Jürgen Messensee: beste Arbeit!

Ich glaube folgendes: Was man bei Messensee sieht ist was er tut, das heißt, man sieht alles was er getan hat. Das ist nicht selbstverständlich in der Malerei, denn meist sieht man: was da ist und nicht was getan worden ist. Messensees Arbeit ist etwas, das seine Herstellung nicht nur in sich trägt, sondern deren Ablauf vorzeigt, nicht im Sinn eines prahlerischen " Seht her, was ich da geleistet habe!", sondern in dem Sinn, daß die Arbeit gezeigt wird, eigentlich noch mehr die Verhaltensweise, daß etwas sich nicht still verhält oder verhalten wird (also eigentlich: zurückgehalten), auch nicht sich verhält im Sinn von verhalten (gehemmt) sein, sondern als eine fortschreitende Tätigkeit, die gefangen worden ist in der Situation eines Bildes, aber daraus herausfließt, indem es aus sich selbst hervorgeht und gleichzeitig dableibt, nur um Bild zu sein, nichts sonst. Weil es halt gehen muß, nicht daß endlich was weitergeht, sondern damit der Vorgang der Hervorbringung zwar festgehalten ist, aber immer nur als Vorgang. Das Tun darunter ist nicht verkümmert, verschwunden, ausgelöscht, sondern das Tun macht sich entschlossen bemerkbar, auch wenn es auf einer Oberfläche immobilisiert worden ist. Das Bild ist nicht mit Mobiliar mobilisiert worden, also mit etwas, das dort stehen, picken bleibt wo man es hingetan hat, sondern es ist eher eine Art Aufbruch. Es rinnt manchmal herunter, aber nur so weit wie der Künstler es gestattet, und doch ist dieses Rinnen nicht fixiert worden; dieses Rinnen, die Tätigkeit, daß die Farbe ausfließt, wird immer wieder aufs neue her-gestellt, sie bleibt nicht stehen, sondern wird, gefangen, unaufhörlich auf einem Fleck wiederholt. Wie in der Kleidung - sich irgendwie anziehen, um dann zu handeln, in einem Büro, am Strand, in der Oper, heißt folgendes: der Sinn dieser Tätigkeiten, und wären sie pure Freizeitaktivitäten, läuft immer darauf hinaus, das Wesen des jeweiligen Tuns ostentantiv zu bekunden, ohne daß man wirklich etwas tun müßte (man könnte freilich auch das, wenn man wollte). In Messensees Malerei ist es allerdings umgekehrt. Die Bilder ziehen sich ihre Farben nicht an, um zu beweisen, daß sie da sind, gefangen auf ihrem Untergrund, und dann bedeuten sie halt irgendwie Kunst, sondern diese Bilder stellen ihre Arbeit des Entstehens und des dann in sich Fortschreitens aus. Sie sind nicht Bilder, tautologisch, damit sie Bilder sein sollen. Sie äußern sich als das was der Maler getan hat, vielleicht mehr noch, als das was der Maler ist, aber der ist ja eben genau das: was er getan hat! Das Reale seines Tuns ist transformiert in ein Bild, aber das Bild bleibt das Tun, es stellt es nicht dar. Kann man das besser sagen? Ja, vielleicht kann man sagen, daß Stillstand und Aktivität normalerweise Oppositionen sind, aber hier hat der Maler beides zusammenfließen lassen in eins, das aber die Aktivität wie das Planlose enthält, ja, das Planlose gibt es ja auch noch!, wenn das Werk den Künstler an der Hand nimmt und ihn wo andershin führt als der eigentlich wollte. Das Produkt ist dann beides in einem. Das Geplante und das Planlose, aber auch diese beiden scheinbaren Gegensätzlichkeiten stellt die Kunst Messensees vor, in einem. Der Widerstand besteht darin, daß das alles einmal eingefroren ist als Werk, egal was dieses enthält, einmal muß es stillhalten, außer es ist vielleicht ein Mobile, aber auch dann ist seine Bewegung eine begrenzte. Was vielleicht in der Mode vordergründig Arbeit ist (und moderne Sportkleidung spielt mit ihrer Funktionalität ja nur, gerade indem sie diese geradezu übertrieben "ausstellt"), symbolisiert diese nur, weist sie als Arbeit aus (die Ausnahme mag vielleicht Berufskleidung sein, aber auch diese ist ja in gewissem Sinn übercodiert, das Kleidungsstück, das nur einem einzigen Arbei tszweck dienen würde, gibt es nicht, denn es wird immer auch noch der Berufsstand mit vorgezeigt, und wäre es nur in der Farbe), ist aber in Messensees Bildern tatsächlich: zur Untätigkeit gewordene Tätigkeit, bringt diese angeblich größten Gegensätze zur Übereinstimmung, ohne zu harmonisieren bzw. sie damit auszulöschen, gerade indem die ganze Tätigkeit des Malens eines Bildes in diesem Bild und nur dort unaufhörlich zusammenfällt, nein, nicht etwa zusammenbricht!, sondern im Zusammenfallen jeden Pinselstrich, jeden Arbeitsvorgang mit einschließt und zeigt, ohne daß dieser Maler selbst sich den anderen: zeigen würde. Er wird es ihnen schon noch zeigen, denn er ist sich nicht wichtig. Vielleicht ist gerade deshalb seine Arbeit gleichzeitig auch deren Ergebnis, weil ihr Schöpfer gar nicht wirklich dabeigewesen sein wollte, als er sie schuf? Blöderweise ist es nicht ohne ihn gegangen, aber praktischer wärs schon gewesen... Ohne Kompromisse jedenfalls, das alles. Einen Kompromiß macht vielleicht eine Hose, deren Schritt zwischen den Knien hängt, damit der Skater sich in der Öffentlichkeit als solcher zu erkennen geben kann bzw. der Unsportliche den Skater spielen kann. Einen Kompromiß macht Jürgen Messensee nicht, denn er ist rechtzeitig weggegangen, als seine Tätigkeit beendet war, aber die ist dageblieben, wollte sich noch ein bißchen die Leute anschauen, welche wiederum sie, die Tätigkeit, in Gestalt von Bildern, anschauen gegangen sind - ein praktisches Arbeitshemd, das selbst gearbeitet hat, ohne daß jemand dringesteckt ist. Perfekt.

 


Jürgen Messensee: beste Arbeit! © 1998 Elfriede Jelinek

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