Jesus hilft Hilfiger
Ein neuer Jesusknabe ist geboren, nein, geboren ist er schon länger, auch seine Karriere dauert schon eine ganze Zeit lang, aber für kurze Zeit war er vom Berg herabgestiegen, um sich seiner alten Jünger zu entledigen, die ihn erschaffen haben (inzwischen sagt er ja, sein neuer Chef habe ihn gemacht. An den alten, der ihn erfunden hat, denkt er nicht mehr). Jetzt geht er also, wie neu geboren, in den Tälern herum und holt sich Brote und Fische von den Tischen der Leute, denn er muß ein Budget konsolidieren. Das habe er getan, und zwar sehr erfolgreich, spricht er, bravo riefen wir brav und rufen wir noch immer oder schon wieder, und unter allseitigem Beifall wurden ihm Brot und Fische ausgehändigt, manche Leute haben sie ihm nachgeworfen, nachwerfen müssen, andre wieder haben einen Kredit auf Brote und Fische genommen, die sie noch gar nicht richtig im Warenkorb hatten (unverhältnismäßig hohe Steuervorauszahlungen im Bereich der Einkommensteuer!), und alles alles haben sie ihm immer gegeben, ihrem feschen Jesus, und angebetet haben sie ihn dafür. Und auf den Knieen vor ihm herumgerutscht sind sie auch noch dafür, daß sie das alles überhaupt gedurft haben. Gebetet und verehrt haben sie, wie es einem jungen Gott zusteht. Die Christliche Partei weiß, wie man mit sowas umgeht, und ich freue mich über den schönen Anblick, wie der kleine Kanzler mit seinem großen Vorsetzer, dem Neo-Jesus, der momentan ganz besonders anwesend ist (und das auch noch überall gleichzeitig), da jetzt auf den Berg hinaufsteigt, im Korb die ganzen Brote und Fische, die sie uns abgenommen haben. Alle liegen sie also auf den Knieen und beten ihre Dankgebete, daß Jesus und sein Chef, anstatt die Händler und Wechsler zum Tempel hinauszujagen, wie die Schrift ihnen befehlen würde, diese Leute im Tempel drinnen gewähren lassen, denn die Händler werden eh bald pleite machen (Steuererhöhungen im Konjunkturabschwung!) und die Wechsler, die ihr Leben und ihre Arbeit jeden Tag aufs neue gegen Geld zu wechseln versuchen, werden aufgrund einer restriktiven Budgetpolitik selber vermehrt in die Arbeitslosigkeit wechseln. Aber nur keine Sorge, man wird ihnen trotzdem noch wegnehmen was möglich ist, und das Nichts, das sie haben, wird man ihnen auch noch wegnehmen, denn mit spürbaren Erhöhungen von Belastungen haben ja vor allem die Ärmeren zu rechnen, und denen kann man die Belastungen immer als Sparen verkaufen, während sie mit offenem Mund den strahlenden jungen Mann im Fernsehkastl anglotzen, ja, Jesus der Erste hat sich das Wechseln von Etwas zu Nichts vielleicht auch etwas anders vorgestellt. Jetzt ist er also auf dem Berg oben mit seinem Gottvater und Alle Anderen Abkanzler, der Jesus, und was verspricht er uns da? Er verspricht, er wird aus Brot und Fischen noch viel mehr machen als er schon gemacht hat, als er sie uns genommen hat, er wird soviele davon erzeugen, daß alle diejenigen, die ihm ihr Teil brav ausgehändigt haben, wieder satt werden, sogar noch satter als satt, und satte Überschüsse werden sie auch noch erwirtschaften. Er muß das alles halt nur noch verwandeln, egal in was, einen kleinen Moment bitte noch, dann kommt der Aufschwung, der woanders grade wieder im Gehen ist, wieder zurück zu uns. Aber was macht er, wenn nichts mehr zu holen ist? Wenn Brot und Fische, anstatt mehr zu werden, wieder weniger werden? Na, nur keine Sorge, Weniger, das heißt Mehr bei Jesus! Die derzeit noch herrschenden Götter peitschen uns das Sparen ein, der Weg auf den steilen Berg zur großen Null, zum Nulldefizit, ist eben auch schon das Ziel. Die Null, das Nichts ist das Ziel, sparen, sparen, sparen, dann gibts wieder das gute Fischbrot, um das wir euch zuvor erleichtert haben. Eine Weile Verzicht, einen kleinen Moment noch, dann haben alle mehr, und dann haben alle was davon. Haben wir noch was zu verkaufen, damit die Null noch fetter ausschaut? Wir haben ja noch das Familiensilber, auf dem wir das Fischessen nett angerichtet hatten, bevor die Bescherung angerichtet wurde. Aber auch Gusi hat offensichtlich Angst, als Ketzer dazustehen, wenn er Jesu Budgetwunder in Frage stellt. Wenigstens der van der Bellen müßte es besser wissen, denn der hat das, im Gegensatz zu mir, studiert und lehrt es auch. Er sagt aber nicht viel, der Herr Prof. van der Bellen. Und warum muß ich es eigentlich sagen, wo ich doch von Wirtschaft so wenig verstehe. (Ich höre schon wie das Donnerwalhalla die Rufe der ehemaligen Gesinnungsgenossen Jesu: Na eben! Genau! Keine Ahnung hat sie, aber reden tut sie!) Wie kann ein Mann wie Grasser sich als Jesusknabe verkaufen (lassen)? Wie ist das möglich? Mit Masochismus allein kann es nicht zu erklären sein. Ist es wirklich so, daß wir seine wunderbare glänzende golfspielende sportliche Erscheinung anstarren und weinen, wenn der junge Gott, der Herr, uns etwas Aufmunterndes zusagt oder was er halt so zu sagen hat (daß er uns vielleicht übernächstes Jahr oder in zwei, drei vier Jahren unser Brot und unsre Fische nicht mehr vom Teller nehmen wird)? Wenn er uns, das einzige Land in der EU, das 2001 die Steuern deutlich erhöht hat, während praktisch alle anderen EU-Länder auf die Wirtschaftskrise mit (logischen) Steuersenkungen reagiert haben, jetzt einen ausgeglichenen Haushalt mit ausgiebiger Hausmannskost verspricht? Die Fischfabriken arbeiten, die Brotfabriken arbeiten ebenso, die müssen ja nicht zahlen, nicht Gewinn- und Kapitalbesteuerung wie in der Höhe anderer Länder, das wollen wir nicht, von den Fabriken nehmen wirs nicht, da sind wir zu stolz dazu, die wehren sich vielleicht, aber den Verbrauchern reißt es das dreifach fettsäuregesättigte (irgendwas muß ja fett werden davon, und wäre es das Essen selber, das vielen jetzt genommen wird) Zeugs vom Teller, denn die ÖVP-FPÖ-Regierung nimmt es ja von den ArbeitnehmerInnen, von den PensionistInnen, von den kleineren und mittleren Einkommen. Was sagt der Gusi? Warum sagt er nicht, daß Österreich immer schon zu den Ländern gehört hat, die traditionell niedrige Defizitquoten aufzuweisen hatten? Warum sagt er zum Beispiel nicht, daß das Budgetdefizit des sozialdemokratisch regierten Österreich zu Beginn der 90er Jahre beträchtlich niedriger war als der europäische Durchschnitt? Warum läßt er sich dauernd schmähen, und zwar von Leuten, die damals auch noch mitregiert haben? Und warum ist er selber schmähstad? Und warum sagt er nicht, daß Mitte der 90er Jahre der Staat sich nicht einfach die Fischbrote vom Teller genommen hat, sondern schließlich zusätzliche Sozialleistungen eingeführt hatte (Pflegegeld, 2. Karenzjahr)? Der neue Jesusknabe wird sich nicht ausziehen, obwohl soviele aus dem anbetenden, verliebten, von bunten Bildern verführten Wahlvolk sich das bis in ihre feuchten Träume hinein wünschen (feucht deshalb, weil wenigstens das Bier soll nicht teurer werden!). Aber wenn er sich auszöge, dann würde man sehen, was man eh sehen will: Der Kaiser ist nackt unter seinen neuen Tommy Hilfiger-Kleidern! Aber gerade das wollen sie offenbar, seine Wählerinnen und Wähler. Dann werden sie sich nämlich auch ausziehen. Wer weiß, was er dann mit ihnen machen wird. Oder sie werden ausgezogen werden, und anschließend wird ihnen auch noch das Fell über die Ohren gezogen werden, während sie noch auf die wunderbare Brotvermehrung (nicht Bürovermehrung, denn Jobs wird es nicht mehr so viele geben) starren, die in einer schönen, sicher vom Fernsehn übertragenen Veranstaltung, stattfinden wird. Oder auch nicht. Denn was stattfindet, ist ohnedies egal. Nur wer da erscheint, der muß gut ausschauen. Ein Vorschlag an Tommy Hilfiger: ein eleganter Maulkorb, den man allen umhängen könnte, die auf die unangenehmen Fakten der Budgetpolitik der vergangenen zweieinhalb Jahre hinweisen (z.B. der Dr. Marterbauer vom WIFO, der hat sich seinen schon abgeholt).
Karl Heinz Grasser, österr. Finanzminister
Erschien im Dezemberheft 2002 von MALMOE (www.malmoe.org)
Nachtrag am 23.2.2003: Laut "Format" vom 21.2. 2003 sicherte Karl-Heinz Grasser als jüngster und beliebtester Minister der ÖVP den Sieg in der Nationalratswahl. 833000 Wähler, die Schüssel dazugewinnen konnte, d.h. sechs zusätzliche Prozentpunkte, sind hauptsächlich Grasser zu verdanken.
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