nein, nicht die Stadt, die junge Frau, und dann sah man sie nicht mehr), die ich immer noch nicht kenne, die Stadt, jetzt wieder passiert ist, als sie (die junge Frau jetzt) in ein Haus zu einem jungen Mann, ihrem Mitschüler, hineinging, mehrmals hineinging, einmal zuviel (wie oft vorher war, das ist egal, es war einmal zu oft), im Grunde interessiert es mich jetzt doch nicht, obwohl es mich interessiert hat, als ich dies hier ursprünglich mit Freude und Energie begann. Als ich sah, daß ich es nicht beschreiben konnte, ist mir die Lust vergangen. Und überhaupt: Wenn so viele sterben, verschwimmt der Unterschied zwischen Schwimmern und Nichtschwimmern, den Unterschied merkt man erst (und merken die Nichtschwimmer erst), wenn man sie ins Wasser wirft und sie an die Oberfläche kommen oder verkommen läßt, ich lasse sie lieber vorkommen, hier, aber hier wollen sie nicht hin, sie wollen sich lieber woanders erholen, wo ich nicht bin; aber daß diese junge Frau, diese Schülerin in ihren Jeans und mit den Flip Flops an den Füßen (hab ich vorhin Stöckelschuhe gesagt? Nein, ich glaub nicht, ich glaube, ich habe gar nichts gesagt, aber nachschauen werde ich deswegen auch nicht eigens), einmal nicht mehr herauskam, aus einem Haus nicht mehr herauskam, das interessiert mich irgendwie schon, wenn auch nicht gerade jetzt. Ich gebe Ihnen nichts. Ich schenke Ihnen nichts. So muß es, ich meine das Geschehen, in Unsichtbarkeit versunken bleiben, im Gestrüpp allgemeiner Beobachtungen und Behauptungen, die ich beide nicht zu beweisen brauche, dort muß es noch warten, bitte warten Sie!, Sie alle, die mich nicht lieben und mir auch schrieben (bitte unterlassen Sie das in Zukunft!), werden es erfahren, ich habe keine Ahnung, wann, und wenn ich es nicht weiß, dann weiß es keiner. Genau das ist es nämlich nicht, worauf es hier, in der Novellenform, in welcher der Teig mir jetzt leider zusammengefallen ist, das ist auch der Grund, weshalb er gar keine Form mehr hat, kaum angerührt, schon zusammengefallen, habe ich etwa die Hefe vergessen?, den Treibsatz?, meinen ganzen Antrieb?, ankommt, es ist nicht so, daß nichts passieren würde, aber all das passiert nur meinen Schatten, denn ich bin eine lebende Tote, wie ich bereits mehrmals ausgeführt habe, aber vielleicht noch zuwenig ausführlich, und wenn mir nichts passiert, dann werde ich noch lange leben, und wenn hier nichts passiert, dann gibts auch kein Unglück, ich bin jetzt tot, auch wenn man es nicht gleich merkt, ich bin tot, denn mich führt keiner mehr aus, aber hallo, mein Grab öffnet sich bereits, so früh hab ich das gar nicht erwartet, aber ich sehe gerade, es öffnet sich, damit ich hineinkann, nicht hinaus, damit ich dort eingeführt werden kann, aber ich gehe nicht aus dem Haus, weil nur dieses Grab auf mich wartet, ich brauche es nicht zu besichtigen, ich weiß, wie ein Grab aussieht, von vielen Verwandten her weiß ich das, ich habe jede Menge Gräber von innen gesehen, bevor man sie verschloß, Särge nicht, Gräber schon, und grade das sage ich so nebenbei, obwohl es für mich schon wichtig ist, daß ich nicht mehr lebe. Das, worauf es ankommt, ist, daß man noch begehrt wird, glaubt Brigitte K., ich bin anders gesinnt, ich bin eher versonnen, ich möchte nicht, daß andre begehrt werden, die weder von sich noch vom anderen was wissen. Die Menschen sind meist bewußtlos, ich aber übertreffe sie, ich bin besser als sie alle, das war immer mein Ziel, denn ich bin tot. Aus mir spricht der Neid auf die Lebenden, doch immerhin, ich habe erreicht, eine lebende Tote zu sein, ich glaube, ich bin überhaupt die erste ihrer Art, weitere sollen lieber nicht folgen. Andre sollen nicht bekommen, was man auch nicht bekommt, dieses durch Feigheit angetriebene Vorankommen, nachdem man einen Menschen abgetan und sekkiert und selektiert und abtransportiert hat. Auf diesem Verfahren, auf dieser Fähigkeit, sich abzuputzen, nachdem man ein Verbrechen begangen hat, fußt meine kleine neidische Wirklichkeit, die eben deshalb so klein und verkniffen ist, ein zusammengezogener faltiger Mund, ein Schnürl, mit dem meine Jogginghosen zusammengezogen werden, dessen eines Ende immer verschwindet, rettungslos. Es wäre vielleicht anders gekommen, wenn mein Verbrechen gegenüber Papi an die Öffentlichkeit gelangt wäre, wohin heute ja alles gelangt, was der Erwähnung auch nur im entferntesten wert ist, aber ich habe Papi entfernt, und was ist mir passiert? Ich bin jetzt selber tot, und keiner merkt es. Es gibt in der Welt nichts mehr für mich zu tun. Hoffnungslos. Ich bin ein hoffnungsloser Fall, aber fallen tun komischerweise immer die andren, jedenfalls tu ich das Meine dazu, damit wenigstens etwas fällt und gefällt. Auch Mama ist gefallen, und zwar, als sie mir am wenigsten gefallen hat, weil ihr einstmals scharfer Verstand böse geworden ist, so unglaublich böse, er war immer noch durchdringend scharf, aber leider hat er immer nur mich durchdrungen, mehr hat er nicht gebraucht, dieser Geist, um von Verstand nicht zu sprechen. Eine verdiente Strafe, aber wieso hab ich sie gekriegt? Wenn, dann hätten wir beide, Mama und ich, gemeinsam bestraft werden müssen, finden Sie nicht? So bin nur ich übriggeblieben, ich und meine Schuld, die ich am Schluß auch noch Mama gegenüber auf mich geladen habe, und jetzt steh ich da, breche fast zusammen unter dieser Ladung, wie ein Packesel steh ich da, die Säcke auf meinem Rücken platzen auf, Leichenteile rieseln mir seitlich herunter wie der Regen, den wir eigens für den Papstbesuch bestellt haben und der auch brav gekommen ist. Ich falle in eine entsetzliche Trauer, aus der heraus ich gar nichts mehr sagen kann, und ich finde, dafür sage ich eh genug, eigentlich viel zuviel. Aus Neid auf die Lebenden will ich nicht, daß andre leben. Ja, das glaub ich. Deshalb lasse ich soviele Leute sterben. Ich freu mich, wenn andre sterben, aber am meisten habe ich mich gefreut, als Mama starb. Seltsam, aber ich habe sie nicht geliebt. Zuerst viel zu sehr, dann zuwenig, wie es halt so geht. Aber das ergibt natürlich und immer noch nicht eine Erzählung. Strengen wir uns mehr an! Warum eigentlich? Damit das, was wir bekommen, wenigstens Ähnlichkeit mit dem Leben hat? Sie ist hinein, die junge Frau (mehr fällt Ihnen zu der nicht ein, nur die Jeans und die Flip Flops – also damit könnten Sie wirklich jede beschreiben! Das ist es ja, sie ist jede! Eine Spezialisierung können wir nicht vornehmen, dafür sind wir nicht ausgerüstet, immer eine muß für alle stehen, und ich bin für Sie alle tot, auch für die Mörder bin ich bereits tot, also mit mir brauchen sie sich keine Arbeit mehr zu machen), nicht wahr, ich sagte es schon und so schmucklos, wie Sie es hier lesen können, aber ihr neuer Freund, der junge Mann von Gegenüber, war gar nicht zu Hause, der Schulfreund dieser jungen Frau war nicht daheim. Er war, glaub ich, auf dem Sportplatz, ohne seiner Freundin das vorher mitgeteilt zu haben. Merken Sie, wie ungeschickt ich sofort, schon bei den simpelsten Mitteilungen an Sie, werde? So können Sie mich unmöglich gut finden, und Sie tun es ja auch nicht. Das hätte er der Freundin zwar am Handy mobil sagen können, der Knabe, und ich hätte es auch handlicher sagen können, sogar handgreiflich, hat er aber nicht, hab ich aber nicht. Wahrscheinlich, weil er nicht damit gerechnet hat, daß die Freundin schon so früh am Nachmittag kommt, bevor sie am Abend dann beide in die Disco fahren wollen, mit Mamas Auto? Nein, per Anhalter oder mit dem letzten Bus. Diese junge Frau, ja, die weiß, wie man sich schönmacht, aber sonst nichts. Es zählt ja sonst nichts als die Jugend. Nur die Jugend zählt. Woher ich das weiß? Weil ich nicht zähle und nicht mehr jung bin! Aus mir dringt düsterer, wütender Lärm, aber keiner hört mich. Na ja, wir wissen schon, der Charakter der Schwachen hat Sie immer schon gestört, Autorin! Als wären Sie ein starker Charakter! Lächerlich. Brigitte K., die schaut doch immer durch ihren Operngucker, was der junge Mann dort drüben mit wem so treibt, und diesmal ist schon wieder seine neue Freundin gekommen, aber er war nicht da, sie wußte wohl, wo der Schlüssel immer ist, falls ihn einer vergessen hat, unter der Türdacke, also muß sie mit ihm sehr vertraut sein, daß er ihr den Schlüssel zum Haus anvertraut, und dort unter der Matte hat die junge Frau ihn hervorgeholt, den Schlüssel, und sich aufgesperrt, nein, sich nicht. So. Weiter sage ich hier nichts, ich werde es aber zu einem anderen Zeitpunkt sagen, und von Erzählen wird wieder keine Rede sein, nur von öder Rede und übler Nachrede wird die Rede sein, es wird in meiner vorgeblichen, vorgetäuschten Dulderrolle, in der ich vorgebe, tot zu sein, was für eine Anmaßung gegenüber unseren lieben und garantiert echten Toten, denn lieb bin ich keinem, also es wird keine Rede sein, von nichts, lehnen Sie sich nur selbstgerecht in Ihrem Bürosessel zurück, Frau Rumpelstilz, es wird Sie schon nicht zerreißen!, jedenfalls diesmal nicht, Sie haben es auch nicht von mir erwartet, daß ich Sie rühren könnte, und so haben Sie sich schon wieder nicht gerührt, als ich Ihnen eindringlich einen Brief schrieb, in dem ich ultimativ verlangte, Sie mögen mich lieben oder krepieren, vielleicht sind Sie ja ein Denkmal, weil Sie sich nicht rühren, ein Denkmal, obwohl Sie gar nicht denken können?, na ja, es ist sowieso längst bewiesen, daß Sie recht haben, ich widerspreche Ihnen ja nicht, dann wäre ich doch so lächerlich wie ich es bin, ich kann es nicht sagen, es wird zwar von etwas eine Rede sein, aber sie wird nichts zu erzählen haben, diese Autorin, ich werde nichts zu erzählen haben, und das werden Sie mir auch diesmal wieder sagen wollen, Frau S., aber diesmal höre ich es nicht! Das habe ich so beschlossen. Diesmal nehme ich es nicht entgegen, was Sie sagen wollen, aber auch nicht sagen können, genausowenig wie ich, sehen Sie, da sind wir schon zwei, liebe Frau S. in Ihrem einmal die Woche gründlich vorgealterten (wie die Jeans!) Weltblatt!, obwohl die Ereignisse ziemlich dramatisch sind und einer Erwähnung durchaus wert wären, deshalb nenne ich dies hier vorsorglich, benenne es, während ich ihm die Brust in eine Maschine hineinquetsche und Strom und Röntgen gleichzeitig einschalte, dem Erzählen den Strom einschalte (mein Onkel hat Gas vorgezogen, Millionen haben Gas zwar nicht vorgezogen, aber trotzdem vor Ablauf ihrer Zeit bekommen), damit ich sehe, ob was hin ist, bevor es noch gesagt werden kann, das wäre kontraproduktiv, ich würde verstummen, hätte ich keinen Strom mehr, was für ein Unsinn! Sie werden dramatisch sein, die Ereignisse, jedoch kein Drama, aber ich werde es natürlich so dramatisch, wie es sich im Kreis der Verwandten, nein, dort nicht, in keinem Kreis, abgespielt hat, leider wieder nicht sagen können, aber ich habe dies hier voreilig Novelle genannt, soviel Dramatik bekommen Sie in der Überschrift, aber sonst bekommen Sie sie nirgends, und natürlich wissen Sie über meine Schrift längst, daß eine Novelle was vollkommen andres ist, daß andre Schriften etwas völlig andres sind, vielleicht sogar das Gegenteil von dem hier, Sie wissen genau, was das ist, eine Novelle, Sie haben Germanistik studiert, Literaturvorfahren, Literaturverfahren oder was auch immer studiert, sie ist in der Überschrift allein enthalten, die Dramatik, ich kehre jetzt zu ihr zurück, denn ich trete nie, und ich trete auch nicht zurück, und ich sage, als Alibi, daß es jetzt keine Novelle mehr ist, weil ich mich anders besonnen habe oder gar nicht besonnen, so, schon geschehn, und diese Überschrift ist schon alles, was Sie jetzt für Ihre gespannte Erwartung kriegen werden, an der jetzt der Regen sogar abprallt wie hoffentlich am Papst in Mariazell auch. Und keiner da, bei dem Sie sich über mein Unvermögen beklagen können. Ich habe ein kleines Vermögen angehäuft, aber Sie kriegen nichts davon, Sie kriegen nur mein Erzähl- und mein Novellen-Unvermögen! So. Den Rest kann man auch wegschmeißen. Mal sehn, ob es mir später gelingen wird, das alles zu erzählen, was da in der Erzstadt an einem einzigen Tag, der aber war wie jeder andre, an einem Tag wie jeder andre, passiert ist, aber ich glaube nicht. In einem schönen Buche würde ich das alles, was gegen mich zu Buche schlägt, schon gar nicht sagen können, deswegen ist dies hier ja vollständig privat, ich habe mich privatisieren lassen, damit ich Dinge aussprechen kann, die ich sonst nicht über die Lippen brächte, hier aber kann ich es vielleicht, hier bring ich es vielleicht, auch wenn es mir schwerfallen wird, nein, ich sehe, ich kann es nicht, wieder nichts, ich versuche es etwas später, bitte um ein wenig Geduld, doch diese Geduld ist mir entschieden zuwenig, hier kommt es allerdings nur drauf an, daß ich sie habe, die Geduld, die Ihnen nichts nützen wird und einer anständigen Novelle schon gar nichts nützen würde, selbst wenn sie eine wäre, denn ich werde es auch später nicht können, das Erzählen einer Novelle, was immer das ist, es wäre leicht beim Gucki nachzuschlage, ich tu das aber absichtlich nicht, damit Sie, Frau S., sich wieder mal klüger fühlen können als ich, wer Sie auch sind, was sie auch sind, nur würde ich es nicht zugeben. Auf eine Zugabe kann ich verzichten. Ich wählte Novelle aus, weil es gut geklungen hat, seid umschlungen, ihr Zweihunderter-Menschen, die dies wirklich lesen, in Zweihunderterpacken werden sie abgefertigt, am Drehkreuz des Elektrons, es ist ein Kreuz, ich ahne es schon, Sie ahnten es auch: Das Erzählen findet auch diesmal nicht statt, und wenn, dann wegen Schlechtwetters im Kopf der Autorin im Saal, weil es ihr nicht zuzumuten ist, aus dem Haus zu gehen, typisch, einen Saal will sie, für sich allein, während andre mit einem einzigen eigenen Zimmer zufrieden sind, damit will sie überdecken, daß sie ums Verrecken nicht kann, was sie sich vorgenommen hat. Sie kann nur so verrecken, na, von mir aus. Die Augen der Menschen sprechen zu mir, aber ich bin eh schon tot, wie gesagt worden ist, und zwar von mir. Jetzt ist es raus, dabei ist es seit Stunden, nein, seit Jahrzehnten schon raus. Immer dasselbe, dargeboten von einer Kleinen und Schwachen, auch wenn sie für manche groß und stark aussehen mag. Sie ist es nicht. Die Menschen, vor allem die in Österreich, meinem Heimatland, die wollen ja schon lang, daß ich verrecke, die, in ihren Höhen der menschlichen, ich meine deutschen Zivilisation, die mit Todesstaub herumgepudert haben, und überhaupt auch sonst gerne andre pudern und ihre Körper schon davor für diesen Zweck entblößen, damit die Körper nicht unter dem Radar der Blicke durchrutschen, wußten es schon längst, die wissen alles schon längst, bevor sie es überhaupt gelesen, bevor sie es als Schatten an den Wänden ihrer langsam entartenden Zellen gesehen haben, gegen die sie hämmern, doch es hört ihnen keiner zu, obwohl sie es visionär schon im Spital nach Luft ringen gesehen haben, mein armes Erzählen, diesen Luftringer (nein, nicht Luftreiniger!), der keinen Gegner hat, dafür hab ich schon gesorgt; mein Erzählen, dem der Atem ausging, bevor ich selber wenigstens einmal noch ausgehen konnte, das als einziges als Einzeller, später Mehrzeller, Blastula, Morula überleben sollte, ausgerechnet mich überleben!, egal, das mußte alles hinter mich gebracht werden, das war schon erstickt, als ich mich selbst ergriff und mit mir ergreifend zu schreiben versuchte, zumindest dieses eine Mal, bis ich geboren wurde und mich, nach einer gewissen Anstandsfrist, nicht mehr weiterentwickelt habe, Sie sehen es ja selbst. Ich versuche, es wiederzubeleben, es mit der Hand hin- und herzutragen, mein Erzählen, damit es ein schönes Gebilde wird, Sauerstoff und Sonnenschein wären fürs Foto, nein, für die Photosynthese, nein, stimmt auch nicht, also sie wären halt vorhanden, zumindest manchmal, damit der Sauerstoff erst erzeugt wird, vielleicht bringt das was, wenn er entsteht. Ich klopfe ihm auf den Rücken, aber es springt nicht mehr an, dieses blöde Erzählen. Vielleicht mehr Gas geben? Nein, genug Gas gegeben. Das Gas gibt mir jetzt auch nichts mehr, warum es also dauernd erwähnen?, aber so ist das mit dem Wahn, er muß einen dauernd zumindest streifen. Gut für sie, meine lieben Kritiker. Ich beneide sie glühend, und sie beneiden mich nicht, vielleicht um meinen Preis, den hätten sie wahrscheinlich auch gern, aber Sie kriegen ihn nicht, und der Beneidete wird irgendwann zerstört werden, das hatte ich zuvor nicht bedacht, kein Forschen von mir hätte so etwas bedenken können, nicht der, der ihn beneidet, wird zerstört, sondern der Beneidete, der Gebenedeite von des Volkes Gnaden, der wird zerstört, und mit Absicht, na ja, so eine bin ich nicht, zu mir kommt Papst Benedikt nicht, er würde vielleicht, aber ich lehne ihn ab, und ich werde selbst auch dauernd abgelehnt, denn das Verarbeiten des Fleisches, die Vorarbeiten für erzählerisches Fleisch (wo haben Sie das hingetan? Irgendwo muß es doch sein! Haben Sie es schon in den Kühlschrank gelegt? Das wäre das wichtigste gewesen, das hätte man machen sollen, bevor es aufgetischt würde) ist etwas Merkwürdiges, es findet nie statt, aber alle behaupten, daß sie verarbeiten müssen, was ihnen ein-, zweimal passiert ist, ja, meinetwegen auch dreimal, die Vergangenheit im allgemeinen und überhaupt muß schon wieder in die Fabrik zurückgerufen werden, weil zuviel Blei drinnen ist, deswegen ist sie ja so schwer, als könnte man das, etwas zurückrufen, dazu braucht man nämlich einen Wald, aus dem es einem entgegenschallt, bitte um Entschuldigung, nein!, die Vergangenheit ist nämlich unverzeihlich, so unverzeihlich wie die Tatsache, daß ich schlecht schreibe, nein, um diesen Preis, den ich da gekriegt habe, nein, nicht da, woanders, beneiden Sie mich auch nicht, dafür bestrafen Sie mich, und ich beneide dafür wiederum Sie, es ist eine Neidkette, die ich mißbillige, aber sie ist ja billig, ich krieg jederzeit eine neue, wenn auch vielleicht eine mißgestaltete, ein paar Glieder fehlen ja jetzt schon, ich beneide also jetzt Sie, denn Sie haben ein viel aufregenderes Leben als ich mitsamt meinem Preis. Sie sind ohne Preis noch viel mehr wert, als ich mit Preis es je sein könnte. Jede Ameise hat ein aufregenderes Leben als ich. Kein Wunder, daß ich nicht erzählen kann und das, was des Erzählens wert wäre, sofort wieder von mir abschüttle wie Ungeziefer, weil mir so graust. Kleine Tiere sind oft ekelhaft, und man will sie natürlich loswerden, möglichst auf natürliche Weise, um die Umwelt nicht zu zerstören, zu der allerdings auch sie gehören. Aber weiter muß es gehen, wieso eigentlich?, das ist keine Frage, das ist eine Antwort, es geht aber nicht weiter, es sollte, allein schon Frau S. (und sie ist nicht allein, die ist nie allein) verlangt es von mir, der sich viele anschließen, na, so viele sinds auch wieder nicht, wen interessierts?, ich sollte, aber es geht nicht. Es geht nicht weiter. Wenn man nicht erzählen kann, dann zählt niemand mehr auf einen, da kann man ein kläglich gestimmtes Lied anstimmen, noch und noch, es geht nicht voran. Nicht einmal die Menschenzüge rollen mehr, es geht nicht weiter, auch die Geschichte ist irgendwo auf der Strecke stehengeblieben, steckengeblieben, wo nur noch ich und ein paar andre Vollidioten sie noch sehen können (bilden wir uns zumindest ein, bevor wir von einer Horde Feiernder und offiziell Trauernder über den Haufen gerannt werden, eine wahre Stampede von Leuten, die alle in unsere Richtung wollen, die aber gar keine Richtung mehr ist, was diese Leute bloß noch nicht wissen), und wir schaudern vor dieser blöden Geschichte zurück, weil der Zug der Zeit ganz genau fahrplanmäßig ankommen wird und wir nicht unter die Räder kommen wollen, und so mancher muß sich beeilen, ihn noch zu erwischen, denn der Zug fährt immer pünktlich ab, sonst wüßten wir ja nicht, wohin der Zug uns führt: Dort rennt schon wieder einer und will sich noch schnell eine Zeitung kaufen, bevor er in die Kammer geht, weil nichts mehr für ihn zu tun übrigbleibt, und es bleibt ihm nichts übrig, und es bleibt von ihm nichts übrig, davon will auch ich nicht mehr erzählen, das kann keine Erzählung mehr werden, obwohl dauernd von ihr die Rede ist und diese Keule, von der ein Großer sprach, vielleicht der Größte von uns, in seinen Augen sicher, in meinen nicht, doch, auch in meinen Augen sicher, aber nicht vor meinem Arm, dieser Größte vom größten See des Landes (vielleicht ist der See es, der den Größten so groß gemacht hat? Größe färbt ja ab, und der See sieht ihn so, wie er gesehen werden möchte, aber am Ufer des Sees geht er herum und wird gesehen, der Große, dem der See Gedächtnis verleiht, das er vorher aber mir genommen hat, ich bin schließlich die Einzige, die Gedächtnis geben und nehmen darf, und ich überschätze mich wieder einmal maßlos, wie so viele Einsame), der sie, als einziger von uns, noch sehen konnte, die Keule, erhoben meist in ungeschickter, hilfloser Hand (meiner! Und natürlich hat der Großmannssüchtige mit seinem Adlerauge gleich gesehen, daß ich die Keule nicht lang werde halten können, die wird mir aus der Hand fallen, meine Hand ist für eine Keule nicht geschaffen, aber leider auch nicht fürs Klavier oder für die Blockflöte, wie sich herausgestellt hat, so mußte ich mich eben anders herausstellen), jetzt hat er sie, meine Keule, an der ich so lang geschnitzt hab, bis sie annähernd glatt war wie ein Aal, und da nimmt er sie mir mühelos aus der Hand, denn nur er, der Größte vom größtmöglichen See, nur er allein reichte so weit rauf, er reicht mühelos über mich hinweg, und so wird die Keule, die nur der Große in meiner absoluten Benebeltheit, welche auch vom Nebel über dem See nicht übertroffen werden könnte, meine Beduseltheit, in der ich die Fetischismuskeule des Todes zitternd hochhielt, die nur der Große also sehen konnte, jetzt von ihm, der sie mir entwunden hat, über die Geschichte geschwungen, verwundert, aber nicht verwundet, nur mich verwundend, nein, nicht einmal mich, egal, er weiß alles besser, der Meister aus dem schönen Schwabenland oder wie das dort heißt, den Gott sei Dank auch viele andere erleben dürfen, aua, dann kommen noch Salz, Pfeffer, Oregano und ein weiteres schwäbisches Gewürz (alemannisch? Keine Ahnung, das ist es ja! Ja, ich glaube alemannisch, aber erheben Sie deswegen nicht die Hand gegen mich, die wächst Ihnen sonst aus dem Grab, aber bis dahin ist noch viel Zeit) hinein, aber das ist geheim, damit wir nicht sehen, womit der Mensch, der diese Keule selber, ja, wirklich! persönlich gesehen haben will, na ja, er wollte nicht wirklich, er hat aber, und zwar in meiner Hand, aber auch in ein paar andren Händen (sie ist natürlich für einen allein zu schwer), dort hat er sie auch selber gesehen, womit dieser Mann vom Bodenlosen See sein Neuestes Gericht (nicht zu verwechseln mit dem Jüngsten, denn der Jüngste ist er nun wirklich nicht mehr, auch Goethe war irgendwann einmal nicht mehr der Jüngste) gewürzt hat, er hat ja recht: Sehen können wir sie nicht, die Geschichte, aber wir können sie mit unserer Meinung ganz nach unserem Belieben kräftig nachwürzen, welche immer auch die Meinung eines anderen ist, denn allein für uns haben wir keine, so, wir schmeißen unsere Meinungen noch schnell überall hinein, in jeden Winkel, bevor wir abhauen, bitte, in meiner Hand hätte diese Keule gewiß kein Unheil angerichtet, Heil!, in eines anderen Hand aber vielleicht schon, wir müssen uns jetzt zur Sicherheit ganz schnell ducken, und so sehen wir nicht, was der Herr vom Bodensee da wieder in seinen Topf geschmissen hat, hmmm, schmeckt aber gut, was er da angerührt hat, dieser Mann kennt sich aus, er ist ja selber ziemlich angerührt, wie man hier, jenseits der Grenze, aber diese Grenze ist ja keine mehr, sagt, wenn einer beleidigt ist (ich bin selber aber immer öfter beleidigt als alle andren! In diesem Punkt schlägt er mich nicht, aber einen andren Punkt hat er punktgenau getroffen! Und jetzt bin ich doch recht niedergeschlagen, was kann denn ich dafür, wenn mir die Keule ausrutscht?), wir dürfen den wunderbaren Geruch einsaugen, das wird uns guttun, uns macht das schiere Atmen, das pure Atmen ja schon Probleme, weil die Luft so schmutzig geworden ist, nicht aber die überm Bodensee. Vielleicht die überm Baikalsee, doch niemals die überm Bodensee. Also getroffen wollen wir nicht werden, das auch wieder nicht, die Keule soll uns bitte ausweichen, denn wir wollen lieber einander im Café oder in einem netten Restaurant treffen und die Luft dort atmen, wo die Luft von einem Fisch geschwängert wurde, so, wir schauen auf die Atemzüge, die für manche enden, für uns aber noch nicht, einer hier, der andre dort, sogar diese Atemzüge fahren weiter, denn auch andre wollen ja atmen, sie fahren sogar am Bodensee vorbei, hineinfahren können sie schließlich nicht, aber ich komme und komme nicht weiter. Ich komme an, ich komme durch, irgendwie, aber ich komme nicht weiter. Nur ich komme nicht weiter. Komme im Denken nicht über das hinaus, worüber ich im Leben nicht hinauskomme. Wem habe ich etwas zu sagen, was Karl Marx mir nicht vorher gesagt hat? Keinem. Ich werde demnach nie mehr weiterkommen und nie weiter kommen als bis hierher und Schluß. Es tut mir leid für Sie. Daß endlich Schluß ist, tut mir nicht leid für Sie, höchstens für mich. Nein, auch nicht, denn was habe ich davon? Ich versuche es also später noch einmal, bin aber pessimistisch, was den Ausgang betrifft, den ich zwar sehen kann, dem ich aber nie näherkomme, nur im Erzählen käme ich hier vielleicht noch raus, aber es geht nicht. Sie, Lesemänner und Lesefrauen, können hier mit größter Leichtigkeit raus, nichts leichter als das, Sie können aussteigen, auch wenn an der Stelle grad kein vorgesehener Halt ist, aber geben Sie dem Fahrer ein kleines Zeichen, mit der Hand, diesmal möglichst ohne Keule bitte, wenn möglich, und ohne Schild oder wie heißt das Dings? Ach ja, Kelle!, und schon sind Sie draußen, aber ich nicht, ich kann nicht, keine Ahnung, was ich wieder nicht kann, denn ich kann ja nichts. Ich kann hier nicht raus. Es geht einfach nicht. Es ist zu schwierig für mich, mich durch diese Keilerei hindurchzuzwängen. Ich muß weiter, was aber kein Weiter ist, das sehen Sie ja selbst. Zum Beispiel kommen Sie mit mir hier in diese Sackgasse, eine der vielen, in denen ich meine Hauptdarstellerin verloren habe, auch sie wollte nämlich, kaum, daß sie mich sah, sofort wieder von mir weg und zu einer deutschen Filmproduktion hin, die sogar eine Serienproduktion werden könnte, wenn es nur etwas mehr davon gäbe, viel braucht die deutsche Serie ja nicht, um endlich anzulaufen. Auslaufen tut sie dann schon von alleine, dabei muß man ihr nicht helfen. Die Folge: kilometerweit Bildschirmpixel! Bisse und Bytes, und kein einziger trifft! Keine kleine Leistung! Pünktlich wird diese Frau, ich spreche jetzt von der Geigenlehrerin, nicht von mir, da ist sie ja wieder, die Lehrerin, da ist meine Novelle aber noch lange nicht, vielleicht war sie ja da, mein Leben lang werde ich an die kurzen Minuten denken, da sie da war, aber ich, ich bin die ganze Zeit eh da, wenn auch nicht für eine Novelle, dafür gern auch in Gestalt einer Lehrerin, aber von mir will keiner was lernen, also diese Lehrerin habe ich dort nicht gefunden, wo ich namenlos und unglücklich war, sie aber nicht, die dazugehörige ungehörige Novelle, deshalb habe ich ja geglaubt, ich könnte sie finden, aber ich habe hier Dienst und darf nicht weg, kann sie nicht suchen gehen, doch ich, ich gehe Ihnen schon nicht verloren, dafür ist jetzt wiederum sie, die Lehrerin, nicht ich, und ich bin nicht Flaubert, leider, leider, ich wär gern er, aber Sie lachen sich schon bei der bloßen Vorstellung kaputt, daß ich mich mit ihm auch nur in einen Satz begebe, wo ich nicht hingehöre, noch dazu in Verbindung mit einer Frau, die Sie, genau wie ich, sicher schon halb vergessen haben, halb ist sie entschwunden, zu einem Drittel mir entwunden, halb ist sie noch da, nun haben wir ein Teil zuviel, das ist der Teil, mit dem wir Anteil nehmen, doch auch hier wird sie von niemandem erwartet, die Frau, nein, auch auf dem Hauptplatz des Städtchens nicht erwartet, oder etwa doch erwartet? Also wegen so einer Kleinigkeit sollte ich mich doch wenigstens entscheiden können! Na gut, wird sie also erwartet, da niemand beschließt, ihr auch nur einen Meter entgegenzugehen. So muß halt sie hin. Ein neues Getränk wird diesen Menschen bereits aufbauen oder, wenn er einmal steht, zumindest auf Trab bringen können, falls er, wer immer er ist, schon da ist und vorankommen möchte, und dieses Getränk, das Flugzeuge und Autorennen und Fußballmannschaften und Flugzeugmuseen zu unterhalten vermag, wird auch uns unterhalten können, und es wird z. B. in der Werbung viel leichter zu beschreiben sein als jeder Mensch, der es trinken soll, daher liebe ich das Schwierige ja so, aber es liebt mich nicht. Der Bildschirm, vor dem Sie grade sitzen, nein, nicht gerade sitzen, leider nicht, ein Gymnastikball könnte dabei aber sehr helfen, denn Ihre Anlehnungsbedürftigkeit müssen Sie sowieso vergessen, der Bildschirm vor Ihnen hat Sie schon längst ersetzt, nur wissen Sie es noch nicht. Und der Gymnastikball erspart Ihnen auch noch den aufrechten Gang und die aufrichtige Sprache. So. Ich mahne mich selbst: Nicht die Einsamkeit übertreiben!, das bekommt dann etwas leicht Selbstgefälliges, sage ich zu mir selbst, das ist eine echte Gefahr, sehe ich, die ich endlich anhebe zu erzählen, aber nicht abhebe, leider, die auch dazu neigt, doch womit Neigung ersetzen?, was soll ich tun, es ist alles wahr, sogar in Farbe, und ich trauere im Grunde um mich selbst, je tiefer meine Sonne sinkt, umso heftiger trauere ich und schlage mit kraftloser Faust, die natürlich nicht jene Goethes ist (der hat schon einen Vertrag mit jemand anderem abgeschlossen), gegen meinen armen, abgemusterten, abgemuskelten, von der Zeit beinahe abgemurksten Körper, der die Zeichen längst veralteter Anstrengungen noch schwach und undeutlich trägt, doch er wird davon nicht jünger, diese Trauer hat auch etwas von dem unguten Gefühl, sich selbst Beifall klatschen zu wollen, natürlich vergebens, aber was solls, ich bin ja ohnedies die einzige, die mir gefällig ist, bitte, jederzeit, sage ich zu mir, allerdings bin ich bei weitem nicht die einzige, die mir gefällt, leider gefalle ich mir nämlich überhaupt nicht. Aber Gefälligkeiten muß ich mir erweisen, es erweist sie mir ja kein andrer. Keiner ist so groß, auch der Einsame nicht, daß er nicht einen Größeren neben sich dulden müßte, den er dann beneidet, ob er will oder nicht. Und wenn ich mir schon nicht gefalle, wem sollte ich dann gefallen? Auch wenn wir ihn ignorieren, den Einsamen in meiner Gestalt, die noch dazu leider weiblich ist, wissen wir, daß er da ist und einem die Stimmung verdirbt, wenn wir eine unschöne Geschichte veröffentlicht haben, auf die wir ursprünglich stolz waren, doch jetzt gefällt sie uns schon lang nicht mehr. Spricht der Größere, halten wir den Mund. Spricht der Bodensee, rennen wir lieber weg, sonst verschluckt er uns noch irrtümlich wie ein Boot, das sich hilflos im Sturm aufrichtet, meinetwegen auch zwei Boote. Es werden zwei Freundinnen auf mich warten, oder? Na, hoffentlich nicht! Ich will sie nicht sehn. Ich will niemanden sehen. Also im Kalender steht nichts, fein! Nein, so stimmt es nicht, sie werden vielmehr auf diese Frau Lehrerin warten, die zwei Freundinnen, und mehr werden es nicht, sie hat nur diese zwei als Freundinnen, die Geigenlehrerin Brigitte K., damit Sie es wissen!, was wollen Sie? Ich muß Ihnen das doch sagen, davon war definitiv noch nicht die Rede, die Lehrerin hat nur zwei Freundinnen, denn sie hat kein Ohr für etwas außerhalb der Musik und kein Auge für Menschen, denn sie braucht beide Augen für sich allein. Und auch diese beiden Frauen haben eher sie ausgesucht statt umgekehrt. Sie wäre gern umgekehrt vor ihren Freundinnen, damit die ihr nicht auf die Bude und die Pelle rücken. Nun, sie steht derzeit immer noch vor dem Küchenfenster, die Frau Geigen-Fachlehrerin, und schaut angestrengt auf den Papierfetzen, den sie vorhin von der schmutzigen Straße aufgeklaubt hat und, als sie die Tasche mit den wenigen Lebensmitteln ausgeräumt hat, bereits halb vergessen wiederfand als Wiederpfand, als immer wiederverwertbares Pfand. Von gegenüber gaffen mit zielloser Neugierde leere Fenster, die nächste Siedlungszeile, die Siedlungsgassen gehen immer brav zwei und zwei, wie Schulkinder auf dem Weg in den Zoo zu den Pandabären, speziell zum neuen, kleinen, zu ihr herüber, nein, nicht alle 136 Einfamilienhäuser schauen so blöd, auch nicht die 99 Haus-Zweispänner und 12 Haus- Dreispänner (entspricht bei der Frau Doppelten und Dreifachen, aber es gibt nur Doppler, eine Dreiliterflasche habe ich noch nie gesehen) für die Finanzschwächeren unter uns, die schwach geblieben sind und ebenfalls, anstatt zu sparen, starke Getränke konsumiert haben, bis sie starben, von zuviel Schwäche, meist Alkohol und Zigaretten, keine Ahnung, wieso die noch schwach sein sollten, beide sind sie stark und gemeinsam erst, oho!, vorzeitig von diesem Leben erlöst, schauen Fenster aus ihren Häuserhüllen zu der Frau herüber, oder sind sie doch nicht leer, verbirgt sich etwas hinter ihrem nervösen, dem wechselnden Lichteinfall geschuldeten Flackern, denn jetzt haben die dort drüben die liebe Nachmittagssonne und wir den Scherben auf (den Topf, eigens für Sie übersetze ich sogar, Frau S.!), also den Dämpfer aufgesetzt, con sordino, wie der Geiger weiß, weiß der Geier!? Oh, da erhebt sich nichts aus meinen Worten, zwischen denen sich unscheinbare Hügel wölben, die auch gern weglaufen würden, wenn sie nur könnten. Man sieht ja kaum etwas, und auch die Häuser erblicken mit ihrer Vorderfront immer nur eine andre Front, an der zu kämpfen sie aber zu müde sind, die Kämpfe sind lang vorbei, und lang, lang ists her, daß die Steiermark die Welthauptstadt des Siegs der Arbeiterbewegung und jeder andren Bewegung auch gewesen ist, 1934, aber auch später noch, da war sie es schon wieder, kaum zu glauben, dieses fleißige Bundesland, die Spitze einer Bewegung, bei der der Kopf nicht weiß, was der Schwanz mit ihr macht, aber immerhin, dem deutschen Volk ist sie gewidmet, und sie bewegt sich sogar noch!, jawohl, Sie glauben es heute nicht, und morgen werden Sie es auch nicht glauben, aber ich kann es beweisen, und wenns Tote gibt, umso besser. Daraus läßt sich keine Unverschämtheit gegenüber der Tarifpolitik der Sozialpartner ableiten, nicht einmal diese kleine Unbotmäßigkeit, weil einer der Partner zuwenig geboten hat und ihn der andre deswegen jetzt angiftet. Diese Siedlungen aus Einfamilienhäusern, welche die Illusion erzeugen, die Menschen wären verschieden und verdienten daher jeder eine eigene, wenn auch recht kleine, Hülle, jeder die seine, diese Hüllen sind den kleinen Leuten feierlich verliehen worden, die den Berg und damit sich selbst abgebaut haben, für gutes Geld, ach wäre der Berg doch noch da und könnten wir aufgesogen werden von seinem roten Staunen!, ich meine natürlich von seinen rotbraunen Steinen, welche die Natur ihm schenkte, dieser ganze Berg wird jetzt auf die Straße gesetzt, aber dort ist er ja schon, und diese Häuser also sind ganz bewußt hier hergestellt und dazugestellt worden, nur ohne Bewußtsein, und die dazugehörigen Menschen sind diejenigen, welche nicht widersprechen wie andre, weil sie nämlich gar nicht sprechen, sie sind schweigsam, und nur wenn ihnen eben dieses Brecheisen aus Bier, Obstler und Wein die Zunge lockert, dann reden sie, diese Menschen, die selber auf Schritt und Tritt getreten werden, und nicht nur vom Berg, sie sind Ihnen von mir gewidmet worden, nein, Entschuldigung, ich weiß nicht, was ich sagen wollte, die ganze Zeit weiß ich es schon nicht, aber sicher sind diese Häuser nicht von mir gewidmet, sondern von der Gemeinde mit günstigen Krediten finanziert, damit diese Arbeitskräfte ihre Kraft am Berg lassen und andere wiederum ihre Arbeitskraft im Wald lassen, am Baum auslassen, was an ihnen im Leben gefehlt wurde, ich meine, was ihnen gefehlt hat, und sich dann im stolzen eigenen Häuschen davon wieder erholen können. Umso lieber werden sie morgen wieder auf den Berg steigen. Mir geht es ganz genauso, aber ich mische mich jetzt nicht mehr ein. Komisch, auch diese Frau spricht nicht mehr, weil sie fast ununterbrochen trinkt. Das sehe ich jetzt erst. Ich habs geahnt! Dabei könnte sie doch durch mich sprechen, ich biete ihr hier ein Forum, na, nicht in Betrieb will sie dieses Discount-Forum nehmen? Ja, warum denn nicht? Alles billiger! Hätte ich das alles früher gewußt, diese Erzählung wäre ganz anders verlaufen, oder sie hätte sich nicht so oft verlaufen, die hätte sich doch nie verlaufen, wenn ich ihr rechtzeitig hätte sagen können, wo es langgeht. Ein Schluckspecht also, das wars! Das ist sie. Eine Tschecherantin. Das erklärt einiges, wenn ich es auch Ihnen nicht erklären möchte. Ich will mir schon wieder Arbeit sparen. Ich kriege die Scharniere der Erzählung, die ich vorhabe, nicht ins Holz meines Kopfes rein. Daß mir jetzt erst auffällt, daß ich mit Brigittes Trinken die Löcher stopfen und die Scharniere endlich befestigen könnte, sodaß sie wirklich halten! Dabei hätte mir schon vor zwei Jahren so einiges anhand einer Freundin auffallen können, welche sich in einer ganz ähnlichen Lage befand und an der ich das Aufsteigen im Büro der Trunksucht hätte studieren können, es hätte mir z. B. auffallen können, als sie unbedingt besoffen mit mir Boot fahren wollte, diese Freundin, aus der ich der Einfachheit halber jetzt Brigitte mache, ich glaubte immer, es sei schwierig, mich in puncto Denunziation meiner Personen und deren anschließender Vergeudung an die Sprache, diese Allesfresserin, zu übertreffen, aber es geht, jeder kann mich übertreffen, und zwar in jedem Punkt. Übertreffen Sie mal das!: Ich kann nicht schwimmen. Wie oft habe ich Ihnen das jetzt gesagt, und jedes Mal haben Sie mich übertroffen, denn Sie können es ja. Meine Freundin konnte es aber genausowenig wie ich. Im Suff allerdings wußte sie davon nichts mehr oder wollte nichts davon wissen. Das Boot, in welches wir uns begaben, hat so geschwankt, ich hatte Todesangst, die mir aber anerworben ist, mein Vater hatte sie auch schon, nicht grad vorm Schwimmen, aber vor allem anderen, und natürlich, das mußte ja früher oder später so kommen, war er dann einmal wirklich tot. Mitten im Leben von Todesangst umgeben, timor mortis, bevor der Tod überhaupt zu sehen ist, das ist nicht angenehm. Übertreffen Sie das mal! Wenn der Mund voll ist, kann das Herz nicht mehr übergehen, weil der Mund alles vom Herzen abgezogen, abgesaugt und in einen Weinheber (ebenfalls bereits verstorben) geleitet hat, muß diese Frau lernen, muß meine Hauptdarstellerin lernen, aber sie will nicht, sie stellt nichts dar, ich meine, wenn man sie so anschaut, stellt sie absolut nichts dar, neben der Geige lernte sie nichts, absolut nichts, über das Leben, es findet keinen Ausgang für sein Liebestoben, es würde die Küsten überschwemmen und alles begraben, auch die lebendigen Toten, die z. B. nur aus Unachtsamkeit und Überfüllung der bayrischen Eishalle, deren Dach auseinandergefallen ist, weil man ihm einen Kleber geklebt hat, der nicht gehalten hat, was er versprach, unter der Last des Schnees zuerst lebendig, dann tot begraben wurden. All diesen Toten muß das Herz ja übergehen, wenn sie sehen, wie voll wir jetzt schon wieder sind. Sie ist in den Anblick von Flaschen versunken, diese Frau, Flaschen, die Brigitte – jetzt sind wir wieder ganz bei ihr, nur sie ist nicht ganz bei sich – jedes Mal woanders einkauft, manchmal muß sie dafür beträchtliche Entfernungen zurücklegen. Alles mit dem eigenen Wagen. Ja, Erholung ist wichtig. Wieso sag ich das jetzt, das möchte ich mal wissen. Ich weiß ja nicht mal, was ich vor einer Minute noch sagen wollte. Und daß die Familie einen Platz im Erholungsheim und im eigenen Heim findet, die Einfamilie, die am Arbeiter dranhängt, das sage ich hier, weil mir für dieses bißchen Platz nichts andres einfällt, es kommt ja gleich der Punkt. Diese Frau ist keine Familie, sie ist in diesem Häuschen lebendig bestattet worden und mußte einer viel Jüngeren in einem viel prächtigeren Haus, noch dazu in einem echten Körperhaus, das fast ganz neu ist, an einem viel andren Ort, einem andren Hort, wo sich Schmetterlinge und Gräser in Sicherheit wiegen oder, wenn sie es nicht selber machen wollen, z. B. von Herbert Grönemeyer gewiegt werden, die Frau also mußte einer viel Jüngeren gestatten, ihren Platz einzunehmen. Das ist nur gerecht, denn ihr Exmann bekam dafür ja zwei Stück Mensch anstatt des einen, den er bereits hatte. Als das Modell abgelaufen war, hat er sich gleich ein neues bestellt, es gibt ja eine gewisse Wartefrist auf die neuesten Modelle, aber dann ist es ein gutes Geschäft, immer das Neueste zu haben, und Geschäftsmann ist er ja, wie wir wissen. Seither nimmt sie fast unaufhörlich alkoholische Getränke zu sich, die Frau, welche jetzt woanders ist, die alternde Frau Brigitte K., um ihre innere Leere auszugleichen, hä hä, nein, das meine ich natürlich nicht. Sowas liest man, aber man meint es nicht und ernst schon gar nicht. Das Trinken ist für sie wie wieder den Weg nach Hause einschlagen, obwohl ihr eine Fensterscheibe dafür lieber wäre. Indem sie das Bewußtsein verliert, kommt sie erst zu sich. Dort drunten im Glas scheint sich jetzt etwas zu tun, dort scheint sich was zu bewegen, zwei Menschen ringen miteinander, nein, sie überlegen, wer überleben darf in dieser Schreckenskammer, die sich über den Menschen, die trinken, zusammenschiebt wie, ja, genau, wie die Kammer des Schreckens, obwohl mit jedem Schluck doch die Farben besser leuchten, die Augenblicke länger werden, das Aussehen, das einmal da war, wieder verliehen wird und Lebendigkeit einen plötzlich anstarrt und den Vorsatz weckt, ab morgen aber wirklich joggen zu gehen (statt im Zickzack sinnlos herumzutorkeln und das dann womöglich für Modern Dance auszugeben), damit auch in nüchternem Zustand, der jedoch nie eintritt, diese Lebendigkeit konserviert bliebe. Diesen Aufschwung durchs Spiegeltrinken, bei dem man sich aber nicht selbst beobachten sollte, und die Ruhe, die nach dem Sturm im Geäder eintritt, verdankt die Frau einer guten Idee, die sie einst hatte: nicht mehr aufzuhören, wenn man genug hat. Andre tuns ja auch nicht. Dann erst richtig anfangen! Prost! Den Mund nicht zu voll nehmen, aber sich auch nichts wegnehmen lassen. Auf gute Bissen und tiefe Einblicke mal zwanglos ins Glas hereinschauen. Wenn man schon nicht leben kann, sollte man wenigstens mit irgendetwas anderem nicht aufhören. Sich in die trübe Nacht hinaustragen lassen und dafür niemanden zu brauchen, außer den Alkohol als Freund, der einen innig umfangen hält. Der letzte Geliebte, der letzte Freund. Den Aufschwung durch Bautätigkeit jedoch, diese Beschaffungskriminalität durch Vernichtung und Aufbau, beides gleichzeitig, Moment, was halten Sie mich denn so fest?, da Sie gesehen haben, daß ich zu einer Erzählung wenigstens ansetzte und diese nun für allgemeine langwierige, langweilige Erörterungen bereits wieder verwerfe, bereit bin, meine Erzählung sofort wieder im Stich zu lassen und sogar noch drauf herumzutrampeln, damit werde ich keinen Stich machen, lassen Sie mich los! Hilfe! Sie tun mir weh! Ich habe schließlich ein Faktum zu berichten! Aus reinem Neid halten Sie mich hier an meinen Kettengliedern fest, einen andren Grund kanns nicht geben (vollkommen überflüssig, die halten mich schon selber!), weil Sie keinen Preis für Ihre Gedankenkette erhalten haben und außerdem die wahren Fakten nicht kennen, aber das ist mir wurscht, lassen Sie mich los, ich möchte sagen, was ich immer sage und worin ich zu Hause bin, den allgemeinen Aufschwung in ihren Felgen (au, also das geht zu weit, reißen Sie mich nicht auch noch an den Haaren, die Farbe geht ja ab, die Hälfte ist schon auf dem Polster! So passen Sie doch auf! Ich weiß, daß haben Sie millionenmal gehört, und jetzt hören Sie es noch einmal, und je mehr Sie an mir ziehen, desto öfter hören Sie es, so!) verdankt die Steiermark dem Erzherzog Johann und den Nazis, der eine wußte, wie man Erz abbaut, der andre, was man im großen Stil damit macht, sogar mit dem obersteirischen Waldeisen kann noch etwas Plastisches verfertigt, das aber eben nicht aus Plastik ist, und in Serie hergestellt werden, das Eisen zumindest ähnlich sieht, und damit ist dieser Exkurs ins Ungefähre auch schon wieder beendet, ja ja, schauen Sie nicht so blöd, schon wieder, na ja, schauen Sie halt, das ist besser, als an mir zu zerren, immer wieder, immer wieder Österreich!, und jetzt alle! Zum Fußball, ich lach mich kaputt! Ich sehe schon, Sie sollten mich doch besser festhalten, denn angesichts des Zustands des österreichischen Fußballs kann ich mich selbst nicht mehr halten, also kaum noch, äh, na gut, dann ist es in Ordnung, wenn Sie dafür mich jetzt halten. Nach meinem Dafürhalten halten Sie mich für ein Nichts, und das ist kein Dafürhalten, Sie haben es mir ja oft genug gesagt. Das habe ich also auch schriftlich, was nicht nötig wäre, denn leugnen werden Sie das nicht. Ihr könnt mich mal, ihr könnt es, los, ihr könnt es längst auswendig! Die Nazis haben also gebaut und gebaut, und abgebaut und abgebaut (in der Erinnerung an diese schöne Zeit hält sich beides die Waage, die ein Blinder hält, unser Gedächtnis, das blinde Huhn, das jeden Tag ein paar Korn kippt, um endlich gnädig bewußtlos bzw. der eigenen Schwäche endlich mal unbewußt zu werden und nicht mehr an solche schrecklichen Sachen denken zu müssen, die trotz allem auch wieder so entsetzlich banal klingen, jedes Mal noch banaler, wenn man sie hört oder geschrieben sieht, das ist eine Tragödie, es nutzt sich alles ab, ich treibe das jetzt unnatürlich auf die Spitze), und die Menschen streicheln sich quasi gegenseitig liebevoll mit ihrer inzwischen samten überzogenen Vergangenheit, einer Vergangenheit im Samthandschuh, jawohl, je mehr Feiern, desto mehr Schonbezüge haben wir für sie im Angebot, Sie können sich sogar das Muster aussuchen, nur das vom Papst ist nicht mehr frei, das befindet sich auf seinem Sitz im Hubschrauber nach Mariazell. Je mehr wir uns an die Brust schlagen und bekennen, desto samtiger wird es dort, als könnte man sich so davon befreien, aber die wir befreien hätten sollen, die sind tot, genau wie ich, nur halten sie sich für was Besseres, für etwas Lebendigeres, und wir waren noch gar nicht am Leben, die Geschichte ist wirklich grausam, wir hätten die doch alle so gern gerettet, aber wir konnten nicht, wir sind die Nachgeburt, ein fetter saftiger Blutklumpen, der sich im Dreck wälzt (weil man ihn nicht in einer Schale aufgefangen hat wie den Hl. Gral, das hätte sich eigentlich so gehört), im Dreck sag ich, den natürlich immer die andren gemacht haben, es ändert nichts. Ich muß es wissen, ich bin eine erprobte Nestbeschmutzerin, habe mich selbst aber ziemlich weich gebettet, ich habe ein paar dreckige Fetzen in mein Nest gelegt, damit ich es bequemer habe, und jetzt liege ich da, wenn auch nicht in einem Bettzeug, das sich gewaschen hat. Ich mußte es selber waschen. Auch die Bedauernswerten, die zur SS mußten, können nachträglich nicht mehr abgeändert werden, Anträge sind sinnlos, sie werden alle abgelehnt. Oder sie werden angenommen, obwohl sie gar nicht gestellt wurden. Das verlangt schon die Gesellungspflicht, die Gesinnungspflicht, und zwar von den Gesellen, die ihrem Meister keinen Widerstand geleistet und daher den Freibrief bekommen haben. Sie sind freigesprochen. Sie wollen die Vergangenheit endlich beenden und die Zukunft beginnen, all die bewußten Menschen in unserem Land, aber die lügen doch!, obwohl sie keinen Grund hätten, sie waren ja gar nicht dabei (nicht die Bewußtlosen, wie ich eine bin, die nirgends dabei war, außer in der KPÖ, bitte nachträglich um Verzeihung, aber ich weiß doch, das werden Sie mir ewig nachtragen), sie sind sich der Vergangenheit bewußt und wollen sie daher nicht wiederholen, beim nächsten Mal könnte es nur schlechter werden. Aber das können sie eh nicht, wie sollte das denn gehen? Ich bin entschlossen. Die Zukunft ist abgeblasen. Wer das sagt? Ich sage das. Sie übergeben jetzt die Vergangenheit sofort an jene, die sie persönlich nicht mehr erlebt haben, und schon beginnt Ihre Zukunft, die natürlich für jeden Menschen zu einem anderen Zeitpunkt beginnt, damit müssen Sie schon rechnen, oder Sie tragen sie auf, die Vergangenheit, an der Sie nicht schuld sind, die Sie aber trotzdem mittragen müssen, da Ihre Geschwister bereits rausgewachsen sind und die Vergangenheit noch immer ganz gut ist, ein paar Jahre gehts noch, die Löcher sind gestopft, die nächste Generation kann die auch noch tragen; ich meine damit allerdings nicht, daß Sie sie uns immer wieder auftischen sollen, bis wir kotzen müssen, sondern daß Sie dieses Kleid, das inzwischen schon dreimal wieder modern und dann wieder unmodern geworden ist, jetzt endlich – aber wirklich! auftragen sollen, bevor es noch zerfällt und keiner mehr als Verbrecher auftreten mag, obwohl das Kostüm noch passen würde, wir haben ja nicht zugenommen, man kann dieses schöne Kleid noch nicht weghauen, solange es einem noch paßt, es einfach in den Container für Altkleider schmeißen, nein, das machen wir nicht. Jedenfalls sollten Sie es nicht weghauen, bevor Sie es gründlich gereinigt haben. Der Container nimmt es sonst nicht an und wirft es womöglich zurück. Ich kann mich gar nicht mehr konzentrieren, ich höre einen schrecklichen Lärm, es ist der Lärm meines Briefträgers, der bei jedem Haus – es sind alles Einfamilienhäuser wie meines, und sie folgen ihren Besitzern, sie folgen dicht aufeinander, zu dicht, wenn Sie mich fragen – hält und dann seine Maschine mächtig hochdreht, sodaß es einen aus dem Sessel reißt. Dabei arbeite ich gerade daran, daß der gute Ruf Ihrer Eltern (nicht meiner, die sind ja tot) wieder Gestalt annehmen kann, von Generation zu Generation eine immer neuere, immer schönere, ja, gern auch mit diesem Kostüm, entscheiden Sie sich, der Container steht vorn an der Ecke, daneben wurde einst der 12-jährige Knabe, der gemetzelt wurde, ich sage es jetzt zum fünfzigsten Mal, abgelegt, in den Kleidersammelcontainer der Caritas hätte man ihn nicht hineinstopfen können, der Schlitz ist zu dünn, und auch ein guter Ruf kann anrufen, jeder hat ein Handy, jedes Kind hat eins, rufen Sie sofort an, der Ruf soll bitte auch anrufen, denn die ersten drei Anrufer kriegen einen schönen Goldtaler als Preis und eine Freikarte für ein Popkonzert. Und den Schuh müssen Sie sich dann schon selber anziehen. Aber wenigstens der gute Ruf wird zum Glück wiederhergestellt sein. Glauben Sie, ich schufte hier umsonst? Für Sie mache ich das! Glauben Sie, Brigitte K. säuft hier umsonst? Für Sie macht sie das! Je mehr wir uns an die Brust schlagen, um uns zu befreien, umso schöner wird unsere Gestalt, doch sie bleibt uns nicht, und bald werden wir es herauslassen, was auch immer, wir werden uns wieder gehenlassen, wie mein Briefträger jetzt schon, der einen fahren läßt, aus dem Auspuff, weil er so jäh am Gas dreht oder wie er es halt macht, und wir werden wieder büßen und bereuen und dabei sogar immer noch attraktiver werden, statt daß man Leute wie mich, die ich im Alter nicht schöner geworden bin, dauernd als Deppen und geschissene Alte schimpft (was ich prompt an andere weitergebe). So gehört sich das, nur weiß ich nicht, was, so gehört das alles endlich der Vergangenheit an, die hiermit endet, und ich habe kaum noch Angehörige (auch das stimmt nicht! Was muß ich immer lügen, auch wenn gar kein Grund dafür besteht? Ich besitze eine zweite Familienhälfte, welche noch aus 19 quicklebendigen Personen besteht!), doch wieso gehöre ich eher der Vergangenheit als der Zukunft an als meine eigene Angehörige?, ja, anstatt mit ihr zu kämpfen, mit der Vergangenheit zu kämpfen und diesmal wenigstens zu gewinnen, habe ich schon verloren, denn indem ich anprangere, kann ich nur gewinnen, allerdings nie in Ihren Augen, das muß ich leider in Kauf nehmen, da mich niemand in Zahlung nehmen will, ich muß es akzeptieren, daß ich in den Augen der Öffentlichkeit nichts zähle, in denen ich mich irgendwann einmal verloren habe, so gemein hat sie mich angestarrt, und dann bin ich einfach verschwunden, damit ich dort und dort und dort auch verloren bin, in diesen starrenden Augen, welche mich aus dieser Umfrage des market-Instituts anglotzen, ja, ich bin so eine, die sich wegen anderer fortwährend an die Brust schlagen muß und der Bevölkerung unangenehm auffällt, dabei waren es andre, die dabei waren, andere, die vor mir da waren und sich nicht an die Brust schlagen. Wie kommen wir dazu, daß uns dabei jetzt schon wieder zwei Rippen gebrochen sind? Was wollte ich sagen? Keine Ahnung. Ich könnte es mit oder ohne egal was sagen, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wenn sie auch lang nicht alles ausführen konnten, was sie geplant hatten, die Nazis, die hier gerackert und geackert haben, damit Deutschland genug zu essen hatte, sogar im Ausland haben sie geschuftet wie das Kasermanndl im Berg, dieser Kleingeist aus Tirol, als Gastarbeiter im Fremdland, das damals schon keins mehr war, wie heute die EU war das, nein, so war es nicht, es war ähnlich, nur viel, viel schlimmer, alles untergeackert haben sie, die Bazis, diese verfluchten, das lernen wir schon in der Schule auswendig, sie zu verfluchen, aber es sind, wie kommt das?, immer noch ein paar Menschen übriggeblieben, so sehr an irdischem Leid und frühem Tod gearbeitet wurde, wo kommen die denn schon wieder her, wer hat die denn übriggelassen? Wieso sind denn die jetzt da?, und wer sind die überhaupt?, was stört es mich, da ich doch nicht einmal weiß, wer die sind?, wo kommen die denn her?, ich kann niemanden mehr vom anderen unterscheiden, sehe aber: Sie stellen schon wieder Ansprüche, bloß weiß ich nicht, wer sie sind. Ihnen gehört ja wieder alles, höre ich meinen Nachbarn unter mir jetzt sagen, ich meine auf dem Grundstück, das unter meinem liegt, ich sage unter, nicht weil diese Leute unter mir stehen, sitzen und liegen, sondern weil ihr Grundstück tiefer liegt als meins, unten ist dort, wo immer mein Wasser hinrinnt, das rinnt ja immer bergab, und dieser Nachbar würde nie unter mir liegen wollen, weil ich immer so ein Wasser mache, soviel Gewese mache, das aber wie Wasser ist, es rinnt und macht Schaden, aber nicht mir, immer brav von mir weg, weil es eben bergab geht. Das höre ich ihn sprechen, denn der Zaun ist ja keine Schallschutzmauer, nicht wahr, es ist ein lebendiger, grüner und schöner Zaun aus Büschen und Bambusstauden und andren Staudengewächsen. Das kann man denen nicht abgewöhnen, vor allem den Nachbarn nicht, daß die das wollen, was einen Wert hat, Gemälde, Häuser, Statuen, Kunstgegenstände, alles, was immer den anderen gehört, nie einem selber, Moment, gleich sehe ich, wer da Ansprüche stellt, nein, wir fassen es nicht, daß die das tun, haben sie denn aus der Geschichte gar nichts gelernt? Schon gehört ihnen wieder alles, sagt der Nachbar unten, wo mein ganzes Wasser hin ist (seine ganze Terrasse ist davon schon unterspült und auch hin), es wird ihm nicht widersprochen, und wir müssen sie beneiden. Jetzt weiß ich, wer die sind, die der Nachbar meint. Sie meinen immer dieselben, wenn sie DIE sagen! Sie wohnen zum Glück nicht bei uns, sondern weit weg, an einer sturmgepeitschten Ostküste, wo sie genug mit sich selbst zu tun haben und uns nicht das Burgenland oder Kärnten stehlen können, obwohl sie es natürlich auch gerne hätten, so schön wie es dort ist, die würden alles nehmen, wenn man sie ließe. Sehr unangenehm, was von dieser mächtigen Küste dort im Osten kommt, denn der Neid könnte ja Folgen haben. Wenn wir etwas zu sagen hätten, wären die, die uns jetzt ausnehmen wollen, auch noch weg, sie verdanken es nur ihrem Glück, daß ihre Lebenskette am Glied der Eltern nicht unterbrochen wurde, sie verdanken es nur unserer Gutmütigkeit, ja, die müssen wir glatt übersehen haben, sagen die deutschen Schlager, nein, die deutschen Schläger, ich meine die Schlager-Verbindungen im Radio, nur Deutsche bekommen den Zuschlag, die keine schlagenden Argumente mehr brauchen, denn sie haben ja ihre guten Hi-Fi-Anlagen und ihre noch besseren Hieb- und Stichwaffen, na ja, aber die deutschen Schlager werden gar nicht so oft gespielt, wie ich behaupte. Das wüßte ich, würde ich je den Popsender Ö3 hören. Wenn andre Keulen haben, wollen wir denen ihre Waffen auch gönnen, den deutschen Schlagenden, wo immer sie sich befinden, sie bleiben deutsch, nicht wahr, und daher sind ihre Beweise auch hieb- und stichfest, eigens für sie angefertigt, und man sieht sie deshalb auch an ihren Gesichtern, die Beweise von Hieben, darauf sind sie dann auch noch stolz. Stolz, verdroschen worden zu sein. Und jedes Jahr müssen unsere Schülerinnen und Schüler ein KZ besichtigen, immer dasselbe, obwohl wir mehrere haben, wieso wir eigentlich, wieso ausgerechnet unsere?, fein, sie wehren sich eh schon, sie wollen nicht mehr nach Mauthausen fahren, und recht haben sie, erzwingen kann man nichts. Das ist der Beweis, daß wir so gründlich, wie man uns nachsagt, beim Aufräumen nicht gewesen sein können, denn da lebt noch einer und dort auch einer, nein, zwei sogar, für die lohnt sich schon ein Rasenmäher, auf dem man draufsitzen kann, nicht, es genügt ein elektrischer, falls man kein Gas hat, aber sie lassen sich nicht nehmen, jetzt uns etwas nehmen zu wollen, ich bin sicher, die wollen alles, was uns gehört, und mehr!, die wollen ja immer noch mehr, falls sie überhaupt noch Wolle übrig haben, aber die haben alle wir verstrickt, wir sind verstrickt, das kann ich nicht leugnen, und ihre wiederholten Bemühungen gehen dahin, uns etwas zu nehmen, das längst uns gehört, als wäre es in uns und auf uns gewachsen wie das üppige Grün in unseren Vorgärten und Parks, wohin die Scharen der Hunde fest und entschlossen an ihren Leinen ziehn. Etwas ist jetzt verjährt. Einmal muß auch das Jahr vergehen und verjähren. Hab ich das nicht schon mal gesagt? Ich glaube. Alles habe ich schon mindestens einmal gesagt. Da ist noch ein Gemälde übrig, wer will es?, das die Verlorenen, die hier nichts verloren haben, vielleicht woanders?, aber hier nicht, zurückhaben wollen, wo sie, wir sagen es dauernd, aber es hört einem ja keiner zu, eh schon alles haben, was früher uns gehört hat, als wir noch wußten, was sich gehört: das große Nehmen und nicht Stehlen, denn wer nicht leben darf, dem braucht nichts mehr zu gehören, jawohl, das betrifft auch mich, und dort steht ein Haus, natürlich so viel größer als meines, als die meisten, typisch!, denn ein kleineres würden sie natürlich nicht mit an die Ostküste zurücknehmen wollen, nur ein großes nehmen sie zurück, für ein kleineres zahlt es sich für sie nicht aus. So, das kleine wäre weg, es erhebt keiner Anspruch auf diese Schrebergartenhütte, in der meine Tante sich vor dem Transport ins große Nichts verbarg, was ihr, genausoviel, nämlich: nichts!, genützt hat. Da bin ich aber froh. Laber, laber, laber, so geht es hier jetzt immer weiter, in einem Buch würde ich das alles wegstreichen, aber hier ist Privatgelände, unvermintes Privatgebiet, hier kann ich machen, was ich will. Und Sie können auch machen, was Sie wollen. Sie können in die Lüfte steigen wie der Fisch- oder Seeadler, sich mit Ihren Klauen einen Fisch greifen, und wenn Sie Glück haben und danach wieder in der Luft sind, könnten Sie eventuell statt des gesunden Fischs ein ungesundes Schnitzerl mit Erdäpfelsalat im Schnabel haben, worüber sie sich sehr freuen, weil Sie das lieber essen, wer weiß? Kommen Sie nur herein, sprach die Spinne zu der Fliege, und: Bis hierher und nicht weiter, sprach der Engel, der meiner Mutter erschien, als ein Besoffener uns damals in der Laudongasse die von einem Auto abmontierte Türschnalle ins Fenster geschmissen hat, die uns hätte verletzen oder sogar erschlagen können. Ja, meiner Mutter sind oft Heilige erschienen, auch Jesus und die Jungfrau sind zu ihr auf Besuch gekommen, um miteinander eine Erscheinung zu verfertigen, haben einen Imbiß aber immer abgelehnt, sie wußten ja, wie schlecht meine Mutter kocht, und die war danach immer ganz fertig, allerdings nicht mit dem Essen, also bei mir haben sie nie angeklopft, zum Glück. Ich hatte Angst vor Stigmaten, aber keine Angst vor den Heiligen selbst, ich hatte soviel Angst vor Mama, daß ich mehr Angst gar nicht hätte aufbringen können, nicht einmal, wenn ich gewollt hätte. Sie, meine Gläubiger, ich meine, meine gläubigen Leser, ach was, meine liebe Bevölkerung, Sie können also jetzt das resch panierte Schnitzerl essen, Sie könnten sich mit Ihrer Beute aber genausogut gründlich verrechnet haben, Sie müssen aber nicht, jedenfalls unser Verdienst wird das nicht gewesen sein, in unseren Rechnungen sind immer wir die Angeschmierten, die weniger rausbekommen, als sie investiert haben, und ich weiß gar nicht, wo diese Schrebergartenhütte von vorhin überhaupt stand, sonst könnte auch ich einmal anspruchsvoll sein. Zwei kommunizierende Gefäße: Auf der einen Seite bauen, bis es den Mörtel wie Kotze aus den Fugen treibt, auf der andren Seite so viele Todesarten für Menschen, daß ich sie gar nicht alle aufzählen könnte, ich Fühllose habe ja keine Ahnung, soviel ich auch rede und rede, allerdings nur schriftlich (ich weiß, es sollte besser weniger sein, es sollte zumindest besser sein, was ich sage!), ich fühle nichts, und es klingt blöd, wenn ich immer noch davon anfange, mit dieser Fascho-Keule drohe, nicht einmal ein Goldhamster würde noch vor ihr davonrennen, der rennt lieber in seinem kleinen Laufrad, da weiß er immer, was kommt, warum verbietet man mir nicht endlich zu sprechen? Am Bodensee hat man es mir schon verboten, aber dorthin fahre ich eh nie, vielleicht wird es mir auch an dem See hier bei der Erzstadt verboten werden, nein, dort spricht man normalerweise recht frei über die Vergangenheit oder läßt SchülerInnen für sie sprechen und gibt ihnen sodann eine gehörige Antwort, wie es sich gehört, die darin besteht, erst mal eigene Fehler einzugestehen. Das geht ohne weiteres. Stimmt doch gar nicht! Doch, das stimmt schon! Die GeschichtslehrerInnen machen gute Arbeit. Bereiten ihre Schülervorposten auf den Bodensee vor, damit die dort dann nicht gleich untergehen. Jeder fragt dich heutzutage, ob du in letzter Zeit nicht mal wieder etwas gesprochen hast! Du kommst mit dem Sprechen gar nicht mehr nach, kaum sagst du einmal was. Alle wollen es hören. Da hat sich etwas geändert, sie können gar nicht schnell genug zuhören. Her mit deiner Sprache, gib uns eine Wortspende bitte über diese Räuber und Verbrecher, die unser Vaterland früher geschändet haben, besser früher als später, damit wir die Gnade der späten Geburt lukrieren können und auch das Vaterland sich danach wieder erholen kann, das sage ich, geschändet, gefickt, egal von welcher Seite her!, und noch eine Spende und noch eine Wortspende, denn wir sind sehr interessiert, von Ihnen etwas dazu zu erfahren. Immer fragen sie mich. Was denn? Du bist auf der richtigen Seite, immer, und du wirst von bedauernswerten Menschen gefragt, weil die es offensichtlich selbst nicht wissen und ausgerechnet dich benötigen, um es im Original zu erfahren, dabei kannst du nicht mal Auto fahren. Aber du willst es nicht hergeben, was du denkst, willst den grellen Glanz, den deine Produkte auf einem Screen, einem total flachsinnigen Schirm, entwickeln, ganz für dich allein behalten, nein, das stimmt nicht! Warum macht man es mir denn so schwer, die Wahrheit zu sagen? Ich bin schließlich die einzige, darauf lege ich Wert, die die Wahrheit sagt, jedes Jahr zahl ich die Pachtgebühr an die Menschen-Genossenschaft pünktlich, da sollte man mich doch ein wenig mehr schätzen, meinen Sie nicht? Mit tausend Freuden tue ich das, mit tausend Euro bin ich dabei (bitte, ich verdiene hiermit keinen Cent!): die Wahrheit sagen! Ich spreche doch so gern (also nein, das stimmt definitiv nicht ...), warum will niemand von meiner immensen Vorstellungskraft was wissen und lieber in eine andre Vorstellung gehen, bevorzugt in eine Nachtvorstellung, während der ich immer bereits schlafe? Also die warten doch darauf, daß du an dieser oder jener Lesung und Diskussion oder mit Diskussion teilnimmst, gestern haben gleich drei Philosphen auf einmal daran teilgenommen, eine moderne Version der Heiligen Dreifaltigkeit, wenn auch nicht Dreieinigkeit, aber zusammenfalten lassen die sich nicht, die wollen jeder so groß sein wie er ist und größer als der andre Kollege und womöglich ganz alleine reden, und morgen nehmen schon wieder andre teil, an einer Diskussion im Radio oder im Fernsehn, willst du diese Dreiuneinigkeit nicht durch dich allein, die du mit dir einig bist, ja, du, dich meine ich, du Ikea-Kunde!, der zu allen du sagen darf, weil eure Wohnungen alle schließlich Geschwister sind, ersetzen? Ach, man verbietet es mir gar nicht, nur zu, nur zu, sagen Sie! Sagen Sie uns was! Eine kleine Wortspende bitte, ja, hier hinein, ins Mikro, ja, dort haben wir sogar eine Kamera! Und bitte noch mehr, wenn Sie haben! Wir hören Ihnen gerne zu! Wir hören Ihnen zu, und dann treten wir Sie in den Arsch. Wenn Sie aus Unsichtbarkeit bestünden – na umso lieber! Treten würden wir Sie trotzdem. Bitte, mach ich mich halt unsichtbar, aber auch wenn Sie mich nicht sehen, existiere ich trotzdem, bloß geduldet, aber immerhin. Diese Möbel haben Sie lieber als mich? Ich bin ein Mensch, wo darf ichs denn bitte sein? Wo wollen Sie mich hinstellen? In die Küche? Im Katalog steht, das ist ein Wohnzimmer, wenn auch recht klein, darauf muß man schließlich vorbereitet sein. Danke schön, aber jetzt will ich nicht mehr, ich bin beleidigt, daß man das nicht nur zu mir sagt (ein Freund sagte mir einmal, ich sei die Weltmeisterin im Beleidigtsein, und er hatte total recht, ich wiederhole mich, na ja, wenigstens merke ich es noch, wenn ich Papis Nachfolgerin in seiner Krankheit werde, werde ich es nicht mehr merken), sondern auch zu so vielen andren, die noch dazu den entscheidenden Vorteil haben, jünger zu sein! Denen hört man zu, sogar wenn sie nur zum Fenster hinausschauen oder in unser TV-Schatzkästchen hinein, weil sie Schlagersänger oder ein andrer Star werden wollen. Für solche Menschen gibt es ja riesige leere Gebiete, wo sie sich austoben können. Ich klebe mir, bevor mir einer eine klebt, schon zur Vorsorge ein Pflaster auf meine Verletzung drauf, wenn ich mich mit der Nagelschere schneide, schon da muß ich mich zart schonen und mit Desinfekto versorgen, aber ausziehen und anstellen werde ich mich nicht müssen, es genügt, wenn ich mich so blöd anstelle wie bisher, und auch wenn ich dann später gar nicht versorgt und geschont werden muß, schon davor verwende ich eine Pflegecreme, bevor meine Schonung noch klar zutage tritt und andre selbstverständlich niemals verschonen würde. Die Unterschiede zwischen Ereignissen, das Gefälle oder wie soll ich es nennen, ohne schon wieder gefällig zu werden, sind einfach zu groß, es ist unbeschreiblich wie leider das meiste, zumindest für mich. Ich bin aber nicht der Beweis, daß etwas unbeschreiblich ist, nur weil ich persönlich es nicht beschreiben kann. Ich nähere mich dem Gegenstand, den ich noch nicht identifizieren kann, unterwürfig, um einen Blick zu erhaschen, den noch keiner hatte, einen schönen weiten Ausblick, einen ausufernden Tiefblick, der für die Beschreibung möglicherweise entscheidend sein könnte, ja, der Gegenstand ist noch da, aber er läuft davon, er läuft immer davon. Was ist überhaupt mein Gegenstand? Eine Beschreibung, die aufbegehrt, indem sie beschreibt, ach was. Ich versuche eine Öffnung darin zu finden, durch die ich selber abhauen kann, aber zwecklos, es hat keine. Vielleicht sollte ich offener sein, selber? Vielleicht sollte ich nicht so oft lügen, aus Neid auf andre, die es nicht nötig haben zu lügen, weil sie das alles selber erlebt haben, während es mich schon erledigt, während es mich schon schafft, was ich gar nicht geschaffen und niemals erlebt habe und niemals hätte erleben wollen? So, das hab ich mir gedacht, da hat doch glatt schon wieder einer etwas, das ich nicht kenne, beschrieben, ohne mich vorher zu fragen, ob ich das auch so sehe, und er fragt auch nicht bei sich selber nach, ob er es kennt. Dieser Mensch ist ein Ignorant, alle sind Ignoranten, außer mir, und ich bin aus Neid schon ganz wütend auf ihn, also auf alle. Der war so oft im Ausland, daß er ein eigenes Außenministerium leiten könnte, ganz für sich allein, in der Außenwelt der Innenwelt, er war sogar an Orten, die es gar nicht gibt, und ich war noch nirgends. Ich beneide ihn sogar um die Luft noch, die er atmen darf, meine ist gewiß schlechter, so meine Annahme, ich würde bessere jederzeit annehmen, ich beneide sie alle, die jung und in meinen Augen überschätzt sind! Das sind alle außer mir. Ich bin außer mir. Wo bin ich? Ich bin selber außer mir, aber ich sehe derzeit noch nicht, wo das ist. Ich bin alles minus ich, oder minus mir? Kann man nichts machen. Dieser Größte von allen, ich nenne seinen Namen nicht (es wären auch zuviele Namen, es gibt ja auch zuviele Größen, meine ist Größe 40, das ist nicht allzu groß), um den ich ihn auch beneide, der hat wohl zu tief ins Glas geschaut und nur noch den Bodensatz hier gesehen! Das darf nur ich, nein, nicht einmal das, nun, dann besinne ich mich und danach lasse ich meine Schaffenskraft fleißig loslegen, dafür müssen aber erst noch ein paar Millionen Menschen mehr am, besser noch unter dem Boden sein, darunter tu ichs nicht, soviel halse ich mir immer auf, also unter dem Boden dürfen sie sich auch befinden, bestimme ich mal aus dem Handgelenk, mit dem ich sie abwatsche, ohrfeige, ihnen ihr eigenes Handgelenk umdrehe, bevor sie endgültig abtreten dürfen, ich beneide sie jetzt schon, sie haben es hinter sich. Es muß bei mir alles groß sein, sehr groß, damit nicht einmal ich es übersehen kann, und ich sehe nicht sehr gut, das ist das Alter. Das Heer der Toten ist einfach unübersehbar, niemand kann es mehr übersehen, nicht einmal die Nachfolgeparteien der Toten-Hausbesorger, die es den Toten besorgt haben, bis die eben tot waren, sogar deren Lippen, die besorgten Lippen der blutbeladenen Nachgeburt, bekennen sich jetzt zu irgendetwas, das längst vorbei ist, genau wie meine, bloß umgekehrt, es geht ganz leicht, die kehren nicht um, nur weil ich es sage, das haben sie längst gemerkt, daß das alles sehr leicht ist. Und völlig überflüssig. Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit, zuerst sagen wir es, dann distanzieren wir uns, sind ja nur Worte, komisch, denen fällt das sogar noch leichter als mir, sie bekennen, was sich inzwischen sogar Bürgermeister trauen, sogar die Kämpfer der freiheitlichen Abwehrfront, die schon genug damit zu tun haben, einander gegenseitig abzuwehren: Abscheu, Entsetzen, Distanzierung, Schreckensherrschaft, Diktatur, ein werter Anblick für ihre Allerwertesten, denn am liebsten sehen sie ihre Parteigenossen von hinten und die Tür zumachen, mit ihren Allerwertesten also, mit denen sie normalerweise alles anschauen, diese Arschgesichter, Entschuldigung, ich falle aus, nein, diesen Gefallen tu ich Ihnen nicht, ich mache es von vorne und immer wieder von vorne, immer wieder denselben Fehler, andre runterzusetzen wie Preise beim Ausverkauf, ich frage keinen mehr, ich bin stets zugegen und habe sogar eigens menschliche Gestalt angenommen, in der sie mich nicht mehr erkennen werden und die keiner mehr sehen soll, so, geschafft, wie Jesus schau ich jetzt irgendwie aus, finden Sie nicht?, wenigstens die Haare? Nein?, bin allerdings nicht annähernd so beliebt wie er. Anbeten sollen sie mich, aber sehen sollen sie mich nicht. In meinem Alter ist man nicht mehr sehr vorzeigbar. Da lockten aber die Wiesengründe harmonische Verbauung herbei (oder die harmonische Verdauung, falls sie das Richtige gegessen haben, der Hunde dort, die ins Sackerl wandern sollte, was sie nicht tut, nur Menschen wandern, wandern so dahin, sogar übers Meer, aber nicht ins Sackerl, in die Erde, zu Tausenden, unbeweint, na, wie hab ich das wieder hingekriegt, daß die alle hin sind? Keine Gelegenheit lasse ich ungenutzt, sowas ins Blaue hinein zu behaupten, doch heute ist das eher ein Grau, ein Grauen), und die kam dann auch, und Menschen, strotzend vor Gewöhnlichkeit, Daseinsfreude und Eifer, kamen auch, kaum daß ihnen für ihr Geld geboten wurde, daß sie hier wohnen durften. Wer arbeitet, der soll auch wohnen, logo. Der Berg, der von Natur aus hierher gehört, war aber immer schon vorher da, vor jedem, und manchmal kommt er sogar selbständig ins Tal runter wie der Gschliefengraben überm Traunsee, in dem er bald landen wird, die genaue Uhrzeit wissen wir noch nicht. Vor jedem Menschen. Nur kein Neid! Die relativ steile, restriktive (das Autofahren auf dem Hang verbietet sich, außer man ist ein Skifahrer und will Werbung für Audi machen, aber die Wiese, die rollt, und der Wagen, ja, der auch, und zwar zu schnell für unseren lieben alten Horch) Hanglage am Fuß des Berges (eines andren Berges, der nicht berufstätig ist, der nicht abzubauen ist, sondern sich mit seinem welligen, wolligen Haupt als Freizeitvergnügen bereit macht, wofür auch immer, er ist für alles offen. Menschen zu erschlagen, das ist vorbei, das hat er auch einmal gemacht, dieser Berg, dieser Hausberg, en gros wie en detail, dafür hat er sich angeboten, Menschen, mit einem Tritt von sich herunterzubefördern, die schon glaubten davongekommen zu sein, sich im Schutz von Geäst zu befinden, denn der Berg ist bewaldet, aber ein Stahlhelm bietet da schon mehr Schutz, vor allem, wenn Geäst in seinem Netze gelandet ist, als Gesteck, als Gebinde, als Tarnung) überwand man durch vier zu den Schnittlinien parallele Straßenzüge, wobei in ihrer Zeilenbauweise (mein Gott, ist das wieder mühsam, Zeilen zu bauen, ich hab schon geglaubt, ich kann endlich beschreiben, ist das mühsam, sauer verdientes Geld, aber ich verdiene ja eh nichts damit! Wenn mir eine Maschine das nicht abnähme, ich könnte es nie, ich würde dauernd abschweifen, vorher runterschalten, oder rauf? Also einen Gang höher schalten, höher als alle, die nicht schalten und walten können, was ich zur Genüge kann und auch tue, also mir genügt es und Ihnen schon längst. Auch wenn Sie gar nicht merken, wenn ich den Gang wechsle) die Ein- und Mehrfamilienhäuser anmutig variierten. Allerdings mußte alles rasch fertig sein, das kennen wir ja, husch pfusch, und so ist die Gesamterscheinung am Ende doch recht spartanisch ausgefallen, grau in grau, grob verputzte Fassaden, grad, daß sie überhaupt sich etwas Putz leisten konnten, und keine der sonst üblichen Fensterbalken, nicht einmal die. Das wird einem heute im Überfluß geboten, abholfertig im Baumarkt, im Überfluß, wie das meiste, da sind Erbaulichkeiten erschienen, wo früher gar nichts war, aber es hat aufgehört, daß wir die Nichtswürdigen sind, wenn auch würdige Nichtswürdige, denn die Würde haben wir uns natürlich vorsorglich behalten, jetzt hat es also eine kräftige, gesunde Fusion gegeben, da der Stahl, der so unzerstörbar schien und auch irgendwie, mit Beimengungen und Selbstprofilierungen, für die man aber eigene Pressen braucht, so hingebastelt wurde, daß dabei sogar Fenster und Türen entstanden, ja, schauen Sie sich nur meine Fenster an, sowas haben Sie noch nie gesehen, es gibt sie auch kein zweites Mal, zum Glück, denn nicht einmal der Einbrecher neulich konnte den stählernen Fensterrahmen mit seinem Brecheisen verbiegen, und mich können Sie auch nicht biegen! Keiner kann sie zerstören, mich schon, biegen nicht, aber zerstören schon, aber meine Fenster: nie!, weder biegen noch zerstören, der Stahl ist hart und bleibt, was immer man mit ihm vorhat, sogar die Verschmelzung von Voest- Alpine und Boehler-Uddeholm wird er überstehen, meine Fenster werden auch alles überstehen, die werden mich um Jahrhunderte überleben, mit diesen Fenstern habe ich das Tausendjährige Reich jetzt schon neu errichtet, ein andres brauchen wir nicht, so geht das!, sie, die Fensterlein, werden mich um ein Mehrfaches von mir überleben, was sie gar nicht müßten!, weil ich sie dann ja nicht mehr sehen werde können, jawohl, sie sind aus Edelstahl, und diese Fusion vom wüsten Reich mit der heutigen wurstförmigen (also eher kotelettförmigen, würde ich sagen, und leider nicht als Erste) Republik, die haben wir schließlich auch überstanden, zum Glück, die wird uns noch zugute kommen, wenn sie es nicht schon ist, es ist hier schon so oft vorgekommen, daß etwas mit etwas anderem verschmolzen wird, sodaß man keine der beiden Teilnehmer mehr erkannt hat, nachdem sie mit dem Training fertig waren, aber meine Fenster gibts eben nur einmal, ja, das Würstereich, das ist vorbei, das ist gegessen, meine Fenster aber sind da, sie sind unzerstörbar, nun, sagen wir zur Abwechslung vielleicht: die Fusion vom Würstereich mit dem Bierreich (das können die, Würste machen, wie kein andres Volk können die es! Das ist bekannt, auch das Brot dazu ist gar nicht schlecht, vom Bier ganz zu schweigen, das ist ein Gedicht, lustig samma Puntigama, na, damit will ich nun wieder sagen: wir sind wir, mir san mir!), die vollendet sein wird, wenn die zu Abfall Aussortierten, die von unserem Müll Getrennten, die Ausgesonderten endlich auch tot sind, obwohl das auch nichts besondres ist, denn sterben müssen wir alle, nur meine Fenster müssen es nicht, also meine Fenster beneide ich jetzt schon, was die noch alles in hellem Schein, vor Freude spiegelnd und strotzend vor Licht, erblicken können, während ich längst tot bin!, doch unsere schön hergerichteten Behausungen gleichen dennoch aufgeputzten Gräbern, was nicht schlimm ist, denn die Gräber sind meist besonders schön mit Blumen bedacht und mit Näglein besteckt, total vernagelt, allerdings – einen trostlosen Eindruck machen die trotzdem, wie sehr wir sie auch herrichten, den machen sie in ihre weichen Kissen, nirgendwo sonst, diese Ausgesonderten in ihren Erdkissen, die etwas klumpig geraten sind, wir haben zuwenig gerührt, da sind Klumpen geblieben, oder wir waren zuwenig gerührt, und dieser Eindruck entspricht nicht den ursprünglichen Plänen, welche diese beinahe barock anmutenden Fassadenlösungen vorgesehen hatten, wir sprachen schon davon, haben sie aber auch noch nicht zu Gesicht bekommen, sie kommen ja leider nicht zu mir, und wie soll ich zu ihnen kommen, für mich ist ja sogar eine Reise nach Wiener Neustadt so wie für Sie Sri Lanka oder Malaysia oder Caorle, nein, für mich ist schon Klosterneuburg weiter als alles, das ich mir überhaupt vorstellen kann. Ich kann Veränderung nicht ertragen, auch meine eigene nicht. Ich war schließlich als Kind Asperger-Patientin, und zwar die dümmste Asperger-Patientin aller Zeiten, auf keinem einzigen Gebiet klug, darauf bin ich stolz, ich weiß, was ich mir schuldig bin und was das Leben mir schuldig wäre. Und dieses unveränderliche Haus, o je, die Dachrinne hat ein Loch, aber ich hab ja auch eins, nein, zwei, nein, noch mehr!, würde sein Gesicht abwenden und sich seiner selbst schämen, wäre es dazu imstande, um seine Bewohner zu trauern und um sich, daß es sie aufnehmen muß. Die Frau Lehrerin im Fach Geige, aus dem sie kaum je wieder herauskommen wird, und nicht nur deshalb, weil bei der Wohnungsgröße so extrem gespart wurde, daß dort überhaupt kein Beitrittsgrund mehr vorhanden ist (aber es war ja eigentlich die Tante ihres Exmanns, an der gespart worden ist, damit Brigitte das Haus, das Hausgedinge bekommen konnte), erreicht mit all ihren Verrenkungen nur, daß sich die Badematte ein wenig verschiebt, während die Frau still darauf wartet, bis sie endlich hin ist, denn sie weiß, daß sie dahin muß, ich meine davon muß, und das hat sie jetzt davon (sie hat sich redlich bemüht, durch Farbe, Form, Zierat, haltbare Gruftibeigaben in Form von Trockenblumensträußen und - kränzen, etwas zu beschönigen, was sie im Leben falsch gemacht hat, aber mit dem Ergebnis, daß es jetzt noch entsetzlicher aussieht als vorher, ein bemalter Leichnam, ein Lungenkrebskranker, der die hübschen Todesröslein schon grob auf die Wangen skizziert hat, aber die werden noch viel gröber sein, bis sie dann mit ihm fertig sind, und die müssen außerdem auch noch ausgemalt werden, hab aber dafür jetzt keine Zeit, ausgemalt die Röselein, nachdem er sich ein Leben lang mit feinen Zigaretten verlustierte, amüsierte, nein, das stimmt nicht, der Krebskranke weiß nicht warum auch er jetzt ausgesondert ist, er ist zu pflegeintensiv geworden, ich sage es ihm, hab es auch grad in mindestens drei Zeitungen, wenn auch zu verschiedenen Zeitpunkten wieder gelesen, eingeblasen von überlasteten Kassen, nein, falsch, die Kassen sind ja froh, wenn man recht früh und recht schnell abkratzt, denn grad am Ende des Menschen häufen sich die Kosten, die er macht, türmen sich auf wie unsre Müllberge vorher schon, deswegen haben wir sie einst ja haufenweise abgeschafft, zum Sondertarif, mit Sonderbehandlung, als wir noch Zeit hatten, sie aber keine mehr, wir haben schon gewußt, was wir machen! Wir haben uns ausgerechnet, daß dann uns mehr gehört, und recht hatten wir!), so, das hat sie jetzt davon, die Lehrerin, ich habe längst vergessen, was sie davon hat, wie habe ich den Beginn jetzt gleich wieder begonnen? Nein, nicht schon wieder! Nicht schon wieder neu anfangen! Das hat schon beim letzten Mal nicht recht geklappt. Egal. Also die Frau macht sich selber ein wenig stadtfein, einem Blick in den Spiegel würde sie nur standhalten können, wenn sie mit ihren inneren Augen ihr Antlitz schauen könnte, den äußeren Blicken würde sie schon lang nicht mehr genügen. Aber dafür reicht es mir jetzt! 3.3.2008, Fortsetzung folgt
Bilder: Hieronymus Bosch (1450-1516), Pieter Bruegel d.Ä. (1525-1569), (Ausschnitte)
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