Von Ewigkeit zu Ewigkeit
Das Entscheidende am Erlöser ist, daß er kommt, daß er im Kommen ist. Nie geht er. Der Erlöser ist unsterblich, weil er im Kommen gewesen ist und nicht gehen konnte, obwohl er schließlich gegangen ist. Aber ein ordentliches Gehen ist das nie! Wird das nie! Der Erlkönig rast so spät, bei Nacht und Wind, über die Straßen, und die Nebel steigen. Vielleicht streckt er eine Hand, die nicht Halt sucht, nach seinem Handy aus, das wie für seine Hand gemacht ist. Der Geliebte, der vom Erlöser erlöst werden möchte, sein Lieblingsjünger, der Johannes, ist dran, ja, am Apparat, wer denn sonst?, das ist ein Individualtelefon, der Erlöser, ein Meister des Dazwischen und Inzwischen, aber nie des Daseins, nie des Angekommenseins (und er wird auch nie ankommen!), streckt sein Wesen in die Höhe wie ein verspieltes Tier seine Pfoten, ein Tier, das seinen Körper genießt, aber nicht mehr wirklich braucht (und es braucht doch in Wirklichkeit den Körper mehr als das Wort, der Körper ist ihm wichtiger): Da ist ein Jünger, er spricht, um den Erlöser noch zu erreichen, der ihn verlassen hat. Noch heute möchte er mit ihm im Paradies sein, aber das geht nicht. Er will ihn wieder zurückbekommen, denn nur von ihm, dem Erlöser, kommt das Heil, das immer sein Heil ist, und jeder hat in ihm seinen eigenen Erlöser gefunden, der ein Mensch war, ein Mensch, der er gern oft gewesen ist. Aber ein Mensch ist er nun nicht mehr, der Erlöser. Wollte er auch nie sein: Mensch. Indem er menschlich war, zu allen, indem er ein Mensch war, war er kein Mensch. Sein Lieblingsjünger hat vielleicht mit seinem Klingeln, mit seinem Rauschen den Dahinrasenden gestört, aufgeschreckt im Rasen, den Altersjüngling, der sein Blut noch dazu eigens gedopt hat, für die Schnelligkeit des Phaeton zurechtgemacht, wie es Sportler eben tun müssen, um mithalten zu können, um siegen zu können. Jetzt hat er den Erlöser aber gestört, der Lieblingsknabe, hat das Erlösungswerk, dessen wichtiger Teil er doch war, dieser Jünger, hat das Werk gestört und den Erlöser gleich mit zerstört. Der ist jetzt kaputt. Damit er noch besser erlösen kann? Jetzt kann ihm ja keiner mehr was anhaben. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Wer faßt sich nicht kurz, wenn er zu den Menschen spricht, wer faßt sich nicht kurz ans Gemächt, um die Menschen zu übermächtigen? Die Bauernbuben strömen zusammen, von den Höfen strömen sie herbei, in die Discos strömen sie, wo auch sie erlöst, aber keinesfalls enderlöst werden, sie werden ja noch gebraucht, sie bringen nicht viel Erlös, aber erlöst wollen sie werden, der eine will diese Erlösung, der andre eine andre, einen guten Job, eine Überbrückungshilfe, bei der man die Brücke aber verschmäht und in den Fluß springt, man kann schließlich schwimmen!, ein paar Brocken Kindergeld, doch die Kinder werden davon nicht mehr. So. Eine schützende Hecke vor dem Einfamilienhaus, das man sich wünscht, wie es sich jeder wünscht, ein Betonsockel, getarnt mit Thujen, oder Thujen, getarnt mit Beton?, und da kracht der Erlöser dann dagegen und wird mitsamt dem wunderbar schönen, schweren, starken Auto zerfetzt. Manchmal müssen auch Starke dran glauben. Und hättet ihr den Glauben nicht, so wäret ihr tönendes Erz und klingende Maulschelle. Niemand hätte einem solch starken Gefährt ein Leid zufügen können. Der Betonsockel, die Hecke, die konnten es aber. Die Bauernbuben sind zurückgelassen worden. Sie werden nicht hervorgeholt werden können, denn hervortreten muß der Erlöser ja immer allein. Frau und Töchter weinen, aber er tritt nicht mehr hervor, indem er immer deutlicher hervortritt, sich immer deutlicher abzeichnet. Er kann es nicht. Selber hervortreten. Er tritt als ein andrer hervor, denn er kann sich nicht entbehren, und niemand kann ihn entbehren. Er kann nicht weg sein. Er hat genug erlöst, doch jetzt muß er weiter erlösen, man läßt ihn nichts andres tun, das versteht sich, erlösen kann er am besten. Menschen mit Herz, die nicht ohne zu schluchzen über ihn sprechen können, sind um ihre Erlösung geprellt worden, die wollen doch noch drankommen! Andre sind in einem Lokal stehengelassen worden, ganz allein, sie sind jetzt ganz alleine, der Erlöser wollte in ein andres Lokal, wollte sie nicht mitnehmen, nicht einmal den Lieblingsjünger mitnehmen wollte er. Es gibt Orte, an die sogar ein Kaiser zu Fuß geht, aber dann fährt er wieder, der Landeskaiser, was er nicht hätte sollen. Die Grundstimmung des Erlösers ist heiter gewesen. Heiter, wenn er Hilflose, Ortlose auf eine Alpe schickt, mitten in die gute Luft hinein, was kann man sich mehr wünschen?, man kann sich nichts mehr wünschen, so deportiert in eine Sonderanstalt, wie man jetzt ist, ja, der Erlöser ist ein besondrer Mensch, eigentlich gar kein Mensch, ein Jesus, ein Erlkönig mit rasenden Pferden unter den Füßen, eines allein genügt ihm ja nicht, die aufs Gas treten und gern noch mehr Gas geben würden, wenn es da wäre, aber das ist verboten. Er tut es trotzdem. Das Angasen ist sein Hobby, das Gasgeben war schon das Hobby seiner Vorfahren, alle tun es, er kann es besser, hier wird auf Tradition gehalten, weil einen sonst nichts hält. Das Land ist schön, aber was kann einen hier halten? Die Menschen im schönen Land würden nur zu gern mit ihrem Erlöser auf- und davongehen, aber das Entscheidende ist ja, daß er sie erlöst, wo sie sich bereits befinden, und von allen andren nichts wissen wollen und nichts wissen müssen, es sei denn, sie machten Urlaub, einmal im Jahr, bei andren, die aber Freunde sind. Sonst würde man sie nicht besuchen. Dazu das Schifahren, das Radfahren, das Mountainbiken, das Wandern, das Klettern, das Kommen, nein kommen tun die Fremden, man selber geht, man geht in die Berg, wo i gern bin, andre nicht, die wollen nicht auf die Saualpe, aber sie müssen. Der treue Wanderkamerad spricht von der Freude der Gipfel, das ist kein leeres Kommen, das sind keine leeren Kilometer, die man abspult, wenns in die Berge geht, wo die Höhepunkte stattfinden; da werden Orte zugeteilt, an die Fremde sich flüchten, dort können sie allein unter sich und nicht mehr fremd sein, doch der Erlöser ist nur für uns zuständig, für uns allein, und seine Worte fangen immer an, denn die Worte eines Gottes fangen immer an und finden dann wieder kein Ende, auch wenn das Ende längst dagewesen und wieder gegangen ist und der Erlöser mit ihm. Es zeigt sich keine Spur des Erlösers mehr, doch seine Spuren sind so unentfernbar, sie sind größer als er!, daß sie niemals fern sein werden. Noch eine kleine Weile, und ich bleibe bei euch, und wieder eine kleine Weile, und ich bin nicht mehr bei euch, und wieder eine kleine Weile und so fort, und ich muß fort. Viele kleine Weilen sind oft Langeweile. Die wollen wir nicht. Was wir wollen, darf uns keinesfalls versagt werden, an dem, was wir nicht wollen, versagen wir selbst. Der Rest kommt für die Endlösung in die „Sonderanstalt“, und von dort kommt er nur weg, auf die Deponie, das steht auf der Kippe, daß die bei uns bleiben dürfen, aber dafür unerlöst, auf ewig. Erlöst nur die Unsrigen, mit Anspruch, ohne Maß, die sich ihm fügen, dem Erlöser, der sie entmachtet, denn er braucht alle Macht für sich allein. Überall hinterlassen sie ihre Losung, die Erlösten, die Maßlosen, die sich in vom Erlöser Entschiedenes fügen, die bringen was, die bringen es, die bringen den Erlös, aber leider nur wenig. Diese Erlösten sind zu klein für den Erlöser. Er will noch mehr erlösen. Der Erlöser täuscht nicht mehr darüber hinweg, daß hier nur wenig Losung zu erzielen ist. Die Knaben von den Bauernhöfen mit ihren roten Gesichtern, die unter der künstlichen Sonne erbräunt sind, die sind die Losung, mit der immer und überall bezahlt werden kann, ihre Liebe ist die Losung, die übrigbleibt, die Hinterlassenschaft. Sie sind jetzt verwaist, obwohl sie genauso erlösen wollen. Jetzt wissen sie ja, wie das geht. Sie werden es nie können. Es gibt nur einen Erlöser, aber viel Losung von irgendeinem Kleinvieh. Das glänzende Sonnenfahrzeug hat Anker geworfen, im Schlamm, im braunen. Der Schlamm, der Dreck ist es, wo der Erlöser gewurzelt, Anker geworfen hat, worauf er gründet und gegründet wurde mit seiner heiteren Grundstimmung, die immer gestimmt hat, denn der Erlöser ist auch Sänger, seine Stimme gehört schon mal ihm, seine Stimme stimmt, und die andren Stimmen stimmen sich auf ihn ein. Der Lieblingsjünger weint. Er ist beim Letzten Abendmahl zu kurz gekommen, und dann ist er fürs Dessert nicht mitgenommen worden. O weh! Schmach! Zum Dessert hat sich der Erlöser schon woanders gewälzt, in einer andren Panier, für eine andre Flamme, er kann ja hin, wohin er will, er bestimmt das selbst. Die Fremden: weg!, sie werden nicht erlöst und bestimmen nichts selbst, sie kommen auf die Alm, wo sonst nur Tiere ihre Losung hinterlassen. Man kann sie einfach nicht auf andre Menschen loslassen, die Fremden. Sie sind ja selber Tiere, die müssen von den Menschen weggebracht und gesondert eingepfercht werden. Sie haben kein Produkt, das ein Mensch brauchen könnte. Wer reitet so spät? Wer ist bedürftig, wer hat noch nicht, wer ist schon, wer war immer? Das größte Ereignis ist der Erlöser, seit es Ereignisse gibt. Er ereignet sich in einem sehr kleinen Land, aber bitte, immerhin. Er ereignet sich, und dann wandert er, klettert er, fährt er, so schnell er kann. Sein Sein ist einzig, weil er sich nicht als einen Einzelnen sehen kann, wohl aber als einen Einzigen. Wir hatten nur einen wie ihn. So einer kommt nicht wieder. So einen kriegen wir nie wieder. Er kommt vielleicht wieder, aber man wird ihn nicht erkennen können: die Tragik des Erlösers, er kommt immer wieder, auch als ein andrer, doch er muß immer er bleiben, und man erkennt ihn bald nicht mehr. Man erkennt ihn womöglich in einem anderen. Entsetzlich! In einem anderen! Man hat ihn nur dieses eine Mal erkannt, und dieses Mal ist vorbei, es hat ihm das Genick gebrochen und das Herz herausgerissen. Aber vielleicht wird man ihn später in einem anderen wiedererkennen? Nein! Nacht und Wind und Geschwindigkeit haben das vollführt, daß er jetzt ewig da ist, indem er fort ist. Da ist er eingezogen ins Kleine, das ihm zu klein war. Dieses Auto war ihm zu groß und zu schnell. Der Knabe fleht, als ob er mit auf dem Pferd säße, der Vater mit seinem Kind, er erreicht den Hof nicht mehr, auch mit Müh und Not nicht. Die Fremden sind untergebracht, was für eine Ungerechtigkeit, denn der Erlöser wird sein Unterdach nicht mehr erreichen. Der Knabe zieht an ihm und fleht, er will mit, doch dieser Erlöser rast allein davon, mit Alkohol im Blut, wider besseren Rat, keiner hält ihn auf, er ist keiner, der sich aufhalten läßt; das einzige, was ihn außer sich geraten lassen kann, der Knabe, der kann es jedenfalls nicht, ihn aufhalten, und jetzt ist er schon außer sich, der Jesus, man kann ihn nicht mehr erkennen, weil er sich ja auch gar nicht mehr hat. Er hat seinen Körper nicht mehr, aber der Körper des Erlösers ist vielleicht das Wichtigste an ihm, ohne Körper ist er nichts, deshalb zeigt er ihn ja ständig, in wechselnder Verhüllung, manchmal auch ohne, was zeigt, daß er auch ohne Verhüllung ein Erlöser ist. Keine versteckten Taschen, keine versteckten Tatsachen. Die Almosen reißt er sich direkt aus dem Leib. Er ist mit allen im Streit, er ist der Streit selbst, um ihn selbst zu schlichten, nur mit manchen bleibt er unversöhnlich, das gehört dazu, damit seine Güte und Versöhnlichkeit besonders deutlich hervorstechen können. Seine Ankunft ist immer das Kommen selbst. Seine Gipfeltouren sind immer das Kommende, das er noch vorhat, er wird irgendwann oben stehen, aber damit ist das Ereignis schon wieder vorbei, sein Land wird dann ein besseres geworden sein, weil es das immer schon war, durch ihn nämlich, der immer schon zuvor da war, wie es war in aller Zeit, so sei es in Ewigkeit. Obwohl es das ärmste und schwächste ist, das Land, so wird es das beste sein, weil der Erlöser es sagt. Die teuren Knaben sind die Zukunft, aber die Gegenwart schon auch. Sie strömen von den Bauernhöfen und aus den Kleingewerbebetrieben herbei, aus Schulen und Arztpraxen und Apotheken und Universitäten schon auch. Die Jünger. Einer der Lieblingsjünger. Die sind konkurrenzlos. Keine Frau, keine Alten können die Körper der Knaben je ersetzen. Keiner kann das. Der Erlöser will immer das meiste und das Beste, er will es für sich, aber er will es auch für sein Bundesland, das arm ist und klein, aber wenn es dereinst erlöset wird sein, wird es groß sein und reich. Aber das Großsein und Reichsein ist eben immer das, was kommt, nie das, was da ist. Die Bewohner glauben, das alles wäre schon da, aber sie ahnen, daß es doch erst kommen wird, aber für sie ist es jetzt schon da. Indem der Erlöser es verheißt, ist es schon da. Indem der Erlöser seinen Körper den kostbaren Knaben verheißt, haben sie ihn, sie haben den Körper des Erlösers als Geisel. Noch eine kleine Weile, und ich bin nicht mehr bei euch, und wieder eine kleine Weile, und ich bin wieder bei euch. Die kleine Weile wird diesmal lange dauern. Und doch hat der Erlöser auf die Weile gegründet, während andre auf die Langeweile gründen, andre Menschenführer, auf die Langeweile. Nicht so der Erlöser, der gründet, der holt und schafft fort. Der schafft auch an. Ich bin bei euch, alle Tage bis zum Ende der Welt. Nur eine kleine Weile, und ich werde bei euch gewesen sein, indem ich euch sage, daß ich immer noch immer da sein werde. Sonst wäre ich der Erlöser nicht, sonst wäre ich ein guter Kumpel, was ich natürlich auch bin, denn ich bin alles. Ich rase dahin, sagt der Erlöser, ich muß ja überall sein, bis ans Ende der Zeiten, und jetzt klingelt mein Handy und händigt mir die Zeit aus, die mir zugemessen, aber nicht angemessen ist. Angemessen wäre mir eine größere Zeit als die, die ich habe, eine wie sie meine Eltern noch selbst erlebt haben. Diese Zeit ist klein, machen wir sie groß, indem ich bei euch bin, bis ans Ende der Zeit, die mir schon jetzt zu klein geworden ist, deswegen muß ich ja so rasen, kein Vater mit keinem Kind, mit der Droge im Blut rasen, denn ich muß irgendwo sein, ich muß hier sein, ich muß dort sein, das geht nur mit wirklich sehr sehr hoher Geschwindigkeit. Bis zum Ende der Welt jung und mit hoher Geschwindigkeit unterwegser sein als andre, so wie mit einem Karamellbonbon alle zusammener sind, so ist der Erlöser allein, indem er nie allein ist, indem er immer mit jemand zusammen ist, er ist unterwegs, damit er möglichst viel von seinem Weg mitnehmen kann, nicht nur einen Betonsockel, diverse Verkehrsschilder (die er schließlich selber aufgestellt und beschriftet hat, damit jeder sie versteht) und dann sich selbst. Ich bin bei euch. Jünger, Berge, Zweifel, Macht und das schöne Jüngermachen, das Beste am Erlösersein, da kann man sich doch auch selbst jünger fühlen und jünger machen, oder? Zumindest sich verhalten wie ein Jüngerer, dann bekommt man die Jünger. Doch mit der Macht bekommt man sie schon auch dran. Man nimmt sie sich vor. Der Erlöser muß jung sein und ewig jung bleiben. Wer zweifelt noch? Sie alle? Sie dürfen nicht mehr zweifeln, der Erlöser bringt die Weite der Straße zum Untergang und sich selbst auch, doch er lebt weiter, er paßt für sich selbst auf sein Bundesland auf, und er hat gesagt, wahrlich, wahrlich: Paßt mir auf mein Land auf! Das ist aber nicht nötig, denn er wird immer da sein, bis ans Ende der Zeit. Und andre werden immer weg sein, dafür sorgt er schon, bis ans Ende einer bestimmten Zeit, und dann werden sie wieder abgeschoben, die Fremden, die nicht zu uns gehören. Wer zweifelt? Sie alle? Nein, Sie vielleicht, aber alle nicht! Keiner zweifelt. Die Erde verschließt sich nicht, sie ist verschlissen, doch der Erlöser macht sie wieder neu. Alles macht er wieder neu. Der Erlöser öffnet die Welt und fügt sich selbst der Erde hinzu, ohne die es keine Welt geben kann. Die Heimaterde, zu der nur die Zugehörigen gehören, das gehört sich so. Die Geschichte der Welt ist aufgetragen der Besinnung, und eine wahre Besinnung ist nur die Besinnung des Deutschen. Nur das Deutsche hier, das andre woanders. Das fügt der Erlöser alles zusammen, Erde und Welt, und deren Ursprung ist der Streit, sagt der Denker, der Ursprung dieses Erlösers war der Streit um Erde, von der die einen weg müssen und nur die andren, allein die anderen dürfen bleiben, denn die Letzten werden die Ersten sein, das Letzte wird Erster werden. Jünger, Berg, Zweifel, Macht, und das Sich Jüngermachen, das aber nicht geht. Die Bauernbuben von den Berghöfen als Jünger. Ihre ungeformten Gesichter: Jüngergesichter. Das Handy klingelt. Herr, verlaß mich nicht! Keine Sorge, ich bleibe bei euch, wenn auch nicht bei dir!, bei einem allein kann ich nicht bleiben, ich bleibe bei euch, bis ans Ende der Tage. Wer zweifelt? Sie? Ich nicht! Niemand also, denn ich bin alle. Der Jünger ist alle andren Jünger, jeder Jünger ist alle. Wer kein Jünger ist: weg! Auf die Alpe! Dort entsteht ein Lager für Sondermüll, man kann ihn nicht in die gute Heimaterde hineinmischen. Vermischung: überhaupt nicht gut! Die Jünger glauben, aber andrerseits zweifeln sie, doch der Erlöser hat alles in der Hand, er hat sie alle in der Hand (allerdings hat auch mancher ihn in der Hand, doch das ist nicht zu ändern, im Stadtkämmerer wird jeder ausgekämmt, der noch gerade gehen, aber nicht mehr fahren kann), der Erlöser hat sie in der Hand, und er hat alles an der Hand: Jobs, Zuschüsse, Hilfsmaßnahmen, für jeden etwas andres, und der Erlöser hat alles in der Hand und teilt es aus, er behält sich dabei trotzdem in der Hand, er hat sich in der Hand, aber nicht immer. Das Handy klingelt, das Auto ist zu schnell, und da ist ein Betonsockel und dort ein Verkehrsschild gegen alles und jeden, das können wir nicht beachten. Wir behalten alles im Auge, aber alles können wir auch nicht beachten. Wer zweifelt? Die Jünger zweifeln nicht. Andre zweifeln, aber das sind keine Jünger, für diesen Gott sind das nicht die richtigen Jünger, für diesen Erlöser bringen die nicht genug Erlös. Weg! Es ist kein Grund zum Zweifel, denn der Erlöser hat die alleinige Macht. Er hat sie bekommen. Er hat sie von seinen Jüngern bekommen, und jetzt erlöst er, da kann kommen, was will, und wäre es ein Betonsockel. Es wird erlöst. Notfalls erlöst man sich selber, wenn kein andrer da ist. Das Handy klingelt schon wieder. Kleingläubige: weg! Alle andren: auch weg! Nur die Jünger dürfen bleiben, auch wenn sie nicht mehr jung sind, auch dann dürfen sie ausnahmsweise bleiben. Nur wer Jünger ist, darf bleiben. Sonst werden aber keine Ausnahmen gemacht. Die schweren alten Herren aus den Verbindungen, ewig Junggebliebene von den Paukböden (sogar ihre Enkel pauken schon!), sie sind nicht mehr jung, aber sie dürfen auch jung bleiben, durch IHN. Kleingläubige: weg! Wir machen Jünger, und wir machen Jünglinge, und die Jünglinge machen uns wieder jung. Ich bin bei euch, bis ans Ende der Zeit, bis ans Ende der Tage. Welcher Gott, welcher Mensch könnte sich aber dem Wesen des Nichts widersetzen? Manche können sich dem Erlöser widersetzen, bitte, werden sie halt nicht erlöst, aber dem Nichts kann sich dann doch keiner widersetzen. Und das Nichts wird schöner mit jedem Tag, da es an die Auferstehung gehen mag. Mir ist alle Macht gegeben, sagt der Erlöser auf einmal, da ahnt er vielleicht schon das Nichts, das auf ihn wartet, das er aber auch noch bezwingen wird, im Namen des Vaters, der tot ist. Wir werden auch tot sein, doch gleichzeitig nicht tot. Untot. Erlöser sind Untote, sie steuern den ewigen Kampf zwischen den Lebensinteressen der Menschen und der ewigen Seligkeit des Drüben, in das ER vorausgegangen ist, zu schnell, aber immerhin, er ist dort, über die Straße und dort. Mir ist alle Macht gegeben, überall, auch auf der Saualpe, dort ganz besonders, die Macht über Machtlose ist nichts gegen die Gegnerschaft zum Berg, der bezwungen werden will, vielleicht will er nicht, aber er wird, doch die Ungläubigen: auf die Alpe! Ins Sonderlager, zum Sondermüll, denn wer kein Jünger ist, der ist kein Mensch, und manche dürfen nicht Jünger werden und können es auch nicht. Sie haben die Voraussetzungen dafür nicht, so setzen wir sie raus. Man schafft sie fort, und durch diese Machenschaft befestigt der Erlöser seine Herrschaft über die Kärntner Erde. Aber auch überall sonst. Es ist so. Es war so. Der Erlöser steht auf und droht den Winden und dem Wörthersee und der Saualpe und der Straße und dem Phaeton, dem Sonnenwagen, den Verkehrsschildern, den Vorgärten, den Betonsockeln, den Thujenhecken, den langsameren Autofahrern, die man überholen muß, denn der Erlöser ist immer vorn, sonst sieht man ja nicht, von wo die Erlösung kommt, der geht immer voran, in seinem Schlepptau die Bauernsöhne, die Göttersöhne durch ihn, den Erlöser, das Handy klingelt, und es tritt völlige Stille ein, nachdem der Erlöser allen noch einmal gedroht hat. Keiner darf auch nur zweifeln. Sie müssen alle glauben. In Ewigkeit amen.
22.10.2008 Bilder: 1: Haider-Begräbnis, Der Standard, 2: Fremdenverkehrswerbung aus Kärnten zur Startseite von www.elfriedejelinek.com |