Die Sünden der Kinder

(Folgen)

 

Schüchternheit ist nie meine Sache gewesen, aber nun verlange ich, daß auch der Herr Professor die Wahrheit sagt, so wie ich es tue. Er soll die Maskerade des einsiedlerischen kranken Geistesschwachen, die Maske des Greises, die Tarnung des provisorischen Lebendgrabes ablegen, das Fürchterliche der Kindesmißhandlung kann durch nichts entschuldigt und den Unschuldigen nicht nachträglich ersetzt werden. Die bleiben nachtragend, da kann man nichts machen. Es ist mehr oder weniger mit mir aufgeführt worden, was man meiner Meinung nach nicht machen sollte mit einem Menschen. Daß man versucht, ihn, mehr oder weniger ohne sein Wollen, zu Sachen zu zwingen, gegen die er sich mehr oder weniger nicht wehren kann. Herauskommt nur Unwahrheit der Lebensbedingung.  Darauf folgten dann immer noch mehr Bedingungen, die ich mit stumpfsinniger Gelassenheit ertragen mußte. Immer neue, auf die man sich mit der Zeit, später, besinnen und, bald schon, darauf bestehen konnte, und wäre es das Absurdeste. Mit flehender Miene Betteln ist noch das mindeste. Irritabilität, Zittrigkeit bei Belastungen. Starkes Fluchtverhalten. Psychomotorische Übersteuerung und Dysharmonie der verschiedenen Stimmungsbilder machten mich auffällig auffällig. Das ist nie vorbei. Doch niemand da, dem ich überhaupt auffallen könnte. Es waren die falschesten Urteile, die ich über mich gehört habe und doch unentbehrlich, um mich am Leben zu halten. Ohne mich jedoch etwas gelten zu lassen. Das wenigstens hat sich gründlich geändert. Dieses gewisse Unbedingte von Damals zeigte sich bald im Persönlichkeitsinventar einer frühkindlichen infantilen Regression mit Spaltungstendenz, in denen ich den Eindruck bekam, man hätte mich mir einfach weggenommen, wir lernen ja verachten, wenn wir lieben, aber eher noch: verachtetwerden! (Wie? Was? Wer?) Man mußte auch, man mußte nur auf den Professor hören, wenn er es uns erklärte: er lernte verachtet zu werden von den Geliebten, von mir ganz besonders. Die er sich doch selbst erzeugt hatte! Seine Geschöpfe, allesamt frühverkorkst und doch geöffnet, flüchtig wieder verschlossen, damit man jederzeit einen Schluck nehmen kann,  aus einem einzigen Erziehungsheim stammend, alle! Bitte, denen können Sie doch nichts glauben, die haben sich doch verabredet, das ist doch kein Zufall! Was für den Herrn Professor durchaus auch mit Annehmlichkeiten verbunden sein kann. Wenn man alle beieinander hat, eingefangen und gemeinsam gehalten, zu nichts angehalten, Ordnung und Sauberkeit null, aber immerhin gehalten. Auch der Transport wird einfacher. Jawohl, man könnte auch sagen: frühverdorben, obwohl selbst eingekocht, mit genügend Zuckerbrot und Peitsche. Ich war einer von ihnen (die anderen waren keine von sich, sie waren nicht bei sich, nein, sie waren nicht mehr bei ihm, egal), fertiggestellt, genügte ich mir selbst, aber das hat dem Herrn Professor natürlich nicht genügt. Darauf hatte er nicht abgezielt. Ab da wurde er irgendwie verrückt nach mir. Hätte mich vor lauter Verliebtheit am liebsten an den Füßen getragen wie seine Schuhe, an denen er sich abgeputzt hat. Liebe, diese fleißige Angestellte im Büro einer Baufirma, in der emsige Fluktuation beim Personal herrscht, beim im Außendienst aktiven wie beim verwaltenden. Er hat, was er liebte, früher oder später zu Geliebten gemacht, das ist doch ganz einfach, das ist doch ein ganz einfacher Unterschied, die äußerste Verachtung, zuerst an mir praktiziert (dann an ihm, aber später, davon später), dazu das Praktikum des feierlichen Worts, der Moral, der Etüde, ich meine Attitüde der Moral. Und plötzlich war es umgekehrt. Könnte den Tag selbst nicht nennen, an dem  frühverdorbene (ein andres Wort fällt mir nicht ein) Bub plötzlich den selbsternannten Vater schlug, mit einer gesunden Einsicht, wo man den Schlag hinsetzen soll, damit der Vater nicht mehr so schnell wiederaufsteht. Das gibt dem Sohn die Zeit, in Ruhe seine Wiederauferstehung des Fleisches zu planen und was er sich dafür kaufen will. Er war ab einem bestimmten Zeitpunkt von mir abhängig, Herr Professor hin, Herr Professor her, nachdem er mich auf zitterndem Boden, ich auf seinen zitternden Knien, so viele Jahre genossen hatte. Wußte nicht, woher der Wald sein Dunkel nimmt, und wußte es immer noch nicht, nachdem er mit mir fertig war. Viele Jahre. Sklave seines kleinen Gewalthabers! Doch auf einmal, sieh an, als ich über seine leichten Schläge auf mein Gesäß noch weinte, plötzlich eine grauenhafte Fühlosigkeit bei mir, aber bei ihm hab ich auch was gespürt, als ob er, ohne in sich gegangen zu sein, ein innerer Mensch geworden wäre, der die schönste Nebensache der Welt (von der die aufgetakelten Langstreckensegelnden vom Bildschirm her immer in den Wind hinein sprechen, den sie selbst erzeugen, als würde jeder von ihnen in einer Monstranz einhergetragen, unter einem Baldachin, ein Schas mit Quasteln, nein, das können Sie auslassen, ein Jesuslaib, nur halt besser gekleidet und fester gehalten von all den Schwestern und Herren Ober- oder Unterärzten im Herrn Landeskrankenhaus), der also die Sache, die er doch grad gemacht hatte, so gar nicht mehr kennen wollte, und die Nebensache wurde plötzlich zur Hauptsache, während er meine ständige Begleitsache wurde, der Professor. Soviel Essen auf einem bereits überfüllten Teller! Kein Gericht weiß mehr von selber, aus sich heraus, wen es zur Hinrichtung begleiten soll, als letzte Sättigungsbeilage für die doch ewig Ungesättigen. Für die kleinen Nimmersatte, die nicht und nicht sterben wollen, weil sie vom Leben nicht genug kriegen können. Gedrängel auf dem virtuellen Petersplatz. Auf Tellern, in Tassen, in Betten, warum grade in den Betten nicht und was ist mit den Spitalsbetten, was haben die uns zu bieten?. Wir messen jetzt alle den Wert der Dinge, aber wieso kriegen wir dermaßen unterschiedliche Resultate auf unseren Geräten? Wieso ist der Ausschlag so stark (so schwach)? Einen Arzt bitte, sofort! Wie oft hatte ich innerlich nach einem verlangt! Ach, er war ja selber einer! Na, dann halt noch einen, wenns geht einen andren, aber nicht diesen! So. So hätte es geendet, hätte ich es nicht umgedreht. Hätte er Mitleid mit uns gezeigt, ich hätte das Gericht noch mal gerührt und dann aufkochen lassen. So ist es mir nur hochgekommen. Ich habe den Zwang, den er auf mich ausgeübt hatte, in mir sorgfältigst nachgebildet und dann gegen ihn gekehrt.  Was hätten wir da jetzt noch im Persönlichkeitsinventar einer frühkindlichen Regression mit Spaltungsirrsinnstendenzen (die hatten wir doch vorhin schon? Oder wars die falsche Spalte?) aufs neue frisch hereinbekommen? Wenig Brauchbares, aber Geduld, wir erwarten in Kürze männlichen Nachschub, ich meine Nachwuchs. Nichts bei der Lieferung dabei, wofür wir uns herzlich bedanken müßten. Lächerlich. Der Professor ist ja inzwischen, Jahre sind, wie gesagt, ins Land gezogen und haben sich mit möglichst vielen PS (egal, ob in großen oder kleinen Hüllen) wieder aus dem diesem Land nun mal eigenen Dreck wieder rausziehen lassen, der Professor also ist selber längst zum Kind geworden, das nicht weiß, es braucht seine Mami noch. Das spielt er recht gut. Oder ist er es wirklich? Aber jetzt, da er sie braucht, hat er sie nicht mehr, wen oder was? Wir brauchen hier sofort mindestens eine Heilpädagogin, wenn möglich mehrere! Bitte reichen Sie mir eine rüber, ja, von dem Haufen dort, wo auch die Frau Professor jetzt ganz zufällig zu liegen gekommen ist. Die hat sich ordentlich gebettet, und jetzt liegt sie. Da liegt sie. Hat zu lang geglaubt, nur mich zu brauchen, der Herr Professor, na,  jetzt hat er mich. Der Nimmersatt, jetzt hat er es, und mich wird er nie satt, das verspreche ich Ihnen.  Lange war ich es, der süße Traum mit den duften Locken, lang, wie es jetzt wieder modern ist, der liebe Bub, der ist auch modern, das heißt, der kommt nie aus der Mode, der junge Mann da. Inzwischen bin ich es, der junge Mann. Ich genüge seinen Bedürfnissen wohl so vollständig, daß er gar keine mehr fühlt. Meine Seele spannt dabei weit, bis zur Zerreißprobe, ihre Flügel zwischen meinen Beinen aus, so, Skier an die Füße und einen Sport hingelegt, der im Runterstürzen mit einem Drachen im Rücken besteht, nein, nicht Runterstürzen des Essens. Das ist doch kein Sport, also wirklich! Nicht alles ist Sport, nur weil es anstrengend ist, manches ist auch schwere Arbeit für die Beteiligten, auch wenn alles ein reines, na ja, vielleicht nicht ganz reines  Vergnügen sein sollte. Mit mir hat er einmal zuviel auf seiner reichhaltigen Speisekarte gewählt und den Falschen und die falsche Speiseart. Schlechter Geschmack bei allen Beteiligten, jawohl, Herr Professor. Da ist einer, der Eigentum und Beute werden könnte, hat er sich so gedacht, angesichts all der ausharrenmüssenden Knaben, die um Mitternacht zu ihm geholt wurden, notfalls aufgeweckt, auch wenn sie nicht schon aufgeweckt waren, die kleinen Halbschläfer (Sagen Sie mir, hat man zu mir persönlich gesagt, in der Funktion als offizieller Neffe, Ziehsohn, als ich – und wenn ich ich sage, dann meine ich ich -  das bei ihm anmahnte: Hätten Sie denn gewollt, daß neben Ihrem Gynäkologen oder Andrologen oder Anthropologen, während er sie untersucht wie ein totes Fossil, plötzlich andre auftauchen und zuschauen,  direkt in Ihr Loch schauen, egal in welches? Nein, das hätten Sie nicht gewollt! Eben! Und da wollen sie das von meinem Onkel, meinem Beinahe-Vater verlangen! Eben! So etwas kann man nicht verlangen. Man bekommt es oder man bekommt es nicht. Es bekommt einem, oder es bekommt einem nicht). Aber da haben immer welche zuschauen wollen, wie das Spatzi einem im Mund umgedreht wurde wie ein Wort, das man nicht mehr zurücknehmen kann, es ist ja an seinen Besitzer gebunden. Einmal waren bis zu zwei andre Leute dabei, die zuschauen und gleich mitmachen wollten! Kannten die Spielregeln nicht, aber mitmachen wollten sie gleich! Wollten unersättlich an wieder einem andren sehen, was sie doch an sich selber in größte Ruhe hätten betrachten und studieren können. Wer andrer sagt was andres, klar,  aber ich lüge; das wissen sie genau, daß ich lüge, und wenn sie nichts wissen, das wissen sie, und plötzlich ist man sein Professoreneigentum, noch bevor man den Mund aufgemacht hat. Aber aufmachen muß man ihn. Einer muß es ja schlucken! Ja, Eigentum! Eigentum ist einem verpflichtet! Aber auch umgekehrt! Ungelogen! Hastdunichtgesehn? Nein, du hast es nicht gesehn, das sehe ich schon. Wer hat die Höhlungen des Menschen geschaffen, die man nicht sieht und in die man nur schwer hineinkommt? Es war der Herr Professor, denn ein andrer ist nie anwesend gewesen, hat nie Hier! Geschrien, als es ans Anschaffen ging. Doch bald war seine Frau fürs Herumschaffen und Anschaffen und Schaffen allgemein angeschafft worden.  Leider ist er verheiratet, das sehen Sie ja, und das ist auch der Haken an der Sache, für uns beide. Für die beiden Eheleute aber auch. Ich habe nur den Ehrgeiz geschenkt bekommen, und den hatte ich auch schon vorher, so, der Haken kommt weg, den Spiegel, in dem wir unaufhörlich nur uns sehen wollen, kleben wir da mal so hin, etwas höher,  provisorisch,  und schauen, wie das ausschaut. Der Spiegel muß höher, wir sind ja auch größer geworden, nicht? Und jetzt springen, hopp! O je, ich seh schon, unser Auftreten haftet ihm auch gleich mit an. All diese Löcher sind vom Herrn Professor nachträglich hineingemacht worden, und waren sie schon da, sind sie von ihm vergrößert worden,  also ich wage zu behaupten: die waren vorher überhaupt noch nicht da, also ich hab sie nicht gemacht, ehrlich. Er muß es gewesen sein. Ja, haben wir denn eine Aktion, daß soviele plötzlich etwas am andern besitzen dürfen? Und wäre es das Nichts, das aus einem Loch spricht, ähnlich der Stimme des inzwischen hoffentlich, ja Gottseidank, wie mir Hören und Sehen vergeht: endlich verstorbenen Papstes? Ja, jetzt ist er tot, und der neue ist schon da und der Nächste bitte! Wir wollen doch aktuell sein und es bleiben. Wir schreiben Tag soundsoviel nach dem Tod. Nehmen Sie jetzt an unserer großen Glaubensaktion teil – alles mindestens 30% billiger! Solange der Vorrat reicht! -  an die Aberglaubenskongregation der Liebe? Wir haben noch viel mit ihr vor! Die Falschheit eines Urteils ist ja noch kein Einwand gegen das Urteil selbst. Dieses Urteil besagt ja nur, daß unsere Sprache uns selbst fremd klingt. Und der Verurteilte versteht eh nur Bahnhof. Was haben sie gesagt? Und wie komme ich von mir aus hin? Und wieso stimmt der Fahrplan nicht, haben sie den noch nicht auf Sommer umgestellt? Sie haben gesagt: Wir hätten hier noch deutliche Hinweise, ich weiß nicht auf was, für endogene und hirnorganische Komponenten, die sich nicht zusammenfügen lassen wollen. Widerholungsfehler, Regelfehler, Auslassungsfehler, die vor allem durch die Flüchtigkeit und Beeinträchtigungen in der Kontinuität meines ehemals kindlichen Speichersystems auftreten, eines Systems, das soeben vors Haus tritt um für seinen inzwischen öfter erweiterten Speicher wieder mal was Schönes einzukaufen. Und dies nicht unbedingt verbilligt.

Ich bin damals, in meiner schönen Kinderzeit, also vom Pfleger aus meinem Gitterbett geholt worden mitten in der Nacht. Andre auch. Aber eben auch ich, unter anderem. Geholt unter anderem. Bin zu dem Herrn Professor in diesen Raum gebracht worden, wo er auf mich gewartet hat und der Pfleger hat mich übergeben und ist wieder gegangen. Die Schwester hat nichts überwacht. Andre auch nicht. Nichts überwacht. Andre auch geholt, übergeben und wieder gegangen. Ich mußte mich auf die Knie des Herrn Professors setzen. Andre auch. Dazu gebe ich an, das ist so weit gegangen, bis zum versuchten und geglückten Penetrieren des Anus. Andre auch. Der Herr Professor hat ganz normal und ruhig auf mich eingeredet, den Kopf teilweise an meine Wangen gelegt und hat mich gestreichelt eigentlich ganz lieb auf dem Gesicht gestreichelt und am Hals und beruhigend auf mich eingeredet, daß er dies machen muß, daß er das machen muß, daß er das machen muß, das andre aber nicht. Andre müssen nicht. Daß er das machen muß. Er muß. Andre nicht. Nein, andre müssen es doch auch machen. Mein Schamgefühl ist viel zu groß, um mich voll mitzuteilen. Aber die Hälfte reicht doch auch schon oder nicht. Andre nicht. Andre auch nicht. Andre auch nicht unter anderem.

So. Wir sind jetzt schon in der echten Wohnung in dem echten Haus an einem echten See in einem von ein paar WCs, eins davon für Gäste, andre hübsch in echten Bädern integriert. Die Muster, die Seifenschalen, die Parfümprobeflaschen, die Handtücher, die Duftganztöne und die Dufthalbtöne passen zusammen. Es ist nun schon viele Jahre später geworden, aber es geht trotzdem alles in einem Aufwaschen. Meine Leibesmutter zum Beispiel, die Gottesmutter macht es ja nicht,  hat hier oft aufgewischt, da bin ich mir sicher, nein, das weiß ich, aber das war nicht dasselbe Wischen, es war nicht das, was ich meine. Der Herr Professor hat mir viele Jahre angeschafft, daß ich es mit ihm treibe, und jetzt möchte er sich gar zu gern als berechtigter Herr auch aller übrigen Triebe darstellen. Der Trieb schnellte damals aus jugendlicher Vereinsamung hervor, welchem Verein sollte er nun beitreten? Für Damen oder für Herren? Welcher Mannschaft? Aber jeder einzelne Trieb ist selbst  herrschsüchtig und als solcher versucht er als erstes, kaum daß er sich geordnet bewegen kann, zu denken, in welchen Fitneßclub er eintreten soll, damit er sich überhaupt bewegen darf. Damit nicht allgemeiner Stillstand einkehrt ins Gasthaus, bis sich keiner mehr regt. Soviele Prozente auch hier! Nichts nachlassen! Ein Glück, daß ich nicht denke, Herr Professor, ein Glück, daß ich weiß, was ich will; einer muß schließlich einen klaren Kopf behalten. Ich bin ein Kind der Tat, allerdings gleichzeitig auch eins der schnellen Autos. Das Auto und der junge Mann im allgemeinen treten immer gemeinsam auf und oft auch wieder ab. Ich bin nicht das Kind von der Frau Traurigkeit. Meine Mama kenne ich, auch die Mama, die wollte, daß ich Mama zu ihr sage. Alles Jammerlappen, die Frauen, zum Ausweinen, zum Auswinden.  Nein. Die Autos sind meine bevorzugten Erfahrnisse. Kein Führerschein. Das ist schon mal blöd. Kann ihn aber später sicher noch nachmachen, egal wem, macht nichts, Hauptsache Auto. Man braucht es einfach, oder man hat es schon. Ein Kind wie ich hat viele Väter. Ein Kind wie ich hat viele Formel 1-Rennen als Väter. Auch die Musik dürfen wir nicht vergessen, die uns wie ein Bauklotz um den Hals hängt, der über sich selbst staunt, die können wir immer bei uns behalten, ja, die Musik, die ist uns wahnsinnig wichtig, ich kann es nicht besser sagen und auch nicht anders.  Mehr kann ich zu desem Thema nicht angeben. Mein Erkenntnistrieb ist gegen meine Musikmaschine doch nur ein schwaches kleines Uhrwerk, das fast abgestorben ist, bevor es mir aufgehen konnte, was da passiert war. Etwa wie der Stengel einer vom Floristen wegen ihrer zu großen Kleinheit verworfenen Schnittblume (es ist immer dasselbe: zuerst Leben, dann Tod und so weiter, und meine Rose, meine Rosette blühte ins Nirgendwo, wo leider nur ich war, allein, um mit größter Penetranz mindestens dreimal jede Woche penetriert zu werden), so wurde meine Erkenntnisfähigkeit gesteuert, bloß um dann ja doch weggeschmissen zu werden. Allerdings kann ich die Automarken auseinanderhalten. Diese Erkenntnis kann mir keiner nehmen. Schwärmerische Bewunderung kann natürlich unnatürlich werden, das ist klar, ob zu einem Wagen oder zu einem Menschen, das ist egal. Tapfer arbeitet mein Besitztrieb die ganze Zeit drauflos, die Kolben reiben grade im letzten Moment immer nicht, sie verfehlen einander knapp, es ist ja genug Schmiermittel da, und der Besitztrieb führt jetzt bereits mit einer Runde Vorsprung und überrundet immer weitere Triebe, das Rennen ist in dieser Runde noch nicht sehr spannend, in der nächsten auch nicht, wieso machen wir überhaupt diese Übertragung?, der Besitztrieb gewinnt ja bekanntlich immer, das ist ja schon ein ganzer Straßenauftrieb, dieser Wunsch nach Besitz! Leider gibt es Leitlinien, an denen wir scheitern, oder die wir eben  überfahren, die können sich ja nicht wehren; er wird, ja, auch von Ihnen, die Sie hier sitzen oder was sie halt machen,  immer wieder aufgezogen, der Trieb, und will genährt werden, ohne daß die andren Triebe daran beteiligt werden können. Sie haben leicht verachten, Sie haben ja ein selbst erzogenes, von Ihnen selbst eingefahrenes Fahrzeug draußen angebunden, das allein Ihnen und Ihrer selbstbezogenen Familie gehört, Sie können ja gar nicht wissen, wie ich mich fühle. Es hängt mit den Fäden der Liebe an Ihnen und wird nicht verachtet, nein, das Auto wird nicht verachtet, es sei denn, es wäre Ihnen zu klein geworden, vielleicht sogar zu langsam. Wer sagt das? Wer sagt was? Also was ich über mein Schamgefühl gesagt habe, stimmt ganz bestimmt, ehrlich. Wenn nichts stimmt, das stimmt. Das übrige aber wahrscheinlich auch, Moment, ich überprüfe es nochmal im Standgas, mein Schamgefühl. So, fertig. Es heult sinnlos auf, wie das meiste Lebendige, natürlich auch das Standgas, wenn man sinnlos drauftritt, das heißt, es stimmt einfach alles, was ich sage, auch wenn es nicht immer einfach ist, es zu sagen. Grade dann muß es nicht gesagt sein, wenn es einfach wäre.

Ich tränke also mein Tuch mit der genannten ätzend riechenden Flüssigkeit. Es stinkt so entsetzlich, daß ich das Tuch weit von mir abhalten muß.  Während der Herr Professor eher die Nähe gesucht hat, und nicht nur um Blicke zu werfen. Die Blicke waren schon auch wichtig, aber diese Blicke waren kein Geltenlassen meiner Person. Das, in dem ich mir selbst am meisten geglichen zu haben scheine, war mein damals noch kleines Geschlecht, und über das hat er sich aber endlos auslassen können. Jetzt ist es ihm über den Kopf gewachsen. Seit er es im Kopf hat, ist es ihm zu groß. Früher hat es gepaßt. Naja, grade so eben. Als er es einmal aus einer besonders seltsamen Perspektive betrachtete, war es das erste Mal vielleicht etwas zu groß. Recht geschieht ihm, egal wem. Jetzt muß er vor dieser großen Kraft anhalten und stehenbleiben, es bleibt ihm nur vorzugeben, es geschehe freiwillig. Mein Geschlechtsteil ist im Lauf der Zeit riesig geworden, zumindest für ihn, er hatte ja schon lange nichts andres mehr im Kopf, und sogar ich unterschätze es noch machmal, es kitzelt den Professor wie mit dem Unendlichen, dem er schon manchmal direkt ins Gesicht schauen muß, wenn er schläft oder so tut, als schliefe er; er kitzelt ihn jeden Tag als erstes und jeden Abend als letztes, mein Geschlechtsbalg, der kein Wechselbalg ist. Es darf nur einen geben. Es bin immer ich. Nur ich bin es immer. Die Frau Professor ist einfach nur im Weg, mehr nicht. Weniger geht nicht. Von mir aus dürfte sie bleiben. Nein, doch nicht. Sie darf nicht bleiben. Sie muß weg. Die wird nicht einmal verachtet so wie ich früher. Die ist im Weg. Stellt sich den mächtig fließenden Geldströmen in den Weg. Das verdient kein großes Zugrundegehen, aber es verdient auf jeden Fall mindestens eins. Wir halbgaren, haltbaren modernen jungen Menschen haben vieles, was uns im Weg ist. Müssen die Versteinerungen der Alten doch irgendwie bändigen, am besten wir schicken sie weg von dort, wo immer wir uns aufhalten. Aber wir halten uns nie mit irgendwas auf. Aber plötzlich sind sie mitten in uns, die alten Trottel, und sie nerven gewaltig, ich meine, dies fürs Protokoll des Jüngsten Gerichts: Sie sind mitunter etwas anstrengend. Sie können die Zeit nicht mehr  zurückdrehen, wie ich es jetzt tue: Anstatt mich zu sehen und wie arterhaltend ich noch sein könnte, hat der Professor damals nur mein Geschlecht, das dafür vorgesehen war, ich meine für die Arterhaltung, denn ich wollte doch sicher einmal heiraten, doch das wußte ich damals noch nicht (er natürlich schon!), wer mich einmal erhalten sollte, ich wußte nur, wer sich mich genommen hatte, also er hat es also sorgfältig abgesessen und abgemessen, mein Geschlecht, in Zentimetern, in Minuten, die für mich Sekunden waren, die mir das neue Auto schneller wieder einbringen sollte als gedacht, und damit hat er den Wert dieses Dinges, meines Dings, für sich bemessen, und er hat es sich zugemessen. Das andre an mir hat ihn nicht interessiert. Nur das hat ihn interessiert. Ich war ihm für sein eigenes Geschlechtsteil unentbehrlich, wie soll ich sagen, mit dem hat er die Wirklichkeit gemessen an einem Erfundenen, der ich für ihn gewesen bin. Für mich hat er bestimmt, daß ich leiden muß und leiden soll, damit er Mitleid mit mir haben muß und mir endlich das Auto kauft, leiht, least oder sonstwo herholt und sonstwie hinstellt. Ein Anhängsel, damit man seinen Besitz immer gleich findet, das Geschlecht ein Anhängsel, an dem ein komplettes Auto (also wirklich! Eins, das nicht komplett gewesen wäre, hätte ich doch nie angenommen! Ich lasse mir doch nichts schenken, was hin ist! Wie sollte ich es außerdem kaputtfahren, wenn es schon vorher nicht mehr ganz war?) dranhängt, nicht weniger, niemals weniger. Ein Verzicht auf sich, denn er konnte ja nicht auf mich verzichten. Er konnte nicht gut auf mich verzichten, das ist wahr. Jede Lebensbedingung ist unwahr, das weiß ich jetzt, aber es ist mühsam, sie zu entfernen. Mit Aceton geht es nicht. Außer es ist Nagellack. Keiner will doch gern freiwillig gehen.

Willst du mich wirklich umbringen, hat die Frau Professor mich im letzten Moment in ihrer unguten Art noch gefragt. Mach dich nicht unglücklich, hat sie dann noch zu mir gesagt. Wie eine verzweifelte Furie werde ich dich verfolgen. Ein weiblicher Komtur werde ich sein. Werde auftauchen, wenn du es am wenigsten erwartest. Jenseits von Gut, schon mitten im Bösen eines Zwischenreichs in Reichweite Jesu, nehme ich mal an, was ihr sicher wichtig ist. Ich derweil: mitten im Börsel vom Professor sitze ich eh schon drinnen. Tiefer komm ich nicht rein. Er mußte mir alles ausfolgen, ob ich folgen wollte oder nicht. Und jetzt die Frau Professor, der Ausschnitt ist live: Willst du mich etwa töten und ich soll auch noch dabei zusehen, hat sie mich noch fast als letztes gefragt. Nicht lange, hab ich geantwortet. Dann hat sie noch Jesus irgendwas gefragt, Jesus, dir leb ich, Jesus, dir sterb ich, Jesus dein bin ich, na, das ist doch keine Frage!, offenbar hat sie ihn schon sehen können: Aber wir haben doch sogar, obwohl wir vielbeschäftigt waren, noch das Abendmahl mit dir eingenommen. Vielmehr, ich habe dich selbst als Abendmahl eingenommen, Jesus! Und jetzt tust du uns das an, Jesus, wo wir dich doch vorhin noch an dir, wenn schon nicht satt-, so doch immerhin vollgefressen haben, wo ich doch pfeilgrad mit dem Auto aus der Abendmesse komme, auf schnellstem Weg! Das hält aber nicht lang vor, so ein letztes Abendmahl! Danach geht man erst richtig abendmahlen nach Hause. Mit echtem Fleisch und urechten Kartoffeln und naturechtem Salat und naturtrübseligem Apfelsaft. Und du! Jetzt zu dir, Bub! Dafür und wofür hast du schon wieder das Auto genommen, beschuldigte mich die Frau Professor in ihrer unglaublichen Art, die keine Frage ist, während sie fragt, zerfällt ihr schon die Frage im Mund, sie kann nie fragen ohne zu beschuldigen, so fragt sie, warum hast du schon wieder das Auto genommen, obwohl wir es dir verboten hatten, bekräftigte sie ersterbend. Blöde Frage. Sogar als letztes noch eine blöde Frage. Ihre letzten Worte Anschuldigung, Beschuldigung und Zerschuldigung. Da wäre ja sogar mir eine gescheitere Frage eingefallen: was siehst du jetzt? Nichts? Das Nichts persönlich? Siehst du! Und darauf hast du dich die ganze Zeit so gefreut! Dann verließ sie sich aufs nichtausdrückliche Flehen, vielleicht um eine nachträgliche Fälschung der Welt zu erreichen, hatte ich ihr doch schon das Tuch mit dem Aceton halb aufs Gesicht gedrückt. Aber gefälscht kann nur werden, was ist. Laß mich gehen, geh, bitte laß mich gehen!, sagte sie, nichtsahnend, daß das nicht mehr rückgängig zu machen war, und, da war doch noch was, was kam danach?: Warte noch! Wir haben doch miteinander die Christbaumkerzen angezündet, das ist noch gar nicht so lange her. Und deswegen sollte ich sie verschonen? Wenn es irgendwann Anlaß gegeben hätte, in Gelächter auszubrechen, dann in diesem Augenblick. Wie konnte ich denn so etwas machen, ihr nach der Acetonbetäubung den Hals zudrücken, voller Selbstüberwindung, aber immerhin? Warte wenigstens noch, sagte sie, die sich gar nicht mehr überwinden mußte, das hatte ich ihr ja alles brav abgenommen. Stellen Sie sich vor, die Frau hat ein Glück, es wird ihr alles abgenommen! Nur sterben muß sie noch selber. Also ich darauf: Wenn du unbedingt sterben willst, dann bitte, dort ist die Tür. Das war doch irgendwie höflich, oder? Ich hab ihr mit einer Verbeugung diese Tür auch noch geöffnet, sie brauchte nur, emsig um sich schauend, wie sie es immer tat, hindurchzutreten. Öfter mal was Neues. Da konnte sie es sich jetzt in Ruhe anschauen. So, liebe Frau Professor, Mutter und Lehrerin und Tante, daß das zuviel ist, wirst du wohl selber zugeben: Du bist jetzt geknebelt und gerätst in einen Strudel direkt über dem Abfluß deiner Lebenswanne, aus der dein Dasein abrinnt. Nicht dahinfließt, sondern abrinnt, denn es gibt keine bestimmte Art von Leben, die erhalten werden soll und eine andre, die aussterben darf. Wer sagt, daß das Bestimmte mehr wert ist als das Unbestimmte? Wer sagt, daß künstliche Ernährung ein Menschenrecht ist, wenn man sonst aber wirklich schon überhaupt nichts mehr kann? Wir dachten, so nähme die Menschenpyramide auf dem Gang weniger Platz ein, darum hatte man sie ja so aufgestapelt. Das wird hier aufgeschichtelt, diese Wichtel, diese Herrn Wichtigs werden geschichtelt, aber sie werden nicht Geschichte, sie sind halt nur einfach da, zur falschen Zeit am falschen Ort, aber immerhin da, da sind sie ja, im Fernsehn, im Internet, überall können Sie sie sehen. Die werden trotzdem nicht in die Geschichte eingehn, die werden nur eingehn. Ist doch logisch, oder? Und was werde ich? Was schätzen Sie? Ich sehe schon, Sie schätzen mich nicht.  Wenn die Menschen in die Höhe wachsen, ist in der Breite Platz, und es gehen noch mehr hinein in den beschränkten Raum in ihren eigenen Köpfen. Und auch Sie, wie Sie da sind, wollen doch gewiß das Wesen erhalten, das Sie sind, und zwar, wie ich Sie kenne, am liebsten dort, wo Sie gerade sind, in diesem Porsche-Geländewagen, der ganze dicke Bäume ummähen kann, wenn man ihm ein paar Befehle gibt, den Baum holen geht, hinstellt und den Wagen dann schon machen läßt, ach, was für ein toller Wagen, der macht das schon, ich will bitte genau dieses Auto, schauen Sie, das hier, auf dem Foto, aber es will mich nicht, es gehört schon einem, alles, was man möchte, gehört schon einem, ich meine jemandem, ich meine ausdrücklich nicht, daß es einem gehört, bloß weil man es möchte, na, egal, ich nehme es mir, sehen Sie, und genau so stark will ich halt nicht, daß die Frau Professor am Leben bleibt. Wir beide wollen es nicht, gelt, Herr Professor. Wir beide wollen nicht, daß sie lebt, wo wir es doch schon so weit geschafft haben. Da werden wir sie doch im letzten Augenblick nicht leben lassen! Wofür sonst die ganze Mühe? Und dann zeigt sie uns an. Also mich bestimmt. Bei Ihnen weiß ich nicht. Ein Professor, das ist wie eine weite blaue Ferne, in die man nie kommt, zumindest nicht, wenn man sich nicht sehr anstrengt. Und jetzt dieses unerwartete Hindernis! Diese Frau will leben! So laßt sie doch! Laßt mich leben! Laßt auch mich leben! Bitte, liebe Tante, Mutter, Lehrerin. Wenn du unbedingt sterben willst, dann bitte, stirb halt, in Gottes Namen, nein, nicht in Gottes Namen, nein, doch, hast doch vorhin eh kommuniziert, na also, jetzt bist wieder unschuldig wie vor der Geburt, ist doch super, was. So. Leben, das geht nicht, das werde ich mit allen Mitteln zu verhindern wissen. Leben! Was dir so einfällt! Leben, also wirklich! Sonst nochwas? O, sei mir gnädig, sei mir barmherzig, führ mich, o Jesus! Also einen Führer werden wir nicht benötigen. Das Leben verläuft sich vielleicht, und es verläuft von allein, aber gehen kann es nicht. Ich halte dir jetzt von hinten das frisch getränkte Tuch über Mund und Nase. Du wehrst dich heftig. Ich drücke dich mit Gewalt auf den Boden, Mutter, aber sterben wirst du daran noch nicht. Noch kannst du es dir überlegen. Nein, wenn ich recht überlege, kannst du es dir jetzt doch nicht mehr überlegen. Du schlägst mit dem Hinterkopf auf. Viel Blut. Ich presse dir das Tuch aufs Gesicht, denn du versuchst dich noch durch Schreien in Szene zu setzen, wie immer, wie üblich, warte nur, darauf hast du dich schon immer verstanden, so, ich versetze dir noch einen Faustschlag, bis daß du dich gar nicht mehr rührst. Dann drücke ich dir den Hals zu. Aber schon bei dieser Beobachtung gehen die Meinungen auseinander, obwohl niemand dabei ist, typisch: die Leute haben Meinungen, obwohl sie so gut wie nie dabei sind und schon gar nicht dabei bleiben können, es könnte ja was Besseres auf sie warten. Und du - obwohl du regungslos liegen bleibst, hast du noch eine Meinung, die sich beeilt, von dir fortzukommen und in die Zeitung hinein, ins Fernsehn hinein, ins Radio, ja, das auch, bis in die Illustrierten hinein schaffst dus, du schaffst es, ein paar Minuten noch, ein paar Zentimeter mehr, ein ohne sich zu zieren umrahmter Kasten, ein den Berühmten vorbehaltenes Kastl, und dann hast du es geschafft! Anders hast dus nicht gelernt. An die Öffentlichkeit gehen und dich beschweren, wie beschwert andre sind durch ihr schlimmes Los. Nun hat das Los dich getroffen, aber du warst nicht zu Hause. Nur die Öffentlichkeit interessiert sich für deine Meinung, sonst wirklich niemand mehr. Wollen sie ja alle: die Öffentlichkeit. Da sind schon wieder ein paar Flüchtige, ich meine Flüchtlinge, kaum sind sie da, wollen sie auch schon ins Offene, die Sportsfreunde, dabei ist die Öffentlichkeit ja das Verschlossenste, was es gibt. Die Öffentlichkeit bleibt der Allgemeinheit leider verschlossen. Dies und das ist geöffnet, aber nicht für jemand wie dich oder mich. Die Öffentlichkeit ist hier zuhause, aber sie läßt einen nicht rein. Man darf nur hineinschauen. Mit mir nicht, liebe Tante! Und mit dir auch nicht, liebe Mutti! So sind die Menschen im allgemeinen und im besonderen. Weil sich sonst keiner für sie interessiert, nur die Öffentlichkeit in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die vor allem, sie sind leider manchmal überfüllt, zur Stoßzeit, ja, die stoßen die Leute einander ins Kreuz, da kommt auch keiner mehr rein, obwohl jeder hineindürfte. Ans Kreuz kommt ja auch keiner mehr, nicht mal mehr ran kommt er, nicht mal in die Nähe. So. Jetzt geht es. Ich war schließlich dabei! Ich muß es wissen! Ich wollte es wissen. Jetzt wissen es alle andren auch. Die ganze Öffentlichkeit weiß ja bereits Bescheid. Aber da war nichts zu erfahren, nur meine Begehrlichkeit, die Unbefriedigtheit am Eigenen, das mehr werden soll, ein freigebiger Spender, der hinter der Schranke schon wartet, eine selbstgenügsame Kultur, die sich mit allem begnügt, nur nicht mit sich selbst. Sie will zumindest eine Seerosenbühne um sich herum auszubreiten wie ein Tischtuch, um sich verbreitern zu können, womöglich bis ins Wasser, das uns jetzt auch noch drohen will, im Ernst, mit Zunahme drohen, mit Tsunamis als special effect, als event, speziell für diese Seebühne, wir müssen nur noch einen sehr starken Motor am Boden des Sees anbringen oder den Boden gleich ganz raussprengen, damit das Wasser erst fällt, dann aufspringt und losrennt, aber doch nicht hier, im schönen Wörtersee! Doch nicht hier! Und wenn, dann nicht für lange! Aber dafür hier: Nur der Gestank vom Aceton, dieses Quartier in den Lüften. Gestank. Plenty Gestanko. Mir ist selber schon ganz schlecht. Du hast mich aufgezogen, Frau Professor, dein Mann hat auch tapfer an mir gearbeitet, ich habe ebenfalls recht tapfer drauflos gearbeitet, so gut es ein eher unsportliches Kind eben kann, aber du hast das alles wieder zunichte gemacht. Ich war schließlich dabei! Du hast mich geschaffen und dann abgeschaffen. Ich war schließlich beim fleißigen Schaffen immer neugierig und fest dabei! Und so bleibe ich auch.

(wird fortgesetzt, aber anders. Neu! Naja, vielleicht aber auch nicht.)


Stützen der Gesellschaft, George Grosz, 1926

26.9.2006


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