DAS LICHT IM KASTEN

(STRASSE? STADT? NICHT MIT MIR!)

("unempfindlichen Staub mißhandle ich, tobend vor Unsinn!")

 

Also, ich weiß jetzt gar nichts mehr, am liebsten ließe ich nur Plüschtiere, also Schauspielerinnen und Schauspieler als Plüschtiere auftreten, aber nie werde ich das bekommen! Das wollte ich für mein letztes Stück haben, ich finde nicht, daß das zuviel verlangt ist. Ich will es, ich will es. Aber Sie wollen mit Sicherheit was andres, bloß werden Sie Sicherheit dadurch nicht gewinnen. Also, wer auch immer, na und?:

Ich habe gehört, es gibt jetzt eine Satzung im Gesetz, daß man Orgien feiern muß. Es geht nicht, daß man auf den Bergen herumschwärmt oder einfach nur glücklich ist, es geht nicht, daß man sein Leben führt, an der Hand (weil es immer wieder weg möchte von einem?), es geht nicht, daß man gar nichts macht. Es zieht und zerrt an einem. Man muß sich hinaufschwingen, wir haben ein Gesetz, und das heißt Orgie. Wir haben ein Gesetz, und nach dem heißt es Genuß, obwohl das manchmal viel Arbeit macht. Und meist machen dann andre die Arbeit. Und sie machen sich auch Arbeit mit uns. Niemand muß mehr sterben, weil wir alle leben dürfen. Weil wir es wollen, wie wir da sitzen, auf dem Schoß der Zeit, die uns jeden Moment runterschmeißen kann, weil sie selber aufstehen will und sich die Beine vertreten. Dann müssen wir schnell weg, sonst tritt sie uns noch, wenn sie vor uns davonrennt, weil sie woanders aktuell sein möchte. Wir sehen sie dann nur noch von hinten. Niemand wird getötet, Ihr Gift können Sie behalten. Ich nenne Ereignisse der Einfachheit halber so, aber niemand will, daß diese Ereignisse einfach sind. Nein, besser ich lasse Ereignisse überhaupt weg. Sie sind zu viele, und ich kann sie Ihnen nicht anschaulich machen, ich müßte mir ein Foto davon machen. Lassen wir das Bild einen Anblick bieten, das heißt, es muß etwas vorhanden sein, sonst kein Foto. Ohne Foto kein Ereignis. So passen Sie doch auf, Sie hauen mich mit Ihrem Selfie-Stab, mit dem Sie es für nötig halten, sich noch zusätzlich zu vergrößern, womöglich sogar über sich hinauszugelangen, sie reichen also in die Höhe, Sie halten den Stab, noch wächst kein Efeu drauf, Sie sehen auf einmal viel größer aus, weil doch dieser Stecken an Ihnen dran ist, dabei ist dieses Foto hier schon eine Vergrößerung des Bestehenden, Sie werden mir damit noch ein Auge ausschlagen! Würden Sie sich das bei der Mona Lisa trauen? Nein, dort dürfen Sie mit Ihrem Stab gar nicht erst hin!

Soll ich Ihnen sagen, wie Sie aussehen könnten? Dazu brauchen Sie nicht Stab, nicht Handy, nicht Heidi. Das Wie Ihres Aussehenkönnens, mit dem können Sie sich nicht abfinden. Das Haus hat mit seinem Aussehen keinerlei Schwierigkeiten, seine Erbauer haben sich für eine bestimmte Möglichkeit entschieden, jede andre wäre ihm aber auch recht. Anders Sie. Sie wollen im Umkreis jedes möglichen Aussehens hervorstechen, und das muß natürlich irgendwie, genau wie der Verkehr, geregelt werden. Sie müssen wissen, wie man überhaupt aussehen kann, damit Sie wissen, wie Sie aussehen müssen. So. Und schon haben Sie Ihre Möglichkeit gefunden. Ich weiß allerdings nicht, ob die Sie verbessern wird oder eher doch eine andere? Es muß jemand geben, der Ihnen ein Foto davon macht, wie jemand aussehen kann, damit Sie, in Ihrer Bekleidung, den entsprechend ansprechenden Anblick bieten können.

Egal, kommen Sie endlich aus sich heraus, wenn Sie schon in Bewegung sind! Die Menschen wollen außer sich geraten, dabei ihr Leben sprengen, aber wenn sie einmal herausgeschleudert worden sind, finden sie vielleicht nicht mehr zurück. Außer sich geraten, bis die Haut alle Farben spielt und aufplatzt, das wollten sie schon immer, das ist nicht unbedingt eine grundlegende Funktion ihrer Artbehauptung, wenn die Heimkunft nicht gesichert ist. Sie könnten auch etwas ganz anderes behaupten, das wäre ohnehin besser für sie. Warum Schuldgefühle, wenn Sie sich was Neues kaufen? Konto wieder überzogen? Kreditkarte am Limit, eigentlich schon drüber? Das sollte Sie nicht kümmern. Es ist vernünftig, aus dem Naturzustand der Schuld herauszutreten und Schulden zu machen. Sie tragen eigenwillige Hemden, Hosen und Schuhe, denn hier zählt Ihr eigener Wille noch was, und das kriegen Sie alles hier, ja, genau hier! Oder nein, vielleicht doch eher dort drüben. Dort ist ein Outlet. Alles muß raus, nur Sie müssen dort rein! Und überall sonst, auch dort, wo Sie wohnen, können Sie es sich vorher anschauen. Sie wollen sich vergrößern? Bitte, dieses Foto ist so vergrößert, daß Ihnen darauf der Übermensch erscheinen könnte, hätte der nicht grade was andres vor. Den Anblick haben Sie sich schon mal verschafft, gut, jetzt in die Stadt und ins Geschäft hinein! Die Anblickbeschaffung hat funktioniert, jetzt müssen Sie sich nur noch den Gegenstand des Anblicks verschaffen. Dann können Sie mit dem, was Sie hier bekommen, an sich anbauen, anstatt sich selbst zu säen und damit zu vergeuden, denn dieser Boden ist ohnedies unfruchtbar. Sie gaben ihm den guten Dünger, was glauben Sie, was der gekostet hat!, dabei wollen alle das Essen ohne Dünger bekommen, aber der Boden gibt eh nichts zurück. Umtauschrecht? Keine Ahnung. Wo nichts ist, haben Sie alle Ihre Rechte verloren, und die Linke funktioniert auch nicht mehr.

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Kleidung hat einen Zeitbezug, kein Zweifel, doch das, womit Sie sich beziehen, ist nicht mehr zeitgemäß, die Zeit dieses Mantels war vorgestern, und sie ist heute abgelaufen, die Mode ist immer genau heute abgelaufen und ungültig geworden. Ihre Fähigkeit zur ständigen Vervollkommnung und Selbstoptimierung scheint außer Kraft gesetzt. Sie sind festgefahren! Setzen Sie sich erneut in Gang! Diese Kleidung, mit der Sie eine Art von Willen ausdrücken, zumindest glaube ich das, wenn ich Sie so anschaue, es könnte aber auch unabsichtlich passiert sein, ersetzt Ihren eigenen Willen auch wieder ganz ordentlich. So. Er ist bereits ersetzt, Sie haben es bloß nicht gemerkt. Willenlos wie ein Falter sind Sie ins Geschäft getaumelt, nur den Sonnenschein im Blick, und haben sich Fremden ausgeliefert, die nichts gesagt haben, denn es gibt immer zuwenig Personal, das kostet schließlich auch was. Bis Sie etwas andres wollen, das kann recht schnell passieren, ist Ihr Wille geschehen, das heißt, er ist vorbei, am Kreuz verstorben, kein Vater kommt mit dem rettenden Schraubenzieher oder der Beißzange und holt Sie wieder runter. Schon beim Verlassen des Ladens brechen Sie vor Verzweiflung fast zusammen. Das ist nicht, was Sie wollten. Sie wollten was andres, doch Sie haben es nicht gefunden.

Was, Sie sind das gewesen? Moment, Ihre Kleidung will aber auch noch was, ich sehe es ihr an, ihr fehlt etwas zur Vollendung; die Menschen hören ihr zu, und dann kaufen sie sich etwas Passendes dazu, das aber dafür ihnen nicht paßt. Zu schrill die Schreie. Schreiend das Schuldgefühl, wenn man sich verausgabt hat. Diese Tasche – also nein, wirklich nicht! Wo haben Sie die denn her? Im Kaufhaus, allerdings nur in einem einzigen, doch ich bin nicht die einzige, die es kennt, kriegen Sie genau die gleiche, aber billiger, und natürlich ist es nicht die gleiche, was Sie aber erst nachher merken. Wenn Sie das nur vorher gewußt hätten! Kleidung ist immer: Wenn wir das vorher gewußt hätten! Danach ist es immer zu spät. Aber allgemein gesagt: Die Kleidung ist heute noch nüchtern, daher muß man sie anfüttern, mit Schmuck am besten oder eben, sehr wichtig!, mit Taschen, so etwas wie diese Tasche haben Sie noch nie gesehen, an Ihrem Schwenkarm hängt sie jetzt und belästigt Passanten, die seitlich vorbei wollen, bitte, hier können Sie sie sehen. Gleich haben Sie sie in den Rippen. Und dort drüben haben Sie eine Kopie davon gesehen und den Unterschied, auf den es ankommt, gar nicht erkannt. Sie war schon vor dem Original auf dem Markt, den Sie noch nicht betreten haben. Vuitton hat sich über die Taschen hinaus ausgebreitet, er hat Tonnen von Kleidern über die Taschen gebreitet, denn die Marke hat ihren Reiz und muß daher ausgereizt werden, von einem Mann, welcher inzwischen ein ganz andrer Mann ist, aber eigentlich derselbe, ein neuer Mann, der alle Ihre bisherigen Meinungen über den Haufen werfen kann, einfach dadurch, daß er ein Spätergekommener ist, ähnlich Jesu und sein Papa, und nicht, wie Sie, ein Zuspätgekommener, und sein neues Wort gilt ab jetzt, da der Neue Bund geschlossen wurde, nein, nicht das Wort vom Jesus! Der kann es sich nicht leisten, Werbung für sich zu machen oder seine neue Kollektion in den hochglänzenden Zeitschriften vorzuführen, denn seine Kollektion besteht meist aus Toten, ihrem Darunter (ich glaube ja nicht, daß die was drunter tragen) und ihrem Danach, dorthin strebt alles, auch Gottes Wille. Der gilt immer, die Mode gilt nie, weil sie sich immer selbst überholen und das Gegenteil von gültig sein wird. Was immer Sie auch tun, wo immer Sie auch sind, Sie sind immer ein Auch! So wie Sie können immer auch andre mit Hilfe der Mode aussehen. Alle, wenn sie nur wollten! Und das Wie des empirischen Aussehenkönnens ist es, was wir uns auf diesem Foto vorstellen sollen, bloß an uns. An uns mit den zu kurzen Beinen und dem zu fetten Arsch.

Es muß in der Mode jedenfalls unbedingt das Unbedingte sein, das Äußerste, das aber immer ein und dasselbe ist, nur anders, das Leben kann leicht oder schwer sein, sogar Leinen kann leicht oder schwer sein. Im Grunde sind sie miteinander unvereinbar und vertragen sich nicht, ich weiß jedoch nicht, wer und aus welchem Grund und mit wem, ach ja!, vielleicht, weil das alles so leicht knittert, was in diesem Fall aber als Sondereffekt erwünscht ist?

Mensch und Genuß: Sie wollen schließlich was davon haben, daß Sie angeschaut werden, das ist doch keine Einbahnstraße, es muß nicht der Abgrund sein, der auf sie zurückschaut, wenn Sie in ihn hineinschauen, es kann auch etwas Äußerliches sein, auf das geschaut wird, denn Ihr Inneres sieht ja keiner, klar, das Gemeinte ist nur so meinbar, daß es als das vorgestellt wird, was Ihr Hineingehören in den Anblick der anderen regelt. Sie müssen selbst dafür sorgen, daß Ihr Anblick geregelt wird, da steht keine Ampel, Sie müssen schauen, daß Sie Ihren Anblick irgendwie selber regeln. Das heißt, Sie müssen der Anblickbeschaffung auf die Sprünge helfen. Das wird mit Jeans und Pulli nicht funktionieren, sage ich Ihnen gleich. Da müssen Sie schon mehr in sich investieren. Der Mensch als solcher ist doch das Gegenteil von Genuß, wenn man ihm nahe kommt. Es graust einen. Schon der Geruch! Doch sie können sich ausdenken, die Menschen, woran sie sich erkennen, falls sie sich zu vereinigen, zu veruneinigen oder sonstwie diesen Genuß zu erzielen wünschen. Dann legen sie sich ihre ausgewählten Objekte auf Objektträger, und selber tragen sie auch immer was, das ein Schoß entweder vor oder nach der Zeit geboren hat. Zu früh oder zu spät. Und dann tragen sie es nicht mehr, die Menschen, obwohl es ihnen vor einem Jahr doch so gut gefallen hat! Wieso jetzt nicht mehr? Schauen wir uns an, was sie tragen? Da sie etwas tragen, müssen sie Menschen sein. Tiere tragen, was die Menschen ihnen geben, vor dem, was dieser Hund gestern getragen hat, man hat für seinen Hintern wenigstens einen kleinen, aber nötigen Ausschnitt freigelassen, versagt die Versinnlichung meiner Begriffe. Und auch Sie machen sich keinen Begriff. Das Tier ist Natur, das war einmal. Sie selbst waren auch einmal Natur, und jetzt gibt es nicht einmal mehr ein adäquates Abbild von Ihnen, denn Sie sollten so aussehen wie die Frauen auf den Fotos, und das können Sie nicht. In die Natur können Sie zwar gehen, aber Sie können sie nicht tragen. Man kann sich den Wald, die Wiese nicht anziehen, man kann sie aber in einer bestimmten Form, die etwas wie Wiese behauptet, falls man ihr glaubt, schon anziehen. Man kann natürliche Materialien tragen, wie schwer auch immer das ist, falls noch Erde dranhängt, man kann sich nachhaltige Mode kaufen, doch man wird rasch merken, daß die genauso schnell verfällt wie die künstliche, nein, noch schneller, gerade weil sie Ewigkeit anstrebt, was der Mode grundsätzlich zuwider ist. So, was Sie da tragen, ist trotzdem immer noch Leinen!, ich schwöre!, was, das trägt man immer noch?, das trug man doch zuletzt vor zwei Jahren im Sommer, und zwar zum letzten Mal, das es aber in der Mode nicht gibt, um die Natur damit zu schonen, aber die Natur wäre selbst die letzte, die natürlich sein wollte, ließe man ihr die Wahl. Da sie ohnedies kaputtgemacht wird, wäre sie lieber von vorneherein aus einem haltbareren, zur Not auch künstlichen Material. Die Natur würde, überließe man ihr die Entscheidung, lieber aus Kunststoff sein, damit sie nicht unter unseren Tritten verrotten müßte. Daß sie ewig währt und nicht angetastet werden kann, das wäre ihr Traum. Und wenn sie angetastet wird, dann würde man es nicht sehen. Es hinterließe keine Spur. Doch sie hat nicht die Wahl.

Sie kann außer sich geraten, alle wollen sie heute wieder hin zu dieser Orgie, stapfen zu den Tanzplätzen, den Clubs, die Erde bebt unter ihren Tritten, das hat sie nicht verdient, aber Sie, hätten Sie mehr verdient, hätten sich die Schuhe von Gucci, nein, Moment, von Jimmy Choo im Original kaufen können? Und nicht als Kopie einer Kopie einer Kopie? Ja, dort am Eck, wo früher ein Italiener war, in dem wir jahrelang zu Abend gegessen haben, dort ist er; ach, waren das Zeiten, wieso haben wir sie aus dem Schoß der Zeit vor der Zeit herausgerissen? Na, wir warens nicht, der Vermieter wars. Gucci zahlt besser. Und dann zahlt man für diesen Mantel dafür noch viel mehr. Die Geschäftslage wird auf den Preis der Kleidungsstücke aufgeschlagen. Einer bezahlt den anderen, es ist ein Nehmen und Nehmen. Wer gibt? Wer hat zuviel? Niemand. Die Natur gibt, sie verausgabt sich, wen interessierts, sie ist ja gratis zu betreten, genau das ärgert sie ja so. Außerdem verstehe ich persönlich nicht, wie man die Natur schonen kann, wenn man sie sich anzieht. Dabei wird sie doch erst recht abgenutzt! Kaufen Sie jetzt, denn bald schon werden Mode und Schuhe teurer! Dafür wird die Natur immer weniger, Sie müssen sich jetzt entscheiden. Was, das soll nachhaltig sein? Also das wollen wir ganz bestimmt nicht!, obwohl wir Nachhaltigkeit prinzipiell sehr begrüßen, außer eben in der Mode. Dort ist sie nicht angebracht. Dort fällt die Dauer hinunter und ist gar keine Dauer mehr.

Alles, was in Dollar notiert, wird teurer, wenn man es einführen will. Morgen wird das vielleicht anders sein, aber heute ist es so. Doch Mode soll man sich nicht einführen, man soll sie außen anbringen, sonst sieht sie ja keiner. Ich weiß, warum die heimischen Designer so wenig Erfolg haben, ich weiß es als einzige: Weil es so grauenhaft ist, was sie da machen, man muß sofort die Augen schließen, wenn auch nicht auf Dauer. Egal, womit sie es machen und woraus. Sie werben also mit Nachhaltigkeit, von der die jungen Leute so gerne reden, obwohl gerade sie noch so viel Zeit vor sich haben. Wie lang soll das Gelump denn halten, zwanzig Jahre oder was? Die Jugend will Veränderung, das ist ihr gutes Recht, sie will aber auch, daß alles bleibt, wie es ist: heil. Alles soll gesund sein, auch die Fische im Netz sollen es sein, die wollen wir schließlich essen. Sie will bewahrt bleiben und Aufgaben wagen, die Natur?, nein, natürlich die Jugend, zum Beispiel wollen die jungen Menschen unter uns, die unter uns aber nicht sein wollen, sondern unter sich, diese altgewordene Welt abtragen und wahrhaft neu wieder aufbauen. Oder nein, lieber doch nicht. Sie wollen gesunde Baumwolle zu gesunden Preisen kaufen und dann mindestens zehn Jahre lang tragen. Oder nein, doch lieber nicht. Lieber öfter mal was Neues! Es interessiert sie nur das Aussehen und der Preis eines Kleidungsstücks. Wie lang es halten wird, das wollen sie gar nicht wissen. Sie wollen, daß das Zeug sie vorteilhaft umschließt. Was uns erfreut, erfreut dann gewiß auch die Natur, es ist ja unsere, sie gehört uns. Das Bewußtsein für ökologische und soziale Aspekte der Textilproduktion steigt und steigt, na sowas, es steigt ja noch immer!, vorhin ist es gerade bis über die Schwelle dieses Geschäfts gespritzt, und da ist es schon!, was für eine Flut!, unglaublich, wie hoch, ich habe richtig nasse Füße. Jeder will das, daß das Bewußtsein steigt, bis sich uns die Natur wieder erschließt und dann, um zwanzig Uhr, wieder zumacht. Das Bewußtsein für Glück und Gesundheit und Unversehrtheit ist schon ganz oben, aber keiner ist drauf. Außer einem durchgebluteten Verband, der was weiß ich wem gehört. Der liegt da so rum und erinnert daran, daß das Sein ein Werden geworden ist, ein paar Opfer waren schon nötig, macht ja nichts, aber dann ist aus dieser Hose jene geworden, eine ganz andere, nur ein paar Monate später, allerdings, wie schon gesagt, ist es jetzt auch eine ganz andre Hose. Die Kunden nehmen keine Abstriche im Aussehen in Kauf, nur damit diese Jacke ewig hält, nein, das tun sie nicht. Jetzt nehmen die sogar gebrauchte Klamotten in Kauf, der Rabatt dafür beträgt 15 %, also wenn Sie dort das T-Shirt, das Sie 1,4mal getragen haben, abgeben, müssen Sie für das nächste weniger zahlen. Na, geht doch! Das geht, solange es geht. Das zieht, solange es zieht. Und keinen Tag länger. Der Preis für Baumwolle ist niedrig und stabil, na ja, derzeit jedenfalls, morgen vielleicht nicht mehr. Dann wird der Preis wieder anders, aber für eine gewisse Zeit auch stabil sein. Der Preis wird verfallen wie das menschliche Leben. Bald wird etwas ganz anderes wahr werden. Heute ist das alles nur noch zu einem Viertel wahr, gemessen an dem, was vor vier Jahren wahr war. Der Preis für Baumwolle zählt überhaupt nicht bei den Mengen, die verarbeitet werden.

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Dieser Bikini besteht also aus ganzer, gesamter, gesunder Baumwolle, dafür ist er so klein, daß er nicht einmal die Blöße einer Ameise bedecken könnte, und dennoch treibt er in Indien jährlich ca. 100 000 Bauern in Sachen Baumwolle in den Tod. Sie töten sich, jede Stunde einer, mit dem Unkrautgift, das sie vorher auch in die Baumwolle gejagt haben. Vorher haben sie sich in unbezahlbare Schulden gestürzt, nur damit wir unser T-Shirt um 5 Euro 90 bekommen, bei Primark um 4, den Unkrautvertilger mußten sie extra bezahlen, mit sich selbst, nein, für sich selbst hätten sie nichts bekommen. Wir wollen billige Preise, über Menschenleben sprechen wir jetzt einmal nicht, die können für sich selbst sprechen, ein andermal. So steht es geschrieben, und zwar nicht nur hier, und nicht nur hier lesen Sie es nicht, bittesehr, hier steht es trotzdem, wenn auch nicht nur, aber nirgendwo steht, daß es auf den Stoff nicht ankommt, der Stoff ist das Phantom der Mode. Die Menschen sind nackt, die Kleider sind die neuen des Kaisers, denn nur auf die Arbeit, die der Mensch in etwas hineinsteckt, und die Zinsen, die er für sich und seine Investition bekommt, kommt es an.

Da staunt er aber, daß er nicht mehr kriegt, wer auch immer, dieser Mensch, der den Euro mühevoll aufgeweicht hat, daß er nun so labbrig ist wie dieses nasse T-Shirt, welches genau einmal gewaschen wurde. Alles muß teuer erkauft werden und noch teurer bezahlt. Auch junge, umweltbewußte Menschen haben eine Vorstellung, welches Elend im Namen der Mode angerichtet wird, aber das, was da angerichtet wird, wollen sie trotzdem essen, möglichst jede Woche einmal. Es kann ihnen gar nicht schnell genug gehen. Da kann man nichts machen. Der Weg ist gangbar, aber an die Bar geht man lieber, doch es ist auf alle Fälle ein weiter Weg. Und ein weiterer Weg ist der Tod, ja, den können Sie natürlich auch nehmen, am besten, bevor Sie noch wissen, was das ist. Aber wer weiß das schon? Vorteil: Dann wird Ihnen egal sein, was Sie anhaben. Endlich.

Erst mal verknäueln sich die Schlangen im Baumwollfeld zu einem Haufen, und dann ist die ganze Baumwolle weg, sie wurde nie chemisch gespritzt und vor Tieren geschützt, denen sie ursprünglich gehört hat, denn die waren vorher da, haben aber ihren gedeckten Tisch in einem fürchterlichen Zustand hinterlassen. Oh, wie schade, daß die Baumwolle jetzt so teuer geworden ist und inzwischen auch schon wieder billiger, und das bleibt sie jetzt auch ein Weilchen! Das geht immer rauf und runter, doch seit einem Jahr ist es stabil. Sie werden sich noch wundern oder freuen, je nachdem! Dann ruht sie ja nicht mehr in sich, die geschonte Natur, diese Schonung an sich, sondern an sich und auf uns, und auf uns würde ich mich nicht verlassen. Natürlich ist sie etwas gesünder als, sagen wir: die Kunst, aber nicht viel. Etwas ist natürlich immer gesünder, und erst recht etwas Natürliches, so wie es immer etwas gibt, das schöner und auf alle Fälle gesünder ist, als sich Schlangen ins Haar einzuflechten! Ich bin wie Pentheus, ich höre, ich höre von den unerhörten Auswüchsen in dieser oder jener Stadt, deshalb bin ich gekommen, weil angeblich die Frauen sogar ihre Frauenhäuser verlassen haben, bloß um dann wieder nur einkaufen zu gehen, sobald sie auf die Straße gelangt sind. Dabei geraten sie immer so außer sich, sogar ganz allein, wenn keiner sie sieht außer einem Spiegel, der sie zurückwirft, aua!, weil er sie einfach nicht mehr ertragen kann, so oft, wie sie in ihn hineinschauen, und das, was sie später kaufen wollen, hält er erst recht nicht aus, der arme Spiegel. Da halten wir uns besser raus, der kann uns zum Glück ja nicht nachrennen. Essen Sie es hier oder dort, was Ihnen angeboten wird! Tragen Sie hier oder dort, was Sie gekauft haben, das sieht an Ihnen so aus, daß man Sie ergreifen und mit gebundenen Händen ins Staatsgefängnis werfen möchte, wenn man könnte. Ich möchte Sie auf dieser Erdoberfläche nicht mehr in Freiheit antreffen! Ich möchte Ihre Freiheit zu kaufen unbedingt begrenzen! Ja, ich! Das geht gar nicht, was Sie da vorhaben und anhaben! Dafür sind Menschen gestorben, das wissen Sie doch! Fassungslos sehe ich es und kann Sie nicht aufhalten. Sie kaufen sich diese neue Hose, hauteng, klar, skinny, Sie gehen echt als Wurst herum, die Krebs erzeugen kann. Sie trauen sich was!, aber das trauen sich doch alle!, da staune sogar ich. Und dann schleichen Sie sich fort, eine nach der anderen, unter dem trügerischen Schutz dieser Hose, ja, auch Sie dort, und Sie gehen an einsame Plätze, nein, an belebte Plätze, um sich der Lust der Männer hinzugeben, zumindest anzubieten, denn genommen wird nicht jede, die drauf hofft, aber immerhin, die Hose entwirft ein recht gutes Bild vom Körper, denn sie läßt keinen Blick offen und keine Hoffnung in Grenzen, diese Hose zeigt einfach alles, auch das, was man gar nicht sehen wollte, weil es nicht neu ist. Schon rennen die Mädels, um sich so eine zu kaufen, die ist aber wie die meisten andren auch, die Hose. Dazu müssen Sie sich selbst überholen, weil Sie zu lang gezögert haben, ja, auch Sie! Sie haben mit dem Einkauf gezögert, der Sie so viel schöner hätte machen können, und jetzt müssen Sie für die Orgie die alten Sachen nehmen, die noch da sind. Die meisten neuen sind schon ausverkauft oder werden gerade von anderen gekauft. Kaufen auch Sie, solange der Vorrat reicht!, und der Vorrat ist jetzt schon erschöpft, doch bald kriegen wir neue Vorräte herein, die auch nicht lange vorhalten werden. Der Vorrat ist allerdings unerschöpflich, ist er nicht hier, dann ist er eben dort, hier oder dort, und dort sollten dann auch Sie sein. Ja, der Verrat auch, denn keiner verrät Ihnen, daß Ihnen diese Hose überhaupt nicht paßt, aber sowas von nicht! Alle lügen sie. Doch Sie würden das Gesagte ohnedies nicht in Ihrem inneren Blick erhalten wollen und im äußeren schon gar nicht. Das geht Ihnen bei einem Ohr rein und beim andern wieder raus. Ihr Selbstbewußtsein, um das ich Sie nur beneiden kann, ist eine ständige Anwesenheit. Ich aber will, daß gar nichts da ist. Daß nichts anwesend ist. Das ist Ihnen aber ganz egal.

Das Material, das Sie da, gestern, heute, morgen anprobieren, wird fließend oder träge sein. Bei der Skinny Jeans wird es wohl recht fest sein müssen, sonst fallen Sie oben raus, und die Hose fällt unten runter. Das Oberteil dazu vielleicht fließend. Es wird an Ihnen hinunterrinnen wie Wasser oder um Sie herumstehen wie eine Menschenmenge bei einem Unfall. Oder es wird ebenfalls steif sein, wie ein Toter nach einiger Wartezeit, die er aber immer abwarten kann. Während wir die neue Kollektion kaum erwarten können, lang wirds zum Glück nicht dauern, bis sie kommt. Kriegen Sie alles hier, auf der Straße (ja, auch den Toten unter den Rädern), meist schon, bevor die neue Jahreszeit noch angebrochen und aus der Packung raus ist, und bald schon zum Ausverkaufspreis.

Es wird schon geschleudert, der Schleuderpreis ist bereits angeschrieben, bevor die Maschine der Zeit überhaupt zur Gänze gefüllt werden konnte. Die Menschen verschleudern sich ja auch selbst, warum die das wohl machen? Sie drängen sich danach, sie treten den Vorderen auf die Fersen, damit es schneller geht, doch die Schlange stockt schon wieder, ein Stau!, da gibt es etwas Neues, wir müssen uns beeilen, gleich ist es alt! Die Menschen können sich gar nicht schnell genug vergeuden. Es gibt nicht einmal Orgien für jeden, obwohl in eine Orgie jeweils mehrere hineingehen, ich meine: zusammengefaßt werden, bis man sich wieder gefaßt hat. Es würde sonst niemand mehr arbeiten. Was noch an den Menschen dran ist und was sie sich teuer erkauft haben – weg damit! Natürlich haben sie den Vorwand, daß sie das alles brauchen, weil sie es noch nicht haben, obwohl sie schon zehn Blazer haben, zehn Blazer in fünf Jahren, das vorige und dieses Jahr ausgenommen, denn da trug man grundsätzlich keine, weil die so gewittrig blitzen und ihre Knöpfe fletschen, als wollten sie gleich zum Angriff übergehen, aber vielleicht auch aus einem ganz andren Grund. Da trug man ganz andre und ließ sich von ihnen betrügen, was die Farbe angeht, und dies geht auch Sie an: immer dasselbe, das Alte, aber ganz neu! Um dem Alten endlich ein Ende zu setzen, kauft man sich was, denn das Neue ist immer schon da, und es hat sein eigenes Wesen, das es natürlich immer mitbringt. Sein Bildcharakter gehört zum Schema, auf dem Foto können Sie es sehen, es ist ein schlichter Anblick, aber ein andrer als vor zwei Monaten, und Sie wollen sich ein Bild davon machen und es sich anschauen. Doch du sollst dir kein Bild davon machen, spricht der Herr, der dies hier designet hat. Er hat es gedanklich geschaffen, gemacht haben es andre. Sie aber, Sie aber!, Sie sehen sich selbst auf dem Bild, oder? Hab ich recht? Was, Sie sehen sich eher auf diesem andren Bild dort? Reine Einbildungskraft! Das sind nicht Sie! Lesen Sie Kant, einer muß es tun, denn ich tu es nicht, no way, es wäre eh zu spät dafür. Die Einbildungskraft ist ein Vermögen der Anschauungen auch ohne Gegenwart des Gegenstands. Der Gegenstand ist Gisele Bündchen in einem Strandensemble, bei dem jedes Teil gesondert bezahlt werden muß, wenn auch nicht teuer, gar nicht teuer. Was sein muß, muß sein. Sie können das alles kombinieren, wirklich, ich schwöre, die Firma hat es ausdrücklich gesagt, in Ausdrücken, die noch dazu jeder versteht. Jeder kennt sich aus. Und auf dem Plakat versteht man es erst recht, man sieht Gisele und ist schon überzeugt. Die Einbildungskraft, die man hier aber nicht benötigt, gehört zum Anschauungsvermögen. Also schauen Sie ruhig, Sie sind es nicht! Sie könnten es sein, aber Sie sind es nie, nie, nie. Ihre Einbildungskraft führt nicht zur Erkenntnis, denn die ist in Sinnlichkeit und Verstand geschieden. Glaube ich zumindest, weil es ein andrer vor mir geglaubt hat. Sie können sich also auch gern, von mir aus, vorstellen, Gisele in diesem Ensemble zu sein, ohne daß sie da ist, ohne daß Sie da sind, ohne daß irgendwas da ist, denn das angeschaute Seiende braucht eben nicht selber anwesend zu sein. Es ist. Deswegen müssen Sie es ja kaufen, Sie haben nicht die Wahl, Sie haben nur die Auswahl. Irgendwann ist es endlich da, bloß Sie sind es nicht. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie müssen es ja auch nicht sein. Na schön, aber dann sieht mich doch keiner, sagen Sie?, nicht einmal, wenn ich sogar beide Teile, die nun wirklich so gut zusammenpassen, ja, fast identisch sind, nur in der Form unterscheiden sie sich noch, wenn ich also beides kaufe und separat bezahle, wie gewünscht! Moment, wie kann ich Ihnen diese Erkenntnis ersparen? Ich kann es nicht. Die Einbildungskraft kann anschauen, einen Anblick hinnehmen, ohne daß das betreffende Angeschaute sich selbst als Seiendes zeigt und von sich her allein den Anblick verschafft. Geht auch nicht. Allein wollen Sie sich wohl kaum einen Anblick verschaffen, nicht wahr. Für wen denn? Einen Anblick gibt es nicht gratis und nicht für Sie allein, da würde er ja nichts kosten. Sie wollen einen Anblick für andre schaffen, für möglichst viele sogar, und Sie wollen diesen auch selber anblicken oder im Netz anklicken. Klar.

Soll ich jetzt nach dem Wesen des Menschen fragen, wollen Sie das im Ernst? Von mir aus, das tu ich, wer sollte es mir verbieten. Nein, ich habe nachgedacht: Ich tue es nicht. Wonach sonst fragen? Wie sollte mir sonst die Wahrheit als Gottmensch, nein, Entschuldigung, als Frühjahrsensemble erscheinen? Ein Wort, das es wirklich nur noch am Theater gibt, es wird dann vom Herbstensemble ersetzt werden. Nein. Ich frage lieber nach dem Wesen der menschlichen Vernunft, das ist die schwierigere Frage, denn da muß ich, wie Kant, der Frage ins Auge sehen, daß die Enthüllung der Subjektivität des Subjektes vor dem Grund zurückweicht, daß es keinen gibt. Daß es keinen Grund gibt, daß es ein selbstgelegter Grund ist, also gar keiner, sich etwas zu kaufen, das man schon hat, noch dazu in mehrfacher Ausfertigung, die Unterschrift variiert zwar, wie jede Unterschrift, ein wenig, ich sehe auch die kleinen, ja kleinsten Unterschiede, aber auf die kommts halt an. Man will doch oft sein, was man nicht ist, oder? Das wird dann noch viel teurer. Lieber sich hineinfragen in die Subjektivität, daß Sie als Subjekt selbst in diesem Strandensemble von H&M nicht so aussehen werden wie Gisele in der Karibik, die sich in ihrem Körper recht wohlzufühlen scheint, also Gisele in der Karibik, nicht umgekehrt, kein Wunder bei dem, was man ihr dafür zahlt, wie sie, die genau das auf dem Foto trägt, was Sie auch immer schon wollten und jetzt sofort auch haben wollen, hervortritt als junge Rebellin und das Haar gemäß dem Wind wehen läßt. Bloß sehe ich sie heute leider nicht, heute trägt ein Gabor-Schuh in diesem Kasten sich selbst, ein Stück Fuß mit lackierten Zehennägeln haben sie ihm hinzugefügt, sogar ein Stück Bein, damit es besser ausschaut. Und heute, gerade heute, reiner Zufall, hat Gisele selbst gesagt, sie wird selbst nie wieder gehen. Merken Sie sich diese Aussage! Das Datum kann ich hier leider nicht einfügen, ich habe es vergessen. Sie wird nie wieder über einen Catwalk gehen. Das ist für sie vorbei. Doch Sie, die Sie glauben, ihre Stelle einnehmen zu können, die Sie das hoffen, Sie werden nicht Gisele werden, niemals, träumen Sie weiter!, auch nicht in diesem Höschen mit süßem Oberteilchen, beides wird nächstes Jahr von einer anderen getragen werden, aber immer noch fast genauso aussehen, sieh an, diesmal haben sie eine leckere, lockende Rüsche quer drübergenäht, macht fünf Euro extra, ja, auch an Ihnen wird das sicher gut aussehen, falls Sie die fünf Euro extra investieren wollen, aber sehen wird es niemand an Ihnen wollen, obwohl diese verzogene Verzierung von Ihrem Gesicht ablenkt, wenn auch nur kurz. Sie stehen im großen und furchtbaren Bann dieses wunderschönen Models, auch wenn es gar nicht mehr geht, ich meine, wenn Gisele gar nicht mehr geht. Sogar das Gehen ist solchen Menschen schon zu viel, lang bevor sie vom biologischen Prozeß abgebaut werden. Und es wird dann alles wieder ganz neu sein, auch die Frau, die die Höschen und das Oberteil dazu trägt! Ich habe schon vorher gehört, daß alles neu sein wird.

Sie werden nicht neu sein. Sie werden ja nicht einmal, was sie schon sind, wie sollen Sie dann eine andre werden? Ich sage es, aber ich weiß das auch nur, weil es mir mein Verstand gesagt hat, ich bin allerdings die einzige, die sich auf ihn verläßt, gerade reicht er mir einen Zettel herein, mein Verstand, ich kann ja immer nur kurze Sachen auffassen und das nicht lang, und kurz und gut, er sagt: Sie sollen kaufen, was Sie schon haben, nur anders, in andrer Form, mit neuem Inhalt. Zum Sein als Erscheinen gehört nun mal der Schein. Das Sein ist als Schein nicht minder mächtig, denn das Sein als Unverborgenheit, das sehen Sie ja. Der Denker hat Sorgen, oje! Als ob es Unverborgenheit heute überhaupt noch gäbe! Das habe ich schon öfter gesagt, und der Denker hat es dann ausgeführt. Nein, eher umgekehrt. Sie sind jetzt dran, Sie sind drin. Sie sind noch nicht drin? Dann müssen Sie es eine Nummer größer bestellen oder im Laden kaufen, dort können Sie es vorher mit Händen greifen und probieren und den Verkäuferinnen auf die Nerven fallen. Das ist eine schwere Kränkung, für Sie, der Verkäuferin ist es wurst, denn bei der Frage nach der Größe wird Ihnen klar, daß diese Art des Fragens die Frage nach dem Menschen selbst fraglich macht.

So. In Ihrer Größe gibt es das nicht mehr, dafür wird es in Ihrer Größe nächste Woche etwas total anderes geben, oder es wird Ihre Größe nicht mehr geben, weil sie nicht bestehen konnte, Ihre Gewichtlosigkeit ging verloren, und Größe hatten Sie nie, das wissen Sie. Aber bald, bald bekommen wir wieder die neueste Ware in den neuesten Größen herein, da wird es also etwas anderes geben, das neu, wenn auch genauso ist. In Ihrer Größe werden wir es dann gar nicht haben. Wir haben viele Größen, doch Ihre nicht. Wenn Sie eine Woche warten, dann stimmt alles wieder. Oder auch nicht. Wir haben Gisele für diese Saison engagiert, und sie hört jetzt auf, das sagt sie ja selbst; umso deutlicher werden Sie wieder an ihr sehen, wie wunderbar erst Sie darin aussehen werden, noch viel besser sogar. Jetzt erst recht! Ach Gott, das geht alles so schnell! Falls Sie das sehen, werden Sie vielleicht gar nicht mehr wissen, wer Gisele überhaupt war, und sie war doch eine der schönsten Frauen ihrer Zeit, die jetzt eine andre ist. Nicht sie, die Zeit. Nächstes Jahr trägt das eine andre, und es wird Ihnen etwas anderes an einer anderen gezeigt, das Sie kaufen sollen. Sie sollen es jedoch nicht erkennen als etwas, das Sie bereits haben, sonst würden Sie doch erkennen, daß Sie es gar nicht brauchen, weil Sie es ja schon besitzen. Was motiviert Sie dazu? Bitte sagen Sie es uns! Das schreckliche Schicksal der Mutter vom Dionysos wollen Sie natürlich wieder nicht hören. Das könnte ich Ihnen jetzt nämlich anbieten, ich habe ja nicht viel zu bieten, aber dieses Schicksal könnte ich jetzt sofort googeln, das dauert keine Minute. Länger wird es dauern, es darzustellen. Natürlich wollen Sie nicht, daß ich das mache, wer will das schon? Sagen Sie, was Sie hören wollen, dann lasse ich Sie hören, was Sie nicht wollen. Sie werden trotzdem darauf bestehen. Das sehe ich schon. Ich sehe Sie in diesem Ensemble aus Jacke und Rock und weiß: Sie werden wieder drauf reinfallen, damit Sie darin im Urlaub auffallen können. Vorher werden Sie es gar nicht anziehen wollen, damit es auch für Sie selbst dann neu ist. So wird das passieren, doch die Menschen, die werden Ihr Sein von Ihrem Schein gar nicht unterscheiden können. Die werden sich Ihr Kostüm, wie man früher gesagt hat, merken, wenn Sie Glück haben, Sie selbst wird man sich aber nicht merken. Schauen Sie, was wird uns hier wieder eingeredet, denn ausgeredet wird einem ja nichts? Es treten an: die Wahrheit als Unverborgenheit gegen die Verborgtheit, nein, Verborgenheit, das Entbergen Ihres Körpers gegen das Verbergen als Verdecken und Verstellen, und das alles soll Sie zum Vorrang vor anderen bringen. Oder so ähnlich. Nein. Mit Sicherheit. Unter 160 Frauen, die alle den gleichen Bikini tragen, werden Sie aufzufallen wissen, es wird nur keiner merken, daß man Sie sich eigentlich als das Eigentliche merken müßte.

Es gibt keine natürliche Motiviertheit bei mir dafür, das haben Sie sicher schon erkannt. Ich bin einfach nur dagegen, daß der Konsum von Kleidung immer schneller abläuft, uns davonläuft wie Wasser, weil es bergab geht, was meine ich damit? So wie es bei Ihnen keine Motiviertheit gibt, daß Sie immer wieder dasselbe, jedoch anders, haben wollen, obwohl Sie es, wie gesagt, bereits haben, wenn auch anders, aber das Andere interessiert uns ja, genau das!, so gibt es bei mir hier dauernd auch Widerspruch dagegen, immer mit fast denselben Worten, denn andere habe ich nicht. Ich habe, glaub ich, mehr Kleider als Worte, ich habe sogar mehr Worte für meine Kleider als für etwas anderes. Nein, das dann doch nicht, aber meine Vernunft könnte ich wenigstens retten, wenn ich einen Teil davon, nein, nicht der Vernunft, endlich wegschmeißen würde, dann könnte wieder dasselbe hereinkommen, das sie gestern hereinbekommen haben, und mich fragen, ausgerechnet mich, was der Mensch überhaupt sei, und ich weiß doch nicht einmal, ob nach dem Menschen überhaupt gefragt werden kann oder sogar muß. Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht. Ich weiß jedoch, es soll niemals etwas dasselbe sein. Aussehen und Preis sollen einander entsprechen, sonst wäre es sinnlos. Wie, was, wie was? Keine Ahnung. Aber wenn ich Sie so ansehe, weiß ich, was dasselbe ist, gerade weil ich nur wenige Vergleichsmöglichkeiten habe.

3

Was es bedeutet, dasselbe wie etwas ganz anderes zu sein, in seiner finstersten Ausformung, die keines Kaufs bedarf, dasselbe, das man schon hat, wie schon der Name sagt, sonst wärs ja etwas anderes, das weiß ich nicht. Es muß furchtbar sein, ungefähr so, als würde man sich selbst begegnen, wüßte aber ganz sicher, daß es einen nur einmal gibt. Man hat schließlich teuer für sich bezahlt, also hat man es sich gemerkt. Irgendwas stimmt hier nicht. Nichts stimmt hier. Damit hätten wir wenigstens die Frage nach dem Menschen bereits, wie so oft, bloß immer anders, beantwortet, es gibt jeden nur einmal und aus. Auch bei Zwillingen gibt es jeden nur einmal. In der Mode gibt es alles auch nur einmal, dies jedoch oft, daher darf ich das noch oft sagen. Ich werde mir dabei Mühe geben, versprochen. Was Ihre Form betrifft, die Sie notfalls aus Kleidung hergestellt haben, falls Sie sie nicht anders und besser formen konnten, das weiß ich genau, was dann passiert, kann es Ihnen genau sagen: Ihre Form, die Ihnen wie über Nacht davonlaufen wird, wird vernichtet durch Nudeln, Pommes, Brot, alles aus Mehl, noch mehr aus Zucker, was auch wieder seine eigene Form hat, nämlich keine, es hat keine und macht keine und zerstört jede andere, dann Fett, ja, jedes Fett ist seinerseits ja auch anders, genau, Zucker und Fett, das einzige Zeugs, das schmeckt, also durch alles wird diese, jede Form vernichtet, und jetzt ist sie auch noch zerschlagen, Sie können nicht mehr neu hergestellt werden, das ist unmöglich, das ist jetzt ganz vorbei. Ich höre im Vorbeigehen, daß Sie eine neue Form brauchen, und Sie hatten doch nie eine. Die Kleider schon, sie hatten eine Form, die ihrer eigenen Sicherheit diente, sonst wäre ihr Etikett wertlos oder gefälscht, dieses Kleid wäre es ganz genau, das wäre was für Sie, bloß eine Nummer größer oder noch größer; mit jedem X, das zu Large dazukommt, streichen Sie sich aus, wieder und wieder, und Sie stoßen an Ihre Grenzen, nicht so bald allerdings, denn Ihre Grenzen sind weit gesteckt, Sie können sie kaum sehen, Ihre Grenzen gehen kaum auf den Spiegel drauf; und die Firma hat schon reagiert, diese Firma hat schon auf die Frage nach dem Menschen reagiert und ihm gesagt, sein Körper soll doch bitte seine Unbestimmtheit aufgeben und sich endlich für eine fixe Form entscheiden, es werden mehrere Formen dafür hier ohnedies angeboten, und wir haben sogar Sonderangebote! Denn diese Modefirma hat die Größen absichtlich begrenzt, die wollen ja nicht, daß jemand wie Sie in einem ihrer Tops daherkommt, der nicht wirklich selber top ist. Diese Größe kriegen Sie bei H&M nicht, die Größe müssen Sie sich von woandersher holen. Das wollen Sie nicht? Na, ich kann Ihnen die Hose auch auf die Haut tätowieren, daß Sie scharf aussehen wie eine Gabel. Das wollen Sie nicht? Kann ich verstehn. Und ich habe jetzt auch noch vergessen, wie diese Unterwäsche heißt, mit deren Hilfe man sich unter der Kleidung eine ganz neue Form verleihen kann, wahrscheinlich heißt sie Formwäsche. Besser als die, die einem zugemessen wurde und bislang ganz angemessen schien, die neue Form, bis man sie wissentlich, wenn auch nicht willentlich, verändert hat, so daß einem auf einmal, nein, so schnell ist es auch wieder nicht gegangen, ein paar Monate dauert das mindestens, nichts mehr paßt. Die eigene Größe schon gar nicht. Besser, man verläßt sich auf andre und kauft sich eine Form, als daß man Natur bleibt und permenent schlecht in Form ist, und das wird ein Dauerzustand.

Schauen Sie, Sie können, um Ihre Art zu behaupten und zu behaupten, zu welcher Art Sie gehören, ja, das sind zwei verschiedene Dinge, Sie können also die Entscheidung wieder einmal der Natur überlassen. Sie machen es sich ja gern leicht wie die Erde angeblich den Toten, aber weiß mans? Die Natur im allgemeinen wird Ihnen schon sagen, ob Sie den warmen Wintermantel, den Parka oder den leichten Blouson kaufen sollen, nein, so ein Wort verwendet man heute gewiß nicht mehr, oder doch?, muß ich nachschlagen, wie nennt man das heute, leichte Sommerjacke, diese Begriffe gibt es durchaus noch, man findet allerdings nichts, was ihnen entspricht, nichts, was einem als leichte Sommerjacke angeboten wird, ist auch eine, ich habe es ausprobiert, also nicht die Jacke, die ging zurück, weil sie weder leicht noch für den Sommer geeignet war; wie sollte man sonst zu ihr sagen, was sonst soll man eingeben?, he, wie soll man sonst einen Grund für diese Begriffe legen? Wie sollte man sonst die Fraglichkeit des Fragens beantworten? Wie sollte Kant vor dem von ihm selbst enthüllten, ausgekleideten Grund die dazupassenden Grundfragen in ihrer ursprünglichen Macht und ihrer gefährlichen Tragweite entfalten, oje, schon wieder zu eng , die Hose!, (ausgekleidet bedeutet in diesem Fall gar nichts, es würde etwas wie: gefüttert bedeuten, hätte Kant die Vernunft besessen, das präzise zu erläutern, als er sich mit der Vernunft als solcher beschäftigte). Und wie der Mensch sich an seinem eigenen Boden, den er selber mühevoll eingezogen hat, festkrallt — das ist das Gegenteil von Mode, die an nichts festhält, alles preisgibt, alles bereitwillig vernichtet, weitergibt, wegschmeißt, wie dieser Mensch also, nachdem er in seiner eigenen Einbildungskraft fortschreitet (ich bilde mir nicht ein, diese Shorts jemals in diesem Leben noch anziehen zu können, bei meinen Oberschenkeln! Was Kant sich einbildet, das weiß ich nicht) — , wie der sich an seinem eigenen Boden festklammert, als wollte ihn einer unter ihm wegziehen, so zeigt er, gerade indem er sich an dem Boden, der in Wirklichkeit ein abgetretener Läufer ist, ein Teppich namens Wirklichkeit, dermaßen krampfhaft festhält, daß dieser Boden jederzeit einbrechen und einen Abgrund offenbaren könnte, der uns wiederum nicht kümmert, wir sehen ihn ja nicht. Bis er uns schluckt. Wir sehen vielmehr, und viel mehr ist sie auch nicht, eine den Körper umspielende, doch nicht efeuhaft umklammernde Jacke?, wie sagt man dazu?, die will ja auch nur spielen, ob Sie das also tragen sollen oder besser was Besseres. Ob Ihr Körper so ist, daß nichts ihn umspielen muß, sondern alles mit Ihnen spielen darf, aber gar kein Spiel mehr hat, weil es zu eng ist. Na, Sie können es sich leisten! Bei Ihrer Figur! Die Sie sich allerdings erst erwerben müssen. Sie müssen in die Zukunft investieren. Alle tun das. Doch bedenken Sie: Dieses faule Fleisch hat eine empfindliche Seele. Aber die kann man doch korrigieren, falls das nicht Sie und Ihr Körper sind! Man kann sich eine andre Figur machen lassen! Man kann sich die Seele herausoperieren lassen, man kann sie sich absaugen lassen, dann nennt man sie Bauch. Das sagt man heute alles nicht mehr, ich weiß. Ich weiß nicht mehr, was man heute sagt. Ich glaube, man sagt nicht schustern, man sagt schneidern. Ich kenne die Worte nicht mehr. Ich kenne keine Worte, nicht einmal auf meinem Spezialgebiet. Muß nachschauen. Muß aufhören, aber doch noch nicht jetzt und hier!

Was ist heute angebracht, was soll an Ihnen angebracht werden? Es ginge doch sofort in die Irre, und Sie würden sich im Raum irren. Schein, Trug, Täuschung, Irre, diese Wörter werden oft mißdeutet. Warten wir halt, bis die Macht durchsichtig wird und uns zeigt, was sie mit uns und unseren Körpern letztlich vorhat. Es ist nicht unsere Schuld, daß wir bis zuletzt so viel zu tragen haben. Es entsteht ein Kreis der höllischen Unsichtbarkeit, der Verborgenheit, hier reiche ich Ihnen die Wahrheit als Gegensatz dazu in die Kabine hinein, ein gutes Mittel gegen Ihr Verbergen als Verdecken und Verstellen, und die Wahrheit öffnet den Mund und spricht, bevor ihr noch alle Zähne eingeschlagen werden können, sie will nicht sprechen, aber bevor sie es gar nicht mehr kann mit ihrem blutig tropfenden Mund, spricht sie eben, als würde sie schweigen: Nein, das können wieder Sie nicht kaufen, das geht nicht, wenn Sie die anziehen, dann werden Sie die Unterschiede zwischen Sein und Nichtsein nie zur Deckung bringen, Sie werden sie nicht einmal befragen können. Sein oder Nichtsein, das ist hier nicht die Frage. Das Nichts sieht man nicht, diese Jacke würde man leider sehen, noch dazu wenn sie an Ihnen hängt! Nein, die hängt nicht an Ihnen, die wäre lieber bei jemand anderem. Mit der Jacke haben Sie sich geirrt. Ich erkläre das Sein für eröffnet, bremsen Sie, gewiß, Sie bremsen auch für den Schein, aber diesmal bremsen Sie halt fürs Sein, für seine blendende Helle, vor der man die Augen, wie vor Ihrer neuen Jacke, zukneifen muß, man ist geblendet, aber man muß diesen Schein aushalten, die anderen müssens ja auch. Sie glauben, diese Jacke könnte Sie dem Abgrund des Nichtseins entreißen? Aus Ihnen eine für andere machen? Träumen Sie weiter!

Da Sie schon fragen, aber das tun Sie ja gar nicht: Ich versuche da Dinge zu bestimmen, die längst vergangen, in Wahrheit aber nur in der Zeit steckengeblieben sind und seither ruhen, unruhig ruhen, ja, auch in mir. Ich versuche, sie aus dieser Ruhe zu bringen, die liegen eh nicht gut. Es geht nicht. Es geht mir gar nicht gut. Denn wo bitte ist zum Beispiel mein grauer Ledermantel aus den Siebzigern hingekommen, ja, der körpernahe, und damals kam ziemlich viel meinem Körper nah, dem jungen Sproß, dem jungen Sprößling, meine ich, keiner jedoch so nah wie der, na ja, ein paar schon. Ich weiß es nicht. Ich fasse mich selber nicht, also meine Kleidung faßt mich noch, ich aber nicht sie. Was soll das? Wenn Sie also in diesem Punkt, die Natürlichkeit betreffend, auf die Natur hören, auf dieses Leder, welches einst einem lieben Tier gehörte, warum tun Sie es dann nicht immer, es hat sich doch bewährt? Sie können sich auf die Natur komplett verlassen, zumindest solange sie in einiger Entfernung von Ihnen dahinfließt oder wogt oder einfach nur da oder auf Ihnen drauf ist, glauben Sie mir. Sie können prinzipiell zwischen verschiedenen Mützen, Hüten oder Basecaps wählen, aber Sie können nicht wählen, was die Natur Ihnen vorgibt, nein, als Rätsel aufgibt. So. Die Natur hat gesprochen, wir haben ihr nicht zugehört und wieder ein Tier zerstört, das keiner vorher betäubt hat am Ende seiner Straße. Vielleicht war sie es gar nicht, vielleicht war sie ganz woanders, die Natur? Oder vielleicht hat sie grad nicht hergeschaut. Glauben Sie wirklich, Sie könnten sich auch nur halbwegs schön einkleiden, wenn diese Kleidung hier hergestellt würde? Nicht einmal eine Jeans könnten Sie sich dann leisten, zumindest müßten Sie vorher lang überlegen: essen oder kleiden? Es ist egal, wo der Webstuhl steht, draufsetzen dürfen Sie sich nicht, an ihm stehen müssen Sie nicht, und der Marktpreis ist in Dollar, mit dem Dollar müssen Sie immer rechnen, was machen Sie also mit Ihrem armen kleinen Euro, dem Schwächling, über den sich die Deutschen die ganze Zeit so freuen wie nicht gescheit? Schon bald etwas ganz anderes, denn der Euro wird wieder steigen, ich wüßte gern, wann sich die Deutschen wieder ärgern werden, zum Beispiel jetzt, da Menschenfluten anbranden, um mit ihnen zu leben, freiwillig unter den Deutschen zu leben, ja, dann würde ich endlich anfangen, mich zu freuen. Was steigt, was fällt, was nur Wasser oder eine Menschenwelle ist, die schon zu viel ertragen hat und alles wieder: nicht einmal mein Bankberater weiß es, und alles wird überhaupt ganz anders sein, und die Menschen werden nicht mehr weben können, sie werden es sich abgewöhnt haben, sowas zu können, nur ein paar Irre ohne menschliche Vernunft werden es als Hobby betreiben, das Weben, nachdem sie sich für entlegene Bauernhöfe verausgabt haben werden, so verausgabt, daß sie ihre Kleidung nicht einmal mehr per Post bekommen können; selbst Arachne müßte sich zeigen lassen, wie das geht, und wenn keiner es mehr kann, dann kann hier auch keiner mehr was erzeugen, dann werden Sie zur Kasse gebeten, aber hallo! Doch andre zahlen mehr. Andre zahlen immer mehr, sie zahlen sogar drauf, keine Ahnung, wie das geht. Sie zahlen mit sich, daher entsteht nur noch minderwertige Ware, denn alle Kosten gehen in die fernöstliche Näherin, in Models, Marketing und Vertrieb. Und was, da zahlt noch jemand? Es zahlt auch noch die Näherin, die hier ihren Job verliert, in der Türkei zum Beispiel aber einen bekommt, denn im Luxussegment will niemand auf dem Schild lesen: Made in Bangladesh! Es ist eine Tragödie: Vor einem Monat erst, vor vielen Monaten also verloren 200 Frauen im Triumph-Miederwerk von Oberwart, Burgenland, das mir wohlbekannt ist aus älteren Dichtungen, ja, meinen eigenen, ihre Arbeit, welche mühelos für das obere Segment geeignet gewesen wäre. Jetzt will sie keiner mehr. Diesen Ort kenne ich, diese Frauen nicht, sie taten doch nur ihre Pflicht, wie andre auch, aber sie tun mir besonders leid. Ich lerne keine Fremden kennen, ich würde das Wesen ihrer Körper und die Natur ihrer Bewegungen nicht verstehen, und wer weiß, wo die dann wieder eingekauft hätten, wo man die dann wieder eingekauft hätte. Zum tausendsten Mal: Keine Dichtung dichtet richtig ab, keine ist von Homer, sie ist nur von mir, das heißt, sie reist nie weit, weiß aber immer alles. Sie weiß, daß woanders, nicht hier, tausend Frauen ihr Leben im Schutt ihrer eigenen Fabrik, die bloß nicht ihre eigene war, sonst hätten sie sie besser gebaut, gelassen haben, als wäre es nichts wert gewesen. Und auch Frauen, die besser gebaut sind als andere, sind mehr wert und werden garantiert nicht einstürzen. Auf die werden Sie losstürzen, falls Sie eine sehen.

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Ich verstehe schon, daß Sie mich gewählt haben, so wie Sie diesen neuen Pulli mit Löchern drinnen, die aber hineingehören und nicht nachträglich unter Mitarbeit von Motten entstanden sind, erwählt haben, der ist neu und daher jung, der Pulli, bloß Sie sinds nicht, das heißt, die Löcher waren immer schon drin, ich spreche von diesem japanischen Pullover, nein, ich weiß nicht, wo Sie den kriegen, wahrscheinlich gar nicht mehr, das ist vorbei, und vieles Neue ist auch schon vorbei und vergangen, doch die Löcher können Sie sich selber reinmachen, wo Sie noch keine haben; jedes Loch kostet bei den Japanern ein Vermögen, dort sind sogar die Löcher teurer als bei uns das Unversehrte, nein, ich spreche nicht von mir, ich bin auch ein Loch, aber woanders, und ich würde auch etwas ganz anderes sprechen, aber eine alte Frau spricht zwar viel Nichtssagendes, das Sie nicht mit Nachgeben oder Zurückweichen verwechseln sollten, nicht einmal mit Nichtsagen oder Unvermögen, sie schweigt einfach nie, sagt aber niemandem etwas, was vielleicht auch eine Form des spukhaften Unwesens bedeutet, denn sie ist schließlich zu alldem auch noch unsichtbar, nicht?, ja, die dort, genau hinter mir!, Sie hören sie, Sie sehen Sie aber nicht, nein, das bin niemals ich!, alt bin nie ich, je älter ich werde desto weniger, alt sind die anderen, oder bin ich das selbst da im Spiegel, von Löchern umgeben, welche von meinen Unvollkommenheiten viele sehen lassen oder andere durch sie hindurch? Da ist also immer noch dieser Pulli, und der hat unregelmäßige Löcher an sich, nein, in sich angebracht, nein, das ist unangebracht, also er hat halt von Anfang an schon diese Löcher gehabt, so wollten Sie ihn auch haben, dafür zahlen Sie ja auch doppelt und dreifach, obwohl dem armen Pulli eindeutig was fehlt. Er zeigt uns in seinem Fieberwahn, wie es nicht ist und auch, wie notwendig Nichtsein überhaupt ist. Mit anderen Worten, nicht meinen eigenen: Er ist krank. Doch bedenken Sie, es ist nicht leicht gewesen, die Löcher in ihn hineinzukriegen, ohne daß er sich total auflöste oder später dann auf Ihnen, es könnte ja in die Löcher eine Art Verzögerung eingebaut worden sein, daß der Pulli erst auseinanderfällt, wenn Sie ihn anziehen, das ist wie mit einem Zeitzünder, doch halt, ich frage mich: Was kann ich wissen. Ich frage mich: Was soll ich tun? Ich frage mich: Was darf ich hoffen? Damit wäre auch dies erledigt, denn mehr Fragen gibt es nicht. Es gibt angeblich noch eine vierte, aber die müßte ich erst nachschlagen, weil die garantiert in dem Moment nachtreten wird, wenn ich mich in Sicherheit gewogen habe, denn beim Wiegen darf mir keiner zuschauen. Was kann ich? Nähen nicht, das muß eine andre für mich erledigen. Was kann ich nicht? Nähen. Schon mit dieser Frage habe ich eine Endlichkeit begründet, also die Unberührtheit von jedem Mangel. Im Innersten meines Wesens offenbart sie mir eine Endlichkeit, die ich als Makel wahrnehme, doch endlich habe ich genug gespart, es hat Monate gedauert!, um mir diesen Japano-Pulli zu kaufen. Die Endlichkeit ist das Innerste des Wesens der Mode. Das ist ein wichtiger Satz. Vergessen Sie ihn sofort wieder, denn es ist der erste Gedanke, den ich heute hatte, der wird weggeschüttet, man nimmt besser den Mittelstrahlgedanken, da müssen Sie aber noch etwas warten, bis der kommt! Das wird dann ein reiner Gedanke sein, doch so einen hatte ich noch nie, egal. Ich hoffe, der irrsinnig teure Pulli wird noch lang halten, auch wenn ich ihn irgendwann gewiß nicht mehr tragen möchte. Der dort, der keine absichtlichen Löcher hat, fällt noch eher auseinander als meiner, wetten?, das sollte für jeden gelten, was praktisch wäre, jede Kleidung betreffend, denn dann würde man wirklich, aber wirklich was Neues brauchen, man hätte einen Grund vor sich selbst, zu verantworten, daß man sich verausgabt, und das Problem der Notwendigkeit nach der Frage der Endlichkeit im Menschen würde sich gar nicht erst stellen, wir müßten uns selber stellen, damit unser eigener Anblick uns tötet, ob absichtlich oder nicht, ob willkürlich oder nicht, beim Blick in den Spiegel vor allem.

Eine Gewissensprüfung: Essen oder kleiden fielen schon mal weg. Für diese Kleidung wäre Essen ohnedies kontraproduktiv, Ihr Körper würde sofort gegen diese Kleidung arbeiten. Einen Pulli hat jeder, diesen hat nicht jeder, vielleicht will ihn aber auch nicht jeder. Sehen Sie, und genau da schlagen Sie zu, da schlägt die Mode zu, wenn man etwas nicht braucht, bis Löcher im Gewebe erscheinen und Sie sich durch diese Löcher selbst betrachten können, von außen, und das Außen Sie so abstößt, bis sie wieder drinnen sind, in Ihren eigenen Klauen, aber, eine Bitte an Sie beide, Außen wie Innen: bitte kritisch! Wozu sollte man das tun? Egal. Dafür war er dann auch entsprechend billiger, der liebe Pullover. Aus dem wir noch was! Und beim nächsten Mal, beim nächsten Pulli, können Sie dann die Löcher woanders machen, so haben Sie immer was Neues, bleiben jedoch dieselbe, aber nach dem zehnten Pulli hätten Sie auch gleich von Anfang an den aus Japan, ja, den mit den vorgestanzten Löchern, jedes schön sorgfältig umsäumt, kaufen können, die bereits drinnen gewesen wären und sich im Preis kräftig ausgewirkt hätten, weniger ist fast immer mehr, aber mehr ist nicht immer weniger; die Entscheidung wäre Ihnen abgenommen, wo er versehrt sein soll und wo nicht, und der würde dann soviel kosten wie die zehn anderen, nein, mehr. Und was hat der Pulli in der Herstellung gekostet? Die Herstellkosten in Fernost (ein andrer Osten als Japan, aber fern genauso, bloß anders, Länder, die unter ferner liefen laufen ...) liegen im einstelligen Prozentbereich unseres Verkaufspreises, das heißt, es hat gar keinen Sinn, über Herstellkosten überhaupt zu reden. Die Baumwolle kommt nämlich aus den USA, die von China Kredite bekommen unter der Bedingung, daß ein Teil der Kredite für die Subventionierung der Baumwolle verwendet wird, deren Anbau ja mit Milliarden subventioniert wird. So hilft eins dem anderen, eine Hand wäscht die andere, selbstverständlich, das geht auch gern mit Färben, eine Hand färbt mit der anderen oder so, ich kann es nicht mit Worten angeben, doch ich kann mit Worten angeben! Zu diesem Weg kann ich nicht zuraten, obwohl er unumgänglich ist, der Weg zum Tod, zum Nichtsein ist unumgänglich, wieso fällt mir das jetzt ein? Weil es der Weg in die Unverborgenheit der Mode ist, ohne die man Sie gar nicht sehen würde, ein Weg, der unumgänglich ist, wenn auch nicht unumkehrbar, ja, wenn ich diesen Weg nicht gehen kann, und wahrscheinlich auch keinen andren, Sie werden jede Menge Gründe dafür finden, warum Ihr Nichtsein noch aufgeschoben werden soll, und zwar durch Kleidung, wie Sie hoffen. Hören Sie: Heute morgen hat meine Freundin, die in den nächsten Tagen sterben wird, sich noch einen riesigen Stapel Kleider aus ihrer Heimatstadt in die Fremde schicken lassen, in der sie lebt. Entweder sie hat den Wegweiser in den unumgänglichen Weg, der vor ihr liegt — sie sieht ihn ja!, dorthin braucht sie keinen Wegweiser, ich erspare mir zu sagen, daß sie bald aus dem Leben weggewiesen wird, aber nein, sie braucht jemanden, der ihr sagt, wie es nun weitergehen soll, dabei sieht sie es ja selbst!, alle sagen ihr: gar nicht — entweder hat sie diesen Wegweiser, der auf dem Pfad steht, absichtlich nicht gelesen, oder sie hat diesen Weg als den einzig gangbaren in ihr persönliches GPS eingegeben, und jetzt glaubt sie, sie lebt ewig, obwohl ihre Lebensvorgänge alle in Säcke fließen, in Säcke münden, ins Nichtsein führen. Sie will nicht wissen, sie kann nicht wissen, was weiß ich!

Färben hat in Europa zu hohe Auflagen, ich meine polizeilich, das ist nicht wie mit meinen Büchern, vielleicht mit Ihren, aber nicht mit meinen, wir dürfen hier nicht einfach die Farben wegkippen, nein, nein, in Europa darf man das nicht, obwohl man es hier, wo die Maschinenbauer sitzen, theoretisch viel billiger erledigen könnte, doch es wäre trotzdem nicht billiger, weil alles andre teurer ist, und man darf es sowieso nicht, denn die Erde gibt es in Europa nicht billiger, sondern woanders, wo die Erde einfach alles aushalten muß und nur im Dunkeln zu klagen wagt. Warum sollte die liebe Erde in Europa heikler sein in dem, was sie aufnimmt, als bei denen, wo gefärbt, gestonewashed oder sonstwie Stoffe und Menschen geschändet werden? Färben braucht außerdem viel Energie, und die wird hier künstlich teuer gemacht, und die Erde ist uns hier auch teurer als die indische Erde den Indern bla bla bla. So schließt sich der Kreis, wenn Sie die Finger in die Steckdose stecken, weil Sie keine Geräte mehr haben. Na ja, Ihr Ich-Phone braucht nicht viel, das können Sie von mir aus behalten.

Und doch ist Ihre Nachricht, weil sie von Ihnen kommt, oder meine ich: von innen?, als würde ein Gott seinen Stab hochauf schwingen, an den er vorher diesen Efeu, ebenfalls klammernden Efeu, ungefähr so wie Sie sich an die Jugend klammern!, gebunden hätte, und dann würde er zu den Tanzplätzen eilen, die heute anders heißen, ich sagte es schon, und zwar zuallererst mir selbst, weil ich mich woanders nicht so gut auskenne, ja, warum schreiben Sie dann über Sachen, bei denen Sie sich nicht auskennen? Weil mich die anderen langweilen, das Schreiben wäre mir dann zu fad, ich würde abschweifen, ich würde herumschweifen, weil ich ja wüßte, was wo ist. Dazu müßte ich ja noch nicht mal wissen, wer ich bin. Na ja, gut, aber Sie wissen ja gar nicht, wie die heißen, diese Tanzplätze, Sie waren ja noch nie dort, da schreiben Sie seit Jahrzehnten nicht, Schreiben heißt nichts wissen, schweigen Sie also still, oder fragen Sie diesen Kollegen, der jede Nacht dort ist und das auch fleißig jedem mitteilt, er schreit dauernd so, weil er das gewöhnt ist bei der lauten Musik, die ihn umgibt, an die er aber auch gewöhnt ist! Ich würde es an meiner Stelle, an der ich eh bin, mit andren Fragen probieren, aber der Kollege wird mir gar nicht antworten, oder er wird mir mit anderen Worten hochmütig etwas sagen, das mir nichts sagt, weil es von so hoch oben kommt. Die Vernunft, die hier aber nicht auftritt, ist nicht nur endlich, weil sie nach dem Was Wissen, dem Was Tun und Was Hoffen fragt, sondern umgekehrt, sie stellt diese Fragen, weil sie endlich ist, und zwar so endlich, daß es ihr um diese Endlichkeit selbst geht. Wenn Sie tot sind, können Sie gar nichts mehr machen, wenn Sie endlich tot sind, dann sparen Sie sich aber auch die blöden Fragen und das sinnlose Grübeln, was zu Ihnen paßt und was Ihnen paßt.

Da eilt er hin, der junge Gott, na, so jung ist er auch nicht mehr, sein Haar wird bereits grau!, da rennt er von einem angesagten Club zum nächsten, das kann Tage dauern, Wochen, Nächte, Zwischenzeiten, was weiß ich, was er vorhat, der junge Gott mit seinem Stab und seiner Lockenpracht, es geht aber auch ohne, nein, nicht ohne Stab, aber ohne Locken. Wenn man Locken will, braucht man den Stab, wenn man die Locken raushaben will, einen andren Stab, einen Lockenstab, nicht dasselbe wie der lockende Stab, mit dem Sie Fotos machen können, also mit dem, was Sie ihm angetan haben, Sie haben etwas an der Spitze auf ihn draufgesteckt, mal sehn, was, eine Handykamera. Etwas, um zu sehen, um überhaupt sehen zu können. Es geht manchmal auch was glatt, und man schaut direkt hin, aber eher selten, und wenn, dann könnte man es nicht festhalten, den schönen Augenblick nicht festhalten. Moment, schnell, grad geht hier eine Knospe auf! Kommen Sie mit Ihrem Gerät hierher, was aus der wohl werden wird? Wer auch immer fragt, er befragt die Natur, die ihm, blind und verdutzt, daß überhaupt einer fragt, antworten wird. Die Natur sieht einmal so, dann wieder anders aus. Es bleibt die Erkenntnis, was bleibt ihr übrig?, die sicher viele kritisieren werden, bloß Kant nicht, der kann es nicht mehr: Früher mußte man sich für die Orgie ausziehn, aber heute muß man sich erst mal einkleiden. Damit man das Aussehen eines Sterblichen mit Leben überdeckt, als würde man nie sterben inmitten von Kleidung, die einen umsteht wie Schilf. Dafür steht der junge Mann zuerst und dann die junge Frau, die auch zählt, bloß zählt bei ihr was anderes. Der Prototyp Mensch, den ich mir hier notdürftig zusammengebastelt habe, ich habe ja so gut wie keine Vorlage mehr dafür, den stellt die Mode nicht zufrieden, der will auch noch glücklich sein. Dieser Prototyp zählt am meisten, mit viel Geschick könnte man ihn und sein Geschick herstellen, doch ich kann es nicht. Wenn mir ein Wort fehlt, hat es sich garantiert ein andrer genommen. Wenn mir dieses Kleid fehlt, hat es eine andre, und die gibt es mir nicht. Der Kandidat zählt hundert Punkte, weiter kann er leider nicht zählen. Danach muß er wieder von vorne anfangen.

Ich stehe also hier, oder?, werde aber verhältnismäßig bald als alte Frau ertappt und entfernt wie ein ekelhafter, aber hartnäckiger Fleck. Alt ist immer zu alt. Damit man nicht an den Tod denkt, wenn man Sie anschaut, haben Sie mich hierher gestellt, als Vorlage für den Tod sozusagen, den niemand zu keinem Kult anstiften muß, denn er beherrscht alles, das Seiende nämlich hat Sein, das Nichtsein hat kein Ist. Darauf gründet meine These, die nur leider nicht mir alleine gehört, daß es zu viel gibt, allerdings für zuwenige, ich könnte auch anderes darauf gründen, aber begründen könnte ich es nicht. Ich darf jetzt ein Anstifter sein, vielen Dank! Sie, Frau, dürfen nur Ihren Stift anspitzen, falls Sie das nicht zu sehr anstrengt. Aber was Neues anziehen, das wollen auch Sie, sogar Sie, dann sieht man den Tod in Ihrem Gesicht nicht so deutlich, derzeit versteckt er sich noch dahinter, hinter diesem neuen, gut deckenden Make-up, das sich gemütlich in Ihre Falten setzt und fett glänzendes Essen auspackt. Mir ist das alles fremd, was Sie sagen. Was Sie angezogen haben, schon weniger. Sie wollen mit der Jugend Schritt halten, aber das geht nicht, die ist Ihnen weit voraus, die hat Sie längst überholt! Ihre Schritte verklingen ja schon in der Vergangenheit, die auch eine Jugend hat, aber die sagt zu ihrer recht kurzen Vergangenheit nur: aus den Augen, aus dem Sinn, nein, so spricht sie schon gar nicht, die Jugend, ich weiß es nicht, die spricht heute irgendwie anders, und sie tut was anderes. Keine Ahnung. Man gleitet unmerklich von einer Ansicht in eine andre hinüber, bis man allen fremd geworden ist, vom Alter unkenntlich gemacht, und die Ansichten wandeln sich bei mir ja auch ständig, und so vermischt das Alter sich mit der Jugend nicht und nicht und Sein mit Schein auch nicht. Die Jugend, die spricht nicht mit Ihnen, sie spricht nur in Geräte hinein, nicht in Gesichter. Sagen Sie mir, was ich sagen soll! Nein, sagen Sie es nicht mir, sagen Sie es Ihrem Gerät, und ich empfange es dann, falls Sie die Freundlichkeit haben, es mir zu texten und abzuschicken. Ist ja nur ein Druck mit dem Fingerchen. Aber ich würde sowas nie sagen. Was? Ich weiß es nicht. Das von vorhin? Was war das? Mein Smartphone wird es hoffentlich noch wissen, mein Smartphone hat sich schon vor Monaten am elektrischen Strom, der offenbar zu reißend war, aufgehängt und hört und sagt nichts, und auch sonst interessiert es keinen, was mit meinen wichtigen Nachrichten im Telefon passiert ist. Ich weiß, das Vorhandene und das Nichtvorhandene sind dasselbe oder auch nicht dasselbe, es ist ja alles dasselbe, und der Name, es ist ein Geheimname, beschreitet den Pfad dorthin. Mich schwindelt, wenn ich es mir nur vorstelle. Ich beziehe mich auf Ihre Frage, weiß aber nicht mehr, auf welche. Ich beziehe mich auf dieses Kleid, weiß aber nicht mehr, wer damit bezogen war.

Eine Frau, vielleicht in einem hübschen Schweinekostüm?:

Wer sagt das? Entschuldigung, ich habe vorhin nicht zugehört. Das Licht! Das Licht ist hier berühmt, ich weiß aber nicht, wofür. Es leuchtet hier. Somit ist die Sonne gleich weit von ihren Absichten entfernt wie diejenigen, die sie beleuchtet. Sie ist die Bedingung für die Dinge hier in den Geschäften. Unverstört und bar aller Vernunft, die Einkaufsstraßen sind nicht bar aller Seitenwege, die auch noch einiges zu bieten haben, eile ich dahin, um mich den schönsten Frauen dieser Erde anzuverwandeln, das muß doch funktionieren, warum sonst würde man mir diese Frauen ständig zeigen, soll ich die etwa begrüßen? Ich begrüße sie nicht gerade und später auch nicht. Wenn die das nicht wollen, haben sie trotzdem keine Chance gegen mich, weil sie das gar nicht erfahren werden. Sie wissen nichts, doch von mir wissen sie nicht einmal, daß es mich gibt. Das Denken kann ja alles, was es will, aber mit dem Ergebnis wird, trotz allem Nachdruck in der Frage nach der Bestimmtheit des Menschen, das Problem noch verschärft. Der Mensch muß sich bekleiden. Warum? Es hat sich halt so eingebürgert, in erster Linie für die Bürger. In der zweiten Linie, die nicht lang gehalten werden wird, für alle. Alle werden überrannt, wenn die Sonne ein Zeichen gegeben hat, daß man sie alle jetzt sieht. Keine Ahnung. Ich habe mir alles gekauft, was diese Frauen sich auch gekauft haben, zumindest haben sie sich damit fotografieren lassen. Ich habe alle ihre Fotos und gehe in ihre Richtung, die ich vorher einprogrammiert habe, weil mir meine innere Stimme immer das Falsche ansagt. Ich kann nicht so sein wie sie, aber ich kann es mir vorstellen, wenn ich das Teil nachher zu Hause gleich wieder an- und ausprobiere. Es ist eine unendliche Annäherung, die nie im Sein mündet, Achill und die Schildkröte, genau. Wir fallen nie ineinander, erreichen einander nie ganz, die Schönheit und ich, Sie sagen natürlich, ich sei meilenweit entfernt von ihr, der innerste Grund für Ihre Schwierigkeit, mich mit dem vollen Wesen Ihres Urteils anzusehen, liegt nicht in meiner Unvollkommenheit, sondern in Ihrer Hineinversessenheit in diese Fotos, deren Reiz ich auszureizen, nein, erst mal überhaupt zu erreichen versuche. Es geht nie, aber ich nähere mich ihr an, dieser Frau auf dem Foto, nur ihretwegen habe ich diesen Rock gekauft, näher kann man ihr nicht kommen, und näher kann ich auch mir nicht kommen, näher als ich, wer, wer sollte das sein? Nie! Niemand!

5

Ich gehe jetzt den Zeit-Raum der Wahrheit enthüllen, hören wir, was sie mir sagt, aber nur mir, denn die Wahrheit dieses Hemds, das zu fast allem paßt, wenn auch vielleicht nicht farblich, ist keine allgemeine, sie gilt nur für mich: Das Sein ist und bleibt, egal, was man anhat und womit man sich schmücken mag, in höchster Not, es bleibt immer gefährdet, es bleibt das gefährdete Inzwischen, oh nein!, da probier ich lieber mal das Zwischendurch, vielleicht schaff ichs ja für zwei Minuten, genau hier, zwischendurch das Zwischendurch, um dem Inzwischen zu entgehen, wie diese Frau zu sein, in der Spalte daneben ist haargenau angegeben, welchen Lidschatten und welche Foundation sie benutzt, das mach ich auch, das mach ich jetzt auch, ich mache es genauso!, ja, diese Frau, genau die will ich sein, der will ich möglichst nahekommen, wenigstens für die kurze Zeit, bis ich schmelze, und zwar erreiche ich das durch dieses Augen-Make-up, Gott? Nein, nicht Gott, das meinen viele, den meine ich aber nicht, obwohl ich ihn oft zitiere. Ich heiße so und so, und das heißt, ich heiße auch was! Was heißt das? Das sind zwei verschiedene Dinge, mindestens, wenn nicht drei. Ich sehe verheißungsvoll aus, bin es aber nicht, denn ich verheiße immer nur mich selbst, und das leider auch nur mir selbst, und mein Ruf wird nur vom Wind getragen, der auch einmal was andres tragen möchte. Ich habe sonst keinen Adressaten für mich. Je mehr ich kaufe, je tiefer ich in den dunklen Wald der Gier eindringe, als würden dort die Flammen herausschlagen, und ich müßte sie unaufhörlich löschen — wie Kafka mit dem Reisigbündel, mit dem er die Flammen drischt, um sie zum Ausgehen zu bewegen, doch die bleiben lieber, wo sie sind —, desto enttäuschter bin ich, denn eindeutig brennt dort was, aber nicht für mich, vielleicht alles, aber ich bin es nicht, mein Sein entbrennt dort nicht, es glost etwas, das steht fest, aber was? Ich muß dorthin! Ich muß schauen gehen!

Ich muß etwas retten und merke, ich bins selbst! Das macht Sinn, immerhin macht es was. Für mich allein tue ich das alles schließlich!, ich tue es in all meiner Armseligkeit, bis ich einmal erloschen bin. Die Alten dachten sich die Götter als etwas Seiendes, so darf also auch ich sein, wie ich will. Aber das geht jetzt auch nicht, denn ich habe leider einen Spiegel, und in dem bin ich leider drin, ich bin also im Bilde! Es ist nicht mehr modern, ein Gott zu sein. Für das Sein habe ich keine Zeit, ich möchte ja jemand andrer sein, zum Beispiel die Frau auf dem Foto, dann wäre das Sein bei mir ein ewiges Inzwischen, in einer Art Zwischenspeicher, den man jederzeit wieder aufrufen kann, falls man nicht älter zu werden wünscht oder seine Daten sonstwie verloren hat; tot ist man aber auch nicht, nur wenige wünschen wirklich, tot zu sein. Doch tot zu sein bedarf es wenig, nur wer lebt, der ist ein König. Das geht nicht, ewig geht gar nicht, denn inzwischen habe ich etwas anderes zu tun und zu tragen. Soviel Zeit muß sein, sogar in der Ewigkeit müßte soviel Zeit bleiben, vielleicht sogar zu viel. Trotzdem, ich muß an mir arbeiten, ich muß mir noch so viele Sachen kaufen!, was zuerst Arbeit bedeutet, um sie mir zu kaufen, und dann Arbeit, um mich damit herzurichten, für den Tod auf einer Platte herzurichten, schön dekoriert, wie Essen, ich bin Speise für den Tod, je schöner desto rascher wird er mich bemerken. Ich werde ihm gewiß auffallen unter all den andern. Es wird ihm auffallen, daß ich auffallend gut aussehe für mein Alter. Da arbeitet er gleich viel lieber. Ich bin meine eigene Göttin, bilde ich mir ein, wenn ich dieses Bild sehe, ich bilde mir ein, wie ein Bild zu sein, eine Göttin, die früher ein Gott war, dann wurde sie herabgestuft, jetzt ist das eher neutral, egal, da ist jemand, der aber nicht zählt. Wer ist da bitte? Ist da jemand? Bitte melden Sie sich, ich bin im Inzwischen, suche aber das Dazwischen, wo gehts lang, wie der Deutsche sagt? Zwischen dieses Bild und meinen Spiegel klemme ich mich hinein wie eine Notiz, die ich noch lesen muß, das winzige Stück, das fehlt, ich weiß schon, Sie werden sagen, mir fehle so ziemlich alles dazu, um dieses angesagte Model zu werden, das mit den dicken Augenbrauen, stimmt, die Augenbrauen lasse ich mal so stehen, damit sie in Ruhe wachsen und danach auch noch gröblichst unterstrichen werden können, ich störe ihre Unordnung nicht, aber das nützt mir alles nichts. Es soll mir allerdings auch nicht nützen. Ich habe diesen Zwischenbereich nun mal geschaffen, in dem ich sie bin, in dem ich diese schöne Frau bin, er hält, mein Bereich hält, mein Zaun hält, er soll abhalten und gleichzeitig hereinbitten, solange mir der neue Rock gefällt, das wird erfahrungsgemäß nicht lang sein, und es wird nur in diesem Bereich für mich gelten, nur für mich, dort können Sie mich jederzeit anrufen, anklicken, aufrufen oder sonstwie erreichen, was machen Sie da? Was werfen Sie da zwischen mein Inzwischen und die Welt? Eine neue Notwendigkeit? Die Notwendigkeit, sagen Sie, der Vereinfachung, des Schlichten, des Einschlichtens (was glauben Sie, was ich an Regalen und Schränken verbrauche, nur um mich aufzublasen!) und der Stille, ja, der Stille, denn für meinen Auftritt brauche ich keinen Lärm, keine Musik, auch keine Orgie, um Himmels willen, da wären dann ja mehrere beteiligt, bloß nicht!, nein, das Schlichte ist es für mich, ich bin fürs Schlichte, davon gibt es auch sehr, sehr viel, und es gibt auch mir sehr viel, obwohl es so viele Varianten des Schlichten gibt, daß man sich darin vor lauter Schlichtheit gar nicht mehr auskennt, glauben Sie mir, mehr und öfter als Sie denken, gibt es mir diese schöne Einfachheit. Dieses Wort muß ich noch ordentlich abschleifen, damit es Sprache wird, welche ja zu mehr als einem Wort besteht. Das Abschweifen kann ich besser. Obwohl die Schlichtheit doch scheinbar das Einfachste ist, ist sie doch waghalsig unter lauter Überschmücktem, Überschminktem verborgen, nur manchmal schaut sie hervor, nein, sie schaut nicht aus einem schlichten Bauern hervor, sowas gibt es heute nicht mehr, und doch, da blitzt etwas unter dem Saum der Wirklichkeit auf, ein Nichtsichzurechtfinden, oder? Was darf es sonst sein?

Der Richter irrt, nein, nicht jeder, er irrt in dem Maß, in dem er sein Strafmaß ausschöpft, und etwas, das ich nicht genau sehen kann, wird hier in der Waschmaschine hin- und hergeworfen. Wie wir, nur woanders, wo es noch weniger Platz hat als wir in uns, vor allem, wenn wir arbeiten müssen, da brauchen wir Raum. Nein, fällt mir ein, nein, es ist jemand anderem eingefallen, das Problem sind nicht die Löhne, denn die Produktivität pro Lohneinheit ist in unserer Textilindustrie ja höher als sonstwo. Und ja, die Maschinen stellen wir auch noch her. Wir stellen sie für die dort dahin, nicht dorthin! Ist das nicht unglaublich? Ich glaube das sofort. Das Problem ist die Umwelt, um die wir uns sorgen, also manche von uns, nicht wahr, weil der Dreck vom Färben und was auch immer an mörderischen Untaten mit dem armen Leiberl passiert, dort einfach weggeschmissen werden kann, rein in den versauten Fluß, der schon von Badenden längst Länge mal Breite versaut ist. Die scheißen dort auch noch hinein, die waschen sich und ihre Tiere, die gar nicht gewaschen werden wollen, alle dort machen alles, was man im Leben machen kann, genau!, genau in diesen armen, warmen Fluß hinein. Ja, das könnte bei uns alles viel billiger ablaufen, wenn wir den Ablauf nicht kontrollieren müßten, wenn man hier nicht auf die blöde Landschaft aufpassen müßte, die ihre eigenen Aufpasser hat, ja, Färben braucht viel Energie, und die wird bei uns künstlich teuer gehalten, genauso hab ich das doch schon einmal gesagt, ja merken Sie das denn nicht? Ach so, Sie sind gar nicht mehr bei mir! Sie haben es sich nicht gemerkt, das verstehe ich gut, wenn ich diesen bengalischen Schlamm-Menschen, das Gegenteil bengalischen Feuers, in einheitlichen Dreck gebadet, in Einheit mit diesem Stapel Häuten, aus denen Leder werden soll, sehe, wer soll sich den merken?, man sieht ja nicht mal sein Gesicht, vielleicht hat er gar keins, bla bla bla bla, die Natur kann sich nicht dagegen wehren, daß sie so mißbraucht wird und trotzdem immer billiger wird. man könnte sie jetzt schon glatt kaufen. Wie dieser Mensch, der es stets billiger geben muß, und er selbst ist niemandem etwas wert. Nein, stimmt nicht. Und wenn ich das noch zehnmal sage, stimmt es nicht. Aber wenigstens einmal könnten Sie mir doch zuhören!

Unsere Natur subventioniert so ein T-Shirt mit, wer hätte das gedacht, und so wird auch das T-Shirt, wie die Energie, hochgehalten, künstlich hochgehalten und teuer gemacht und dann teuer gelassen, bis wir unsere Gelassenheit vor der Auslagenscheibe wieder verlieren und uns in Auslagen stürzen, die wenigstens nicht splittern, die uns nicht verletzen, die aber uns am Ende uns selber wegnehmen. Und schon morgen wird es uns nicht mehr gefallen und uns nichts mehr wert sein. Besser, wir hätten gar nicht erst hineingeschaut. Man kann uns nicht ohne Aufsicht lassen. Wir sind Menschen, das sollten wir besser nicht sein. Wir brauchen uns gar nicht, und auch sonst braucht uns keiner, denn die Löhne spielen in der Industrie noch eine relativ geringe Rolle, werden aber steigen, darauf können Sie sich verlassen. Man hat es mir fest versprochen. Die Maschinen sind es aber, die wir unbedingt brauchen und die uns brauchen, allerdings nur wenige von uns. Nur wenige von uns brauchen Menschen, nein, jeder braucht mindestens einen davon und vielleicht noch eine Küchenmaschine, das reicht.

Ich kann nicht mehr zurück in die Stille, wo das Auge im Liegestuhl liegt und sich ausruht, sich breitmacht, ja, und dort, in der Stille, dem Verstummen vor dem Stilvollen, das uns immer sprachlos macht, weil wir nicht wissen, was das für ein Stil ist, in dieser Stille, die nach dem Schlichten, also nein, nicht dem Einschlichten, entsteht, da passiert dann was, es muß einfach was passieren, keine Ahnung was, ja, diese Stille, wenn man endlich all das Zeugs eingeräumt hat, das neue Teil aber sofort wieder rausreißt, denn man ist in qualvollem Zweifel: Steht es mir wirklich so gut, so gut, daß es sich lohnt, was alles in das Teil hineingeflossen ist? Das muß noch mal überprüft werden und noch einmal, bis in die Nacht hinein das Teil immer wieder vom Bügel reißen und sich zumindest vorne anhalten, als wollte man sich festhalten, anhalten ist falsch, es ist nicht anhaltend, sich vorhalten das Teil und hoffen, daß es diesmal etwas länger vorhält, ja, vorhalten besser; man reißt sich davon los, man muß sich irgendwann wieder losreißen, und wenn man den Raum dann endlich wieder geräumt hat, nein, nicht aufgeräumt, das nicht, geräumt, befreit von sich, was jeder einmal muß, dann, ja dann gehen das Schlichte und das Stille ihre einmalige, also ich hoffe, sie ist einmalig!, Verbindung ein, man schaut sich wieder dieses Foto an, auf dem eine ganz andere, natürlich muß es eine andre sein, denn selbst erreicht man das ja nie!, auf dem also eine ganz andre Frau den gleichen Rock trägt, das schaut dann gleich ganz anders aus als an einem selbst, und man weiß instinktiv, nein, man weiß, weil man es irgendwo gelesen hat, mit Fotos zum Beweis, nein, man weiß gerade, weil man es nicht gelesen hat, daß alle Dinge in ihrem innigsten und auf ihr innigstes Sichgehören zusammengehen, gemeinsam auf die Schlichtheit und Stille zugehen und dann, indem sie so innig sich gehören, so innig sie selbst sind, obwohl das nicht so gemeint ist, dann, ja dann ... ich weiß nicht, was dann passiert. Dann wäre man allein, doch man ist zu zwein oder zu mehreren. Dann gehen sie halt in dieses Sichgehören hinein, wer auch immer, wer halt da ist, sie haben ja nichts anderes, obwohl sie ja eigentlich mir gehören, sie gehen darin auf und verschwinden, und ich verschwinde auch, denn ich schaue, obwohl der Rock genau der gleiche ist wie auf dem Foto, nein, niemals schaue ich so aus, wie der Rock aussehen sollte, allerdings an jemand anderem. Weil ich die bin, die ich bin, schaue ich leider immer anders aus, bitte, das passiert Gott auch, und der ist sogar der, der er sein wird, was mein Modeproblem lösen würde, ein für allemal, der, der er sein wird, der muß sich nie wieder was kaufen, der eine Einkauf reicht schon, er reicht weit in die Zukunft, unendlich weit, das behaupten die Firmen, daß man mit diesem Mantel endlich die sein wird, die man jetzt schon ist, nein, umgekehrt, ich sagte das schon oft, weil es mir so gefällt, das ist sogar der Satz, der mir von allen Sätzen am meisten gefällt, und ich sollte daher sparsamer damit umgehen, doch ich, ich Arme, bin nie diejenige, die ich sein werde, denn ich bin schon wenig und werde immer weniger, bald werde ich gar nicht mehr sein, sein oder gar nicht mehr sein, das ist die Möglichkeit, die Heidegger den Juden offengelassen hat, immerhin, eine Möglichkeit. Und ich? Ich habe hier nichts verloren, oder haben Sie es etwa gefunden? Ich bin ja schon jetzt längst nicht mehr die, die ich sein werde, und schon gar nicht, lang nicht mehr die, die ich sein möchte. Schauen Sie sich das Foto ruhig an, schauen Sie mich an, dann wieder das Foto, dann wieder mich, vergleichen Sie, und Sie werden sehen: Es geht nicht, was auch immer, es geht nicht. Umfassend begreifen kann ich das nicht, ich kann mich ja nicht einmal selbst umfassen.

Nichts mehr los mit diesem Körper. Die Frau auf dem Bild schaut aus, als gehörte sie ganz sich selber und als könnte der Rock, den sie da trägt und den auch ich mir gekauft habe, genau den gleichen!, doch ich schaue ihn mir lieber auf dem Foto an als auf mir, als könnte dieser Rock also auf dieser oder jener Straße einen Eindruck hinterlassen, nichts andres käme je dafür in Frage als dieser eine einzige Rock, denn in der Kleidung stecken ja leider Menschen, das ist der Nachteil, wenn man die wegmachen könnte wie Fettflecken, dann würde die Kleidung noch viel besser zur Geltung kommen. Wenn sich die Menschen nur noch als Wesen herumführen würden und sich nicht mehr so idiotisch aufführen. Sie sollten sich ein Vorbild an griechischen Standbildern nehmen, die immer stehenbleiben und auch sehr gut angezogen waren.

Das Foto hier, das wäre der Beweis. Nur leider: Die auf dem Foto, das bin gar nicht ich! Es würde sonst ja bedeuten, daß ich vor mir angekommen wäre, aber da war das Foto schon von einer anderen besetzt. Die hat sich da einfach hineingedrängt! Und sie hat mich in Gefahr gebracht, verdeckt zu werden. Doch, doch! Das ist der Beweis, daß ich so aussehen kann!, warum tu ich es dann nicht? Es ist auch der Beweis, daß dieses T-Shirt und der passende Rock, separat zu bezahlen, aber beide noch deutlich unter 20 Euro 90, so aussehen können, genauso, wenn auch nicht an mir (das schaffe ich nie!), zu erreichen, daß dieser Rock an mir so aussieht wie an der Frau auf dem Foto. Nie nie nie! Tausend Dinge sprechen dagegen, obwohl der Rock jetzt endlich mir gehört. Ich war schon zehn Minuten vor Öffnung des Geschäfts dort, damit mir keine den Rock wegnimmt. Genau der gleiche ist jetzt meiner, aber nicht dieser, dieser an dieser andren Frau wäre vielleicht besser für mich gewesen, obwohl er ja genau der gleiche wie der andre gleiche ist, desgleichen die Bluse dazu, die kann ich durch eine ersetzen, die ich schon habe, das merkt kein Mensch. Leider merkt aber jeder, daß ich nicht die Frau auf dem Foto bin, daß die Bluse vom vorigen Jahr ist und daß ich mir also den Rock ganz umsonst gekauft habe, weil er keinen andren Menschen aus mir machen kann und ihm die Bluse am Ende sowieso den Garaus macht. Sie gibt dem Rock den Rest. Sie zerstört den Eindruck, sie paßt nicht ins Bild dieses Rocks. Obwohl er mir jetzt gehört. Also ich möchte mir nicht gehören, wenn ich der Rock wäre. Aber dennoch benötige ich auch noch diese Bluse dazu, diesen Nachtrag zu diesem Rock, den ich sonst nicht tragen könnte. Jeder würde der Rock ohne die Bluse stehen, aber nicht mir! Jeder, aber nicht mir! Weg von mir, weg! Da hilft nur eilige Flucht vor mir! Ich habe jetzt beide zusammengehörige Teile, bloß ich störe noch, ich gehöre nicht zu ihnen, das zeigen sie mir deutlich, sie zeigen mir die kalte Schulter, über die ich vielleicht einen Schal drapieren könnte, aber auch das geht irgendwie nicht es gefällt mir nicht, besser, ich verstecke den Schal eine Weile. So. Wir sind jetzt lieber woanders. Wir betreten hiermit, womit?, nicht mit diesem Rock, nicht mit dieser Bluse!, ein völlig neues Universum, haben aber keinen neuen Sprecher dafür gefunden, der Luxus kann jedoch schon für sich selber sprechen. Wir würden gern in seine Welt eintreten, trauen uns aber nicht. Wir graben den zuvor angelegten Boden unter uns weg, fallen in ein neues Gebiet, zu dem wir keine Karte, nicht einmal GPS haben, wir wüßten auch nicht, was wir dort eingeben sollten, noch sind wir hier, aber wir wissen nicht, was dieses Hier ist, es ist diesseits, also das Diesseits, das ist klar. Ins Jenseits können wir uns das nicht mitnehmen. Und die Endlichkeit, daß wir endlich im Luxus angekommen sind, überhaupt die Endlichkeit jeder Erkenntnis, gewinnt den Charakter des Fragens, also einer Verstandeshandlung. Die Erkenntnis, keine Ahnung, welche, entscheidet über die innere Form, aber auch über die äußere, die sich gern durch Verzierungen bemerkbar macht, damit man sie besser sieht. Nein, ich gehöre nicht hierher, ich gehöre nur mir, ich Ärmste. Passen Sie auf, daß es Ihnen nicht auch so geht!

Meine Seele sehnt sich danach, auf diesen See, ich weiß nicht, welchen, gewiß nicht mein Wörtersee, hinaus mit mir, egal wohin!, denn alles ist ja ein See, unüberschaubar!, meine Seele wünscht also hinauszugleiten, ich fürchte nur, das wird dann rasch uferlos. Eis kommt auf und verschwindet wieder. Ein Fisch springt heraus. Eine Wasserschlange hebt ihr Haupt und wird gefangen und gegessen. Ob ich mich, wie einst Dionysos, in den Schenkel dieser Göttin, die es nicht geschafft hat, ein Gott zu werden, da fängts ja schon an!, einnähen lassen könnte, um einmal, ein einziges Mal, sie zu sein, nicht nur wie sie auszusehen?, was natürlich ganz unmöglich ist, beides unmöglich, klar. Es stimmt nichts. An mir nicht, an anderen nicht, aber, schauen Sie, dort, an dieser Frau stimmt zum Beispiel einfach alles! Da fehlt mir die Sprache dafür, was an der alles stimmt. Ich würde zuviel Sprache benötigen. Ich müßte den Mund zu voll nehmen. Trotzdem, ich heiße nichts, und dieses Teil heißt an mir nichts, Dior heißt ja auch nur noch so, er ist es nicht mehr, er ist nicht mehr, und jetzt ist er es schon gar nicht mehr, dabei hatte es so gut begonnen! Chanel heißt nur noch so, sie ist es nicht mehr, alles falsch, alles falsch, obwohl es garantiert echt ist: alles falsch, weil echt!, sie heißen alle noch so, wie sie heißen, aber sie sind es nicht, da sie in heißen Ländern mit heißen Nadeln genäht wurden, und nicht nur das Schildchen lügt und trügt, das dort soeben hineingenäht wird, im nächsten Moment ist es schon ein andres, es gibt einen ganzen Haufen davon, nach dem Einsturz der Fabrik blieb allein er übrig, nur er, der kleine Dreckhaufen, vielleicht nicht ganz allein, und ein Mensch allein — ich wundere mich, daß der sich in diesem Schilderwald auskennt — entscheidet, welches wo hineinkommt, in diesen kragenlosen Ziervorsprung, der seine eigene Funktion, das Kragensein, das ja eigentlich hierher gehören würde, vergessen hat, so, das Schild erklärt sie ihm jetzt, wie und wo es funktionieren und einen bestimmten Wert verleihen wird, dort oder dort, von formlosen genauso wie durch Sport und die Sportindustrie geformten Körpern gestützt, jedem das Seine, sonst fällt es um. Alles dasselbe. Alles erzeugt von denselben Menschen. Das Seiende wird immer nur als das Seiende vorgestellt, niemals als das Sein selbst. Kein Wunder, daß so viele schon nicht mehr sind, sie wurden vergessen, verwaltet von einem Fabrikbesitzer, vergeudet von geräumigen Modefirmen, verschlissen von Konzernen, die sich alle als vernünftige Wesen verstehen. Folgen wir diesem Baum also bis zur Wurzel, oder in die andre Richtung, hinauf, aber folgen wir brav!

Wir wollen also die lieben Namen aufsuchen, wir folgen den Schildern, wir folgen den Kleidern, die inzwischen wieder prallvoll sind mit neuen Inhalten, immer neuen, neue Inhalte von ganz neuen Menschen, das ist wichtig, denn obwohl der blöde Rock von vorhin, nein, der vom vorigen Jahr fast genauso aussieht wie dieser und auch genauso gearbeitet wurde wie jener, muß er immer wieder neu gekauft werden. Am Ende sind es viele Male, jedesmal wieder neu, in dieser Form zeigt sich die Vorherrschaft der mathematischen Methode, es sind viele, und es ist am Ende doch nur ein einziger. Dabei wurde er jedesmal von denselben Menschen angefertigt, wenn auch vielleicht nicht endgefertigt, denn das müßte dann auf dem Etikett stehen, mitsamt dem Herkunftsland, welches dem Teil den letzten Stich zugefügt hat, bevor es bei uns auf dem Boden des Schranks gelandet und noch mehr verletzt ist, weil oben kein Platz mehr war, oder so ähnlich, nein, fast genauso, es ist fast derselbe Rock, aber eben nur fast, nicht ganz!, ich sagte es schon, und nur eben etwas teurer, was diesen Menschen aber nichts gebracht hat, die ihn hergestellt haben, wenn auch nicht für mich, aber ich hätte ja nicht bis an die Ohren hineinsteigen müssen in diesen Haufen Fetzen, der in die Dunkelheit glotzt, weil keiner Licht macht. Der Rock sollte was aus mir machen, so hab ich mir das vorgestellt, aber er macht nichts aus mir, er macht absolut nichts, er macht gar nichts, er ist untätig, er ist träge, obwohl Frauen für ihn gestorben sind und ich noch vor kurzem ebenfalls für ihn gestorben wäre. So sterb ich denn für einen anderen.

Also auf den ersten Blick sehe ich keinen Unterschied, das ist doch nun wirklich genau derselbe wie voriges Jahr!, und er ist im Prinzip auch derselbe, den diese Billigkette anbietet, die uns um den Hals hängt wie Blei, doch er ist es nicht, und zwar, weil er neu gekauft werden mußte, für dieses Jahr, vielleicht schon fürs nächste Jahr, da wird er eine Spur anders ausfallen, aber ganz ausfallen wird er nicht, ganz ausgefallen sollte er auch wieder nicht sein, und er ist es genausowenig, wie ich dieselbe bin, sogar wenn ich den von diesem Jahr, den allerneuesten angezogen habe, eine Schraube in meinem Kreuz, da dreht jemand dran, es dreht jemand an mir und schraubt mich in ungeahnte Höhen, doch wenn Sie dies hören, bin ich schon wieder unten am Boden angekommen oder auch wieder emporgestiegen, noch einmal, angezählt, angezahlt, aufgestanden. Dafür habe ich mir diese wunderbaren Dinge in Farben von hervorragender Qualität ausgesucht, die sich auf meine Ankunft aber nicht freuen, ich kaufe ja nichts mehr, denn leider habe ich schon gekauft, wie üblich das Falsche, Entschuldigung, es ist schon länger her, daß ich eingekauft habe, und leider bin ich auch nicht die, die ich nie sein werde, die bin ich jetzt schon nicht. Ich bin aus meinem Dasein herausgewachsen, aber noch in kein andres hineingekommen. Es paßt mir keines. Keines paßt zu mir. Sie machen zu, wenn sie mich nur sehen. Man kann sich so leicht irren, und dann ist schon wieder so viel Geld weg, ein erwünschter Vorgang, wenn auch nicht von mir. Das ist eine einfache Erfahrung, die ich aber allzu oft gemacht habe. Es ist alles falsch, weil alles an mir falsch ist, und alles falsch an mir, was nicht dasselbe ist. Bitte unterscheiden!

Darum gehts. Wenn Sie nichts unterscheiden können, nicht das Teure vom Billigen, das sich aber sowieso überhaupt nicht unterscheidet, durch nichts, von nichts, dann sind Sie hier sowieso falsch, dann sind Sie schief drapiert, ich meine gewickelt, dann sind Sie falsch wie ich, und ich habe noch nie in meinem Leben ein Abendkleid besessen, stellen Sie sich das mal vor! Es war kein Bedarf daran, den Abend erlebe ich sowieso nie bei Bewußtsein, beim Fernsehn schlafe ich ein, da ist es ganz wurst, was ich trage, und danach und dafür und an und für sich ist der Bedarf auch nicht gegeben. Wohin hätte ich damit auch sollen? Man hat mich nicht angefordert. Man hat dafür eine Steuerreform angefordert, damit wieder eingekauft werden kann, bis die Taschen platzen. Das war nämlich ihr Zweck, also der Zweck der Finanzspritze, die aber immer im falschen Hintern landet. Die Frage ist nur, wo das Geld dafür bleibt. Na, ich weiß es auch nicht, ich weiß nur, wo meins ist und immer weniger wird. Ich wüßte allerdings, wohin damit, wenn ich es noch hätte. Das ist wie mit dem Denken, man weist ihm seinen Weg, aber dort will es nicht hin, es will immer nur dorthin, wo es das findet, was es schon kennt. Jedenfalls meines. Ein andres Denken unterscheidet immerhin zwischen Sein und Denken. Das mach ich aber nicht. Wenn Sie die Wirkung meines Verstands auf meine Sinnlichkeit sehen wollen, müssen Sie früher aufstehen, zu meinem Glück wollen Sie das nicht. Meine Sinnlichkeit müßte ich überhaupt lange suchen. Und mein Denken hat längst aufgehört, sich an dem, was ist, anzuhalten, es geht weiter wie ich (nicht: als ich! Das kann es nicht!), danke, es geht schon, doch es kommt nie irgendwo an; und da tut sich ihm eine riesige Auslagenscheibe auf, an der jeder sein Auslangen finden würde, auch Größere als ich, also fast alle. Ich gehe in die Irre, hier steht es ja, ich habe es selbst hier hingeschrieben, wenn auch nicht ganz allein, was bildet es sich eigentlich ein?, keine Ahnung, wer es ist. Da bilde ich mir immer so viele Sachen ein, die ich haben muß, unbedingt, ich sterbe sonst!, und nützt es mir was? Nein, dort stehe ich, das Nichts ist mir verstellt, ich kann mich an nichts orientieren, dieser Spiegel gibt nicht mehr her, als er bekommt, in die Irre gehe ich, die Wahrheit ist unerreichbar, sie geht auf ihren Grund zurück, und dann geht sie wieder weg, nachdem sie sich über ihre Wurzeln vollgesogen hat. Sie ist allerdings die Wahrheit über mich, nicht die über diese Kleider, mir fehlen einfach die Worte, aber einfach ist es nie, wenn einem was fehlt. Die Worte verstecken sich, kaum habe ich nach ihnen gegriffen, um vor dem Spiegel die transzendentale Handlung der Einbildungskraft zu vollziehen, gut versteckt hinter anderen Frauen, die das auch alle tun, die ich aber nicht bin und die auch gar nicht hier sind, wo sind wir denn? Sie leben nur auf Fotos, diese Gewohnheit haben sie angenommen. Das ist ein bequemes Leben. Man muß sich nicht bewegen. Die Wahrheit, die schreckliche Wahrheit über mich, versteckt sich auch hinter Terminen, nein, Entschuldigung, hinter einer Terminologie, die ich nicht kenne, mein Verstand hat keinen Sinn, wenn ich ihn schon beim Anblick dieses Ensembles total verliere, doch zeigt mir der Spiegel nicht, daß mir wenigstens die transzendentale Einbildungskraft erhalten geblieben ist? Danke, ich verzichte, selbst wenn der Anblick es mir zeigt oder etwas anderes zeigt, nicht einmal dann glaube ich, daß ich das bin. Wer oder was ist hier eingedrungen? Ein Bedenkenträger, der sich von totem Fleisch abgewandt und sich mein lebendiges vorgenommen hat? Viel Glück! Viel Zeit wird er nicht haben.

6

Man kann Kleidung nicht schreiben, und sobald man über sie schreibt, versteht man nichts mehr. Genauso wie mein Körper nicht versteht, was ich ihm da übergestülpt habe. Was soll das? Glauben Sie wirklich, das steht Ihnen, fragt der Körper, fassungslos darüber, daß man ihn mit sowas einzufassen und zu fassen versucht? So, ich haue Sinnlichkeit und Verstand jetzt einfach zusammen, ich haue alles zusammen, was nicht rechtzeitig wegrennen kann, gern auch diesen Spiegel, ich mantsche alles zu Brei, und den dichte ich ab, damit er nicht unten herausfällt. Mein Körper behält, was er bekommen hat. Mein Körper ist unfaßbar anders, als er sein sollte! Das jedenfalls steht fest.

Ich muß mir diesen Rock gefügig machen, denn von selbst fügt er sich nicht meinem Körper. Der Rock ist das Daneben. Wo steht das? Nein, stehen kann es nicht, das steht fest. Der Rock ist so eindeutig daneben, daß er schon das Daneben persönlich ist. Er ist am falschen Ort und an der falschen Person, und auch sonst ist alles falsch an ihm und an mir. Ich schaue und bin im Leeren, hinter meinem Wort gibt es keinen realen Bezug, aus dem sich diese Teile, diese Stücke zusammensetzen könnten, nein, nicht dieses Stück, dieses neue Teil, das ist gar keins, weil es gar kein Ganzes gibt, dessen Teil es sein könnte. Schauen Sie, und schauen Sie ins Leere, nein, ins Volle, das Leere vortäuscht, denn Leere ist der neue Überfluß, der in der Leere und in der Irre und im scheinbar Irren (wer soll sowas tragen???!!!) verborgen ist. Reduziert man die Varianten dieses Kleidungsstücks noch weiter, ist man immer noch nicht nackt, denn es besteht schließlich ausschließlich aus Varianten, und jede einzelne von ihnen ist mehr als nichts, weil alles mehr ist als nichts, bloß ich nicht. Ich bin ein Nichts vor diesem neuen Rock, ich schäme mich direkt vor ihm, weil diejenige, die ihn auf diesem Foto trägt, schon alles ist, schon alles für sich beansprucht, alles förmlich eingesaugt, eingeatmet hat, deshalb ist seine Form ja so absolut ideal, und ich bin ein Nichts daneben. Jede könnte diesen Rock tragen, doch die bin ich nicht, ich bin nicht jede. Umgekehrt: Der Körper dieser Frau ist nur ein Hauch, eine Wolke, ein Schlaf, ein Traum, ein Nichts, wie nicht vorhanden und dann doch wieder sehr wichtig für manche Menschen, die sich an ihm orientieren, zitternd wie eine Kompaßnadel. Wie dieses Nichts beschreiben? Also. Punkt. Danebenhauen. Mißgriff tun! Ein wildes Tier sein!

Die Grundform ist auszumachen, aber man kann sie ausknipsen wie eine Lampe. Nur die Varianten zählen, doch ich kann sie nicht beschreiben. Ich kann nichts beschreiben. Dann sagt man halt: Es ist unbeschreiblich. Dieses Kleid erst verwandelte meine Gestalt in eines Menschen Wesen, aber das ist Blödsinn, mit meinem Wesen hat das nichts zu tun, doch dieses Kleid verwandelt mich irgendwie, finden Sie nicht?, ich hoffe es!, schön wärs, bitte finden Sie das, finden Sie es schnell, damit ich endlich verwandelt werden kann! Wie hat der Rock von vorhin, den ich jetzt überspringe, er ist ja ziemlich niedrig, das geht!, wie hat der das doch gleich gemacht? Er wird eine ganz andre Gestalt in ein Wesen verwandeln, das ich auch nie sein kann; entweder der Rock verwandelt mich, oder ich verwandle den Rock, besser wärs schon, ich würde verwandelt. Vielleicht kommt was raus dabei. Nie kann ich sein, was ich sein möchte, weil das immer schon jemand andrer ist, und in diesem Kleid, in diesem Rock merkt man das besonders stark. Ich sollte das nicht anziehen, weil ich dann jemand ganz andrer bin, der ich zwar sein möchte, aber nie sein kann, und wenn man mich in diesem Kleid, diesem Rock anschaut, merkt man ganz besonders, daß ich eine ganz andre sein wollte, wenn es nach mir ginge, und gar nicht vorhanden, wenn es nach Ihnen geht und den 32 Postern, die fragen, wo mein Auto steht, das ich nicht habe, damit sie es zerkratzen können, dann, ja, was dann? Wer kein Auto hat, hat auch keine Scheinwerfer und kann kein Dunkel durchdringen. Von Ihnen aus kann ich aber sonst alles machen, Sie wissen ja, daß das nicht viel ist, daß ich keine Reise mache außer derjenigen, die kein Ende hat; ich kann allerdings machen, daß ich jetzt fort bin, ohne fortgegangen zu sein (da bin ich ja ganz weg!). Wenn es nach Ihnen geht, dann geht gar nichts mehr, und Sie machen sowieso was andres. Wenns nach mir geht, ich bin nachsichtiger mit mir, wäre es schon angebracht, und zwar an mir angebracht, daß ich eine ganz andre sein darf, wenigstens heute abend, da nehme ich mir das vor.

Ich schwöre, ich werde mich eines Tages auch der Menschen annehmen, die diese Hüllen schufen. Wenn Sie noch ein paar Stunden warten, werden Sies erleben! Dauert nicht viel länger als dorthin zu fliegen, ich verspreche es. Und auch die Menschen, die diese Teile schufen, diese Menschenhüllen, die über Menschenhülsen drüber sollen – Hülsen, die ausgeworfen wurden, nachdem die Menschen getötet worden und ihren Körpern entwichen sind –, sind andere, wieder andere, nicht die einen anderen, sondern die anderen anderen. Was die anziehen? Ich weiß es nur von Fotos zerfetzter, zerquetschter, erstickter Kreaturen, welche nähen konnten, das weiß man von ihnen, sie wären sonst nicht hier gewesen. Sie irren sich, wenn Sie glauben, die Namen bedeuten etwas, sie bedeuten schon etwas, aber was andres. Mir bedeuten sie nichts. Dem schwachen Euro bedeuten sie auch nichts, nur daß sich der Import von Rohstoffen und Waren aus Asien verteuern wird. Die Landeswährungen sind an den Dollar geknüpft und haben sich längst aufgehängt. Nein, der Baumwollpreis ist doch schon wieder gesunken, haben wir ein Glück! Die Materialbasis der Mode ist nämlich Baumwolle, die ist die Grundlage, auf der basiert alles, ich versichere es Ihnen, nein, die Versicherung müssen Sie schon gesondert abschließen, es wäre aber höchst sonderbar, hätten Sie eine. Wir wissen inzwischen, wo die Baumwolle bearbeitet wird und dann selber arbeitet, nein, das nicht, das hätten sie wohl gern, dann wären die Sachen noch billiger! Die Baumwolle könnte sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, anstatt auf Ihrem lächerlichen Körper andere zu unterhalten. Der Kursverfall hat die Einkaufspreise schon um etliche Prozente erhöht, bitte rechnen Sie das von vorneherein ein, ich habe das getan und den Rock voriges Jahr gekauft, als er billiger war, er muß auch für dieses Jahr gelten, wie die Währung nicht mehr, die gilt heuer weniger. Die großen Ketten sind aber noch für einige Zeit durch Dollar-Hedging abgesichert, da bin ich froh, sie sind total abgesichert, was mein Körper nicht ist, der ändert ständig sein Volumen, ich wollte, er täte das nicht, dann hätte auch ich Sicherheit und könnte sie mir durch Low Carb-Hedgen bewahren. Doch es bewahrt mich nichts und niemand. Vor nichts. Und all diese Straßen der Modehäuser: die Irre, in die alle gehen, weil nichts an ihr irre ist. Im Gegenteil. Es ist alles vernünftig, glauben Sie mir. Der weiche Euro wird zu einem harten Los für uns, kaufen Sie jetzt, günstiger kann es nicht mehr werden oder erst in zehn Jahren wieder, und wer weiß, wo wir dann sein werden.

Die Götter wollen, daß wir unversehrt und schön sind, was sie wiederum eifersüchtig macht, so daß jeder einzelne Gott neidisch über uns wacht. So müßten wir viele sein, damit jeder löwenäugige Gott mindestens einen von uns hochkriegt, nein, abkriegt. Durch Kleidung allein läßt sich das leider nicht erreichen. Unversehrtheit wünschen sie, wenn ich nur wüßte, wer, ich meine, welche Götter genau. Als ob die Menschen nicht ständig durch Dreck, Schlamm und Scheiße geschleift würden! Die lieben Gesichter all der Labels, alle längst verblichen oder davongerannt, jetzt schon wieder drei, und durch andre ersetzt, die sich die Namen angeeignet und sofort ihrerseits Billigableger von sich begründet haben, als könnten wir uns fremde Gesichter so einfach aneignen, bloß weil sie uns gefallen, die fragen uns: Inwiefern soll das ein Kennenlernen sein, wenn es uns doch so verletzt, daß wir nicht so aussehen wie auf diesem Plakat, sondern anders?, nein, trotz Verletzung alles unversehrt, wie das Antlitz Hektors nach dem mehrmaligen Geliftetwerden, nein, Geschleiftwerden, auch da haben die Götter kräftig dran mitgearbeitet und mitverdient. Die schneiden bei allem mit, und sie schneiden an unseren Gesichtern herum, damit wir in erster Linie uns selbst gefallen, so behaupten wir es in unserer Unverschlossenheit. Jeder sagt alles jedem. Denn wir sind uns selbst voll ausgesetzt und ausgeliefert. Sie sind weiß angezogen, diese Götter, weiß der Himmel, warum. Und sie sind es ja auch nicht. Aber sie sind im Himmel und wissen es, und ihre Freveltaten zählen nicht. Sonst müßte man es ahnden, Sie ahnen es schon: Achill schleift Hektors Leichnam also um die Mauern Trojas, am nächsten Tag noch dreimal um das Grab Patroklos', wie komm ich da jetzt drauf? Apollon verhindert Verletzungen durch Einsatz des göttlichen Schildes, Marke "Ägis", bitte notieren, wenn auch Sie Ihr Gesicht zu erneuern und dann neu zu bemalen wünschen! Als die Hera-Fraktion davon Wind bekommt, Hera haßt nämlich die Trojaner, weil sie sich immer in den Computer einschleusen und weil die Trojaner durch den Raub Helenas die heile, die heilige Ehe geschändet haben, wie furchtbar, darüber kann man nicht streiten!, macht sie, Hera, Rabatz im Olymp, wenn auch nicht so schlimm wie beim Schlußverkauf, worauf sich nun die Götter neun Tage lang streiten. Das gefällt mir so, deshalb treibe ich ja dieses Unwesen mit der Sprache, damit die immer wieder auftauchen kann, nachdem ich sie weggeschickt habe. Einer ist es immer, der uneins ist. Manchmal ist er zu dritt. Erst ein Machtwort des Zeus (der die Sache mit der Ehe nicht so eng sieht, er bedenkt die Kreditkarte, die er Hera ausgehändigt hat, damit sie einkaufen gehen und sich ablenken kann, während Zeus die Welt lenkt), also er macht dem Streit ein Ende, und schließlich kann der Leichnam Hektors völlig unverletzt an seine Familie zurückgegeben werden, sogar die Speerwunde hat sich geschlossen. Wenn Sie den Namen des Präparats herausfinden wollen, welches das bewirkte, dann nicht bei mir, dann suchen Sie, wo Sie immer alles suchen, auch die Sales, die Ausverkäufe der großen Marken, nur Prada gibts dort nicht, auch die Japaner nicht, sonst gibt es, glaub ich, alles. Die Speerwunde hat sich also wie durch eine Wundercreme, die natürlich angewendet wurde, weil sie aus rein natürlichen Substanzen besteht, wieder geschlossen wie die Lanzenwunde vom Amfortas leider nicht, die ihm der Klingone, nein, Klingsor zugefügt hat, wir bedauern, den müssen Sie halt so nehmen, wie er ist. Warum hab ich das jetzt alles gesagt? Um zu zeigen, wie die Zeit vergeht. Sehr langsam. Das hätte ich billiger haben können, dieses Kleid aber nicht. Oder voriges Jahr, doch da habe ich nicht dran gedacht, es zu erwerben.

Ihr neues Kostüm schaut aber auch nicht mehr so schön aus, wie Sie es sich vorgestellt haben, jetzt, da Sie es endlich in Ruhe, allein mit sich und ihm, betreiben und betrachten können. Bilden Sie sich nur ja nichts ein! Kaufen Sie sich lieber ein anderes! Zu spät! Beim Online-Kauf hätten Sie es leicht ganz zurückgeben oder umtauschen können, falls es noch ganz war. Ich weiß doch, daß Sie das gerne noch ein weiteres Mal täten, dann hätten Sie nämlich zweimal was davon, und vielleicht könnten Sie es sogar ganze zwei Mal tragen. Und hätten letztlich auch wieder nichts davon. Dieser Gutschein scheint nur gut zu sein. Alles, was ist, endet. Alles, was da ist, kann auch wieder weg. Alles, was kommt, kann auch wieder gehen. Diese fünf Parkas gehen alle zurück, sie passen zwar, doch die Kapuze ist zu groß, die fällt ja von oben unversehens über mich her, und ich seh nichts mehr! Die Sandalen, die ich in Größe 40 bestellt, aber in 42 bekommen habe? Gehen zurück. Und das müssen sie nicht einmal selber tun. Sie sind selbst in die Irre gegangen und wollten dort nie hin? Geben Sie sich zurück!

Die Formvarianten der Kleider, die Sie hier bekommen, sind so vielfältig, daß Sie sie nicht alle kaufen können, aber wollen, doch Sie können sie kaufen und dann wieder zurückschicken, und zwar sofort, fast gleichzeitig, Ankunft und Absenden fallen in eins zusammen, Sie wollen alles immer sofort und es dann sofort wieder loswerden. Das geht fast in einem. Entweder persönlich oder per sonstwas, mit diesem Gerät bestellen Sie und zahlen Sie und nehmen es auch gleich in Empfang, nein, das nicht, daran arbeiten die noch, daß Sie in dem Moment, in dem Sie bestellen, das neue Kostüm bereits in Händen halten, kaum daß der Betrag dafür eingezahlt wurde, alles drahtlos, den Draht brauchen Sie zum Laden, um Saft zu laden, nur das Kostüm, das dann kommt, ist echt, Sie sind es hoffentlich auch, denn wer sollte das sonst tragen? Da klopft schon wieder die Drohne, die im Gegensatz zu ihrem Namen fleißig arbeitet, an Ihr Fensterlein. Nein, das denn doch nicht, das ist uns noch nicht möglich, wir verständigen Sie umgehend, wenn es soweit ist. Sie wollen alles und sollen es natürlich auch bekommen. Sie können alles auch wieder zurückschicken, Sie müssen dafür gar keinen Grund angeben, den es wahrscheinlich eh nicht gäbe, und bekommen dann Ihr Geld zurück. Ein-, zweimal Anziehen geht sich vor dem Heimgang der Ware immer noch aus, genau, das ist die andere Variante, das können Sie auch machen: Sie haben eine Frist, die Ihnen gegeben ist, und öfter wollten Sie es ja ohnehin nicht tragen. Die Mode ist nicht für das Öfter bestimmt und nicht für die Dauer, und diese Schuhe sind nicht fürs Gehen bestimmt, das sieht man ihnen doch an, schauen Sie bitte hin, verschließen Sie nicht Ihre Augen davor, in diesen Schuhen stehen Sie wie Tannen auf ungeschütztem Gelände, ich habe die schon fallen sehen, auch ohne Gewitter, glauben Sie mir, das wollen Sie nicht erleben, manchmal brennen die sogar, wenn auch nicht auf Sie! Das macht der Blitz. Diese Schuhe halten nicht einmal so lang wie eine Flamme. Sie wollen sich lieber gleich wieder was Neues kaufen, das sehe ich ein, und das sehe ich. Ich mache aufmerksam: Ein Witz, wenn noch irgendwer den gern verbreiteten Unsinn glaubt, daß die Einkaufsware 50 % vom Verkaufswert ausmacht. Nein! Tippe eher auf 10-20 %. 20 %, das geht doch. Das ist doch ein guter Grund, wieder die Preise zu erhöhen und die Schuld auf andere zu schieben. Sie durchschauen das alles nicht. Glauben Sie mir, die psychologischen Auswirkungen des Preisverfalls wollen Sie gar nicht beleuchten, und deswegen dreh ich jetzt dieses Licht gar nicht erst auf, sondern das andre dort drüben. Das Licht soll allein auf mich und meine Wünsche scheinen, welche prompt erfüllt werden. Kein unbilliges Verlangen, sondern ein billiges. Kann sein, Sie wollen etwas anderes, doch ich will dies und das auch noch. Ich will Rock und Bluse, jedes Teil 21 Euro 90, es ist immer etwas mit 90 am andren Ende. Und Sie sind das dicke Ende, das folgt. Wenn Sie die Summe ganz genau wissen wollen, müssen Sie warten, bis ich wieder in die U-Bahnstation gehe, um 17 Uhr 90, dort sind Leuchtkästen, da steht alles angeschrieben, auswendig kann ich es nicht.

In diesem Kostüm, einem künstlichen Konstrukt, denn Sie können das Ober- und das Unheil, ich meine Unterteil, das Sie, da Sie eine Birne sind, eine Nummer größer brauchen, mindestens!, separat kaufen, beides paßt zusammen, aber Sie müssen es auch separat bezahlen, in diesem Kostüm also ist alles verkörpert, was der Euro nicht mehr verkörpern kann, wenn er noch tiefer sinkt. Dann sieht man weder ihn noch seinen Körper mehr, doch seine Werte, die hält er hoch, so, hier stehen sie. Vielleicht sind es andere Werte, keine Ahnung. Doch in allem steckt ja doch letztlich mein Körper drin, der Endverbraucher, und ich muß es wieder ausbaden! Mein Körper muß den Kampf zwischen Haben und Nichthaben austragen, und inzwischen sehen Sie ihm das auch an, weil ich jeden Tag dasselbe anhabe, zumindest diese Woche. Nächste Woche wird alles ganz anders sein. Was die Bezahlung betrifft, wollen Sie es erst recht nicht wissen, morgen wird es auch wieder anders sein, aber heute steht fest, für immer steht ab sofort fest, daß die Produktion in Südeuropa zu schwach ist, denken wir an die Türkei, die aber gar nicht will, daß wir an sie denken, gemessen an jener in Indien, Bangladesh oder China, klar, das ist, wo die Musik für die Produktion von Massenkonsumartikeln spielt, die ich meide wie die Pest, denn ich bin was besonderes und will was besonderes, so, und deswegen nehme ich auch den Rock für 24, 90 und das Top für 19, 90, das ist weniger, als Sie sich vorgestellt haben, aber nicht weniger, als Sie sich vorstellen können, die nehme ich, vorhin habe ich sie im Leuchtkasten gesehen, gleich kaufe ich sie, morgen, wenn schon wieder Montag ist, es geht aber auch am Sonntag, nur wird da nicht zugestellt, morgen kaufe ich was andres, denn ich will anders aussehen als Sie, die sich soeben den billigeren Rock, ganze zehn Euro billiger als meiner, gekauft haben, wenn schon Massenkonsum, dann aber richtig, das heißt nicht mit mir!

Sie wollen sich also was kaufen und haben sich auf dieser Website dafür schon angemeldet. Nie wartet vor Ihnen einer wie beim Arzt. Immer kommen Sie sofort dran. Wenn Sie bestellen wollen, kommen Sie immer sofort dran! Das ist ein Wunder. Überall muß man warten, im Netz aber nie, außer man will sich beschweren. Sie loggen sich ein, schon sind Sie drin und legen das Teil, das schöne, nein, nicht das in hellblau, das in Fuchsia, in den Einkaufskorb, ja, jetzt ist es drin, wird bereits bestätigt, es antwortet eine Maschine, es gibt keine Menschen mehr, die probieren derzeit nämlich alle Kleider vor dem Spiegel, es wird jede Handlung von Ihnen bestätigt, nachdem Sie sie vorher selber bestätigt haben, mit Tastendruck, der der größte Nachdruck ist, den Sie Ihren Wünschen verleihen können. Jederzeit. Besuchen Sie uns bald wieder! Geben Sie Ihr Urteil ab und dann, unter einem andren Namen, noch eins! Sie wollen die Gegensatzpaare, Sie wollen das Weite und das Enge?, jedes zu seiner Zeit, Sie kriegen es, Sie können beides bekommen, Sie haben es bestellt, und Sie kriegen es, das Kurze und das Alles-zu-seiner-Zeit, und die Zeit muß Sie die ganze Zeit ertragen, ja, die Welt auch. Wo immer sie der Fall ist, so wie Sie Ihre Erhöhung und Ihren Verfall nur in der jeweiligen Macht und Ohnmacht des Geistes finden, oje, wo bin ich da jetzt hingeraten? Ich soll Ihnen einen Rat geben? Ich weiß doch nicht einmal, wer oder wo ich bin, darüber habe ich mir nie den Kopf zerbrochen; ich bin das Tragende meiner Kleidung, ich bin nicht das Herrschende, das mir diese Bilder geschickt hat, mir und ein paar Hunderttausend anderen auch, und auf keinem dieser Bilder bin ich drauf. Das kann kein Zufall sein, das muß Methode haben. Ich bin das Erste und Letzte, also, ich bin vielleicht nicht das Letzte, sondern das Vorletzte, oder bin ich die Verletzte? Die letzte, die sich selbst sieht, wenn der helle Korridor erscheint und man hineingezogen wird, aber bitte noch nicht jetzt! Bitte noch etwas bleiben dürfen!, ich bin mir so unentbehrlich wie diese Schuhe, ohne die kann ich nämlich nicht sein, und im Lichtgang werde ich die nicht mehr brauchen. Diese Mißdeutung des Geistes vorhin wäre nicht nötig gewesen, die Schuhe hätte ich auf jeden Fall kaufen können. Das Kaufen, ja, das eröffnet wieder eine ganz neue Welt, aber nicht Ihnen, nein, das ist schon meine! Suchen Sie sich eine andere!

Sie befürworten Billig-Textilien, echt? Auch teure, die jedoch in Asien unter sehr fragwürdigen Bedingungen hergestellt werden? Nicht wirklich, das können Sie nicht befürworten! Es ist aber erwiesen, daß Sie die Sachen, wären sie hier bei uns hergestellt, was ganz unmöglich ist, denn glauben Sie, wir könnten hier eine Jeans für 30, 40, 50 Euro herstellen, gar nicht kaufen könnten? Nicht um den Preis. Um keinen Preis könnten Sie sich die kaufen. Wir können es nicht, ich habe vergessen, was wir nicht können. Es ist einfach zuviel. Außerdem geht es hier nicht um die Rohstoffpreise, welche den Genießenden aber sowieso nicht kümmern, ich glaube übrigens nicht, daß die überhaupt eine große Rolle spielen, nicht die Genießer, die Rohstoffpreise natürlich, sie werden von andren Preisen überlagert, der Mensch macht immer mehr, als er vorfindet, er kocht immer mehr, als er essen kann, deswegen schaut er ja so aus, wie er ausschaut, und er kommt in dieses Kleid gar nicht mehr hinein. Dann ist Endstation. Er macht ständig mehr, damit er noch mehr aus sich machen kann. Dem Menschen ist es egal, wo der Webstuhl steht, die Baumwolle bekommen Sie trotzdem nicht von hier, sondern Sie müssen sie in Dollar kaufen. Wissen Sie jetzt, wo der Euro im Vergleich zum Dollar steht? Sie wissen es heute, für morgen können Sie es nicht sagen, ich würde Sie beneiden, wüßten Sie es, aber daß davon Ihre Kleidung abhängen soll, die gewiß lieber woanders abhängen würde, ist eine große Ungerechtigkeit. Egal, zu welcher Währung Sie Vertrauen haben, sie ist Ihnen anvertraut, um sich etwas Schönes zum Anziehen zu kaufen, einen schönen Bezug für Ihr Ausgeliefertsein, denn unverzüglich, in der Sekunde, in der das Gegebene mit der Vorstellung davon zusammenstürzt, und womöglich erkennen Sie das Bestellte gar nicht wieder, wenn es endlich da ist, es ist alles so schnell gegangen, aber dem Elektron ist das egal, in der nämlichen Sekunde nämlich wird also dieses Kleidungsstück ausgeliefert. Kaum haben Sie es bestellt, schon ist es da. Heute steht der Euro hier, morgen steht er dort. Die Menschen, die wissen, wo er ist, sie verschwinden sogleich aus Ihrer Nähe, sonst müßten sie es Ihnen ja sagen. Eine Zeitlang sieht man noch ihre Kleidung, aber man sieht nicht, daß es keine Menschen mehr gibt, und die Flüchtigsten von ihnen tragen sogar unsere, sie tragen unsere abgelegte auf. Man weiß nicht mehr, wie etwas hergestellt wird, und was wo landet, das Wissen verschwindet, niemand weiß mehr, wie man einen Stoff verarbeitet, ich weiß es schon lange nicht mehr, ich habe es nie gewußt, und ich habe auch gar keinen Stoff dafür. Der Stoff ist mir ausgegangen, das sehen Sie ja selbst, so wie er Ihnen ausgeht, und dann kann niemand mehr diese Maschine bedienen, und niemand kann mehr Stoff, der ihm fehlt, herstellen, um sich zu bedecken. Alle wollen immer nur aus der Deckung hinaus und etwas darstellen, so wie unsere netten Darsteller hier. Die sind wenigstens Selbstdarsteller und tun damit keinem weh. Ich halte mich lieber bedeckt, ich weiß noch, wer meine Abdeckung erzeugt hat, es waren Yamamoto und Kawakubo und Watanabe, Herren und Dame gemischt im gemischten Satz, und nichts, nichts, nichts, was sie derzeit erzeugen, kann irgendein Mensch tragen. Nirgendwo kann er sich darin zeigen, es brächte einen in entsetzliche Verlegenheit, Kleidung, die aus Stoffwürsten, gefüllt mit Schaumgummi, besteht, zu tragen. Vielleicht soll man aber auch was andres damit machen. Ich bin ja so enttäuscht! Ich habe diese Schöpfer so verehrt! Und jetzt das! Das ist nun die Folge, ich weiß allerdings nicht, wovon. Ich habe die Pilotfolge zwar gesehen, aber dazwischen fehlt mir einiges. Die Menschen, die sowas tragen, gibt es nicht. Man hat vergessen, sie herzustellen, weil man dermaßen mit ihren Kleidern beschäftigt war. Bald wird es auch sie, die Entwerfer, welche die Allheit des Seienden, das aber nirgends mehr anzutreffen ist, repräsentieren, nicht mehr geben, weil sie sich selber fortgeworfen und den Entwurf verbrannt haben werden, und ich werde keine Deckung mehr bekommen, so wie der Dollar auch keine Deckung in Gold mehr braucht. Er würde sie eh nicht kriegen. Wir brauchen alles, keiner bekommt etwas, und dann sind wir ganz weg.

Ich schreie, weil ich trotz Preisverfalls immer noch so viel zahlen muß, ein andrer schreit, weil er zuwenig bekommt, für das er allerdings auch weniger zahlen muß, aber sogar das wenige wird schon wieder teurer werden, darauf kann er sich verlassen. Ach, der arme Euro! Schluchz! Stellen Sie sich vor, der tut mir so leid, weil er so schwach geworden ist, ich glaube, er wurde absichtlich geschwächt, aber wenn Sie dies lesen, wird er vielleicht schon wieder aufgewertet sein, und Sie müssen nicht mehr heulen. Wahrscheinlich wird er aber immer noch schwach sein, keine Ahnung, aber möglich ist alles. Tja, möglich ist alles. Wie in der Kleidung. Ich stelle was dar, aber nur für mich, was aber gelogen ist. Was ich auch tue, machen andre besser. Und gewiß sind die, die sich im Theater hier vorstellen und dort etwas anderes vorstellen oder gar eine Vorstellung geben, sehr viel besser, als ich je sein könnte. Und am Ende sind die Ersatz-Gegensätze, die ich Ihnen für die Kleidung bieten könnte, es fallen mir eh nur wenige ein, aber trotzdem, am Ende sind diese Gegensatz-Ersätze innerhalb ihrer Ausprägungen doch wieder recht ansprechend ausgefallen, oder übersteigt das Ihr Erkenntnisvermögen? Sie sehen sie ja, es gibt ein hinnehmendes und ein schaffendes Bilden, ich schaff ja nicht mal, das abzukupfern, obwohl ich es direkt vor der Nase habe, ich gehöre eher zu den Hinnehmenden, den Ertragenden. Bloß lösen sie sich auf, die Oppositionen, wenn man nicht mehr weiß, wer wessen Gegner ist, sie fallen aus, sie lösen sich zusehends auf, es hört keiner zu, und warum besteht dieses Kleid von Rei Kawakubo nur noch aus diesen Schläuchen? Ich komm und komm nicht drauf! Könnten Sie mir das bitte sagen, notfalls wahrsagen? Sie will gar nicht mehr, daß man ihre Kleider anzieht! Sie ist es vielleicht leid. Na ja, die Menschen dürfen einem nicht leid tun, wenn man Kleider entwirft, sonst kann man es nicht mehr. Kleidung als Herstellbares, um Prunk- und Ausstattungsstücke zu erzeugen, interessiert sie nicht mehr. Ich verstehe das. Frau Kawakubo verneint Kleidung nicht, will sie aber auch nicht zur Propaganda für sich machen und auch nicht dulden, daß das andre mit ihrer Kleidung tun. Das ist wie mit Heidegger und den Russen oder auch Heidegger und dem Geist oder mit Heidegger und mir. Er mahnt die Leute, daß der Geist nicht zweckdienlich und die Kultur kein Ausstattungsstück werden darf. Die Russen haben zuerst zu allem nein gesagt, erste Phase, zweite Phase, sie haben das alles benutzt, und zwar für Propagandazwecke. Ich werde es jedenfalls dieser verzweifelten schönen Frau, die sich schon ixmal sogar das eigene Gesicht hat aufschneiden und wieder anders zusammennähen lassen, nicht verweigern, wie könnte ich das denn!, daß sie ihre Kleidung ebenfalls für Propagandazwecke nutzt, für ihren eigenen Körper, welchen sie hervorstreicht und unterstreicht und hervorblitzen läßt, wo man es nie erwarten würde, sogar auf offener Straße. Das will Rei Kawakubo jetzt nicht mehr, so sehe ich es. Ihr Wille geschehe, im Himmel, das weiß ich nicht, aber auf Erden, an mir derzeit leider nicht.

Was man hier auf dem Theater mit einem Stück Stoff oder einem Stück Mensch oder mehreren Menschen alles machen kann, alles, was man überhaupt aus einem Stoff machen kann, wird auch gemacht werden, alles, was man sich vorstellen kann, ist mit Stoff und Leder und Pelz, also woraus die Menschen halt bestehen und worauf sie bestehen, wenn sie etwas tun, auch schon gemacht worden, nur konnte es halt keiner beseelen, auch wenn Sie es so empfinden, der Stoff empfindet nichts, das Tier allerdings hat etwas empfunden, als man ihm die Haut nahm, wer weiß, wie lang damals seine Empfindung angehalten hat. Alles gibt es, alles gibt es! Aber eigentlich wollte ich mich vorhin doch, nachdem wir die Tiere abgeurteilt und abgehakt haben, mit dem Verschwinden von Menschen beschäftigen. Hier verschwinden sie noch nicht, sie verschwinden woanders, Sie werden noch erfahren, wo. Ich meine natürlich nicht diejenigen, die bereits verschwunden sind.

Was wollte ich sagen, also all die Termini, die mir aber gar nicht erst einfallen, obwohl ich schon Tonnen von ihnen gelesen und auswendiggelernt habe, damit ich der Verkäuferin vernünftig antworten kann, obwohl die nie fragt, sind nicht Stufen, sondern sie führen nur zu weiteren Modalitäten, zu Aussagekräften, stärker als wir selbst, bloß zerren sie in unterschiedliche Richtungen, so wie diese Sandalen, die ich leider zurückbringen mußte, ja sehen Sie denn nicht, daß die nie funktionieren können?, die Befestigung der Riemchen ist ja viel zu schwach für diese dicke Holzsohle, das sieht doch ein Blinder, der kann es sogar fühlen! Ja, der vielleicht schon, aber Ihr Geld kriegen Sie trotzdem nicht zurück, denn eineinhalbmal hat der Schuh funktioniert, Sie geben es ja selber zu, oder etwa nicht? Wir wissen ja nicht, was Sie diesem Schuh angetan haben, daß er so elend krepieren mußte. Da sagt schon wieder jemand etwas aus, ich schaue betont in eine andre Richtung, ich bins nicht, wer auch immer die sind, ich glaube, es sind mehrere, und sie sagen uns aus, ja, sie uns, nicht wir sie!, diese Modalitäten sagen und saugen uns aus, sie kommen nie dazu, auch nur in irgendein Verhältnis miteinander zu treten, und da spreche ich noch gar nicht von arm/reich, dick/dünn etc., obwohl das für Kleidung die wichtigsten Kriterien überhaupt sind. Da spreche ich von gestiegenen Herstellkosten, die sich bei teurer Markenkleidung nur wenig bemerkbar machen werden, denn hier liegt der Schwerpunkt auf Kalkulation und den dazugehörigen wunderbar glänzenden Fotos, auf die der Niederschlag von schönen Frauen herniederprasselt, ohne je den Glanz hoher Menschen, nein, den Hochglanz von Menschenbildern zu trüben, ich meine ja nur: Das Verhältnis zwischen Kosten und Erlösung muß einfach stimmen, und der Blick möchte sich dann ausgesprochen gern auf die Worte auf dem Etikett richten: made in the CE, oder wie sie das schreiben, womit sie die Echtheit bestätigen, auch wenn dort nur der letzte Knopf angenäht wurde. Die Kleidung ist und bleibt jedoch dieselbe. Die ist die einzige, die ganz sie selber bleibt. Sie wandeln sich, und nicht zum Besseren. Hier das Cover der Vogue, wollen Sie so ausschauen? Ja, Sie wollen es, Sie müssen deswegen ja nicht gleich kaufen, was Sie kaufen sollen.

An dem, wie man ausschauen will, wird hauptsächlich gemessen, wie man nicht ausschaut! Das ist alles so negativ! Nie kommt man dem gleich, was man sein möchte, und es dauert oft ein Leben lang, bis man begreift: Die Kleidung war dabei auch nicht gerade hilfreich. So hätte man es gerne gehabt, doch es hat nicht funktioniert, daß man sich sein Aussehen kaufen kann. Die Verhältnisse stehen in einem antinomischen, nein, in einem anatomischen Verhältnis zueinander, ein Verhältnis zum nächsten zum nächsten Verhältnis. Ja, die Verhältnisse gehen auch selber wieder Verhältnisse ein. Das können sie, wenn ihnen die Verhältnisse nicht gefallen, in denen sie sich gefesselt befinden. Die Anatomie entscheidet, rein der Mensch, also nicht, wie er denkt, sondern wie er gebaut ist, nicht wahr, entscheidet allein, das ist das einzige Gebiet, wo nur der Mensch zuständig ist, also jemand wie ich und 50 000 Künstler, die alle behaupten, im Mittelpunkt ihres Schaffens stehe der Mensch. So, da steht er also und wird nicht abgeholt, obwohl etliche ihm sagen, er werde irgendwo abgeholt, er soll nur geduldig sein, irgendwann kommt schon jemand auf ihn zu. Was fragen Sie mich, Sie sind doch auch einer? Zur Endlichkeit des Menschen gehört die Sinnlichkeit in der Bedeutung der hinnehmenden Anschauung. Die Vernunft ist aber auch notwendig, wird allerdings leicht übersehen oder überstimmt, auch wenn das Ergebnis dann überhaupt nicht stimmt. Aber sie wird es nicht, sie wird es nicht erst dadurch und deshalb, weil sie an einen Leib geknüpft ist. Alles wird etwas, weil es einen Körper hat, den es nicht abschütteln kann. Das muß ich schon einmal gehört haben, keine Ahnung, von wem, ich sage aber nur, was ich schon kenne, ich sage nur gesicherte Tatsachen, damit Sie mir nichts tun können. Der Mensch weiß normalerweise, nein, umgekehrt, der Mensch als endliches Vernunftwesen, hahahaha, Verzeihung!, ich habe das nur abgeschrieben, aber ich kann mich vor Lachen kaum noch halten, das Vernunftwesen also kann nur deshalb in einem metaphysischen Sinn seinen Leib haben, jahahaha, haben, weil die Transzendenz als solche schon und überhaupt und immer: sinnlich ist. Gut. Er weiß also, was ihm steht, dieser Mensch weiß es, der dort nicht, er weiß nicht, was er damit machen kann und für wen, aber er weiß, daß er etwas machen muß, daß er irgendwie etwas aus sich machen muß, und wenn es das letzte ist, was er tut, nämlich Geld ausgeben für die Begaffung, die Selbstbegaffung, so, und außerdem weiß er natürlich, was ihm paßt, immerhin, und weiß er es nicht, muß man es ihm halt sagen. Und dann muß es ihm halt seine Geldbörse sagen. Die behält das letzte Wort im Nacheinander des Kaufens und Wegschmeißens.

Aber das Zeugs muß schon vorher hergestellt und bereitgestellt sein, sagen wir für den nächsten Winter?, es kommt aber ganz darauf an, in welcher Zeit wir gerade leben, zu welchem Zeitpunkt, und ob wir den Winter überhaupt noch erleben werden, ich kenne mindestens zwei Fälle, bei denen das fraglich ist, einen können wir schon mal ausstreichen, höre ich, und wenn grade Winter ist, können Sie gerne auch Sommer hier einsetzen oder den nächsten Winter. Die Jahreszeiten schicken sich an, sich gegenseitig zu überholen. Sie setzen zum Endspurt an. Sie wissen schon nicht mehr, zu Frühjahrsbeginn wissen Sie nicht mehr, ob dieser Ausverkauf bereits der kommenden Sommerware oder der darauffolgenden Herbstware gilt, in der Sie noch recht gut selber ausgehen können am Abend, wenn Sie keiner sieht oder wenn alle Sie sehen, das ist die Frage. Midterm Sale! Immer dieses Dazwischen! Und vorausgesetzt, der Euro bleibt schwach, wovon wir ausgehen, nachdem wir uns was Schickes angezogen haben, wovon wir nach unserem Ausverkauf noch machen Gebrauch, wir kriegen ja jedes Jahr, das vergeht, weniger für uns, wenn wir also ausgehen, dann geht das oft nicht gut aus, denn wir haben irrtümlich das Zeugs vom vergangenen Winter angezogen, aber Winter herrscht doch noch bis übernächste Woche!, mindestens!, aber Sie hätten schon ohne jede Mühe das erste Stück aus dem kommenden Herbstschlußverkauf erwerben können, ich weiß nicht, irgendwas stimmt da nicht, rechnen Sie selbst nach!, ach was, ich bleib zu Hause, es ist eh klar, es wird auf den schwachen Euro gesetzt und damit auf steigende Importpreise, welche wiederum die geringe Teuerungsrate in die Höhe schnellen lassen, iiih, jetzt hab ich sie ins Gesicht geschleudert gekriegt, ohne Erklärung, also was jetzt? Die Deflation soll ferngehalten werden, besonders von Deutschland, von dem wir uns selber fernhalten sollten, weil so viele andere reinwollen, das jedoch stets den Ton angibt, wenn auch nicht in der Mode. Kein Mensch würde, wo auch immer, diesen Rock, dieses Top, diesen Top-Computer oder ein Handy, das nicht mehr getoppt werden kann, kaufen, denn wo ständig die Preise fallen, würde man es immer morgen kaufen, besser übermorgen oder nächste Woche. Und am Ende ist alles geschenkt. Geschenkt! Andrerseits: Besser heute Mode kaufen als erst morgen, wenn sie nicht mehr gilt, wenn sie veraltet ist, wenn sie nichts mehr zählt. Sie ist immer Heute, sie ist das Heute, das morgen weg sein wird, wie wir. Ich wechsle das Instrument und blase jetzt hinein statt es zu streichen: Also für mich gilt das nicht. Ich werde auch morgen noch leben, wenn ich mich nicht aus dem Haus bewege und damit in Gefahr bringe. Ich sage aber nicht, warum ich ewig leben möchte, jedenfalls sicher noch morgen. Ich kaufe ab nun gar nichts mehr und töte damit die Wirtschaft, doch das sollen Sie nicht wissen. Das darf man nämlich nicht, gar nichts kaufen.

Wer er ist und was ihm steht, das weiß jeder selber, weil es ihm diese Zeitschrift und diese Leuchtkästen in der U-Bahnstation gesagt haben, sie haben gesagt, daß jeder er selber ist, kein andrer, und die Auswahl hat, und weiß er es nicht, glaubt er es am Samstag, wenn er frei hat, dieser Verkäuferin, die findet, daß ihm einfach alles steht, bevor sie ihre Arbeit verliert und durch einen Internet-Auftritt ersetzt wird, wo jeder auftreten kann, weil er ja kein Mensch ist und daher auch nichts kostet, was bleibt ihm übrig. Die Zuschauerin bleibt ihm übrig, die gebannt an seinen Lippen hängt, an den Lippen dieses Auftritts und dieses Web-Auftritts, aber das kann kein echter Mensch sein! Unmöglich! Gisele Bündchen kostet für einen Tag mehr als die ganze Herbstkollektion, na ja, so ungefähr jedenfalls. Sie sagt uns: Ich bin ein Mensch, und Sie sind keiner, falls ich einer bin. Dann können Sie keiner sein. Also sprechen wir, wenn irgendwas nicht stimmt oder paßt, mit dem Callcenter, wo auch keine echten Menschen mehr sind oder solche, die ihre eigene Muttersprache bereits vergessen haben, weil sie immer eine andre sprechen müssen, die ihre Mutter gar nicht kann. Ich hänge also an den Lippen, ich glaube, sie stellen diese Lippenfarbe dar, nein, vor. Diesen Lippenstift hätte ich mir gestern gern gekauft, aber 23 Frauen, im Alter von 18 bis 57, und da bin ich auch schon längst nicht mehr mit dabei, raten mir bei den Bewertungen davon ab, weil er sich in den kleinen Fältchen um den Mund herum absetzt, er macht diese Absetzbewegung, der Lippenstift, und dabei weiß ich nicht einmal, ob es der überhaupt ist, aber ich habe drei Stunden lang Farben verglichen, wenn auch nur auf einem Bildschirm, wo sie alle so schön leuchten wie auf mir nie, und ich glaube: Der muß es sein! Das ist die Mode, genau: Das muß es sein! Was bleibt dem Menschen übrig als nachzugeben dem Rat von vielen, wo hätte man den früher herbekommen, den Ratschlag, der einen dann endgültig zu Boden schmettert, hätten wir den gebraucht? Wir hätten einen anderen gebraucht. Jedenfalls nicht so schnell und nicht so oft und niemals so unterschiedlich und vielfältig wollen wir beraten werden, oder? Und gleich auch noch schriftlich, damit beglaubigt ist, wie sehr Sie sich schämen müssen. Zum Glück sind Sie dabei mit Ihrem Spiegel allein. Und Sie stellen das Bild dann trotzdem ein, es ist Ihnen nicht zu helfen. Jetzt wissen es wieder alle und alle folgenden Folgsamen, Ihr Gefolge, das Ihnen ohne Folgen folgt. Und wieso bin ich es, die übriggeblieben ist, die man auf dem Wühltisch liegengelassen hat? Oder hat man mich stehengelassen? Ich muß nachschauen, in welcher Lage ich mich gerade befinde.

Oder hab ich mich überhaupt im Jahr geirrt?, hat sich dieses Jahr schon wiederholt, und nur ich habe es gemerkt, weil ich auf der Straße genau die gleichen Jeans und wattierten Jacken und Stiefel sehe wie seit zehn Jahren schon, und zwar wirklich ganz genauso? Sogar die Bootsflüchtlinge tragen die schon, sogar die Erstickten in den Lastwagen, weil die Kleidung mittels Teleportation bei ihnen in ihren Ländern angelandet oder spätestens an unseren Grenzstationen für fremde Körper umerzogen worden ist, so wie sie ihrerseits bei uns landen wollen, aber oft nicht können. Nicht lebendig jedenfalls. Ja, ich habe mich im Jahr geirrt, in Deutschland nicht, das ist zuverlässig, und jetzt gibt es sie gar nicht mehr, diese Basics, wie man sie nennt, also das, was alle haben, auch wenn sie immer was andres haben wollen. Sehr viele Menschen gibt es jetzt schon nicht mehr, weil sie bei uns nicht landen konnten, tut uns leid. Täuschen Sie sich nicht: Alles verschwindet. Das Alles verschwindet. Nur die Mode nicht, sie wird bloß ständig eine andre. Für Sie, nicht für andere! Na ja, wie ich schon sagte: die nicht, jede, aber diese ums Verrecken nicht. Eine recht verstandene Wiederholung, die auch unmerklich stattfinden kann, muß sich zuvor dessen versichert haben, was das eigentliche Ergebnis der früheren ausmacht. Und daraus, wie das in den Auslagen Vorgefundene bestimmt wird, muß sich ablesen lassen, wie weit das alle Wiederholung leitende Verstehen alles Möglichen reicht und ob es dem Wiederholbaren überhaupt gewachsen ist. Also, das müssen Sie schon selber feststellen.

Die Mode ist nie diejenige, die wir haben wollen, und trotzdem kaufen wir immer wieder das gleiche, jedes Jahr wieder, das muß so sein, denn ich sehe hier kaum etwas anderes, aber man bringt es uns schon noch bei, daß es jedesmal was anderes ist, da die Mode immer ihren Schatten in die Zukunft wirft, oft ein Jahr und mehr voraus in die Zukunft, inzwischen zwei, drei Jahre!, wer weiß, ob wir da überhaupt noch leben und das auch zeigen können. Indem wir flott dahinschreiten oder schlendern, je nachdem, sehe ich noch die nächste Winterkollektion von Raf Simons, der nicht mehr Jil Sander ist, schon lange nicht mehr, und inzwischen ist er das, was er danach geworden ist, auch nicht mehr, ich weiß gar nicht, ob es ihn überhaupt noch gibt, ja, derzeit bei Dior, nein, er hat schon wieder was andres vor, er möchte ganz er selbst sein, das muß aber nicht so bleiben, und überhaupt, was gibt es überhaupt noch?

Jetzt habe ich es schon ein paarmal gesagt, und ich sage es nicht noch einmal, nein, doch, noch viele Male, ich habe die Zeit nicht erfunden, sondern sie mich, ich hätte was andres aus mir gemacht!, ich sagte also vorhin, ja, wirklich, Sie haben es bloß vergessen, daß ich überhaupt nichts mehr kaufe, nein, diesmal noch nicht, diesmal kaufe ich noch, es ist noch nicht nächstes Jahr, ich überhole mich, werde ein Jahr jünger, nein, natürlich älter, und zwar in einem einzigen Monat, und schaue unwillkürlich nach, ob ich überhaupt noch lebe, ich schaue, überzeugt von meinen inneren Gaben, ob auch für diese noch Platz sein könnte, ob ich eine kleine innere Gabe, eine Fähigkeit, eine Fertigkeit, irgendwas, das ich verfertigt habe (nichts, denn ich habe noch nie etwas verfertigt, nein, halt, ich habe Hosen für meine Plüschtiere gestrickt! Dabei hat man mir allerdings geholfen, bei den komplizierteren Stellen, aber das meiste habe doch ich getan, oje, was habe ich getan?!), in diese Auslage legen dürfte, bitte, nein, hier liegt nur, was der Mann verfertigt hat, der Jil Sander heißt, es aber nicht ist und das Danach auch nicht mehr. Das wäre auch sinnlos, da es Jil Sander ja längst auch nicht mehr gibt. Und zwei, die es nicht mehr gibt, das wäre in der Mode einer zuviel. Es darf nur einen nach dem anderen nicht mehr geben, außer es hat sich einer vorgedrängt beim Verschwinden. Ein Wunder, wo sich alle immer so brav anstellen an ihren eigenen Grenzen, die man ihnen gezeigt hat. Eine wunderbare Verringerung, nein, Vermehrung, aber nicht von Brot, wer will denn noch Brot! Das macht dick. Menschen, die es gar nicht gibt, arbeiten für solche, die man besser gar nicht sehen sollte. Niemand sieht etwas, niemand weiß etwas, und doch entsteht dieses Kleid unter arbeitsamen Händen, die leider bald unter Schutt und Trümmern verschwinden und auch sofort begraben werden. Genau wie die Wirtschaft, wo eben Opfer gebracht werden müssen, ständig, und dies gehört ja alles dazu, das geht alles den Bach runter. Ich hole tief Luft, halte mir die Nase zu und durchtauche eine Zeitlang die niedrigen Margen. Die hohen Fertigungslöhne, welche die Menschen immer so fertigmachen, die das alles machen müssen, drücken mich grausam unter Wasser, wenn ich mir was kaufen möchte, vielleicht komm ich gar nicht mehr hoch, so, der Preisschub, der mich hoffentlich ans Ufer werfen wird, obwohl er mich gar nicht betrifft, wird spät, dann aber auf breiter Front eintreten. Als Zeitpunkt bietet sich der klassische Kollektionswechsel im Juli/August an, oh halt, nein, es gibt ja mindestens jeden Monat etwas Neues in dem Geschäft, man kann draußen stehenbleiben und drauf warten, und selbst die Geschäfte werden alle drei Jahre neu ausgestaltet, alles muß immer ganz neu sein und oft, die Flächen vervielflächigen sich, der Verkauf pro Quadratmeter, die Flächenproduktivität ist mal so und mal so, sagen Sie mir bitte, wie hoch sie derzeit ist, wenn Sie es wissen! McFashion kann man direkt aus der Tüte essen, warum auch zögern, weshalb warten? Der Leuchtkasten flackert, denn für die Beleuchtung ist kein Geld mehr übrig, alle sind ausgebrannt, zuerst die Birnen, also das, was es jetzt an Stelle der Birnen halt gibt, doch die Ware stimmt, und zwar deswegen, weil auf den Kunden alles wie neu wirkt, ihm kommt alles neu vor, auch das, was gar nicht neu ist, weil er es schon zwei Jahre zuvor ganz genauso selber gekauft hat, ich bin Zeugin, ich bin Zeitzeugin, daß ich das alles schon seit Jahren sehe, immer gleich, nur die Farbe wechselt wie beim Sonnenaufgang, derzeit aber ist es neu, denn das, was er vor zwei Jahren gekauft hat, hat er längst weggeschmissen und durch was Schöneres ersetzt, nämlich genau das gleiche, Sie sehen es ja! Das durchschnittliche T-Shirt wird 1,4mal im Leben getragen, Sie haben es ja gehört, nein, nicht in Ihrem Leben, in seinem, das arme Ding! Ich sehe bloß den Unterschied zum letzten nicht. Ich sehe, diese Farbe ist das Allerletzte, da wird aber garantiert noch was nachkommen, doch ich sehe den Unterschied nicht, und ich weiß nicht einmal, den Unterschied zwischen was, wem und wie. Es könnte sich mir hier die Transzendenz, das heißt die Subjektivität des menschlichen Subjekts enthüllen, doch was sich mir enthüllt, ist das Subjekt selber, das eben gern seine Titten und seinen Arsch und seine Beine zeigt, welche aus der Kleidung herausragen, um ihn zu umrahmen und zur Geltung zu bringen, nichts Schlimmes dabei, ist mir total lieber als totale Verschleierung, also ich glaube, diese Kleidung dient nur der raffinierten Enthüllung in der Verhüllung, das raffiniert nehme ich zurück. Das menschliche Gemüt vermag vieles, aber daß ihm dieses T-Shirt nach drei Jahren immer noch gefällt: unmöglich. Es ist nicht die Möglichkeit. Es kommt daher nicht oft an die Luft, das arme Shirt, und wird schon wieder weggeschmissen, man vergißt es, und zwei Jahre später kauft man es wieder neu, nur anders getönt, wie Ihr Haar. Es wird als neu hinzugekauft, das Shirt, genau das, was man, in einer etwas andren Farbschattierung vielleicht, um den anderen die Augen auszuwischen, daher kommt auch das Wort Augenauswischerei, ja, also das, was man vor zwei oder mehr Jahren schon einmal gekauft hatte, doch man erinnert sich nicht mehr, man erinnert sich nicht mehr an das arme Teil, das im besten Fall jetzt in Afrika in andrer Form einen andren Körper ziert und in einem sinkenden Nachen zu uns zurückgeschickt wird, im schlechtesten längst anmutige, riesige Gebirge allein aus sich heraus errichtet oder gleich in der Müllverbrennung verbrannt wird wie so manche Menschen auch, wie so manche Menschenüberreste, welche dort gelandet sind, darunter ein Bub aus meiner Nachbarschaft, nein, nicht von dort, dort wurde er nur umgebracht und im Hausmüll-Container entsorgt. Sorgen hat sich keiner um ihn gemacht, macht sich ja auch keiner um dieses T-Shirt, von dem er keinen Begriff hat, weil er zuwenig Begriffe überhaupt kennt, seine Einbildungskraft reicht nicht weit, sie reicht nur so weit, daß er recht eingebildet ist, wohin sollte sonst die Botschaft denn gehen, daß man immer wieder kauft, was man schon hat, und was soll sich diese total fremde Meinung anziehen, wenn sie mal rausgeht, weil sie einer an die Zeitung oder in ein Forum geschickt hat? Das weiß ich nicht, doch von dem Shirt bleibt nicht einmal ein kleiner Rest, und, schau an, es hat das ewige Leben, wie Gott, das ewige Leben hat es also geschafft, und hier ist es schon wieder, unser Grundbesitz des gesunden Menschenverstandes und unsere Wahrheit, welche die einzige ist, sie ist zurückgekehrt wie ein Gespenst, die Mode ist nicht der Tigersprung ins Vergangene, sie ist das Vergangene, das immer neu als Zukunft verkauft werden muß, wer will schon zurückschauen, er könnte sich ja ärgern, daß er das T-Shirt damals voreilig weggeschmissen hat, wo es doch genau so eins jetzt wieder gibt, aber nein, er erinnert sich nicht, keiner erinnert sich, es ist alles vergangen, und das ist gut so. Denn warum soll nur der Mensch vergänglich sein, das frage ich sie? Soll er ja gar nicht! Den Gedanken allein hält schon kaum einer aus. Doch wahrlich, ich sage euch: Das, was der Mensch anzieht, ist meist noch vergänglicher als er, es wäre ihm nicht zuzumuten, das Wissen wäre ihm nicht zuzumuten, daß dieses Kleidungsstück viel länger halten würde als er. Wenn man es nur ließe.

Aber nein, das machen wir nicht. Keine Ahnung, was. Das Wastum, nein, das Was, nein, das Wachstum wächst nicht mehr, es ist soviel davon da, daß es gar nicht mehr wachsen müßte. Wieso bin ich, wo bin ich?, was rede ich da?, ich habe schon ein Maß, und ich habe ein Maßband dazu, und das sagt mir nichts Gutes, jedenfalls nicht über mich, ich habe ein Maß, aber es ist kein allgemeines, obwohl es allgemein gebräuchlich ist, denn es mißt die Menschen, wenn sie wollen, doch ihr Wohlstand kann schon gar nicht gemessen werden. Er kann jedoch der Kleidung abgeschaut werden, der sieht man es an. Wenn ich nach dieser Straße gehe, ich meine, wenn ich dieser Einkaufsstraße nachgehe, nein, wenn ich sie einfach entlanggehe, wenn ich gehe und schaue, dann sehe ich, daß es kein Maß gibt. Es kann einfach keins geben. Das Maß müßte mit wirtschaftlicher Tätigkeit identisch sein, aber ich sehe hier niemanden wirtschaftlich etwas tun, das passiert wahrscheinlich woanders, hinter den Fassaden, hinter den Kulissen, an Webstühlen und in den Nähereien fremder, wo Sie Gewürze auf den Märkten fotografieren, wenn Sie mal hinfahren, die Menschen dort nehmen Sie billigend in Kauf, denn alles andre dort ist ja auch billig. Diejenigen, die Ihr wieder ganz neues T-Shirt genäht haben, die nehmen Sie auch in Kauf, die nehmen Sie in Zahlung, nein, das tun Sie nicht, Sie nehmen lieber Ihr neues Shirt in Zahlung, Sie zahlen jetzt, tragen es später, und ehe der Hahn dreimal gekräht und der Wasserhahn dreimal geschifft hat, erkennen Sie es schon nicht mehr, weil Sie sich bereits das übernächste gekauft haben. Sie lügen nicht, wie Petrus damals, weil Sie Sanktionen erwarten, Sie erkennen es wirklich nicht wieder. Keine Sorge, die Fabrik wird einstürzen oder verbrennen oder beides, sie wird im Erdboden versinken, alles darin wird auch einstürzen oder verbrennen, die Menschen werden verschwinden, über das Schicksal des T-Shirts, das Sie sich nächstes Jahr kaufen werden, werden Sie noch im Unklaren gelassen werden, wir wissen ja nicht, ob es überlebt haben wird (wahrscheinlich wird es eher sich aber selbst überlebt haben), obwohl Klarheit herrscht, nachdem sich der Rauch und der Staub gemeinsam verzogen haben. Da ist nichts gerettet worden. Nur ein Haufen Etiketten, die einander wortreich widersprechen, teure wie billige, ich spreche von ihrer Zugehörigkeit, ein ganzer Haufen, und mein Denk-Hausmeister hat vorhin die drei Grundfragen Kants wiederholt, über die ich schon öfter geschrieben habe, ohne auch nur die Angabe zu verstehen, nun nennt er die vierte und rasselt mit seinem Schlüsselbund, mit dem er jede Tür aufkriegt: Was ist der Mensch? Er ist schief, also der Begriff, den man sich von ihm macht. Man macht sich ja keinen Begriff! Und ist diese Frage nicht überflüssig, da rein äußerlich angefügt wie die Kleidung? Überflüssig, weil all dies hier doch ohnedies schon vom Menschen handelt? Nein, ich spreche nicht von Menschen, wer tut denn sowas, höchstens diese Zeitschrift hier, und die fragt nicht, die antwortet. Der Mensch ist ja vergänglicher als Wurst, doch ich spreche da natürlich nicht von Dauerwurst. Die hält viel länger, länger als der Krebs, den man von ihr bekommt.

Hier, in diesem Fall, vor den Kulissen, egal, eine Ausnahme!, was wollte ich sagen? Und so gibt es kein Maß, es gibt kein Maß, an das wir uns halten könnten, um tätig zu sein. Greifen wir auf Sozialindikatoren zurück, um das Maß zu ermessen, noch einmal nachzumessen und nötigenfalls zu verändern, damit es ein andres Maß werden kann? Wie können wir das Wohlbefinden messen? Na, meins könnten Sie daran messen, wie mir diese flachen Schuhe mit der dicken weichen Sohle, vormals Jil Sander, jetzt: ich weiß es nicht, ehrlich!, der Name steht noch auf dem Geschäft und in den Schuhen drin, aber wer das ist, an wen ich mich halten kann, keine Ahnung, ich sagte es schon wiederholt, und ich wiederholte das Gesagte noch: nein, nicht wie die sich befinden, die Schuhe, die ich trete, das ist mir extra wurst, sondern wie ich mich in ihnen befinde, und das ist ja auch egal, Ihnen jedenfalls, nein, wie ich darin aussehe, nur das zählt. Und wenn sie zu klein sind, weil die größeren zu groß zwar nicht wären, zu groß aber aussehen würden, dann müßte ich einen Sturzbach Wasser hineinschütten oder irgendwas andres, so einen Spray, reinspritzen und sie danach sofort anziehen und bis zum Umfallen darin herumgehen, dann passen sie irgendwann, wenn man nasse Füße so lang aushält, dann passen sie sicher, lieber das Kleine dehnen, als das Passende zu groß aussehen lassen! Ach Gott, meine Füße sind mir zu groß!, ein Unglück ist das, aber es gibt auch da Schlimmeres: zu kleine Schuhe. Wo sind diese Indikatoren? Wo hab ich die jetzt wieder hingetan?

Aha, da sind sie ja, Gesundheit drückt sich durch Sterbeziffern aus, anstelle von Ausgaben für Ärzte und Krankenhäuser, beide sind weit, so weit, die Krankenhäuser jedenfalls, die Ärzte nicht, da sind sie ja, da sind sie ja, etliche Schönheitschirurgen drunter, soviel Schönheit, wie die erzeugen, haben Sie noch nie gesehen und hat hier auch nicht Platz, weil die Menschen, nachdem sie dieser Kunst teilhaftig wurden und jetzt ganz endlich ganz anders aussehen als für sie vorgesehen, so daß oft Rechnungen an die Falschen geschickt werden, die sie gar nicht mehr sind, eine Veränderung, die ihre Kleidung niemals alleine schaffen würde, weil die Leute sich danach also, nachdem sie in der Änderungsschneiderei für ihr Gesicht und neuerdings auch für ihre Hände und Hälse zum Überholen waren, was sie genausogut auf den Straßen tun könnten, bis sie endlich tot sind, weil die Leute also sich sofort wieder verteilen, über die ganze Stadt, sie bleiben nicht in diesem goldenen Quartier, dem gelobten Land, die meisten bleiben nicht, was bleibt?, niemand bleibt, niemand will, daß ihm seine Gestalt bleibt, sie soll irgendwie schmäler werden, aber die meisten kommen immer wieder in diese oder jene Straße zurück, weil sie dort auch ihre neugewonnene Schönheit zur Geltung bringen wollen, wozu hätten sie sie denn?, was dann noch mehr Geld kostet, es kostet alles, es kostet uns alle was, es kostet uns alles etwas und bald sogar mehr, das meiste, das es gibt, und zwar für jeden! Auch für solche, die sich ihren Tod noch gar nicht leisten können.

So, was haben wir noch, was haben wir noch für Indikatoren für Wohlstand und Wohlfahrt, komisch, daß sowas immer am Fehlen von etwas gemessen wird, am schlimmsten Fall, Gesundheit wird am Tod gemessen, Schönheit an Häßlichkeit, Zufriedenheit und Sicherheit werden an deren Kehrwert gemessen, an Selbstmord- und Unfallziffern, ja, da kann man das ablesen, nicht an Sicherheitsvorkehrungen, die faktisch nicht zu messen sind, wo war ich? Nicht dort, wo Sie gerade sind, sonst könnten Sie mich ja sehen, aber die erleuchteten Schaukästen haben auch mich, vielleicht genauso wie Sie, inspiriert, ja, sie waren eine Inspiration für mich, jetzt brauch ich nur noch den dazugehörigen Körper, genau wie die Frau im Schaukasten, so möchte ich aussehen, in genau so einem Kasten möchte ich allen Menschen vorgeführt werden, wie ich Kleidung vorführe!, aufgetakelt oder gleich als Plastik gegossen, am besten sofort, bevor ich verhungere, so einen Körper möchte ich haben, und wenn ich dabei krepiere, genau den oder einen, der dem nahekommt, obwohl die aussieht, als käme ihr nie jemand je nahe! Ihr Körper ist ja viel teurer als die Kleider, die sie trägt, schon die Miete für sie kann sich kaum einer leisten. Ihr Körper ist in fünf Minuten schon teurer als diese Jeans und dieses Top dazu, nein, zehn Stück davon, tausend! Ja, wenn ich so aussähe, würde ich sogar auf dieses neue Top verzichten, das unbedingt obendrauf gehören würde. Diese Frau soll von nun an mein Maß sein, nehme ich mir vor, doch ich verschwinde vor ihr oder hinter ihr, ihr ist das egal, es ist ihr sogar egal, ob ich lebe oder tot bin, aber das ist fast jedem anderen auch egal. Denn nicht mal die Luftqualität wird an den Menschen gemessen, die röchelnd und blau im Gesicht, sich an die Kehle greifend, zu Boden sinken, falls noch Platz dafür ist, zumindest hier auf diesem Din A4-Papier müssen Sie Platz finden, wenn auch nur im Stehen, mehr haben wir nicht für Sie, wir haben nicht einmal Papier, sonst könnten wir ausrechnen, wie viele von Ihnen ein neues Maß brauchen könnten, das noch kleiner wäre als das Blatt Papier, das weder zwischen Sie und uns noch unter Ihre Füße passen würde; kein Platz zum Umfallen vorhanden, haben wir leider nicht vorrätig, denn zum Umfallen würden wir schließlich mehr Raum benötigen, den wir nicht haben, so, und den LKW verschließen wir noch zusätzlich fest mit Draht, damit keiner, obwohl draußen viel mehr Platz wäre, hinauskommt, damit uns keiner auskommt. Das ist der Beweis, daß wir keine Menschen sind und kein Maß haben, was wir sein sollten, wir sind das Maß für alles, so ist es einfacher, aber es stimmt nie, es stimmt vielleicht für andre, dort gilt es dann, es stimmt für uns nie, weil wir uns immer falsch einschätzen und dann dem armen Maßband, das schon mit sich herumfuchtelt, um auf sich aufmerksam zu machen, nicht glauben wollen. Das ist es, wir messen die Luft immer nur an der Reinheit der Villen, innen wie außen, in den reichen Vororten, die abschätzig auf uns herniederblicken, wir messen sie nicht im Laderaum eines LKWs, wo gar keine ist, das wäre ja sinnlos, denn wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren und jeder andre auch; oder, Moment, jetzt muß ich fragen, wo die Leute wohnen, die hier einkaufen können, ich kenne mich in dieser Stadt nicht so gut aus, allerdings immer noch besser als all die Toten, die in dieser Stadt gar nicht erst ankommen konnten, na, wo, ich möchte dorthin, wo die Musik spielt und die Post abgeht, ich möchte immer das Auch, bloß anders, damit ich, ich danke dir, Gott, nicht bin wie die anderen Leute! Die sind alle furchtbar. Ja, sieht denn der Gott das nicht? Haben sich zu viele an ihm vorbeigemogelt? Wo waren die Grenzschützer? Ja, lassen die denn jeden durch? Es gibt immer ein nächstes Mal, auch für ihn, unser Herrchen, das sinnlos mit dem Beißkorb wedelt: Wer nicht atmet, soll auch nicht essen. Ich faste nicht, ich gebe meinem nächsten nichts und gönne ihm noch weniger, und immer noch bin ich wie die anderen Leute, was ich nicht sein will.

Bitte, ich habe auch mein Maß, ja, genau!, wo hab ich es hingelegt? Ah, hier, ich nehme mir Maß, weil das im Netz so verlangt wird, damit die Hose hält, da gibt es so Tabellen, und manchmal nehme ich mir etwas heraus aus dem Maß und halte das schon für maßlos, obwohl ich doch alles andre auch nehmen könnte. Ich habe meine Zeitlichkeit gemessen, bin brav immer zu früh gekommen, nein, nicht dorthin, wohin Sie glauben, ich habe den Raum an sich in Bezug auf meine Wahrheit gesetzt und mich entschlossen, diesen Raum nicht mehr aufzusuchen, nie, nie hätte ich diesen Lastwagen betreten!, und lieber zu lügen, so zu tun, als wäre ich dort gewesen und auch noch zur rechten Zeit, was für die meisten nicht rechtzeitig bedeuten würde. Hier soll nie vom Nichts die Rede sein, sondern immer vom Etwas, das sich gegen das Nichts sträubt, während ich mir das Maßband anlege, das leider nicht stimmt, wieso hab ich mir so einen Dreck überhaupt gekauft?, was mir nichts mehr nützt, da ich mich ja schon zum gewissen Ende, nicht einem gewissen, das wird ganz gewiß ganz meins sein, das wird mir keiner streitig machen!, hin auflöse, vorher hat es mir aus anderen Gründen nichts genützt, seine Skalierung war irgendwie falsch, ach, ich scheine seltsam angeschwollen zu sein. Wie schade! Nicht einmal im Sterben habe ich mein Idealgewicht erreicht. Ich habe jede Menge Wasser eingelagert, damit ich es habe, wenn ich es brauche, und damit der Tod mehr Arbeit mit mir hat. An mir hat er ordentlich zu schlucken. Immer noch besser, als so lange schon ganz weg zu sein, wie die arme Jil Sander. Doch die wollte es ja so, sie hat es ausdrücklich gesagt. Ich bin jedenfalls noch da. Ich weiß einfach, was mir paßt, ganz einfach: nichts mehr!, doch es ist das, was mir früher schon nicht gepaßt hat, jetzt aber schon gar nicht mehr, wozu das alles?, was hätte ich mir statt dessen kaufen sollen? Ich weiß es nicht, und das Nichts blickt, klein wie die Spitze einer Stecknadel, auf die es zusammengeschmolzen ist wie mein Fett leider nicht, auf mich zurück. Ich vollziehe doch schon den Marsch durch die Institutionen der Modegeschäfte in den Tod, bin schon gestartet, ein, zwei Tüten hängen an meinem Arm, sie zerren an mir, weil sie ihre Freunde mitnehmen wollen, in diese Tüten kommt mir aber nichts mehr hinein, doch auch beim Abtritt, wo man wartet, wie immer bei den Abtritten, welche den Damen unter uns gewidmet sind, bei den Herren geht alles schneller, auch dort also will man schließlich noch gut aussehen, bevor das Leben abgeschlossen ist, oder? Man hat recht, man hat ein Recht darauf.

Wir können etwas, das wir vor Jahren schon entsorgt haben, nein, mit dem Knaben, der, von Messerstichen ins Nichts der vollständigen Verneinung von allem, was einen Menschen ausmacht, geschickt wurde, natürlich nicht von mir, man weiß längst, von wem, in die Müllverbrennung geschickt wurde, mit dem können wir das nicht machen, mit dem können wir nicht mehr machen, was sein Mörder gemacht hat, und sonst können wir auch nicht viel. Der Mörder macht uns keine Sorgen mehr, aber, was die Kleidung von vor zwei Monaten betrifft, so sind wir voller Sorge, daß wir es uns nicht leisten können, sie noch ein zweites oder drittes Mal zu erwerben und dann noch einmal fortwerfen zu müssen, in noch größerer Sorge, weil alles inzwischen vielleicht teurer geworden ist und bald wahrscheinlich noch teurer sein wird. Nicht einmal gegen den Kursverfall hat sich die Kleidung abgesichert, nie ist alles abgesichert, zu dumm!, auch zu dumm! Der Verfall, der schlägt beim Einkauf voll durch, aber nicht der gesamte Einkauf ist abgesichert. Sie können Ihr ganzes Haus, Ihre ganze Wohnung versichern, aber nicht diesen Kleiderkauf. Es ist ja auch nicht abgesichert, ob einem das Teil zu Hause noch gefällt. Hier, im Geschäft, im Spiegel können Sie schon sehen, wie Sie dann aussehen werden, und Sie glauben das auch noch! Urteilen Sie selbst, aber das tun Sie nie, Sie vertrauen sich anderen, fremden Urteilen an, also das steht dir nicht, dieses Kleid könnte Sie nie abhedgen, sie werden darin, im Gegenteil, preisgegeben einem Lachgewitter, weil Sie nicht die Frau sind, die das auf dem Foto trägt. Schon das ist ein großer Fehler, der sich kaum korrigieren lassen wird. Diese Frau ist im Bilde, sie ist auf eine Weise dargestellt, daß Sie Ihnen die Geschichte einer Höhle samt dazupassendem schicken Höhlengleichnis darstellt, in der Sie leben müssen, weil Sie der Frau nicht gleichen, diese Frau wurde nämlich sorgfältiger ausgewählt als Sie, ich weiß nicht, von wem, aber der Beweis überzeugt mich, ich darf ihn nicht als erledigt beiseiteschieben, damit ich mein eigenes Dasein hinter ihr vollziehen kann. Das muß ich sowieso. Und auch die Übergänge, also die von der Jacke zur Hose, wie bei der Frau, die den Gang unseres Schicksals regelt, Jacke und Hose sind nie gleich bei ihr, und da spreche ich nicht nur von der Form, sondern vor allem von der Farbe, also die Übergänge sind entscheidend für den Gang des Geschehens, ich weiß nur nicht, welches Geschehen, dazu müßte ich aus dem Fenster schauen, das ist mir zu weit. Auch das kleine Modeopfer, nein, diesfalls das kleine Mordopfer, welches ohne Schall in Rauch aufging, direkt aus dem Müll, direkt neben dem Kleidercontainer vorn an der Ecke, den Rauch habe ich vielleicht von meinem Haus aus gesehen, wußte aber nicht, von wem er kam, das kleine Opfer also wurde ausgewählt, von seinem ebenfalls jungen Mörder, wenn auch nicht sehr sorgfältig, denn der hatte nicht viel Auswahl unter den Knaben, die ihm so lieb waren, na sowas, ich sehe bei Google an der hübschen bioletten, nein, violetten Färbung, daß ich das schon einmal nachgeschlagen habe, aber der grünende Hügel paßt hier nicht rein, nur ein grauer Schornstein, das Gedicht muß also irgendwo vorkommen, gewiß irgendwo in meinen Dichtungen, irgendwo muß es sein, ich glaube, sogar an mehreren Stellen, tralala, aber ich weiß genausowenig, wo, so wenig, wie ich weiß, ob mir diese neue Bluse steht. Die ist mir wichtig. Hier auf dem Foto ist sie abgebildet, also eine ähnliche. Sie sind das auf alle Fälle nicht, ich schau hin, ich schaue her, ich schaue hin, ich schaue her, nein, Sie sind es nicht! Sie sind ganz unterschätzt, nein, Sie sind ganz ungeschützt, von einer gesamten Zeitschriftenredaktion ungeschützt, von jedem einzelnen darin.

Die Spanne meines Lebens schwindet ab nun immer mehr, immer schneller, und da soll ich auch noch die Spanne ausrechnen, auf die der Einzelhändler immer so gespannt ist! Das geht nicht. Erst darf die Zeit sprechen, aber die darf das sowieso immer, die fragt nicht vorher, und dann dürfen wir. Wir sprechen es nach und sind in unserer Sprache vollkommen allein, isoliert, schallisoliert, wir sind in uns eingeschlossen, man hört uns nicht mehr, weil es keine Ausdrücke gibt, keine Worte, keine Sprache für diese Dinge, zu denen ich persönlich ja schon immer einen eher nichtsprachlichen Ausgang, ich meine Zugang gelegt hatte, aus dem Mund,- nein, Wundwasser tropft und sofort wieder alles versaut. Ich muß immer noch abnehmen, furchtbar, das habe ich doch gestern und vorgestern schon gemacht! Und immer noch? Na, dann immer noch. Was für eine Erlösung, nicht sprechen zu müssen und freigesprochen zu sein, seine eigene Freisprechanlage zu werden, da es gar keine Sprache, aber auch kein Fahrzeug dafür gibt! Eine Erlösung! Es gibt keine Sprache mehr für etwas, endlich! Einmal über etwas nicht sprechen zu müssen, das meine ich! Nicht weil ich es nicht kann, ich weiß eh, daß ich es nicht kann, das müssen Sie mir nicht sagen, mir sind nämlich andre Worte aus Zeitschriften zugeflossen, die Sie vielleicht gar nicht kennen, sondern weil niemand es kann. So, und jetzt sage ich Ihnen extra nicht, was meine vielen Kalauer zu bedeuten haben. Nichts. Aber ich teste sie an Ihnen, bis Sie aufgeben. Dann werde auch ich aufgeben. Darauf warte ich schon sehr, daß mir dies ermöglicht wird.

Ich gehe ins Leere, sogar der Einsame sucht Zerstreuung, aber er muß sie nicht auf seinem Körper mit sich herumtragen. Obwohl, über etwas nicht zu sprechen, von dem man nicht sprechen kann, das ist kein Verdienst, und meinen Verdienst wollte ich früher immer in noch mehr neue Markenkleidung investieren, die Marke war immer draufgeklebt, und zwar hinten, sie saß einem buchstäblich, also in Buchstaben halt, im Genick, ich habe es jedesmal überprüft. Nein, sie ist fest, die Marke ist immer fest, aber nicht untrennbar eingenäht. Man kann sie heraustrennen und in ein andres Stück reinnähen. Wenn schon mein Sein zum Tode hineilt und in dieser Eigentlichkeit das Selbst des Daseins zu übernehmen verpflichtet ist, dann soll dieser Vollzug, nein, dieser Anzug, dieses Kostüm, dieses Was-Es-Halt-Ist, das ich mir ausgesucht habe, auch wirklich notwendig sein, im Umkreis der Aufgabe der Grundsteinlegung wirklich nötig sein, Entschuldigung, der Grundlegung der Frage nach meinem wirklichen Sein, das unter Tonnen von Stoff begraben ist, der mehr aus mir machen soll, Stoff, der sich im Lauf der Jahre angesammelt hat, damit man es nicht sieht, das Sein. Ob das wirklich nötig sein muß, daß man es nicht sieht? All der Stoff, auch der, für den ich mich nie interessiert habe, wäre eher notwendig, mein Sein zu verbergen, nicht zu entbergen, ja, das sind die Bezüge zu meiner Welt, jetzt, da ich bald sterben werde. Aber keine Spur davon, der Tod findet einen immer, auch wenn man sich gerade ganz neu eingekleidet hat und glaubt, jetzt erkennt er einen nicht mehr, wie hinter einer Art Paravent oder so. Der Tod wartet freundlich und ruhig, im Gegensatz zu mir, die ich schon ungeduldig bin, ob ich in diese Hose überhaupt hineinkomme, haben Sie die nicht eine Größe größer, damit meine Größe hineingeht?, sonst muß ich nämlich nackt herumrennen, und wer sollte das nun wieder aushalten? Ich frage nicht. Frage nicht! Nicht einmal ich selbst möchte das auf mir sehen. Andrerseits: Für mich ist es doch gut, daß es mich gibt, oder? Der Online-Versandhandel wirbt jetzt mit alten Frauen, wie ich eine bin, die sich genieren, vor jungen Leuten eine Umkleidekabine zu betreten. Die müssen nur noch ihr Heim betreten und können dort in Ruhe bestellen, ohne daß sie einer sieht. Leider müssen sie sich selber noch anschauen. Ob sie das können? Ich übe es gerade, vielleicht werde ich es einmal gelernt haben, meinen Anblick zu ertragen.

Was wollte ich sagen, was wollte ich fragen, na, ich habe keine Ahnung, was ich jetzt sagen will, und genau jetzt sollte ich es wissen, jetzt ist noch die Gelegenheit dafür, da du es mir nicht wegstreichen kannst, Wolfgang, ja, du dort, auf dem Gang, du bist auch so einer, der immer draußenbleiben muß, außer bei mir?! Ich habe eine Sprache, die paßt irgendwie zu mir, findest du nicht? Und Sie: Leugnen auch Sie es nicht!, das gilt für Sie genauso!, können Sie auch gar nicht!, es ist meine, und nur sie, mein Spracherl, mein Sprach-Kracherl, das Wort werden Sie nicht kennen, paßt auf diese wunderbaren Stücke (Teile sagen die Menschen, die niemals teilen würden, aber es sind keine Teile, das ist ein Wort, das ich ganz besonders hasse und gegen seinen Willen verwende, denn es haßt mich auch und wird sicher gleich zurückschlagen). Sie können doch nicht Teil zu diesem herrlichen Regenmantel sagen, welcher eigentlich ein Universalmantel, ein Weltmantel ist, für alle Weltregionen gleichermaßen ungeeignet, um stumm vor Scham über ihre heiligen Plätze zu rennen!, Sie können gar nichts dazu sagen, weil Sie diesen Mantel vor zwei Jahren gesehen haben und seither nicht mehr vergessen konnten. So viele Menschen haben Sie vergessen, diesen Mantel aber nicht, und jetzt gibt es ihn nicht mehr, irgendwer wird ihn vielleicht sogar schon weggeschmissen haben, und Sie wissen nicht, wo Sie den erspäht haben. Ja, da haben Sie eine unwiederbringliche Gelegenheit versäumt. Menschen kommen ja immer wieder, der Mantel aber nicht, das heißt, der kommt sicher wieder, aber wann, und wie verändert wird er dann auftreten, werde ich ihn überhaupt bemerken? Wie lange muß ich auf seine Wiederkehr warten? Länger als die Jünger auf die Wiederkehr Jesu warten mußten, drei Tage, glaube ich, muß nachschauen. Und wo auch immer, in Emmaus sicher nicht, in dem Gang nach Emmaus ganz sicher nicht, wo der Herr auftauchte und sich als der Herr zu erkennen gab, der Brot segnete und sich für auferstanden erklärte, was dieser Mantel leider nicht schaffen wird, man wird ihn niemals wiedererkennen, und man wird niemals wissen, daß es ihn schon einmal, nur eben anders gegeben hat. Die Männer, die den Herrn sahen, liefen sofort nach Hause, um sich im Netz, einem Fischernetz in diesem Fall, einen ganz neuen Herrn zu bestellen, dabei war er ihnen doch gezeigt worden, den Männern, im Original!, denen, genau, denen der Herr gezeigt wurde! Und schon wollten sie einen neuen haben, solange ihnen das Original noch frisch im Gedächtnis war. Genau so einen wollen sie wieder haben! Die Menschen brauchen einen Herrn, das ist leider wahr. Für die Zeitungen war der Ewige (die freut das gar nicht, die wollen doch, wie wir, jeden Tag was Neues) noch nicht abfotografiert worden, keine Zeit, und wo dieser Mantel jetzt existiert, muß nachschauen, bei den Evangelisten finde ich ihn nicht, was, bei Ihnen ist er auch nicht?, ist er vor Ihnen auch abgehauen?, da kann man nichts machen. Hat sich jemand in ihm begraben lassen? Muß nachschlagen, weil mich vorhin was getreten hat, muß nachtreten, vielleicht hat er den Mantel extra liegengelassen und ist ganz alleine auferstanden? Die Mode ist ja auch nicht dazu da, daß man einfach irgendwas macht, und zwar möglichst draußen, außerhalb der Wohnhöhle, damit viele sie sehen. Sie ist immer schon das je schon Gemachte gewesen — eine endlose Kette, deshalb nennt man die Ketten ja so —, wenn auch nicht das Gemächtnis, das ist die Technik, nein, ich sage jetzt nicht: dem es ans Eingemachte geht, wenn jemand andrer etwas Schöneres hat. Das von Raf Simons Eingemachte? Nein, das Schild haben Sie doch selber eingenäht, geben Sies zu! Es steht Dior drauf. Und war umsonst, denn Dior ist Raf jetzt nicht mehr. Er ist schon einen Schritt weiter, aber dort ist ja nichts mehr! Keine Ahnung. Er wird schon wissen, wohin er treten muß, um sich den Anblick von Menschen in unterirdischen, grottenschlechten Behausungen zu ersparen. Ich weiß aber genau, wer den gemacht hat, aber den haben Sie bei Zara gekauft, stimmts?, und die haben ihn schon von Raf Simons gröblichst kopiert. Dieses Schild zählt für mich gar nichts, es zählt weniger als ich selbst. Auch diese Vergangenheit ist jetzt vorbei, nur meinem Gesicht sieht man an, daß alles vergangen ist, an mir vorbeigegangen, vorübergegangen, wenn auch nicht spurlos. Ich glaube, die fälschen inzwischen auch die Etiketten allein, auch ohne Bekleidung, in die man sie einnähen kann.

Was? Teilnehmen soll ich? An der Gegenwart? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Ich? Wenn Sie ein Gespräch wollen, halten Sie sich an mich, ich erkläre es Ihnen, auch wenn es nicht ernst gemeint sein wird! Diese Hose oder keine! Gut, dann also keine, denn in meiner Größe gibt es sie leider nicht. Habe ich nicht vorhin gesagt, daß die Paßform unwichtig geworden ist? Ja. Und dazu muß ich jetzt natürlich stehen. Aber rein muß man trotzdem irgendwie, und von Reinschlüpfen kann nicht die Rede sein, man käme ja nie wieder raus. Was tun, wenn ich nicht reinkomme? Das sage ich nicht und nehme ein Medikament dagegen, das Fett verbrennt, hoffentlich mich aber nicht mit. Doch wenn man irgendwo nicht reinkommt, dann bekommt der Begriff Paßform vielleicht eine ganz neue Bedeutung, da der Körper diesem Kleidungsstück ja nicht wirklich paßt. Wenn man steht, sieht man größer aus. Wenn man sitzt, sieht man aber die Schwachstellen erst recht, und häßliche Falten machen sich auch noch breit. Es sind Querfalten. Sie sind ja auch Querdenker, also werden Sie Verständnis haben. Bitte stehen oder sitzen Sie nicht! Was Sie sonst machen, geht nur Sie und Ihre Kleidung was an. Ich weiß nicht, was ich Ihnen wirklich empfehlen kann: stehen oder sitzen. Fragen Sie doch die Hose! Die wird Ihnen nichts sagen und weiter still leidend Falten werfen, die nicht mehr rausgehen, die kann gar nichts sagen, weil sie so laut stöhnen muß, dicht vor einer Lebenskatastrophe, die weiß natürlich: Wenn sie platzt, näht sie keiner wieder zusammen, das zahlt sich nicht aus, die wird dann auch weggeschmissen, genau wie die anderen vor ihr, die Ärmste, mitsamt ihren Falten. Sie hat nicht gewartet, bis mir zwei, drei Kilo fehlen, sie ist einfach weg. Was mache ich jetzt, wie kann ich die Anfrage des Todes korrekt beantworten, was ich im Sarg anziehen möchte? Betty zum Beispiel will das hellblaue Chiffonkleid anhaben, das ihr immer viel bedeutet hat. Auf diesem Fragebogen sind so viele Ziffern mit gepunkteten Linien, die ich nicht beantworten kann, ich werde nicht fertig sein, wenn ich geholt werde, oh Gott, nein, du bist ja auch nicht mehr der, der du einmal warst, und wenn, dann unter einem andren Markennamen, aber immer derselbe, der du warst und sein wirst, was überhaupt nicht stimmt. Also ich würde im Tod gewiß nicht mehr gut aussehen, denn ich werde mich so bemüht haben, am Leben zu bleiben, und diese Mühe wird man mir natürlich ansehen; und vielleicht wollen Sie ja nicht, daß ich im Sarg diese Sachen trage, weil Sie die gleichen haben und auch tot nicht wie ich ausschauen wollen, womöglich mögen Sies ja, wenn ich mir nach dem Tod noch das Neueste kaufe? Wie denn, wo denn? Sind Sie etwa neidisch? Irgendwie schaffen wir das auch noch. Wie soll ich denn nach dem Tod noch die Freude an der Gegenwart des Daseins glaubhaft rüberbringen? Ich bin doch keine dreißig mehr, und schon damals hab ich mich nur selten gefreut, und wenn ich tot bin, bin ich wahrscheinlich noch älter als jetzt, da ich auch keine dreißig mehr bin, sondern mehr als das Doppelte, eigentlich gibt es mich gar nicht mehr, aber wissen kann man es nicht, und sogar das Nichts kann man noch auslegen, man nennt es dann ein Nichts von einem Höschen oder was weiß ich. Nichts. Wissen kann man nichts, deswegen interessiere ich mich ja so für Mode. Meine Worte singen wie ein Brünnlein, wenn ich von ihr spreche. Jetzt ist noch Zeit dafür, jetzt stirbt erst mal eine Freundin von mir, das hat die sich auch nicht so vorgestellt, daß ich sie überlebe, und ärgert sich. Wenn es bei mir soweit ist, dann werde ich auch ohne gekämpft zu haben nicht besonders gut aussehen, so wie ich im Leben nicht so wahnsinnig gut ausgesehen habe, nie so gut jedenfalls, wie ich gern gewollt hätte, und ich habe mich so bemüht! Wetten, das gilt auch für Sie? Wer kümmert sich schon um meine armseligen Bemühungen? Seit meiner frühesten Frühe hab ich mich so bemüht, und selbst damals war es schon zu spät. Also für mich, meine ich. Immer schon zu spät.

Für die großen Billigketten ist es andrerseits nie zu früh, die stehen sowieso stets früh auf und wissen dann schon, was ich nächste Woche werde haben wollen. Die Chinesen wußten es bereits gestern, und seit vorgestern sind sie auch dabei, damit keine Zeit verlorengeht. Durch dieses Portal müssen sie kommen, und bringen fast Geschenke mit, ich meine, alles fast geschenkt. Was ist angesagt? Das sagen wir weiter, und schon geht das in Produktion, was alle wollen. Das ist keine Frage. Das ist die Antwort auf das, was Sie schon haben, jetzt bekommen Sie es noch einmal, weil tausende andere es vor Ihnen genauso bestellt haben. Und schon bald sehen Sie an anderen, was Sie sich immer gewünscht haben, und schon werden die Wünsche erfüllt, noch bevor Sie geeignete eigene haben können. Sie wollen, was andre gestern gewollt und daher überall gekauft haben. Dort drüben sehen Sie genau das gleiche, nur teurer. Und viel weiter können Sie sowieso nicht sehen. Die Ketten und die Versender und die Kettenversender und die an sie Angeketteten, welche sich schon für das Leben nach dem Tod einkleiden, wenn sie endlich frei sein werden von den irdischen Ketten, da kommt ihnen dann niemand mehr zuvor, die werden die ersten sein für die letzten, sie werden das schaffen, was immer schon angeschafft wurde, alles immer gleich, alles immer genauso wie die anderen es haben, und alle, alldie, nein, nicht Aldi, alle, alle bestellen ihre Ware direkt beim Hersteller, der sich in China befindet, wo alles bereits hergestellt ist, und wo ab und zu die Natur zusammenstürzt, Flüsse eingehen und Menschen untergehen wie anderswo die Fabriken. Die Musik spielt überall, aber sie spielt immer woanders, nicht dort, wo Sie sind. Fürchten Sie die Schönheit Asiens! Wieso? Wo soll das sein? Wir fahren gleich hin! Und fürchten tun wir uns prinzipiell nicht, klingklang. Keine Sorge, Sie haben nichts zu fürchten, die Schönheit ist weg, die haben Sie gekauft, in Paketen, kein Grund mehr, sich zu fürchten. Die Fabrik ist uns leider zusammengestürzt, macht nichts, dann beziehen wir das alles von einem andren Hersteller, es gibt ja genug, es gibt überall genug und mehr als genug, macht ja nichts; wo die herkommt, die Ware, gibts noch viel mehr! Was man will, es ist immer schon da, weil andere es gewollt haben. Sie also auch! Sie kommen grade noch zurecht. Willkommen in unserem Geschäftsmodell, das ein ganz neues Modell ist. Es entstehen Ihnen daraus, woraus auch immer, so gut wie keine Kosten, denn die Masse macht, was die Massen wünschen. In China macht so gut wie nichts was aus, oder macht alles nichts aus? Folgen Sie mir nach, und die Folgen werden dramatisch sein, da brauchen Sie sich nur dieses zerstörte Gewässer anzuschauen, wo die Fische ihr Element von oben her betrachten müssen wie wir bald die Radieschen von unten.

Um ihre prozentuelle Spanne zu halten, müßten die Ketten die Verkaufspreise also entsprechend erhöhen, das ist klar wie unser Wasser und darf es auch bleiben. Blödsinn, aber lassen wir das so stehen, wer sollte es dran hindern. Bleibt noch die Frage des Zeitpunkts. Kleinere Importeure und Detailhändler (das bin ich eindeutig nicht, ich handle mit Details, aber auf die dürfen Sie nicht achten, die stimmen bei mir leider nie!) spüren die gestiegenen Preise schon jetzt oder spätestens beim Einkauf der Herbstkollektion im Juni, jetzt muß ich ausrechnen, um wieviel sie ihrer Zeit voraus sind, das ist wichtig, darauf kommts allerdings nicht an. Aber große Händler und große europäische Modemarken mit Herstellung in Asien, wo die Fabriken immer noch brennen, heller als vorhin, als ich es Ihnen zum ersten Mal gesagt habe, oder zusammenstürzen oder einfach so verenden und dabei leider auch die neue Herbstware unter sich begraben, vielleicht kann man ja noch was retten?, die haben das ausgeforscht, was gefragt sein wird; fragen Sie mich nicht, heute weiß ich das noch nicht, nächste Woche werde ich es wissen, und dann weiß ich auch, was Sie im Herbst tragen werden, diesmal mit voller Absicht und zur Abwechslung hergestellt in der Türkei, das ist noch nicht Europa, aber immerhin in Europa, wo alles besser aussieht und zehnmal so teuer ist. Denn wer etwas zehnmal so Teures kaufen kann, der kauft keinen billigen Dreck aus Fernost, obwohl Menschen sich dermaßen dafür eingesetzt haben, daß sie sterben mußten. Also, die schlichte Wahrheit ist: Was Sie kaufen werden, das sage ich Ihnen nicht, weil ich es nicht weiß. Sie können jedoch dieser Modekette voll vertrauen, der auch ich vertraue, dafür garantiere ich, obwohl ich dort ja gar nichts kaufen würde, dazu brauchen Sie mich nicht, mich brauchen Sie überhaupt nicht, laber laber laber. Mit jedem Satz hintergehe ich Sie, aber seien Sie froh, daß Sie mich nicht vor sich stehen haben beim Ausverkauf, ich habe spitze Ellenbogen!

Jedenfalls haben sich die großen Händler und Ketten gegen die Kursschwankungen oft bis zu einem Jahr abgesichert, aber dann hallo! Dann ziehen sie an, die Preise, und Sie müssen mitziehen, wenn Sie nicht Ihre alten Sachen aufs neue anziehen wollen, die aber irgendwann auch wieder neu sind, nur Geduld!, trotzdem brauchen Sie jetzt etwas noch Neueres. Das gibt es immer, etwas Neueres. Solange etwas existiert, gibt es etwas Neueres. Stellen Sie sich einmal, machen Sie diese Mutprobe!, inmitten des Seienden zur Gänze vor den Spiegel, ja, ganz, Sie werden das Seiende nie ganz erfassen können, ich weiß ja auch nicht, aber Sie werden dafür den Unterschied zwischen dem Erfassen des Ganzen des Seienden an sich, seinen Grenzen an sich, welche diese Hose recht gut definiert, und dem Sichbefinden inmitten des Seienden im Ganzen finden, Sie werden ein ganz neues Sichbefinden finden, das geschieht ständig in unserem Dasein, ja, natürlich auch in Ihrem, aber im Spiegel schauen Sie sich nicht immer dabei zu, es ist ja nicht immer einer in der Nähe. Vielleicht bleiben Sie aber etwas zu lange davor stehen? Dafür rennen Ihnen derweil die Preise davon.

Was weiß ein Fremder? Keine Ahnung. Ich weiß aber ganz sicher, weil es mir jemand gesagt hat, dem ich allerdings nicht so ganz traue, daß im Herbst, der erst noch kommen muß, er muß einfach!, der Kursverfall des Euro, den es vielleicht bis dahin auch nicht mehr gibt, ich beschäftige mich hier nur mit Veränderlichem, Variablem und Vergänglichem, und wäre die Mode nicht vergänglich genug, müßten wir es sein, und das wollen wir doch nicht, daß im Herbst also, was habe ich damit gemeint, was wollte ich sagen, nein, behaupten?, im Herbst der Kursverfall und Ihr eigener Verfall leider beim Einkauf voll durchschlagen und womöglich auch noch Ihren Hintermann im Geschäft treffen werden. Wenn Sie mit Ihrer Gesundheit, auf die Sie nur wenig Einfluß nehmen können, Pech haben, sind Sie bis zum Herbst so verfallen, daß Ihnen ohnedies nichts mehr paßt und Sie nichts mehr bedecken können, weil alles an Ihnen abgleitet, oje, sind Sie krank, weil Sie so abgenommen haben, oder wollen Sie nur ausschauen wie dieses Model?, sieh an, da hat sich grade ein schwaches Glied aus der Kette herausgelöst!, das sind Ihre Hüften, glaube ich, sind das Ihre? Darf ich sie Ihnen zurückgeben? Ich bin zwar kein Arzt, aber daß Sie so früh schon neue Hüften gebraucht haben, ist traurig, jedoch wahr. Die sind jetzt wieder recht stabil, das Eisen oder aus was die sind, also Titan meine ich, dieses fragwürdige Element ist endlich unter großen Mühen eingewachsen, manchmal tut er das leider nicht, der Titan; die Hüften sind jetzt wie echt und sehen auch so aus, allerdings werden sie nicht so lang halten wie die alten. Dafür (wofür?) kriegen Sie den Rock nicht mehr drüber, der ist knapp kalkuliert, bodymäßig, denn wenn Sie über 25 sind, ist ohnedies Schluß, und leider ist das keine Willenssache! Soviel wie die Hüften hat er nicht gekostet, immerhin. Bei Lesara hätten sie noch weniger gekostet, würden die Hüften im Angebot haben. Sie haben aber nur die Überzüge dafür.

Man sagt es mir oft genug, daß ich gar nicht so schlecht aussehe, selbst wenn man mein Alter mit einrechnet, all die Poster, bei denen jede Minute die Post abgeht, aber echt!, in den lieben Zeitungen schreien die mich an, obwohl ich es auch hören würde, wenn sie flüsterten, das tun sie aber nie, sie sagen mir unverblümt, wie furchtbar ich meine Haare trage, ich sollte sie doch lieber jemand anderen tragen lassen. Und zu diesem schönen Model haben sie vorhin Hungerhaken gesagt, aus Neid wahrscheinlich, ich habe es deutlich gelesen, in aller Schwärze, denn man kann auch auf Papier lesen, ich schwöre es. Was sagen Sie dann erst zu einer armen alten Frau? Sie sagen es ihr ins Gesicht, oder Sie sagen es nicht, Sie schreiben es, sie posten es, Sie sagen es doch auch, wenn auch nicht zu mir, geben Sies zu, Sie sagen es überall, vorhin haben Sie es schon wieder gesagt. Sie finden mich furchtbar, ich soll nicht so sein und nicht die sein, die ich bin, Sie distanzieren sich von mir, bedenken dabei aber nicht, daß ich auch Sie nicht sein möchte; Sie tun so, als könnte ich selbst der Verneinung anheimfallen, das soll ich also auch noch selber machen, doch nein, diese Störung liegt nicht in meinem Bereich, ich habe mein Dasein lange genug fürs Nichts offengehalten, und jetzt kommt es eben persönlich, wir haben das Nichts als das Neueste hereinbekommen und aus. Das Posten paßt überallhin, stellen Sie meinetwegen Posten auf, Sie können das auch zu jemand ganz anderem sagen, es bleibt Ihnen allein überlassen, wahrscheinlich ist das sogar der Grund, weshalb Sie immer alleine sind; das ist gut, sagen Sie es ruhig, oder sagen Sie es aufgebracht!, ja, aber mir müssen Sie das dann auch gönnen, daß ich schreiben darf, und zwar absichtlich was anderes als Sie! Sie sind also auf dem Posten, wie ich sehe, immer, allzeit bereit, und sobald wer auftaucht, geht es schon los mit dem Posten. Während ich mir noch was Schönes aussuche, am liebsten wieder einmal das Nichts, das mich immer schon am meisten interessiert hat, während ich also noch das Nichts aussuche, geben Sie es mir schon, Sie haben es sorgfältig für mich ausgesucht, eins, das mir gewiß besonders gut gefallen wird, damit ich hoffentlich endlich ruhig bin, eins mit mehr Futter als in der Sargwand von Six Feet Under, wie finde ich es bloß, wo haben Sie es hingelegt?, vielleicht hier, dieses?, vielleicht ist das, was Sie hier sprechen, ja nichts, danke jedenfalls, daß Sie es mir wieder einmal gegeben haben, nein, leider wieder nichts, es ist nicht das von mir Ersehnte, das gönnen Sie mir wohl nicht.

Ich weiß doch, daß nichts da ist, nichts da ist, jedenfalls dort nicht, wo ich suche. Zunächst vermag der Mensch überhaupt nur dann zu suchen, wenn er das Vorhandensein des Gesuchten vorweggenommen hat. Nun aber ist das Nichts das von mir so leidenschaftlich Gesuchte, da können Sie in diesem Forum schreiben, in jenem dort auch, von mir aus, Tonnen von Spalten öffnen sich Ihnen, da können Sie es hineintun, wie Kleider in einen Schrank, es paßt sowieso nie, nichts, was Sie sagen, paßt. Schreiben Sie doch, was Sie wollen, stellen Sie die dazugehörigen Fotos ins Netz, ich will nichts, nein, das wäre mir auch wieder zuwenig, ich will das Nichts selbst, in Person, wenn möglich, jedenfalls so, daß ich es betrachten und womöglich nachbestellen kann, wenn es einen Mangel hat! Gibt es am Ende ein Suchen ohne jede Vorwegnahme, ein Suchen, dem ein reines Finden zusteht und das es auch bekommt? He, diese Sommerjacke, die wärs, genau die, nur in Gelb will ich sie nicht, hoffentlich gibts die auch in Grün! So, und jetzt sagen Sie, was Sie sagen müssen. Ich lasse Ihnen hier gern Platz dafür frei. Für jemand, der nichts mehr will, ist das absolut belanglos, er hat sich eine von diesen neuen Jogg-Jeans ausgewählt, super, was ich alles weiß, so viele Worte kenne ich, die ich zuvor nicht kannte, ich bin von diesem Artikel ja komplett begeistert! Jemand, der gar nichts mehr will, hat dafür immerhin sogar eine eigene Belangsendung. Nichts und auch nichts im Hinblick auf das Nichts, aus nichts wird nichts, nicht wahr, nein, nicht wahr, nichts wird mich davon abhalten können, diese neuen bequemen Hosen, die innen bequem, außen aber recht beschwerlich, hart und mühselig aussehen, zu bestellen. Ab sofort muß ich nicht mehr die Form wahren, denn diese Hosen sind bereits vorgeformt für mich. Die Amazonen werden sie mir dann zustellen, sie werden mir auch die neuen Sneakers gewissenhaft zustellen und auch die Sandalen von Dr. Martens, juchu, die sind sogar schon da. Diese wunderbaren Kämpferinnen mit einem Herz in der Brust, von der sie auch nur noch eine haben, die andre haben sie sich abgeschnitten, und nicht einmal wegen Krebs, die überholen sich ja schon selbst! Die übertreffen sich selbst! Ja, lachen Sie nur! Ich kenne das Nichts inzwischen, danke, ich habe es inzwischen persönlich kennengelernt, aus einem Schaufenster hat es hervorgelugt, und ich hab mir diesen Schuh gleich angezogen. Sie müssen nicht mehr posten, es ist genug. Es ist das Gegenteil von Etwas, nein, das stimmt nicht. Man sieht es ihm leider nicht an, wem es ähnelt, dieses Nichts von einem Nichts. Ich kenne es, weiß aber nicht, was es ist. Die Zeit fließt, und trotzdem ist immer jetzt. Die Gegenstände branden an mich an, ich bestelle sie, bezahle sie bei der Bezahlfirma, die machen das schon, es ist ein Geben und Nehmen, die geben erst, wenn ich nehme, nein, doch schon vorher; ich schaue meine Neuerwerbungen an und nehme sie hin wie einen Schmerz, denn sie sind nichts, alles wieder nichts, ein bloßes Nacheinander der Nichtfolge, wenn das Jetzt dieses Nacheinander ist, was nicht ein Hinnehmen bedeutet, ein Hinnehmen des Anwesenden, nein, man muß deswegen nicht alles hinnehmen!, ich habe es probiert, die Kapuze war zu groß, die Taille hatte keinen richtigen Durchzug, und daher geht es zurück. Mit der Zeit selbst können Sie das nicht machen. Die können Sie nicht zurückschicken. Hinnehmen, das ist mit der Post Empfangen. Das Nichts, das ist das Verweigern der Annahme des Vorhandenen, des Anwesenden und dann der Zeit selbst, aber das Dann ist hier falsch, denn in diese endlose Jetztabfolge kann man nicht eingreifen. Man kann sich was herausfischen, und dann wirft man den Fisch wieder zurück ins Wasser. Er ist tot, da nützt ihm das Wasser auch nichts mehr. Tot wie jede Ware. Die ist es allerdings von vorneherein. Sie gibt einem immer nur, was man schon hat. Wenigstens nimmt sie einem nichts, das müßte sie aus sich selbst holen. Sie ist nichts im Vergleich zu dem, was Sie sich vorgestellt haben. Dieses Nichts ist genau das, was Sie täglich dahin- und daherreden, bis Sie selbst dahinmüssen, ich meine ins Dahin, weil es endlich ein Ende mit uns haben muß und wir davonmüssen, und selbst im Sarg müssen wir pünktlich und noch dazu anständig bekleidet erscheinen, es muß aber nicht festlich sein, wenn wir das tragen, es muß nur farblich zur Sargauskleidung passen, also es sollte zumindest. Es kann Ihnen jetzt niemand mehr etwas vorschreiben. Kleidung muß immer zusammenpassen, ich weiß nur nicht, was mit was, in diesem Fall aber weiß ich es. Das kommt davon. Inmitten all des Geredes finden Sie, falls Sie Geduld mitgebracht haben, meine Definition des Schönen, nein, das ist die einzige Definition, die Sie hier nicht finden, finden Sie etwas anderes statt dessen!, finden Sie es, wie Treibgut, an das Sie sich klammern können, was auch immer, das wird dann entscheidend sein, das heißt, Sie müßten es gefunden haben, denn davon handelt das alles hier.

Dies und noch mehr, ich meine, zuviel davon, nein, ich meine: mehr als nichts erfahren Sie sozusagen immer, im Vorüberrasen, bevor eben auch mich der Rasen deckt, heute bin ich dafür noch zu früh dran, sogar für meine blöden Witze. Oje, das war selbst für deine Verhältnisse zu tief, Elfi! Wieso? Sex, nein, Six Feet Under ist nicht zu tief. Das grabe ich dir ja selber zur Not, aber nur im Sommer und nach mindestens drei Wochen Regen und nur höchstens 30 Zentimeter tief, dann bin ich ganz fertig. Aber echt jetzt! Vielleicht ist jetzt schon ein Jahr später, und wir wissen es nicht, sogar Sie werden schon gehört haben, daß die Zeit so schnell dahinrast, kaum daß sie das jetzige Jetzt richtig anschauen können!, bald wird sie uns überholen, und wir werden überholte Kleidung nicht mehr überholen, sondern sofort ganz neue kaufen. Es ist ja längst soweit, die Zeit hat es uns diktiert, was auch immer (ich wünschte, sie würde mir auch mal was diktieren!), wir haben es gemacht. Ich glaube, vieles bleibt leider ungezeugt und ungetragen, und was machen wir mit dem ganzen Zeug, das sich angehäuft hat? Genau. Wir stecken es in den Altkleider-Container, wo Menschen schon erstickt sind, weil sie ausgerechnet dort schlafen wollten, wo es weich und warm ist, oder weil sie sich etwas, das für sie ganz neu gewesen wäre, aus dem Behältnis rausholen wollten, die holen das Letzte auch noch heraus, ich meine das, was für andre das Letzte war, weil schon ein Jahr alt, so, und das Besteck schmeißen Sie einfach aus den Fenstern des Zuges, es ist schließlich der Zug der Zeit, seine Türen bleiben immer geschlossen, damit keiner abhauen kann, bevor er abgebaut ist und seine Stelle auch gleich! Sie können auch den Autobus, sogar einen Lastwagen nehmen. Ich meine, wo soll der jetzt hin? Ja, schmeißen Sie einfach raus, was Ihnen nicht mehr gefällt! Irgendwer wird es schon aufheben, nein, halt!, ich fange es auf, ich brauche es, ich will es mir erst mal anschauen, ich behalte es nicht lange, ich kann eh nichts lange behalten, sonst könnte ich die Masse der Aussagen der Modezeitschriften gar nicht mehr bewältigen, denn es gibt eine Einheit der Gattung, wie es eine Einheit der Varianten gibt, was soll das? Ich brauche einen methodisch geregelten Überblick, den mir ein fahrender Zug der Zeit kaum bieten wird, das geht mir alles zu schnell, auch dieser zeitlos schöne Laster hat mir persönlich nichts zu bieten, abgestellt, wie er ist, in jener bewußten Parkbucht, in dem keiner mehr atmet und nur noch von Leichenwagen mitgenommen werden wird. Der Daumen wurde gehoben, der Daumen wurde gesenkt, kein andres Fahrzeug hielt an, ich halte nicht für Tote, sagt dieser Mercedesfahrer im Gebraucht-Coupé, Sie müssen schon um mich anhalten, nein, jetzt nicht mehr. Der Zug der Zeit, den ich statt dessen genommen habe, das war doch klug von mir, oder?, der Zug ist sicher, er wird mir keine Zeit dafür lassen, obwohl ich dort genausowenig rauskann, und leider gibt es zusätzlich noch diese Kontrollen, bei denen keiner weiß, was da kontrolliert wird, dieser schöne Zug also entscheidet, was ich tragen muß, er hat ja Zeit, er ist die Zeit!, und er hat schon vor langer Zeit entschieden, daß es keinen Stop gibt im Handel und im Wandel, und wenn, dann nur einen ganz kurzen, wobei etwas von einem Blatt abgelesen werden muß. Der Wandel kommt immer etwa ein halbes Jahr vor dem Handel, nein, umgekehrt, Blödsinn!, zuerst kommt der Wandel, und dann kommt er in den Handel, ich sage immer alles verkehrt rum, vielleicht weil es gar keinen Wandel gibt?! Leider wird umgekehrt auch kein Schuh draus, schade, ich hätte mir schon ein neues Modell von adidas ausgesucht gehabt, welches einem älteren genau nachgebildet wurde. Er wird mir vielleicht einen Raum eröffnen, dieser Zug, indem er brutal in ihn hineinfährt, in den Raum, und dabei ein paar Zeitzeugen mitnimmt, die bezeugen könnten, daß die Mode schon wieder ganz anders ist als noch vor einem halben Jahr, so wie unsere lieben Toten auch ganz andere sind als noch vor kurzem, bei meinem Papa ist es allerdings viel länger her, ich denke jetzt an ihn, muß aber weiterschreiben, ich weiß schon, dieser Meinung sind Sie nicht, Sie haben eine ganz andre Jetztfolge, in der ich nicht vorkomme, jeder hat seine, jeder muß sein eigenes Gegenwärtiges hinnehmen, und ich bete jedes Jahr, daß die Hosen endlich wieder weiter werden und nicht so zwicken. Das sollte ich besser meinem Körper sagen, aber ich sage es Ihnen, denn Sie müssen meine Anschauung, nein, die nicht, meinen Anblick hinnehmen, nein, müssen Sie auch nicht.

Dieser Zug, den ich vorhin voreilig der Zeit zugeschrieben habe, ich konnte ihn nicht genau sehen, denn ich befand mich in einem Kleinwagen auf den Schienen, dem Zug vollkommen preisgegeben, und zwar um jeden Preis, ich habe ihm genau ins Gesicht gesehen, besser in seins als in meins im Spiegel; ich folge hiermit meiner Einbildungskraft und gebe zu, ich habe mir das nur eingebildet, also der Zug wird mir keine Zeit lassen, ich merke schon, ich habe keine mehr; da zieht er hin und nimmt mich nicht mit, der hält nicht für mich, der bremst für niemanden, sonst könnte man sich ja was fürs nächste Jahr aufheben. Keiner hält gnädig an für keinen. Geben Sie mir jetzt was anderes, aber schnell, egal was! Nicht der Sinn kommt in die Welt, sondern die Welt geht in den Sinn ein, weil er das einzig Reale ist, und es macht Sinn für ihn, ausgerechnet als Mode aufzutauchen, immer haarscharf genau dann, bevor die Zeit dafür gekommen ist. Drehen Sie sich nicht um, die Zeit kommt Ihnen schon nach! Sonst wäre das alles sinnlos, man würde es noch vor dem Anbeginn allen Anfangs, den man sich vielleicht aufgehoben hätte, vergessen haben.

Also, können wir damit schließen?, hier würde es doch passen, oder?, vor einer halben Stunde hätte es allerdings auch schon gepaßt, sogar noch besser. Da kennen Sie mich aber schlecht! Leider kennen Sie mich aber gut genug und fangen mit entsetzlichem Schreien und Flehen an. Manche müssen sogar vor der Zeit gehen, die Ärmsten, bitte schlagen Sie nicht mit den Türen, schlagen Sie mit den Handtaschen. Ich schließe mich gern an, schließe nicht und erkläre Ihnen: Nein, können wir nicht, denn ich fürchte, dieses Flatteroberteil wird mir nicht passen, obwohl es ohnedies lose flattern soll. Man sieht irgendwie noch meinen Körper darunter, das sollte nicht sein. Das ist das Letzte! Und bevor mir nicht was paßt, wird hier überhaupt nichts geschlossen, und wenns bis übermorgen dauert. Man muß es gar nicht schließen, das Oberteil, man zieht es sich einfach über den Kopf und aus. Da haben sie sich wieder was gespart, was man hätte einnähen müssen, das Etikett, an dem haben sie nicht gespart. Ich habe es vor fünfzig Jahren schon einmal getragen, bloß irgendwie anders, nein, natürlich nicht das Etikett allein, also ich meine nicht genau dasselbe Top genauso!, ein ganz ähnliches, ein zweites Mal ist daher nicht nötig, muß aber sein. Ich müßte auch die sein, die ich damals war, bin es aber nicht. Ich finde es am besten, wenn der dunkle Sinn von alldem in Gestalt von Mode auftritt, das ist eine Sprache, in der ich mich orientieren kann, wenigstens das. Alles ein Versehen, daß Ihnen der Bikini passen könnte, der Versehgang wurde bereits vorab angemeldet und, etwas verspätet, auch durchgeführt. Der Geistliche hat sich schon verfahren, das Geistige ist mitsamt seinem Herrn, welcher eine allgemein gültige Oblatenform angenommen hatte, also flach wie unser Denken war, im schicken ledernen Reiseetui abgereist, es hatte hier nichts mehr verloren, das Geistige, aber seinen Gott hatte es noch, er schwebt über allen Wassern, mit denen er sich vorher gewaschen hat, und er heißt Armsein, was vom Herrn bevorzugt wird, nein, Armani. Wem fehlt seine Einfachheit, seine schöne Schlichtheit, wie ich sie in meinen Gedanken habe, sonst aber nirgends finden kann? Sie fehlt nirgends, man bekommt sie nämlich überall unter genau diesem Namen. Mir fehlt sie auch nicht, die Schlichtheit, ich hätte vorn an dieser Jacke noch gern vier Taschen, zwei oben, zwei unten und hinten zwei Knöpfe zur Regulierung meines Fließens und meiner Fließgeschwindigkeit, ja, gern auch an den Ärmeln, so Riegel, damit die Hände unten festgehalten werden und ich keinen Unfug anrichten kann. Von wegen Einfachheit! Brauchen wir nicht.

Es macht gar nichts, daß der Geist abgemeldet ist, das hat bisher noch jeder über ihn gesagt, jederzeit, auch solche, die ihn noch nie zu Gesicht bekommen haben, denn er sitzt ja hinten, im Kopf. Ja, und vorne auch. Sie beklagen, daß er weg ist. Warum? Wer warum fragt, sollte in bestimmter Weise nach Gründen fragen oder Gründe kaufen, auf denen er sein Denkgebäude errichten könnte wie Petrus, der Fels, eine Kirche. Die hält ewig, wetten, die verändert sich nie? Die Kirche sollte uns als Beispiel dienen, wenn auch nicht für Mode oder Sparsamkeit. Sie ist immer gleich, kostet aber in Ewigkeit sehr viel, sie bereitet uns auf die Ewigkeit schließlich vor. Diese Schuhe mußte ich mir einfach kaufen!, die sind für die Ewigkeit, dafür sind sie von mir vorgesehen. Wir brauchen sie wie Kleidung, wir brauchen die Religion und die dazugehörige Kirche. Es gibt sie immer noch, seit ihrer einzigen Begründung, daß man sie halt braucht. Aber die Mode doch auch, bitte, nur ist sie immer anders, als sie war, während die Kirche stets gleich bleibt. Macht ja nichts. Und keine Möglichkeit, wieder auf den Zug der Zeit aufzuspringen, der ist jetzt weg. Wer draußen ist, bleibt draußen. Ich umklammere meinen Speicher, mein Gedächtnis, was ich schon alles gesehen habe und woraus ich auswählen kann, und was ich erst für die Zukunft werde auswählen können!, bald kommt das Neue, Vorsicht!, das wird noch viel großartiger sein als das, was ich jetzt schon habe. Und mir spätestens nach zwei Stunden, kaum daß ich zu Hause angekommen bin, genausowenig gefallen. Ich bin aber darauf vorbereitet, mir sofort wieder etwas anderes zu kaufen. Da bildet die Anschauung das in ihr überhaupt Hinnehmbare ja selber, und dennoch, es gefällt mir nicht, meine Anschauung weigert sich, das, was ich im Netz bestellt habe, auch in meine Einbildungskraft zu schicken, daß es mir jemals passen könnte. Das hätte ich mir nicht einmal einbilden dürfen, nicht einmal für eine Minute. Das Dicke und das Dünne, das Fadenförmige und das Gemischte, manches schließt einander eben aus, und manches schließt mein armer Körper aus, da kann man nichts machen, und ich schließe absolut aus, einmal ein tief ausgeschnittenes Kleid zu tragen, obwohl ich es mir leisten könnte, bitte glauben Sie mir, einer muß es ja tun, denn ich glaube es mir ja selbst nicht.

Das alles natürlich immer für mein Alter gerechnet, das man dann dazuschlagen muß, sobald es zuschlägt, manchmal auch abziehen, also man muß es dazurechnen und dann alles wieder abziehen, was einem gesagt wird. Wie dieser Röntgenbefund aussagt, und die MRT sagt genau dasselbe!, da steht immer, daß die Organe altersgemäß ausgefallen sind, wenn auch noch nicht ganz ausgefallen, aber doch teilweise, sie funktionieren noch, sind mir aber zu klein, und das geht vielen so in meinem Alter, daß die Organe mir und vielen anderen wie mir, also, na ja: zu klein sind, die Haut aber zu groß wird und die Fettschicht, die man aber benötigt, zu dick, dicker, als man sie brauchen würde, ähnlich wie die Hose, die ich mir kaufen wollte, das Probieren allein war schon eine gut ausgesuchte Demütigung, Sie kennen das wahrscheinlich, aber es machte einen auch selber demütig. Die Befunde sind sich aber prinzipiell einig: Auch wenn es innen kleiner wird, bin ich doch eindeutig zum Tragen dieses Oberkörpers berechtigt, sogar verpflichtet, es ist eine Selbstverpflichtung, zumindest solang er hält, obwohl er anscheinend zu groß ist für das, was sich drinnen befindet und mein Befinden laufend verschlechtert, also solange ich überhaupt noch laufe. Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, in die Tiefe, mittels Technik, hat man mir das versichert, aber versichern würde man ihn jetzt nicht mehr, meinen Leib, und Kredit würde er auch keinen mehr kriegen, ich meine bei allem, was ich sage: immer mein Alter mit eingerechnet, und eigentlich ist Mode ja rechnen. Und zwar mit allem. Mit allem muß man rechnen. Der junge Mensch rechnet mit 40 bis 50 Euro im Monat für Kleidung, bei 50 muß er schon ein wenig sparen. Das macht aber nichts, es wird eh rasch entsorgt, was er sich gekauft hat, und es kommen neue 50 Euro herbei, nur herein!, der Cardigan für 8 Euro 90, und wir wiederholen: ca. 1,4mal, wie oft soll ich es noch sagen?, wird ein T-Shirt getragen, das aber auch nur 7 Euro 90 gekostet hat, bevor es in den Abfall wandert. Halt! Zurück auf Anfang! Dort sehe ich eins um 4 Euro, nächste Woche kriegen Sie es im Ausverkauf um 3, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Und im Segment des Luxus und der gehobenen und ausgestopften Brüste und weich ausgepolsterten Gelüste, die sehr wohl auf uns zugeschnitten sind wie unsere Kleidung nicht, ist es auch nicht anders, bitte glauben Sie mir: Dort werden Kleider für 10 bis 50 Euro produziert, die dann für 1000 bis 5000 verkauft werden. Da nähen sie hin, die Näherinnen, da gehen sie dahin, dieselben, lebendig begraben, erschlagen, verbrannt, zerstückelt. Noch heute suchen ihre Verwandten im Schutt nach ihnen, wenigstens ein Stück Kopftuch würden sie gerne bergen, als Andenken, einen Knochen, ein Schmuckstück, einen Gürtel oder sowas. Bitte, was soll da noch übrig sein? Das ist unvernünftig. Wenn man so ein Teil, nein, natürlich nicht die Reste der lieben Verstorbenen, für 50 Euro produziert, dann braucht man dafür nicht aufs Klo zu gehen, dann muß man nicht durch Anlagen gekühlt werden, dann sind dem Fabriksbesitzer, Ihnen, Ihren Kindern, Ihren Verwandten und deren Einkäufern, Sie Endverbraucher, Sie Anfangskäufer, Sie Erstanfangskäufer, Ihre Anlagen komplett wurst, da können Sie ersticken, verbrennen oder bersten, weil Sie nicht aufs Klo gedurft haben, wichtig ist nur: Das Kleid wird fertig und aus und Etikett rein und dann alles raus. Was es kostet, habe ich vorhin ins Leere hinein gesagt. Ich werfe noch ein paar Worte hinterher, sie werden nicht zu mir zurückkommen, keiner will sie hören, nur der Mistkübel will sie noch, doch der hat nicht die Wahl, alles muß rein, und dann muß alles wieder raus, denn ewig seiend ist das Gedränge auf den Straßen, wo die Menschen schön und ewig sein wollen wie eine Bergkuppe mit Schnee drauf. Sie wollen gesehen werden. Sie wollen auf sich aufmerksam machen, mit sich selbst. Seiend sind die Japaner. Seiend sind Bachsche Fugen. Seiend ist irgendeine Kirche, ich habe vergessen, welche, seiend sind Hölderlins Hymnen, ich habe vergessen, welche, seiend sind die Verbrecher, seiend sind die Irren und die Irrenden in Entenhausen, die nicht wissen, ob sie Menschen oder Tiere oder beides sind. Seiend ist überall und ganz nach Ihrem Belieben. Es ist egal. Das ist diesmal wirklich egal, ich schwöre es. Es ist alles eins, aber keiner ist dafür. Keiner ist dafür, daß Sie innerhalb der Arbeitszeit aufs Klo gehen oder atmen dürfen. Sie würden ohnedies nur giftigen Zigarettenrauch einatmen, davor bewahren wir sie vorsorglich, wenn auch ohne Sorge, und was ohne Sorge ist, kommt noch vor der Sorge selbst.

Die Arbeit von Menschen, das Leben von Menschen, zum Glück nicht unseres: zur Größe gezwungen, womöglich sogar eine Größe darunter, wenn sies schaffen, dann weggeschmissen, entwertet, geschreddert, kaputtgemacht wie fast ganz Afrika, und wieder aufbereitet von Organisationen, die sich um die ordentlich Benachteiligten kümmern, um die echten. Diese sollten auch einmal, wäre das nicht eine nette Abwechslung?, was arbeiten, das dann womöglich noch schneller verfallen wird. Wenn sie und das gebrauchte T-Shirt Glück haben, sonst nicht. Sonst wird Watte draus oder Papier oder so. Auch nützlich. Aufgerundet oder abgerundet, wie der Körper nicht, ich meine der Körper bei uns, unser Körper, was nicht ganz dasselbe ist, die Körper bei uns, auch die, die nicht unsre sind, auf den Körper also hat man, egal, was man Ihnen einreden mag, wenn Sie den Vertrag mit dem Fitneßstudio unterschreiben, nur wenig Einfluß.

Was andres, als hätten Sie nicht schon mit dem Bisherigen genug, mit diesem weiten Feld, das nicht von mir ist, mit diesem Feld, in welches die Einbildungskraft einfach so als Saatgut hineingeraten ist, bitte warten Sie, bis es anschlägt!, Frau Spinne wird jetzt beleidigt sein, doch ich sage, ein Kreis kann nicht lang sein, obwohl sie mit ihrem Netz das angestrebt hat, doch die Verstrebungen haben es verzerrt, so wie meine Bestrebungen immer durch mein Werk völlig verzerrt werden. Ich kann es nicht richtig sagen, probiere es aber trotzdem: Eine Länge kann kein Kreis sein, und so schließt sich der Kreis, ohne je einer gewesen zu sein. Meine Rede aber sei ja, ja oder nein nein. Was darüber ist, das ist von Übel. Aber das war mir nicht möglich, sonst wäre dies Stück sofort am Ende gewesen, und das habe ich ihm nicht gegönnt. Was aber für alles gilt und alle, glauben Sie mir, ist, daß der Mensch dem allen erst seine letztgültige Form verleiht, der Körper ist sozusagen das Gegenteil der Mode, weil er eben das letzte ist, das die Mode sieht, bevor sie schon wieder von einem neuen Wiedergänger abgelöst wird. So wie das Leben das letzte ist, das Sie sehen, wenn Sie sterben. Dieser kleine, immer noch kleiner werdende Lichtpunkt, das wars dann schon. Die meisten sehen gar nichts. Das heißt, wenn Sie drinnen sind, wenn Sie wirklich drinnen sind, nein, noch nicht, nie im Leben kommen Sie da rein, wer draußen ist, bleibt draußen; bitte nicht schummeln, der Zipp der Hose muß schon ganz rauf, sonst gilt es nicht!, auf das letzte Stück kommts an, damit Sie alle Stückeln spielen können, das ist wie bei einer Bergtour, ohne den Gipfel ist alles nichts. So wie ohne den Tod das ganze Leben nichts wäre. Und trotzdem fürchten Sie sich so vor ihm! Dann machen Sie halt den Knopf auf, wenn es Sie so bedrückt!

Die Jetztfolge Ihres Lebens ist keineswegs die Zeit gewesen, die jetzt vorbei ist, abgelaufen, abgetreten wie Ihre Wanderschuhe, die Sohlen lösen sich schon ab, Sie selbst werden auch noch abgelöst werden, obwohl Sie nur selten irgendwohin gehen, ja, die Zeit muß ja irgendwo entspringen oder losfahren, je nachdem, ob Sie sich diesen Ablauf als Zug oder als Fluß vorstellen, und dort wollen Sie hin, ist das Ihr Ernst? Dann bedeutet entspringen ja vielleicht entkommen? Die Kuh entsprang, bevor sie den Schlachthof erreicht hatte. Und so kann die Zeit eben auch als Jetztfolge entspringen, Ihrer Hand entschlüpfen, so, die Hüften entschlüpfen dieser Hose, das heißt, sie gehen gar nicht erst rein, jeder will entkommen, doch die wenigsten sind auserwählt. Alle übrigen dürfen nicht auf den gemütlichen Gnadenhof, sie werden schon vorher geschlachtet. Die ursprüngliche Zeit ist, glauben ich und Kant zumindest, ist ein Wahrnehmungsproblem, nein, nur ich glaube das, daß die Zeit ein Loslassen, ein Entspringenlassen ist, das uns erlaubt zu flüchten. Ich habe das Gefühl, Kant hat das nicht geglaubt, jedenfalls nicht so. Daß wir endlich von uns, nicht nur von unserem zertrümmerten Land, loskommen, jetzt muß ich natürlich sagen, was das ist, ist es das Anschauen des Angeschauten? Keine Ahnung. Ach was! Es ist dann, falls Sie den Zipp zugekriegt haben, schon eine gewisse Form entstanden, mit der Sie aber, wetten?, dann wieder nicht zufrieden sein werden. Sie werden nie zufrieden sein. Sie werden sich immer beengt fühlen. Höchstens zehn Minuten oder für einen Abend im Club werden Sie es genießen, dann werden Sie das Zeugs schon wieder wegschmeißen oder zurückgehen lassen, ganz allein, und wäre es nur, um die unerträgliche Einengung Ihres Lebens nicht mehr ertragen zu müssen und weil wieder niemand auf Sie angesprungen ist, um ein paar Runden auf Ihnen zu fahren, Sie möchten vergessen, daß Sie Sie sind und weil Sie am nächsten Tag ja doch wieder den alten Partner am Tisch sitzen haben werden, der auch immer er ist, einer und derselbe. Sie kommen nicht los von ihm, diese Beobachtung mündet leider in Erfahrung. Niemand will sich einengen lassen, das ist meine Erfahrung, bloß der Zeit müssen wir es gestatten, daß sie uns die Luft abschnürt. Nur der Krebs kriegt noch, was er will und braucht.

Sie werden nicht dran denken, daß ein andrer Mensch sein Leben dafür gegeben haben wird, für diese Hose, klar, daß der dann was gegen Sie in der Hand hat, nämlich genau diese, die Ihnen noch dazu zu eng ist und deswegen weggeschmissen oder davor noch zurückgeschickt wird, bevor sie wirksam werden kann. Sie hätten ja selbst Ihr Leben gegeben, hätten Sie sich das Teil nicht gekauft. Leben für Leben. Mein Leben für den Lifeball, ja, das auch, aber wer will es?

Na schön, wenn Sie unbedingt wollen, dann gehen wir halt fort, ohne weiterzukommen, werfen wir uns das Fortlose, das Formlose über, und folgen wir uns, die wir uns in der Mode gern selbst vorausgehen, den anderen aber noch viel lieber, wenn möglich. Holen wir uns ein, holen wir die Netze ein, betrachten wir den heutigen Fang, er gleicht einem wilden Tier mit seiner Mähne! Kleidung kann dem eigenen Schutz dienen, diese muß es aber nicht, das wird nicht von ihr verlangt, und die dort auch nicht, die liegt noch in der Auslage. Dieses Produkt wurde so perfekt wie möglich gemacht, gleichzeitig ist es aber höchst verderblich. Wir allein entscheiden über sein Schicksal. Diese Energie von vorhin, die ins Produkt gesteckt wurde, sprengt es schon fast, wie Ihr Körper. Das ist perfekt, das Produkt, und sowas sage ich nicht oft. Der Körper ist es nie. Wir rudern hinaus. Zuerst halten wir probeweise einen Finger in dieses Nichts, das die Welt ist, welche wir betreten, angetan mit einem Hauch, einem Nichts an Oberteil, man sieht es überhaupt nur, weil die Liegefalten nicht rausgebügelt worden sind, und das Hinausgehen über das Seiende hinaus, aus dem Club hinaus und auf die Straße, es geschieht ganz im Wesen des Daseins. Dieses Hinausgehen, das ist es! Und dabei war das Hineingehen schwer genug, denn da stand ein Türhüter, und mit ihm lag ein Widerspruch gegen Sie vor, wir haben schon drei Tage davor an unserem Einspruch gegen den Widerspruch gebastelt und unsere kleine Rede eingeübt und ein paar Teile anprobiert, warum wir unbedingt hinein müssen. Nichts da, auch wir: nicht da. Das wärs gewesen, reinzukommen, unser Traum!, bevor die Befremdlichkeit der Seienden über uns gekommen ist, als er uns in diesem Oberteil gesehen hat, der Hüter des Schuppens, aus dem es schallt wie die Trompeten und Posaunen des Jüngsten Gerichts. Alles mit elektrischem Strom erzeugt, wie der Klingelton Ihres Handys, wie alles, alles, alles. Alles muß vorher aufgeladen werden, damit endlich irgendwas von ihm kommt. Endlich etwas, das nicht von Menschen erzeugt wurde, also ich meine den Treibstoff, das Elektrische, natürlich nicht das Telefon, das uns so wichtig ist! Alles, was wir haben, würden wir dafür geben, hätten wir es nicht schon, das Telefon. Schutz durch Kleidung leider derzeit nicht vorrätig, Schutz auch fürs Handy, das keinen eigenen benötigt, es ist ja an uns festgewachsen?, wird nicht angeboten, dieses Jahr nicht, kein Schutz, kein Schutzhaus, nichts.

Ich stelle jetzt die Grundfrage, aber natürlich hat sie, wie jede, wirklich jede Frage in der Mode, schon jemand anderer beantwortet, der sich mit dem Raumgebenden von Bekleidung beschäftigt hat (oder auch nicht, ich meine, er muß das nicht getan haben), der hat sich dann vielleicht auch noch mit der eigenen Existenz beschäftigt, die oft einspringen muß für eine andre, bessere, nur reicht es dafür nie ganz. Also, was ist das für ein Eisprung, nein, ein Einsprung der eigenen Existenz in die Grundmöglichkeiten Hose, Rock, Bluse, Hemd, Jacke, Mantel in das Diesseits, nein, das Dasein im Ganzen? So, darauf heben wir jetzt ab, damit verkleiden wir es, gut. Lieber würde ich vom Sichloslassen in das Nichts sprechen, doch auch das hat der Denkherr schon besser gemacht, wie überhaupt alles, wie ja auch Yves Saint Laurent meinen Mantel vor einem halben Jahrhundert schon besser gemacht hat als den, den ich jetzt trage. Es hat immer schon Blusen und Röcke gegeben in der Geschichte der Menschheit, Blusen und Röcke, wenn wir nachsichtig mit uns sind, können wir die beiden Unzertrennlichen so nennen, auftrennen kann man sie aber schon, falls man wieder zugenommen hat, doch es lohnt sich nicht. Beachten Sie den Lichtkasten, zwischen dem teuersten und dem billigsten Top, zwischen den teuersten und billigsten Shorts für den Strand, zwischen diesem und jenem Bikini auf der Copa Cabini liegen nie mehr als 10 Euro, die 90 Cent sparen wir uns, nein, die sparen wir uns nicht, und bei Vögele sind es sogar 99 Cent, da fehlt wirklich nicht mehr viel, nur ein letzter winziger Ruck, den man sich geben muß! Das ist doch nichts, das ist doch das Nichts! Keine Ahnung, warum diese Differenzen immer an uns Armen ausgetragen werden, von außen sieht man nicht, warum, und die Mode ist doch das Außen, oder? Also mit den 10 Euro mehr kann jeder rechnen, auch wenn er nicht damit gerechnet hat, daß er sich diese Teile wirklich kaufen wird wollen, aber an dieser Frau im Schaukasten sieht es unwiderstehlich aus, und wir widerstehen auch nicht.

Die Kleidung ist Schrift, der Mensch wird durch sie umschrieben, als wagte man sich nicht an seinen lavaheißen Kern heran. Aber im Gegenteil! Ich suche Kleidung aus, die anlockt, die mich hervorhebt, nicht umschreibt, das habe ich nicht nötig, ich schreibe selbst!, bitte!, Kleidung beschreibe ich, nein, beschreibe ich nicht, die kaufe ich und aus, denn ich hänge sie gleich weg und trage sie nicht. Ich trau mich nicht. Im Geschäft hab ich mich noch getraut, auch das war schon keine Kleinigkeit, das Einkaufen vor den Blicken der unerschrockenen Jugend, die mich auslacht, sie hat ja noch keine Erfahrung gesammelt, das kommt erst, sie hat nur das Licht des Urteils angedreht, es ist auf mich draufgefallen und hat mir ein paar häßliche Schwellungen verschafft, kein Wunder, daß mir der Hosenanzug auf mir nicht mehr gefällt, wenn ich endlich zu Hause bin; jetzt, da ich auf mich allein gestellt bin, jetzt wage ich mich damit nicht auch noch ins Freie hinaus, das mir so frei gar nicht mehr vorkommt. Weil ich dort nicht Gefallen finden werde, schon gar nicht von Menschen, an denen wiederum ich Gefallen finden könnte. Kleidung, die meine Vorzüge zur Geltung bringt, die wäre so klein, wie meine Vorzüge eben sind, fast unsichtbar, gerade heute hat jemand wieder abwertend über meine Vorzüge gesprochen, er hat sie nicht einmal so genannt, sie waren es ihm nicht wert. Sie werden halt immer weniger, wie meine inneren Organe auch, und das habe ich sogar bildlich und schriftlich. Vorbildlich. Verbindlich. Mein Inneres wurde fotografiert! In Schichten! So konnte man sehen, was daran flüssig und was fest ist und wie es entstanden ist. Eine Maschine hat das zweifelsfrei ergeben, ich kann es beweisen. Was den Körper betrifft, gibt es nur selten Zweifel, wenn man mal in sein Inneres hineinschaut. Die Kleidung verhindert das zum Glück. Je weniger Kleidung, desto mehr Vorzüge können zur Geltung gebracht werden. Die Organe sieht man nicht. Nicht an mir, an keinem, denn sie sind innen angebracht und werden nur mit Strahlen sichtbar, mit einem Strahlen, wie diese neue Jacke, über die ich jetzt selber strahlen muß, knapp vorm Untergehn. Bloß anziehen tu ich sie nicht, nein, nein, wie das Matthäus-Evangelium vorhin schon so treffend sagte. Ja, ja.

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Dieses Stück Kleidung kann Ihr Gedächtnis und Ihren Körper und auch das Gedächtnis von Ihrem Körper nicht bewahren. Das Teil kann kein Menschengedächtnis bewahren. Wer immer es je getragen hat, er hat keine Spuren darauf hinterlassen, na ja, vielleicht doch?, eine Spur Lippenstift, ein ausgerissenes Haar, eine leicht eingerissene Naht, weil der dazugehörige Körper nicht hineingepaßt und vorzeitig aufgegeben hat, nicht richtig jedenfalls, er ist nicht ganz reingegangen, der Zipp ist ein Stück weit herausgetrennt, Scheiße, jetzt müssen wir das zur Schneiderin bringen, und wer zahlt uns das?, wer zahlt uns die Änderungsgebühr? Das kostet ja mehr, als das ganze Teil gekostet hat! Ist das gerecht? Wo wir nach dem Tod doch sowieso verfallen, und das kostet gar nichts, nur für das Loch, welches für uns ausgesucht wurde, muß bezahlt werden. Jedem würde Änderung gebühren, damit wieder alles paßt, und dann soll er noch mal zahlen? Ach was, das schlagen wir auf den Preis drauf!, wir brauchen, um einen Profit von 100 % zu erzielen, da brauchen wir etwas, ich habe vergessen, was, und nein, das kann überhaupt nicht stimmen, denn dann würde dieser Rock ja nur das Doppelte kosten als bevor er überhaupt hergestellt wurde, es gibt aber Rechner, die setzen diesen Wert noch niedriger an, niedriger als in der Automobilindustrie, bei der immerhin etwas Festes, Solides dabei herauskommt, aber möglicherweise vom Hersteller wieder zurückgenommen werden muß. Ich glaube das mit den Prozenten aber nicht. Bitte, rechnen Sie selbst, meine Rechnung scheint nicht aufzugehen, es muß weniger sein, nein, es muß mehr sein, keine Ahnung. Und schon herrscht, wie immer in wirtschaftlichen Fragen, sogar in ganz Griechenland, völlige Konfusion, soll ich hier einen Fachmann sprechen lassen, wenn auch sehr allgemein? Ja, das tu ich. Er hat aber nicht bedacht, daß das Wetter eine Rolle spielt, denn wenn der Sommer total verregnet ist (oder der Winter zu warm), dann müssen die Ausverkäufe viel früher beginnen, klar, weil ja auch die Jahreszeiten sich nicht an die Vereinbarungen gehalten haben, das haben sie allerdings schon vorher nie getan, wenns ans große Abverkaufen geht, wann man für die Jahreszeit, die dann nicht eintrifft, was Neues braucht, ja, und das mit dem Reinerlös, der das einzig Reine in dieser Angelegenheit ist, das einzige, das die Modeketten erlösen kann, daß sich ihre verzweiflungsvoll verkrampften Hände endlich lösen, ist vielleicht so, es ist prinzipiell so, aber ich halte mich leider nie an Prinzipien, vor allem, wenn sie rein sind, aber es wird mir gesagt, es ist so, daß die Gewinnmarge, also grob gesagt der Anteil des Gewinns am Umsatz in Prozent ausgedrückt, sogar sehr klein ist, sehr geringfügig, wer hätte das gedacht, ich dachte immer, die Gewinnmarge wäre bis zu 100 000 Prozent, und meine Organe wären schon das Kleinste, das man sich vorstellen und beurteilen kann, aber das ist natürlich Blödsinn, weil es sowas nicht gibt. So viele Prozente existieren auf der ganzen Welt nicht. Man sieht jedoch große Unterschiede, wo denn, wo denn?, je nachdem, wie gut und ob überhaupt die Firmen und Modekonzerne, die Ketten und die Handschellen ihre Bilanzen darstellen können, die sie an uns ausgeben wie ungenießbare Mahlzeiten in einer Kantine, einem Ort, der fürs Genießen bestimmt ist. Und Margen von 10 %, was allgemein und für alles als relativ niedrig gilt, sind in der Regel für die Textilindustrie wenig rentabel, das können Sie vergessen, nicht aber den Pulli im Fenster, den mit den Herzchen überall, der ist süß, oder eher den mit den Tupfen?, den müssen Sie haben. Verkaufen Sie doch lieber Brillen, Kosmetika, Taschen und Parfüms, hallo Texi!, dagegen schaust du ganz schön alt aus! Und das soll ein Text sein, der auch noch gespielt werden soll? Da fällt überhaupt kein Reingewinn mehr an, für niemand.

Also ja, also nein, ich kann das jetzt nicht gut genug erklären, nicht so gut, wie es mir ein andrer erklärt hat, aber alle Daten, die ich hier aber ohnedies nicht angebe, Sie müssen sich die vorstellen, alle diese Daten, die Sie hier nicht sehen, nein, Sie sehen die Tabelle nicht, ich könnte sie Ihnen ohne große Mühe zeigen, aber dann rinnt Ihnen, falls Sie nicht selber ein Geschäft zu Hause haben, das Hirn zu den Ohren raus, also die Daten sind Aggregate (alles auf dieser Tabelle zu finden, können Sie googeln, kein Wort weiter, es ist also eine Tabelle, die das Leben der Menschen und ihrer Bekleidung auf den Punkt bringt, welcher mehrere Punkte hintereinander sind, um das alles ins endgültig Unbestimmte zu stürzen): Gesamtprofit des Konzerns!, dividiert durch Gesamterlös (Erlös ist Verkaufspreis mal Menge über alle Produkte, und da ist noch nicht mal die Erlösung angeführt, wenn man einmal mit seinem Einkauf zufrieden ist, was ja gar nicht erwünscht ist, denn man soll möglichst bald wieder was Neues kaufen, das einem dann viel besser passen wird, es muß einfach! Schnauze, Elfi, mach mal was Halblanges, nicht immer sowas Langes!) mal hundert. Der Profit ist die Differenz von Gesamterlösung und Gesamt(!, hier macht der Schauspieler, die Schauspielerin noch mal so eine Art Spoiler-Zeichen in die Luft, weil sie etwas verraten, das auch sie nicht verstehen, ja, nicht einmal wissen, ich hätte das mit Betty-Birdie und dem hellblauen Chiffonkleid vorhin nicht sagen dürfen, falls Sie die Serie noch nicht bis zum Ende gesehen haben), also Gesamt!kosten, das Rufzeichen ist nicht von mir, also nicht nur die Lohnkosten der Endfertigung. Und jetzt werde ich dringend ermahnt, daß ich mir das nicht, nein, nein, nein!, als Gewinn für ein bestimmtes Kleidungsstück vorstellen kann, aber dieser Mensch weiß ja nicht, was ich mir alles vorstellen kann, nämlich alles, sondern als Maß für die Profitabilität des betreffenden Unternehmens sollen Sie sich das vorstellen. Soweit geht die Vorstellung, die diese Leute uns geben! Es gibt natürlich noch jede Menge andere Maße, zum Beispiel meine, die in den letzten zehn Jahren um ein ganzes, gesamtes Maß angewachsen sind, im Lauf meines Lebens sogar von 38 bis 42, deutsches Maß, welches in der gesamten EU gilt, ich meine, welches der gesamten EU erst Gültigkeit verleiht, also Deutschland, nicht wahr, aber hier sind andre Maße gemeint, die aussagekräftiger sein können, je nach dem Kontext. Gut erklären kann mir das keiner. Nein, auch Sie nicht!

Herstellungskosten 10, Endpreis 1000, das habe ich vorhin gelesen, eine Expertin hat es gesagt, und das ergibt sowieso jede Menge Aufschläge, Zuschläge und Niederschläge, die gehen uns immer so schnell aus, die müssen alle noch auf den Preis drauf, der ohnehin schon überlastet ist. Bitte beachten Sie diese Milchmädchenrechnung nicht weiter, jedes Milchmädchen könnte das besser ausrechnen. Ich denke dabei an die Arbeiterinnen, ungelernte Kräfte, die niemals ein Auto zusammenbauen könnten und auch sonst nichts, weil man dafür gelernte Kräfte brauchen würde und so nette Roboter, denen ich gern zuschaue, die sind wie große pickende Tiere, also im Sinn von Aufpicken, Körner, ey? Aber aufs Klo dürfen sie währenddessen nicht gehen, die Erzeugerinnen, nicht die Roboter, die brauchen sowas nicht, die brauchen vielleicht Öl, und das kriegen sie auch, dieses Auto wieder braucht zu viel Öl, was man gröblichst zu verschleiern versuchte; ich verstehe es, wie gesagt, nicht, ich verstehe überhaupt nichts mehr, denn der Toilettengang müßte doch eigentlich drin sein, die Toilette ist ja auch drin, die ist am Gang. Wenigstens etwas. Ist es aber nicht. Es ist nicht drin. Das sagen die Unternehmen dauernd: Es ist nicht drin. Sowas ist leider nicht drin, und deshalb lohnt es sich für uns nicht.

Das ist so, wie Sie selbst und Ihr relativ geringer Wert schon draufgeschlagen wurden, denn wir rechnen schließlich mit Ihrer Gier, diese stonewashed Jeans, an denen schon viele gestorben sind, weil sie sie irrtümlich eingeatmet haben, zu besitzen! Wir rechnen mit Ihnen! Die Spurenelemente von Menschen, die dem Teil anhaften, das kein Teil des jeweiligen Menschen geworden ist, müssen selbstverständlich entfernt werden, jede Spur muß entfernt werden, jede Fußspur auf dieser oder jener Straße, die aber ohnedies nichts bewahrt, sondern alles verkauft, alles muß raus, Sie müssen rein, alles muß raus!, aber jetzt sind Sie immer noch da, und sehen Sie: Nicht einmal eine Spur könnten Sie darauf, auf dem Gehsteig, den sie rauf- und runtergehen, einmal rauf, einmal runter, einmal hin, einmal her, hinterlassen. Nichts hinterlassen Sie. Warum haben Sie es sich dann gekauft? Als Ihr Erbe?, nein, bis dahin wird es weg sein, endverbraucht, aber nicht von Ihnen. Ich meine, Sie hinterlassen einfach gar nichts? Nichts. Gilt nicht. Nicht einmal dieser Mantel, den Sie sich so lange gewünscht haben, auf den Sie so lange gespart haben, obwohl Sie nur ungefähr eine Ahnung hatten, wie er aussehen sollte, und jetzt haben Sie ihn endlich!, dieser Mantel also könnte Sie beerben, nein, einen Mantel können Sie nicht zum Erben einsetzen, der ist keine eigentliche Person, auch wenn Sie ihn sich noch so lange als Partner ersehnt haben, und der ist auch nichts, solange niemand drinnensteckt, und damit meine ich nicht Sie. Sie können die Form dieses Mantels nicht zu dessen Vorteil verändern, aber verändern können Sie sie schon, die Form, es ist nur nicht die, welche der Mantel sich vielleicht damals in seiner Jugend bei Verbrechern in Italien, welche ihn herstellten, gewünscht haben mag. Das ist nichts, und genau das ist es, was Sie zu geben haben, uns zu geben haben: nichts. Nicht das Nichts, wie ich vorhin gesagt habe, plustern Sie sich bloß nicht auf! Nichts. Einfach nichts. Nicht einfach kompliziert, sondern einfach nichts. Doch andere geben ihr Leben dafür, wieder andre würden gern ihr Leben dafür geben, bloß nimmt es keiner. Wenn auch nicht so viele, wie ihr Leben dafür bereits gegeben haben. Angebot und Nachfrage. Sie werden schon sehen! Nein, seien Sie froh, daß Sie es nicht sehen werden.

Hätte ich es nicht in eigener Person erlebt, wüßte ich es nicht, ich wüßte nicht, daß der schwache Euro den Import von Rohstoffen und Waren aus Asien verteuert. Die Modebranche ist stark betroffen. Sie ist verzweifelt. Was ist dazu noch zu sagen, wenn alles andre schon gesagt ist? Wählen Sie die Abgeschiedenheit, dann sagt Ihnen die Mode nichts, aber bedenken Sie, sie könnte vielleicht anderen etwas sagen? Einem anderen Menschen, der sich bergen lassen will aus der Masse aller anderen Menschen, nicht vor ihnen verbergen. Die Sonne macht es vor, sie verbirgt sich heute. Der Baum verbirgt sich hinter einem Haus, das Haus hinter einem Hügel. Die machen das, ohne es zu wollen oder zu wissen. Und auch das Haus muß nicht so aussehen, wie es aussieht, das hat es nicht nötig. Es könnte auch ganz anders aussehen. Ja, Sie auch. Die Kleider umhüllen uns. So wie eine Totenmaske, sagt der Denker, zeigen kann, wie überhaupt so etwas wie das Gesicht eines toten Menschen aussieht. Aber das kann der Tote doch auch selbst zeigen! Er muß sich nur trauen! Er muß sich nicht genieren. Es kann ihm sowieso egal sein. Und so zeigt die Totenmaske eben nur, wie eine Maske aussieht, so wie ein Foto, ja auch das von dem Model in dem neuen Bikini, nicht nur das Fotografierte, sondern zeigt, wie eine Fotografie aussieht. Sie sieht so aus, wie sie aussehen kann, so wie das Haus aussieht, wie es aussehen kann. Es können alle auch anders. So denken auch Sie, wenn Sie sich in diesem Bikini vorstellen. Sie können ganz gewiß anders aussehen, wenn Sie sich Mühe geben. Was zeigen die Bilder der Toten, die sich endlich nicht mehr plagen müssen in der Unendlichkeit? Ich weiß es nicht, es sind so viele, und so viele sind verschwunden, ohne daß man Fotos von ihnen gemacht hat. Welches Aussehen geben diese Anblicke auf der Fotografie? Was versinnlichen sie? Was versinnbildlichen sie?, sie zeigen, sagt der Herren-Denker vor seinem Herrengedeck, vor seinem Heideggergedeck, Verzeihung, wie etwas im allgemeinen aussieht, in dem Einen, was für viele gilt. Diese Einheit für mehrere aber ist das, was die Vorstellung in der Weise des Begriffes vorstellt.

Die Anblicke, ja, auch die im Lichtkasten unten in meiner U-Bahnstation, die Anblicke, so viele Anblicke, ich kann sie mir nicht einmal vorstellen, denn heute sind schließlich die Gabor-Schuhe dran, die wollen auch einmal ran an den Trog, den man beleuchtet hat, damit die Tiere ihn finden. Nicht einmal in der Rückschau kann ich es mir vorstellen, war da was? Man hätte mir mein Gesicht besser hinten annähen sollen! Diese Anblicke sollen der Versinnlichung von Begriffen dienen, aber ein Begriff ist wesensmäßig nicht abbildbar. So ist es mit der Mode. Sie ist so und so, nein, so oder so, nein, anders, jedoch genauso. Sie wird durch Preise ausgezeichnet. Und das hier in zuviel Ausführlichkeit Ausgeführte, das gemeine Gemeinte ist sicher nicht nur so meinbar, wie ich es hier darstelle. Sie können es tausendmal anders machen. Denn es kann auch alles ganz anders sein.

Mir schwebt jetzt ein Unterschied zwischen Sein und Nichtsein vor, warum stellen Sie sich dazwischen, nach diesem Unterschied haben schon ganz andre gefragt!, ich hatte es fast, nein, es schwebt leider immer noch? Wie können wir Ihnen helfen? Ihre Augen sieden wie Spiegeleier, sunny side up, was sehen Sie? Sehen Sie etwa einen vorhandenen abbildenden Anblick des Seienden, und zwar diesmal nicht aus Seide, sondern aus Baumwolle, sehen Sie ihn, diesen Anblick von etwas überhaupt, von wenigstens irgend etwas? Der Anblick von dem Etwas, von dem Seienden im Ganzen? Kann schon sein. Lassen Sie los, lassen Sie sich los ins Nichts! Lassen Sie sich selbst los, lassen Sie sich fallen, ja, sonst breche ich Ihnen am Abgrund die Finger, ich trete Ihnen drauf, lassen Sie sich los, Sie, sich selbst, von der Sie sich immer wegzuschleichen versuchen, endlich sind Sie frei, und dann merken Sie, daß etwas freigeworden ist, das gar nicht Sie sind. Es schleicht an Ihnen vorbei, damit Sie es nicht im letzten Moment noch erwischen. Jetzt ist es fort. Lassen Sie Ihren Rock schwingen wie das Mädel in der xxx-large Möbelwerbung!, ein Rock, der wieder selbst ein Möbel ist, lassen Sie es krachen, lassen Sie das Schweben noch weiter ausschwingen, irgendwen werden Sie dabei schon treffen, denn das ist ja Ihr Ziel: jemanden zu treffen! Und jetzt kommt die Frage, die ich so oft, die ein andrer noch öfter, die alle immer wieder stellen und gestellt haben, bis sie selbst ihren Gestellungsbefehl bekamen: Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? Ja, das fragen sie alle, wenn auch zum Glück nicht mich. Meine Antwort, ungefragt: Es ist eh viel mehr nichts. Es gibt einfach viel mehr Nichts, bloß ist es leider nicht so einfach.

Er, sagen wir halt der Mensch, der Denker mit seinem Primuskocher, wie er grad Wasser vom Brunnen holt, auch er sagt mir hier leider nichts, weil er alles sagen kann, wenn auch nicht mir. Mir sagt er nichts. Überhaupt niemand kann sagen, ob das, was die Frau, die ihm da entgegenkommt, am Leibe trägt, mit dem Bild übereinstimmt, das, erleuchtet, an der Wand hängt, dem Denkenden selbst fehlt jede Erleuchtung dazu, es schaut für ihn alles gleich aus, so meine ich das, es ist fraglich, ob die aufgezählten Bedeutungen und Möglichkeiten des Bildseins ausreichen, um irgendwas für ihn aufzuhellen. Er hat sich einen Anblick verschafft, aber der erhellt für ihn nichts, der erhellt grad nur den Kasten, und es ist nicht der Anblick des Models, der das bewirkt, es sind Leuchtidole, oder was weiß ich, wie die heißen, man sagt mir: Röhren heißen sie. Ich weiß nicht, ob das hier die richtigen Worte sind, die mir leider auch sonst meist fehlen. Im Prinzip könnten sie es sein, doch sie passen mir nicht, und andere kenne ich nicht, ich kenne natürlich nicht einmal die, die sowieso nicht von mir sind, aber dennoch hier stehen.

Ich habe mich jetzt,wie vorgeschlagen, ich weiß aber nicht, wer mich da vorhin so geschlagen hat, an die Anblickbeschaffung gemacht, aber selbst das können andre besser, ja, dort, in dem leuchtenden Kasten, wo sich Bilden, Einbilden und Einbildungskraft mischen, mit Ihrer Vorstellung der gegenwärtigen Zeit mischen, von der Sie sich eh keine Vorstellung machen können, ja, da mischt es sich dann alles, deswegen hat man es ja an einem so vielbegangenen Ort aufgehängt. Schon bin ich vorbei, jetzt dürfen einmal Sie in Ruhe schauen. Das Vermögen Ihres Vorbilds, Gisele Bündchen, das hätten Sie wohl gern! Und wenn das nicht geht, dann bitte zumindest ihr Vermögen, schön zu sein. Sie als Betrachter mischen sich mit dem Gesehenen, Betrachteten, mit dem Vermögen der Abbildung, die nicht Sie abbildet, es entsteht diese nicht explosive Mischung, nur keine Sorge, hier wird nicht Kunstdünger mit Zucker oder mit Wasserstoffperoxid oder was weiß ich gemischt!, zwischen Ihnen und dem Betrachteten steht nichts, zwischen Ihnen und dem, was Sie da sehen, einem Abbild, das eigens hergestellt wurde, nicht als Kopie, sondern damit Sie das auch alles haben und damit auch noch genauso aussehen, jedoch keine Kopie sein wollen, wird Ihnen etwas ermöglicht, ich schwöre, das wird Ihnen ermöglicht, Sie müssen es nur noch machen, etwas, das ich derzeit noch nicht genau sehe, aber es paßt kein Blatt Papier zwischen Sie und dieses Abbild, Sie sind unzertrennlich geworden. Sie müssen nur ein paar Schritte weitergehen, oben auf der Straße, dort finden Sie schon H&M, die finden Sie überall, und dort finden Sie das alles, ganz allein für Sie, Sie waren ja auch vor dem Lichtkasten ganz allein, nein, Sie haben im Spiegelbild gesehen, daß da noch, verwischt, fast verschwunden, eine andre Frau gestanden ist, die auch Sie waren, wie kann das sein? Das kann nicht sein. Es kann deshalb nicht sein, weil die Auslagenscheibe inzwischen etwas geneigt eingebaut worden ist, wenn auch nicht in Ihre Richtung, denn Sie sollen darin ja nicht sich selbst sehen, sondern das, was Sie sich erst kaufen, was Sie erst noch werden wollen! Sie müssen sich das alles nicht doppelt kaufen, nur keine Sorge. Sie sind ganz allein. Hier wird Ihre Einbildungskraft also belebt, hier in diesem Kasten, Sie müssen mit der Zeit rechnen, mit jeder Art von Zeit, und Sie müssen aber auch bedenken, daß da Glas davor ist und Sie immer draußen bleiben, aber alles sehen werden, wenn auch nicht sich selbst, das macht ja nichts, Sie kennen sich ja, und in diesem neuen Sommerkleid werden Sie sich zu Hause noch viel besser erkennen können. Aber da kommt der Strich durch die Rechnung, oje: Dort, im Kasten, sind heute schon wieder diese Gabor-Schuhe drinnen, genau wie vorige Woche, schade, die interessieren mich nicht so. Sie machen sich ja keinen Begriff! Nein, vielleicht haben Sie sogar mehr Begriffe dafür als ich, es würde mich nicht wundern. Sie können sich sicher viel mehr Anblicke verschaffen als ich auf dem Weg zu meiner U-Bahnstation, immer ein- und derselben. Sie müssen umsteigen und sehen deshalb mehr. Sie bekommen mehr zu sehen. Was nicht ausschließt, daß eine Vielfalt, eine unendliche Vielfalt solcher Erscheinungen, die man eigens beleuchtet hat, damit man nicht daran vorbeikommt, existiert (Blödsinn! Eine Vielfalt kann nicht existieren, und wenn man sie noch so oft faltete!), denn die Kästen hängen überall und können von jedem gemietet werden, und diese Bikinis, die eigentlich streng genommen gar keine sind, man kann nämlich das Ober- und das Unterteil separat kaufen und auf ewig voneinander trennen!, hängen überall in den Schaufenstern dieser Modekette, ist es Zara?, nein, Mango, und drinnen natürlich erst recht, daß also eine Vielfalt suggeriert wird, man schaut etwas an, und noch mehr Vielfalt, als wäre das Viel nicht schon genug, wird geboten, schaut auf einen zurück wie der Abgrund, in den Sie hineingeschaut haben, obwohl Sie davor gewarnt wurden; ein viel reicheres Viel (zwei Teile für einen, nein, nicht alle für einen, sie kosten dann allerdings nicht doppelt, das nicht, aber doch undeutlich mehr, ich muß schauen, was teurer ist, das Höschen oder der BH-Wert). Das na-Sowas (der Denker denkt es anders und sagt es daher auch anders, er sagt Dies-da, wäre besser, ich kann aber nicht jedes Wort genauso abschreiben, wie es hier vorgeschrieben steht, sonst denken Sie noch, ich arbeite überhaupt nichts) wird dabei angeschaut, eine riesige Kette an solchen und ähnlichen Bikinis, die alle ein- und dasselbe sind und an Ihnen gar nichts, werden angeschaut. Das Top, der Strohhut obendrauf, der bringts erst? Werden angeschaut. Sagen wir, das ist das einzelne Ganze, was wir hier sehen, und damit Schluß. Wir schauen sie an, und sie schauen uns an, das ist ja bekannt. Ein Bild ist immer anschaubar, doch wir, in diesem Bikini, wir wären es nicht, was uns aber nicht gesagt werden soll, sondern das Gegenteil. Ein Glück, daß uns niemand in der Umkleide sieht! Macht aber nichts, das Foto bezieht sich auf Sie und gleichzeitig niemals auf Sie, sonst stünden ja Sie dort und würden leuchten. Das hätten Sie wohl gern! Das Foto ist nur eine Abschreibung dessen, was sich unmittelbar als Bild zeigt, und das ist viel mehr, es zeigt uns, daß wir viel weniger sind, nein, das stimmt nicht, wir müssen erst noch viel weniger werden, wir müssen ein paar Kilo abnehmen, um in diesen Bikini überhaupt reinzukommen, und hochgezogen will er ja auch noch werden. Und umgeschnallt, einer Ungebundenen umgebunden, der BH. Sie machen sich ja keinen Begriff, was in mir vorgeht! Keinen Begriff. Und wenn, dann könnten Sie ihn nicht anschauen und nicht angreifen. Und mir sind sie jetzt auch ausgegangen, die Begriffe. Da ist das Bild. Es strahlt heute wieder so wie immer, weil ihm kein Licht aufgehen muß, es trägt das Licht in sich. Hier sehen Sie alles, mehr gibts nicht. Und dieses Bild ist weder ein schlichter Anblick noch ein Abbild. Es ist eben ein Bild und aus. Ja, und jetzt können Sie es sich gegenseitig in den kleinen Lichtkästen zeigen, die Sie immer bei sich tragen, und dort können Sie auch bestellen und los, in den Warenkorb!

Foto: Sebastian Hoppe, Düsseldorfer Schauspielhaus, Bilder aus der Inszenierung von Jan Philipp Gloger

 

Material, diesmal in homöopathischen Dosen, aber trotzdem muß es gesagt sein: Roland Barthes: Die Sprache der Mode Euripides: Bakchen (Übers.: Kurt Steinmann)

Na ja, und Heidegger muß natürlich auch sein, wie immer, diesmal darfs ein bisserl mehr sein, ihm tut es nicht weh, aber vielleicht der Zeit in ihrer Ursprünglichkeit. Die weiß jetzt vielleicht nicht mehr, wo sie ursprünglich entsprungen ist, und kann daher nicht mehr zurück.

Dank an alle Blogger und Poster, das sage ich hier ausdrücklich, sonst wirft mir jemand vor, abgeschrieben zu haben, was ich natürlich, wie üblich, getan habe.

Und danke, Penelope!

21.4.2017
 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der deutschsprachigen Aufführung ist nur vom Rowohlt Theater Verlag, Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek, Tel.: 040 – 72 72 – 271, theater@rowohlt.de zu erwerben. Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt. Dieser Text gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur ersten Aufführung der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Der Verlag behält sich vor, gegen ungenehmigte Veröffentlichungen gerichtliche Maßnahmen einleiten zu lassen.


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