| Wie der Herr, so sein KriegNachbemerkungen einer Unmündigen zu den VollmundigenDa
        nun alles aus und vorbei ist und die Autos die Titelseiten der Magazine
        zurückerobert haben, was nur korrekt ist, denn die Maschinen haben
        schließlich über die Menschen gesiegt; da nun die letzte Schlacht
        geschlagen ist und aus deutschen Giftlieferanten wieder brave Häuselbauer
        geworden sind, die sich um Aufträge anstellen, (und das haben sie
        und ihre Kameraden ja schon seit Ausbruch dieses Krieges getan. Die erste
        Stufe haben sie glatt übersprungen: die Deutschen haben keine Menschen
        geliefert, sondern gleich Maschinen!) müssen auch WIR FRAUEN langsam
        unsre kleinen Bauchläden anwerfen und an die Nachproduktion denken.
        Aber bitte, bedenken auch Sie bei Ihrer Nachbestellung unsre Lieferfristen
        von 9 Monaten (daher sind wir am Markt auch so unflexibel!), früher
        gehts wirklich nicht, bevor Sie unser schönes Produkt, mit dem wir
        uns wirklich Mühe gegeben haben, wieder in Fetzen reißen! Für
        die moderne Kriegsführung scheint es ja als Aktivum nicht mehr benötigt
        zu werden, nur noch als Passivum. Das tut uns leid. Wir hätten uns
        einen besseren Verwendungszweck denken können, aber unser Material
        ist schließlich vielseitig und kann vielerlei Belastungsproben unterzogen
        werden, wenn auch die Ausfallsrate hoch ist. Macht nichts, bestellen Sie
        sich halt was Neues! Feiern Sie jetzt, verfeuern Sie uns und unsre Brut
        später! Los! Lassen Sie jetzt Ihre Korken knallen!   Kehren
        wir zu ihm zurück, was wir inzwischen gefahrlos tun können,
        denn wir haben ihn schon oft im Fernsehn gesehen und wissen, woraus er
        bestanden hat. Nur keine Angst! Die Bilder waren sauber, zumindest im
        Anfang, chemisch gereinigt. Es war der Kampf intelligenter Maschinen gegen
        das Fleisch der Menschenprodukte. Die Tasten der unzähligen kleinen
        Laptops klappern, die Daten werden EMPFANGEN, die Insemination ist gelungen,
        und schon fliegen die Geschosse leuchtend und erleuchtet um die Ecken.
        Ihr Gehirn ist eine Landkarte, und artig vergleichen sie die ihnen eingespeisten
        Bodenformationen mit dem, was sie da vor sich sehen, fliegen elegante
        kleine Kurven, werden bestaunt und schon gehts weiter, unbeirrbar, denn
        sie haben ein ZIEL. Die Jungs, die sie gemacht und erzogen haben, jubeln.
        Wie beim Videogame gibt es in diesem High Tech-Krieg keine Gegner mehr,
        auch wenn die überall sind. Sie sind da und sind doch nicht da. Als
        Menschen wie wir selbst eben nicht wahrnehmbar. Und diese Enttäuschung,
        wenn der amerikanische Junge mit der neuesten schicken Kriegerfrisur (die
        Haare nur oben, dicht am Deckel des Kopfes), für den der Krieg doch
        ein Abenteuer hätte sein sollen (you can always geht what you want),
        feststellen muß, daß vom Gegner, den als Menschen- wie- er-
        selbst- einer- ist wahrzunehmen er gar nicht mehr imstande ist, sondern
        nur als Ziel, als target, keinerlei Gegenwehr mehr kommt. Das ausgeschlossene
        ANDERE! Das ein ANDERER schon nicht mehr sein kann, weil der Gedanke ausgeschlossen
        wird, er könnte ein Wesen sein wie man selbst es ist. Und die amerikanischen
        Soldaten sind "caring people" (Bush). Sie werfen den halb verhungerten
        gefangenen Irakis Butterbrote und Dosen mit Schweinswürstchen (siehe
        unser Foto in Newsweek!) zu, mmhm, das ist gut gegen den Islam! Vielleicht
        waren es ja doch Kalbswürstchen. Aber der Gegner ist da, vor Ihnen,
        und er sieht Ihnen sogar irgendwie ähnlich, merken Siedas denn nicht? 
   
 Es
        ist nicht einmal mehr die selektive Wahrnehmung des Gegners wie im Kalten
        Krieg, die Vernachlässigung des Wandels auf der Gegenseite, die Annehme
        des denkbar schlimmsten Falls. Nein, es gibt ihn nicht mehr, den Gegner,
        und alles Verhandeln mit ihm war Schein, Schall, Rauch. Jetzt ist er selber
        Schall und Rauch. Diese Begeisterung General Schwarzkopfs über jenen
        im Fernsehen bis zum Erbrechen gezeigten Film über die Bombardierung
        des irakischen Verteidigungsministeriums: beim einzig möglichen LOCH,
        auf den Millimeter genau, ist dieses Geschoß in dieses Haus eingedrungen
        und hat es penetriert! Bravo! Die Frau ist eben überall, und sie
        ist nirgends, vielleicht ist sie in uns oder wir sind in ihr, jedenfalls
        kommt sie manchmal in schönen Beispielen aus Industrie und Technik
        wieder zum Vorschein, an den unerwartetsten Stellen, die aber vor unsren
        Augen immer wieder verhüllt (und gezeigt) werden sollten 
   
 Andre
        Kriege, andre Gegner. Wie der Herr, so sein Krieg. Der Dschungelkrieg
        in Vietnam: Scheinbar alte, bewährte Heimarbeit mit der Laubsäge
        (und dem Entlaubungsgift): Das direkte Töten von Mann zu Mann, bei
        dem die Trennung der Kämpfer und Nichtkämpfer aufgehoben war.
        Die Leutnants Calley und andere (damals waren die Computer noch zu groß,
        als daß man sie hätte mitnehmen können im Marschgepäck!)-
        wie oft waren sie vor ihrem Kriegsverbrecherprozeß nicht belobigt
        worden, von höchster Stelle!- haben bei ihren exzessiven Gewalttaten
        auch gegen die Zivilbevölkerung des Landes letztlich aus Angst geschossen,
        weil sie nicht mehr in der Lage waren, zwischen Zivilisten und Vietkong
        zu unterscheiden. Gelernt hatten sie, der Gegner sei das ganz ANDERE,
        aber der ist plötzlich Fleisch geworden und hat mitten unter uns
        gewohnet, und deshalb erkennt man ihn nicht rechtzeitig.: "Vietnam
        hat mir Spaß gemacht. Immer was zu tun. 24 Stunden am Tag."
        (ein US-Soldat)   
 Andre
        Kriege, immer neue Gegner. Die entsetzlichen, biblischen Greuel des noch
        in Manufaktur hergestellten Krieges gegen die kuweitische Zivilbevölkerung:
        Ja, wenn ich die Wahl habe, die Augen ausgerissen zu kriegen oder den
        Bauch bei lebendigem Leib aufgeschlitzt, dann entscheide auch ich mich
        für die schonende Aerosolbombe, bei der es mir in Sekundenbruchteilen
        die Lungen zerreißt: Empfehlen Sie uns weiter, wir arbeiten schonend
        und zuverlässig, Patente in allen Unkulturländern! 
 (Der Aufsatz
        erschien am 29.3.1991 in der ZEIT) 
 
 
 
 
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