Kein Licht: Prolog?

Da kann man ja jede Menge anbauen! Also ich meine nicht: in der Erde.

 

Die Rohstoffe erholen sich bereits wieder, weil sie wissen, daß sie durch Künstliches ersetzt werden können. Die Menschen, aber nicht die, die Sie hier zeigen, zeigen sich selber aufnahmebereit: Schüsseln, in denen Fleisch ausgeschenkt wird, doch ihnen schenkt keiner was, und nichts bleibt ihnen erspart, von Ihnen schon gar nicht. Sie versuchen, sich zusammenzunehmen, dann werden sie, vielleicht sogar alle zusammen?, genommen werden. Wenn sie sich nur recht einnehmend zeigen. Als Hersteller hätten Sie schon eine gewisse Verantwortung gehabt, doch Sie haben gegen eine Bestimmung verstoßen, ich weiß nicht, welche, aber bestimmt weiß es einer. Die Menschen wachsen ja nicht wie die Frucht auf dem Feld. Man muß vorsichtig umgehen mit ihnen, denn ganz umgehen lassen sie sich nicht. Auch die Sonne, hören Sie, nein, sehen Sie: sie wird im eigenen Widerschein gefangen und muß neidisch mitansehen, wie etwas Helleres von den Menschen Besitz ergreift, doch helle werden sie dadurch nicht. Dafür sehen die Schmetterlinge neuerdings so blaß aus, wie ausgebleicht. Den Fischen sieht man es nicht an, aber nichts ist, wie die Natur es sich gewünscht hat. Jeder Sack Reis soll kontrolliert werden, bevor er in China umfällt, jedes Tier, jeder Pilz, hat denn die Natur es nötig, dermaßen überwacht zu werden? Was wird das Neues bringen, was wir nicht schon vorher gewußt haben werden? Die Menschen sind ausgezogen, denn wo Tiere unerhörte Auswüchse haben, wollen sie nicht länger bleiben, die Gesunden. Der Lärm ist vorbei, hören Sie, wenn Sie dies hören, ist der Lärm ja schon längst gewesen, Sie haben ihn versäumt, jetzt lärmt niemand mehr für Sie, außer direkt in Ihren Ohren, wenn Sie ihn so weit hineinlassen. Es ist alles vorbei. Dafür wollen Sie jetzt unbedingt Krach schlagen, aber nicht einmal der läßt sich schlagen, ohne sich zu wehren. Das, was einmal Tanzplatz in der Mitte war, ist jetzt in einer andren Mitte, leer. Sie erwarten von mir Lärm, Musik, Beton, Gebote, Getobe?, daß ich irgendwelche Wälder durchstreife und etwas Neues mitbringe, Unterhaltung? Wo denn? Woher denn? Gern auch mit Tieren? Die beklagen sich schon längere Zeit über ihr Aussehen, sie streifen umher und feiern, ohne dabei ungebührlich Lärm zu machen, daß die Menschen jetzt weg sind. Endlich! Ich höre nichts von ihnen. Sie posten nicht einmal mehr. Wieso beklagen Sie sich denn, daß Sie nichts hören? Ich höre ja auch nichts, und ich habe zuerst nichts gehört. Zuerst ich, dann erst Sie! Was wollen Sie? Eine Leerstelle, damit Sie sie besetzen können? Ich denke, Sie haben Ihre Besetzung bereits in trockenen Tüchern? Diejenigen, mit denen Sie das Meer getrocknet haben, haben Sie weggeschmissen, die waren ja naß! Sie haben das jetzt besetzt, Sie haben Menschen besetzt, die hier sprechen sollen, aber Sie wünschen das nicht, was die Besetzung sagen soll. Und wo gibts denn sowas, daß das, was gesagt, wird, sich nach der Besetzung richtet? Es müßte doch umgekehrt sein, oder? Sie meinen, dort, wo Stille ist, die bei mir ja immer unaufhörliches Reden bedeutet, dort müßte vorher, damit man die Stille auch hören kann, noch viel mehr geredet werden, damit man dann die Stille, die aus Reden besteht, so richtig genießen kann? Damit sich das Reden vom Reden abhebt? Sie wollen einen neuen Gott feiern, weil Sie ja überhaupt so gern feiern, einen Gott der Stille und des Redens zugleich, das geht nicht, es ist immer nur einer für eine Sache zuständig, nein, stimmt nicht, die Götter sind immer für mehrere Sachen zuständig, aber die sollten sich wenigstens nicht gegenseitig aufheben. Sie wollen mein Sprechen aufheben, weil Ihnen mein Schweigen, das ja auch Sprechen ist, nicht gefällt? Sprechen ist nicht gleichzeitig Hören! Es kann auch ganz unabhängig voneinander ablaufen. Sie würden, um nichts zu hören, wobei aber unaufhörlich geredet wird, nicht Ihre schöne Wohnung verlassen, denn zu Hause können Sie auch in Ruhe hören, sogar besser? Hören können Sie überall, wenn Sie sich das Subjekt, das immer Vorrang hat, eigentlich ein Objekt, wie wir alle, in die Ohren stöpseln und dann selber still sind! Fragen über Fragen, das heißt aber nicht, daß die eine Frage über der andren liegt, höchstens, daß eine Frage über die andre kommt und ihr an die Kehle geht, weil diese Frage eine überkommene ist, die gerade aus ihrem Klo heraus schreit: besetzt! Warten Sie gefälligst! Jetzt rede ich und rede und rede, und das ist Ihnen auch nicht recht? Sie wollten doch dem Schweigen die Rede vorausschicken, aber die ist so froh, endlich von Ihnen wegzukommen, daß sie blindlings davonrast und nie mehr zu Ihnen zurückkommen will. Das tut Ihnen jetzt auch wieder leid? So haben Sie es nicht gemeint? Daß das alles plötzlich weg ist? Was man glaubt, vorausschicken zu können, entpuppt sich leicht als etwas, das nicht wieder eingefangen werden kann. Na schön, gehe ich mir halt selbst voraus, aber Sie werden nichts davon haben. Sie wollen meine Rede nicht? Sie wollen ein anderes Reden, das nicht vom Schweigen handelt, von einem blinden Fleck, den man immer öfter auf toten Fischen oder Insekten finden kann; der arme Schmetterling, der redet überhaupt nicht, der fliegt ja nicht einmal mehr!, und schauen Sie ihn an! So traut der sich an die Erdoberfläche! Sie würden sich das nicht trauen, müssen Sie auch nicht, denn Sie haben die Wahl, welche Menschen Sie nehmen und welche nicht und welche Form die haben sollen. Darüber sollten wir auch nicht sprechen? Oder meinen Sie, man sollte sprechen und das auch so nennen? Nachdem ich mein Schweigen auch Sprechen genannt habe? Aber die reden ja! Von mir aus: Alle sollen ja reden, das ist ihr Mietzins für sich selber! Die reden sowieso die ganze Zeit! Nur hören können sie sich nicht! Um den blinden Fleck herum reden sie doch ununterbrochen, ich weiß schon, mein alter Fehler, aber was soll man sonst tun an den einsamen Plätzen, wo ich mich ständig aufhalte, und ganz sicher nicht als Mänade, eher als Monade, Moment, das habe ich doch schon irgendwo einmal gesagt, Entschuldigung, hier geht es eh sehr schnell vorbei, schon ist es weggeflügelt auf seinen verkrüppelten Schwingen! Wie soll ich wissen, wie man spricht, wenn man nicht spricht? Ich meine, wie man spricht, wenn man nichts hört: Das ist schon etwas anderes! Sie müßten das eigentlich kennen, zu sprechen, und keiner hört einem zu! Aber das ist eben was anderes. Bei mir wird gesprochen, aber man kann gar nichts hören, obwohl man es doch will. Blödsinn. Alle hören es, nur diejenigen, für die ich es nicht vorgesehen habe, hören es nicht. Etwas zahlt sich auf alle Fälle aus: Daß man die Kamera mitgenommen hat, aber die ist ja immer dabei, seit man dauernd in Geräte spricht, die auch sehen und das Gesehene festhalten können, als wäre es was wert. Die können überhaupt alles, diese Apparatschikos, die lieben, kleinen. Nur ich staune noch darüber, sonst niemand. Überall das Auge, das in den Sucher schaut und immer was findet und es festhält, man hat alles immer bei sich, Augen, Ohren, immer alles da, immer vorhanden. Das Hören, das Sehen, das Sprechen, alles vergegenständlicht, was sich uns zur Erinnerung als Bild einbildet, ich meine: einblendet. Blendend das Licht, schaut heute wieder blendend aus, die Sonne, da kann man nicht meckern, wie frisch vom Friseur. Also ich sage Ihnen, die Unvernommenheit, von der ich nicht genau weiß, was ich damit meine, das Nichthören?, das Nichtsprechen sicher nicht, weil alle immer sprechen, aber ohne jedes Einvernehmen untereinander, vor allem bei mir, der Uneinvernehmlichkeit in Person? Das Uneinvernehmen, die Unvernehmbarkeit?, also was ist mit der, wie immer man sie nennt? Ich kann nicht sagen, was ist, aber ich sage, daß etwas ist, ich sage nicht, was Sache ist, ich sage, was ist, und wie soll ich etwas über etwas anderes sagen, von dem ich gar nicht weiß, was das ist, noch nicht einmal weiß, was ich damit meine? Wenn sich Unverborgenheit ereignen kann, kann sich auch Unhörbarkeit ereignen, obwohl man was hört, kapiert? Sie! Die Anwesenden erscheinen, was wir, mein Vordenker und ich, das Erscheinen-Kommen nennen, das Erscheinen-Kommen der Anwesenden, na, wo sind die? Wo haben Sie sie hingetan? Sie sind alle da, hab ich zumindest geglaubt, das wäre nämlich Ihre Aufgabe gewesen, daß die Anwesenden erscheinen-kommen, nicht daß die Ökonomen kommen, sondern daß alle andren Anwesenden auch kommen sollen, und zwar für jeden hier sollen die anwesenden Menschen, die Sie ausgesucht haben, zum Erscheinen hin gebracht werden, notfalls mit Gewalt, denn die ist eh überall. Davon können Sie sich auch eine Scheibe abschneiden, von mir aus. Holen Sie sie ruhig her, die Menschen, die das alles eingeübt haben, zu sprechen, aber nicht zu hören, ja, Sie gehören auch zu denen: sprechen, aber nicht hören, nie hören, Sie Mensch, Sie vorstellendes Subjekt, stellen Sie uns jetzt einmal Ihre Mitseienden, Ihr eigentlich Seiendes vor, das ich Ihnen eh schon da vorgeschrieben habe. Die müssen das nur noch sagen, ich meine: von sich hören lassen, was ich hingestellt habe, ich habe sie mir und Ihnen vorgestellt, obwohl ich sie gar nicht kenne; dieses Sein vorgestellt habe ich Ihnen, aber das Subjekt, das Sie da vor mich hinstellen, vor uns alle hingestellen, das hat sich viel vorgenommen, das hat sich offenbar vorgenommen, sich zu offenbaren, und zwar in dem, was ich vorgeschrieben habe, nein, das hat es sich nicht vorgenommen, es hat sich vorgenommen, etwas vorzustellen, man nennt das eine Vorstellung, und das gibts hier auch, die sehen Sie hier, die Vorstellung! Das alles wird aus der leeren Schädelhülle der hirnlosen Sonne, die duldet, daß etwas heller ist als sie, an die Leute ausgeschenkt, wenn auch nicht geschenkt, die wollen es ja nicht einmal geschenkt haben, geschenkt!, was wollte ich sagen, ach ja, nachdem die Sonne also ausgeronnen ist, das Meer auch, es hat übrigens kranke Fische anstelle der gesunden dafür zurückbekommen, obwohl uns die Natur das alles nur geliehen hatte (ich glaube, sie hat es sich selber schon vorher ausgeborgt), und wie kriegt sie es zurück? Versehrt kriegt sie es zurück, Fische, die sprechen können, aber nicht hören, Schmetterlinge, die hören können, aber nicht sprechen, außerdem sind ihre Flügel total kaputt, wie schaut denn das aus!, was wollte ich sagen, wo waren wir, dort oben waren wir, sprechen können wir, hören nicht, lesen aber schon noch, also, wo waren wir denn wirklich, nachdem die Sonne ausgeronnen war und das Meer dorthin zurückgeflossen ist, wohin es gehört und wo es immer war, wie es sich gehört, ja, da habe ich es übernommen, das Seiende Ihnen vorzustellen als das Gegenständliche in die Welt als Bild eingebildet, als eingebildetes Bild, Sie eingebildeter Hinsteller, der sich in der Einbildung bewegt, als wäre die auch noch er selber, die Einbildung, als wäre er nicht schon eingebildet genug, weil er da irgendwelche Leute hinstellen kann, nein, es geht anders, das vorstellende Subjekt phantasiert irgendeinen Schwachsinn, den man nicht hören, aber sehen kann, doch, doch, sehen kann man ihn, schauen Sie halt hin, bevor Sie die Leute da zusammenrufen und dann dahingestellt lassen, was sie sagen sollen, ist ja egal, hören können sie es ja nicht, ich beginne ein letztes Mal und schreibe ab, weil es mir selbst leider nicht eingefallen ist und in hundert Jahren, die ich gewiß nicht mehr habe, einfallen würde, Sie Hersteller, Sie Menschen-Hersteller, was nicht heißt, daß Sie Menschen herstellen können, also anders als auf die übliche Weise, gut, also der Mensch als das Subjekt, das Sie hier vorstellen, nein, nicht Sie selber, andre müssen es natürlich wieder ausbaden, also als das Subjekt, das Sie hier herstellen, nein, auch das nicht, Sie haben sie ja nicht hergestellt, ich sagte es schon, der Mensch also, der hier steht, egal, wer, Sie werden es wissen, Sie haben ihn ja gezwungen, hier zu stehen und sich zur Schau zu stellen und mir die Schau zu stehlen, der bewegt sich in der Einbildung, und zwar in meiner, jawohl, um meine gehts, nicht um Ihre!, sofern sein Vorstellen (und auch das bestimme ich!) das Seiende als das Gegenständliche in die Welt als Bild einbildet, Sie eingebildeter Menschen-Dahersteller Sie! Wie können Sie sich ein Bild einbilden? Das Bild ist schon da, sonst könnten Sie das eben nicht! Es ist mein Bild! Ich habe es gemacht. Ich habe bestimmt, daß man sprechen, aber nicht hören soll. Ich will es. Diese Freiheit, eine sehr kleine, beanspruche ich für mich und aus. Sie Selbstgewisser! Dadurch, daß Sie Freiheit beanspruchen und Freiheit gegen mich behaupten wollen, haben Sie das Wesen der von Ihnen beanspruchten Freiheit vergessen, weil sie ja doch nur eine bloße behauptete ist, denn ich erlaube Ihnen ja nicht mehr Freiheit als dem armen Tiger neulich, und Sie wissen, was der gemacht hat, seine Wärterin hat er umgebracht, und dafür wurde dann er umgebracht, was nicht heißt, daß man, wenn man spricht, auch hören müßte, das ist nun wirklich und hoffentlich klar. Soviel zur Freiheit, die Sie haben: keine! Überhaupt keine! Setzen Sie sich da hin und hören Sie zu, sonst lasse ich Sie endgültig dahingestellt sein, Sie haben die Ihnen von mir anvertraute kostbare Freiheit, die Sie ja beansprucht und bestellt haben, wenn auch nicht von mir, die haben Sie als Selbstgewißheit gesetzt. Indem Sie aber Ihre Freiheit zur Selbstgewißheit mißbraucht haben, müssen Sie alles andre als ungewiß sichern, Sie müssen das Gewisse und das Ungewisse sichern, speichern, also, Sie drücken auf dieses uralte Disketten-Symbol in der oberen Programmleiste und speichern, Sie sichern also das Ungewisse, Sie sichern es mit allem anderen mit, das ich Ihnen als Sicherheit mitgegeben habe, und dadurch wollte ich, nicht Sie!, Sie wollten das ja nicht, aber ich, aber ich, aber ich wollte, daß das, was ich geschrieben habe, was ich weiß; was weiß ich, was mein Wissen ist, was mein Gewissen ist, was mein Ungewisses ist, das wollte ich da hinstellen, während Sie immer nur Menschen da hinstellen wollen, ich will mehr, denn ich will, daß durch dieses Sichern alles, wirklich alles, was es gibt, alles, was man wissen kann, ich will immer alles, entschuldigen Sie bitte, Sie können das gar nicht wollen, ich aber will es, ich will, daß damit alles Wißbare und alles Wissen und alles Gewese, das diese Leute hier machen, weil Sie es ihnen vorgeschrieben haben, während eigentlich ich es geschrieben habe, ich also, ich aber, ich also, aber ich will, daß damit alles, was man wissen kann, durch den Druck meiner Hand auf dieses bewegliche Objekt, das mir immer davonzurennen versucht, aber es gelingt ihm nie, jedenfalls ist es nicht mißgestaltet wie dieser Fisch oder dieser Schmetterling oder wer auch immer, der mißgestaltet und verkrüppelt ist durch das Unsichtbare, von dem hier die ganze Zeit die Rede ist, ich also will, daß alles Wißbare, wenn auch nicht das Sichtbare, denn das verändert sich ja ständig, daß das alles gesichert wird. Und zack, schon ist es das! Es fängt Lärm an. Aber das muß Sie nicht kümmern, es hängt nicht ursächlich mit meiner Hand und der Taste, auf die ich gedrückt habe, zusammen. Machen können Sie die Menschen nicht, oder nur nachmachen, wie die sich ohnedies selbst, aber im Sinne von: Herstellen können Sie sie nicht, aber Sie wissen schon, daß sie etwas anderes sagen sollen als ich ihnen vorgesagt habe, da sind Sie sich sicher. Na schön. Machen Sies gut! Machen Sie es wieder gut. Mir ist es egal. Ich bin mir sicher. Das genügt. Mein Denken ist das übliche Vorstellen, das jetzt ja Sie übernommen haben, und das ist vorstellender Bezug zum Vorgestellten, nein, die Vorstellung mißlingt, das sehe ich schon, es ist vorstellender Betrug, was Sie hier sehen. Aber nicht meiner! Ihrer!

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Bitte um Entschuldigung auch an Sie, Herr Heidegger, aber es wird nicht das letzte Mal gewesen sein! Fürchte ich.

7.9.2012 / 1.9.2015


Kein Licht: Prolog? © 2015 Elfriede Jelinek

 

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