FaustIn and out

Sekundärdrama zu Urfaust

 

Zwei Fernsehapparate, in denen vielleicht Szenen aus „Urfaust“ laufen, die zum Teil auch auf der Bühne gespielt, abgefilmt und projiziert werden könnten. Nur ein Vorschlag. Zwei Fernsehsessel, in denen je ein Einpersonenchor sitzt: GeistIn und Faust-In, wer immer das ist. Aber zumindest Faust-In muß eine Frau sein, die sitzen also in ihren Fernsehsesseln vor dem Bildschirm. Ich muß wohl nicht erwähnen, daß es auch anders geht. Vielleicht den Original-Faust nur als Film? Wir können auch anders. Nur ich kann ja leider nicht anders.

 

GeistIn: Die Weiber führen lehren? Wir hätten eher jeden Grund, sie unschädlich zu machen. Denn sie führen doch schon längst! Sie halten das Heft fest in der Hand, in das sie sich eintragen, und nur ihres soll gültig sein. Nur diese Frisur soll absolut überwältigend sein. Sie führen jetzt überall das Wort. Führen lernen von den Weibern. Hat aber Nachteile. Keiner wagt mehr, sie zu nennen. Dieses Weh und Ach dauernd, jeder falsche Ton zerschneidet sie, jedes schiefe Wort geht durch sie hindurch, jede verachtungsvolle Bemerkung über ihr Haar, ihre Figur, ihre Kleidung, ihre Beine, ihre Titten trifft sie ins Mark, und sie kann das dann nicht mehr vergessen. Jeder, der über sie mit beleidigenden Bemerkungen über ihr Doppelkinn und ihren Hängearsch herfällt, verletzt sie sehr tief, sie kann das dann nicht mehr vergessen. Es klappert was tief im Inneren, vielleicht hat der Arzt sein Handy dort vergessen, es klappt wieder mal nichts, und sie müssen dann schon wieder zum Arzt. Sind depressiv und lassen das behandeln. Da arbeiten sie, und dann lassen sie sich behandeln. Sie tun nichts und lassen sich immer wieder behandeln. Ihr Betrieb, der nicht einmal ihrer ist, geht pleite, und sie gehen zum Arzt und lassen sich behandeln, weil sie so etwas nicht aushalten können. Den Betrieb lassen sie natürlich nicht behandeln. Es würde auch nichts nützen. Der wird abgewickelt wie das Garn, das den Frauen aus den Händen quillt und mit dem sie sich verstricken, denn sie merken viel zu spät, daß das ihre Schicksalsfäden sind, die gehen einmal aus, womit sollen die Frauen jetzt handarbeiten? Die Hand vom Kopf auf die Füße stellen? Kopfarbeiten soll natürlich bloß ein Witz sein, denn wo haben sie bloß wieder ihren Kopf? Wo war der noch gleich? Ausgehen wäre schön. Etwas Billigeres können wir uns nicht leisten, weil wir es uns nicht wert sind. Frauen sind wertvoll für uns, wie das Klima, das schwindet, das schwindelt, denn in Wirklichkeit ist es gar nicht bedroht. Frauen suchen Hilfe, Männer nicht. Frauen lassen sich behandeln. Sie sind alt geworden, und dann lassen sie sich sowieso behandeln. Sie sind munter und jugendlich, damit sie sich ohne ersichtlichen Grund behandeln lassen können. Der Grund ist seelisch und/oder unter der Erde und/oder in der Luft und/oder was-weiß-ich. Sie erholen sich wieder. Sie erholen sich nicht. Man sieht keinen Grund, das Wasser steht ihnen bis zum Hals, und doch ist irgendwo ein Grund da. Man sieht ihn aber nicht. Ihre Beziehung läuft aus dem Ruder, und sie gehen zum Arzt und lassen sich behandeln. Ihr Rad steht still, kein Rat mehr, keine Stelle, an die sie sich noch setzen könnten, und sie gehen gleich zum Arzt, und zwar wegen Depressionen. In diesem besondren Fall weiß ich es sogar. Das hätte behandelt werden müssen, und zwar rechtzeitig. Depressionen sind behandlungsbedürftig, und die Frau geht überallhin, wo sie behandelt wird, egal wie. Sie kommen aus den Wäldern, die Frauen, vom flachen Land, von weither, aus dem Ödland, vom Bergbauernhof, vom normalen Bauernhof, vom Kleinhäuslerhof, aus Gassen, Hinterhöfen, aus Müllhalden, Garagen, Hinterhofbüros, von Sportplätzen, von nichts und um nichts kommen sie, sie kommen, um Waren, heiß ersehnt, heiß erfleht, zu verpacken und zu versenden. Ihre Firma geht bankrott, sie aber gehen zum Arzt, anstatt einfach zum Weitermachen in eine andere Firma. Außer da ist keine andre Firma. Dann gehen sie ins Nichts. Sie kommen einfach so vorbei. Ein bedauerlicher Vorfall ist, wenn ihnen das Rad geklaut wird, mit dem sie zu keiner Arbeit fahren müßten. Sie bleiben im Bett liegen, bis der Arzt kommt. Sie laufen mit ihren Füßen so herum, als gingen sie zum Ölberg, wo ihnen bereits ein Kreuz geschnitzt wurde, das sie zu tragen haben werden. Das sagen sie uns, wenn sie einmal fort sind. Sie sagen uns, wann sie wieder da sind. Immer haben sie etwas zu tragen. Einkäufe. Sie hätten sehr wahrscheinlich Erfolg gehabt, hätten sie Erfolg gehabt. Die Frauen sind Jesus, alle in einer Flasche, alles Flaschen, diese Frauen. Sie haben nichts. Sie haben nicht einmal mehr was zu tragen. Sie haben nichts anzuziehen. Sie haben nichts. Sie haben keine Arbeit mehr. Sie haben sie verloren. Sie haben sich verloren. Sie durchschreiten die Straßen und Wege ihrer Dörfer und Kleinstädte, wie jeden Tag, hinein in ihren rostigen, beim Start schon stotternden Kleinwagen, zur Bahn, im Pendlerzug zur Arbeit. Die Krankenschwester im modernen Franzosenauto, das auf nichts anspricht, was man noch kennt. Ein Kleinwagen, aber er spielt alle Stücke, er spielt ihr das Lied vom Tod. Er würde auf sie ansprechen, aber nicht auf ihren Mörder. Ihr Mörder kann ihn nicht starten, weil er beim Studium des Alkohols nicht bis zum USB-Stick vorgedrungen ist, der moderne Autos seit neuestem anspringen läßt. Auf diese Frau springt einfach keiner an. Aber ihr Auto würde schon ansprechen. Der Mörder hat einen Schlüssel gedreht, doch dieser Wagen springt nur mit Chipkarte an. Der Mörder hat davon noch nie gehört, mordet die Frau aber trotzdem. Er ermordet die Krankenschwester, weil er ihr Auto haben will. Jetzt hat er gar nichts, aber die Frau ist tot. Er hat die Frau angesprochen, und jetzt ist sie tot. Oje. Das Auto geht nicht, kein Schlüssel vorhanden. Es braucht keinen Schlüssel, aber das versteht der Mörder nicht. Mit dem USB-Stick kennt sich der Mörder nicht aus. Er weiß nicht, was das ist und wie der geht. Der Tod der Schwester nützt niemandem etwas, nicht einmal dem Mörder. Er bringt das Auto nicht in Fahrt. Die Krankenschwester ist tot. Der Mörder nimmt jetzt den Bus. Die Krankenschwester ist ab sofort tot. Die Frauen fahren zur Arbeit. Alles haben sie jetzt verloren. Sie haben ihren Stammplatz im Pendlerzug verloren, den beim Fenster, den schönen Platz, den sie seit Jahren mit sich besetzten, dieser Platz hat ihnen gut gefallen, sie konnten hinausschauen, am Fensterplatz. Dort konnten sie sich lange mit den Geheimnissen des Lebens beschäftigen, ohne sie jemandem zu verraten oder im reinen Besorgen aufgehen zu müssen und sich dabei schmutzig zu machen. Das kam nachher, viel später, das kam nach mehr als dreißig Jahren im selben Betrieb, zuerst die Karte stempeln, dann Besorgungen machen. Zuerst ausstempeln, dann es ordentlich besorgt kriegen. Die Einkaufstüten noch am Küchentisch, noch nicht ausgeleert, die Spätzle hätten ins Tiefkühlfach gesollt, diese zwei Eier sind an ihren Sollbruchstellen gebrochen. Da liegt die Frau. Sie wurde von den Füßen gerissen und von ihrem Platz fortgenommen. Jeder kennt sie, diese schönen Plätze am Fenster. So lange gutgegangen, so lange gut gefahren damit. Verloren. Alles verloren. Frauen werden auch getötet. Sie gehen aber lieber zum Arzt, wenn sie die Wahl haben. Es wäre alles bei ihnen an einem Punkt zu kurieren, an jenem wunden Punkt, an dem man sie anhalten könnte wie das Fließband, das jedoch ebenfalls stillsteht. Mit einem Finger kann man sie zum Schweigen bringen, wenn man nur will, die Weiber zum Schweigen bringen, wer wollte das nicht, die häßlichen Weiber zum Schweigen bringen, von den anderen will man noch viel mehr hören und liest die dazu passenden Zeitschriften. Die Politik wurde erfunden, damit die häßlichen Weiber auch eine Chance haben, die feschen Weiber aber, die nicht für alle gemacht sind, zum Schweigen zu bringen, nein, zum Reden, denn was sagt dieses Model dazu, daß es schon wieder schwanger ist? Die fescheren Weiber zum Schweigen bringen, alle zum Schweigen bringen, die einen aus diesem, die andren aus jenem Grund, und immer weil man was andres mit ihnen vorhat, das fordert den Mann, das fordert der Mann, der frohlockend mit seiner Beute davonspringt, um für sie verantwortlich zu werden, mit erstaunlicher Ungehemmtheit. Die Frau wird fortgebracht, in den häuslichen Anschluß, unter dem die Nummern geschoben werden sollen. Kein Anschluß unter dieser Nummer, auch das macht den Mann böse. Alles macht ihn böse, weil er sich unterdrückt fühlt. Die Frau spricht und herrscht. Die Frau regiert und regelt den Verkehr. Sie hat Verpflichtungen übernommen. Sie hat für den Kredit mit unterschrieben, und jetzt ist sie dafür dran. Sie ist auch wichtig. Sie ist die Wichtigste, sie macht sich dauernd wichtig. Egal. Man kann es nicht, man kann nichts, man kann sie nicht zum Schweigen bringen. Man kann vieles mit den Frauen machen. Noch unbelastet vom Transport, von Tampons und den Beschwernissen der Reproduktion, sind sie beispielsweise ideale Schauplätze für Preisbildungsmechanismen und rationale Gewinnorientierung. Sie gewinnen jetzt den Modelwettbewerb. Das ist so toll! Ich freue mich gegen sie, denn ich hätte auch gern gewonnen, wie soll ich aber, wenn ich gar nicht teilnehme? Hätte ich teilgenommen, ich hätte auch eine Gewinnchance gehabt. Unter all den Frauen auch ich. Sie sind künstlich geschaffene Erleichterungen der freien Markbewegungen. Sie sind neue Informationslagen, wo etwas wächst. Ach, wenn sie nur wüßten, wer heute der Herr gewesen ist, der so gut ausgesehen hat, der einen in der Kantine so angeschaut hat, so, Sie wissen schon! Wissen Sie, hier bildete in leichten Träumen Natur den eingebornen Engel aus. Entschuldigung! Verzeihen Sie bitte, es wird nicht mehr vorkommen. Man kann das Fließband zum Stehen bringen, man kann das Auto an der Ampel zum Stehen bringen, man kann das Radio, den Fernseher zum Schweigen bringen, nein, bitte nicht!, man kann jeden Menschen mit einer Waffe zum Schweigen bringen, nein, bitte nicht!, aber man kann die Weiber nicht zum Schweigen bringen. Sie reden und reden. Und dann gehen sie zum Arzt und reden weiter. Man findet den Punkt nicht. Man sieht den Schalter nicht, aber wenn, dann hätte man alle unterm Hut, und zwar: wäre man Arzt. Dann würde die Frau ihn gerne heiraten. Aber das geht nicht. Mit diesem Titel kann man sie vertraulich machen, die Frauen, dann gehen sie einem zu wie die Vögel der Brotkrume. Der Arzt ist berechtigt und leider verheiratet. Probieren schadet ja nichts. Die Frau geht zum Arzt. Der Mann weniger. Die Frau geht mit ihrer Depression jetzt zum Arzt, dem sie sich vertraulich zeigt und zuneigt. Die Kunst des Arztes übersteigt alle anderen Künste, weil er sich die Frau zutraulich zu machen versteht. Die Frau geht zu ihm und weint und bittet um Hilfe, wenn sie Depressionen hat. Sie sagt und klagt. Andere schauen von Bergkanten und Brotgipfeln auf sie herunter, sie sehen den dunklen Nachwuchs im Haar, keine Zeit zum Nachfärben, sie sehen den Nachwuchs in gebraucht gekauften oder getauschten Klamotten am Spielplatz herumwühlen, im dreckigen Sand, in den die Hunde gekackt und gepißt und abgewurmt und sich ausgeschleimt haben, diese Kinder sind nicht geimpft, zwar Kind ist Kind, und Spiel ist Spiel, aber trotzdem: Diese Hunde sind nicht entwurmt, die Frauen werden gesehen, und sie sehen selbst, sie sehen gebrauchte Menschen, gebraucht wie sie, der Lack an den Nägeln ist fast ganz abgeblättert, die künstlichen Nägel sind fast abgerissen, sie haben sich von der Natur losgelöst, die Augenbrauenhaare wachsen nach, aber an den falschen Stellen, Körperhaare sind auch dort, wo sie nicht sein sollen, die Dauerwelle wächst heraus, oder man hat gar keine, der Haarschnitt verwächst sich schlecht, das Kind wächst gar nicht, der Hund ist krank, aber nicht so krank wie sie, die Frauen, jaja, die Frauen!, sie merken sehr schnell, sie müssen zum Arzt. Und wenn sie es nicht merken, erinnert eine Zeitschrift sie daran. Man sagt ihnen: Gehen Sie zum Arzt. Der tappt dann ihre Siebensachen ab. Dazu ist er da, schon zum Willkommen tappt der Arzt die Frau ab. Die Frau will das so, nur so will sie es, nur von ihm will sie es, wenn der Mann Arzt ist, ein andrer könnte viele Jahre um sie herumstreichen, aber dem Arzt öffnet sie sich gleich. So viel von ihr hätte er gar nicht sehen wollen. Die Frauen zeigen immer mehr, als man sehen will. Ihr Hobby: dieser Arzt. Sie verfolgen ihn am Wochenende, fotografieren ihn heimlich mit dem Handy. Sie erhoffen sich etwas, das sie nicht bekommen. Sie bekommen es nicht von diesem Arzt. Sie spähen ihn aus, sie schauen sich seine Frau an, da bin ich aber attraktiver, denken sie sich. Nein, anders. Sie zeigen immer weniger, als man sehen dürfte. Das, was die Frau tut, kann sie so lange machen, bis der Arzt kommt. Dann ist es aus. Dann ist der Arzt da, und die Frau geht zu ihm, weil sie so starke Depressionen hat. Plötzlich konnte ich meinen lieben Hund nicht mehr anschauen, und im nächsten Moment habe ich mich schon mit dem Messer in den Arm geschnitten. Das ist behandlungsbedürftig. Er fühlt ihr den Puls und mißt den Blutdruck, das geht in einem. Er hat studiert, manchmal mit heißer Müh, und das Studium hat ihn manchmal gelangweilt, manchmal auch angestrengt, aber endlich war es fertig, er hat fertig studiert, der Arzt, da steht er nun, der arme Tor, und ist so klug als wie zuvor. Er hält die Praxistür auf. Seine Ordinationshilfe schreibt auf einem Computer. Sie erfaßt alles, was der Arzt nicht fassen kann. Er faßt die Frau mit feurigen und schlauen Blicken. Er faßt sie mit müden interesselosen Blicken, weil sie nicht schön ist. Er ist ein Mensch wie jeder andre auch. Das Fließband hat die Frau verwundet. Wie soll der Arzt das wissen? Es geht ihn nichts an. Die Frau will, daß es ihn was angeht. Das Fließband hat ihr das Leben geschenkt. Nur an das Band erinnert sie sich noch. An die Griffe zur verpackten Ware, Winterhandschuhe, Unterwäsche, einen Bären für den Sohn, eine Puppe für die Tochter, einen intimen Massagestab – als erste Firma überhaupt, die sowas anbietet, die erste Firma, die sich das getraut hat, als die Frauen noch gar keinen Intimbereich hatten, weil sie für alles verantwortlich waren, außer für sich selbst – , so ein Batteriestab für das Selbst und das Selbstbewußtsein, auch wenn man kein Selbst ist und/oder kein Selbst und/oder kein Bewußtsein von sich hat, selbst wenn man bewußtlos ist, da kaufen wir etwas zum Selbermachen, kaufen können wir nicht mehr, wir müssen selber machen, die Teile fürs Selbermachen werden dann auch verpackt, von andren Frauen, die auch alles selber machen müssen, so, etwas Schönes zum Anziehen für den Sommer noch, ich schwöre euch, in diesen Paketen sind Sachen drinnen, eine Fürstin im Goldenen Blatt zu gewinnen!, mehr als eine!, nein, sie packt nicht für sich selbst, diese Frau, sie ist da ganz offen, sie kauft nicht für sich selbst, etwas Modisches zum Anziehen für den Winter, nein, nicht für sich selbst, für die Kinder, nicht für die Kinder, für den Hund, nicht für den Hund, den Hund kann sie nicht mehr anschauen, und schon schneidet sie sich mit dem Messer, für den Mann?, nicht für den Mann, für sich selbst nichts Schönes, aber etwas, das im Prospekt schön genannt wird und von andren Frauen verpackt aufs Band gelegt werden muß. Das Band steht jetzt still, und die Frau geht zum Arzt. Sie geht zuerst nach Hause, zieht sich um, frische Unterwäsche, den neuen BH, und dann auf zum Arzt! Die Frau muß zum Arzt. Die Frau ist krank. Der Mann geht nirgendwohin. Die Frau geht wegen Depressionen zum Arzt, der sie um die Hüfte faßt, wo er aber nichts findet. Ich finde nichts, sagt der Arzt. Die Hüfte hat sicher nichts. Der Arzt findet nichts an dieser Frau. Der Arzt findet nichts bei dieser Frau. Er prüft sie gründlich, aber er findet einfach nichts an ihr. Das Studium war nicht einfach, doch er findet nichts. Er tastet sie ab, findet aber nichts. Er tastet sie nach ihrer Wäsche ab, findet aber nichts. Denn die Frau ist nicht eingeschnürt. Nur die neue Schlankheitsunterwäsche engt sie ein wenig ein. Das kann der Arzt aber nicht wissen, denn heute ist die mit den Spitzen dran. Die Spitzen sind dran, die Frau kommt jetzt dran. Sie ist seelisch krank. Er tastet nach ihr, er findet sie nicht. Er findet nicht einmal Schnüre, die sie aufrecht halten, er findet ihre Einschnürung und Einstellung nicht, weil sie keine hat. Ihre Stellung hat sie verloren, eine Einstellung hat sie nicht. Sie ist seelisch krank. Das Leben dieser Frau ist von Geldmangel, Kindern, Mann – ebenfalls arbeitslos – und sonstiger allgemeiner Arbeitslosigkeit eingeschnürt. Aber sie ist keine lose Frau. Sie hat feste Ansichten, die sie aber sofort wieder aufgibt, falls gewünscht. Diese Frau hat viel Arbeit. Sie fühlt sich krank. Sie fühlt sich nicht krank, ist es aber. Sie ist seelisch krank. Der Arzt findet nichts. Er verschreibt ihr etwas. Es hat keinen Sinn. Aber die Frau ist depressiv und geht zum Arzt, dem sie nicht glauben wird, wenn er nichts findet. Es ist klar, daß er an ihr nichts findet. Ihr ist auf einmal, als würde sie lebendig gekocht. Das ist kein gutes Gefühl, seit das Band stillsteht, das hat sie öfter, gekocht zu werden, aber nicht vernascht, und nichts zum Essen für die Kinder zu haben, immer nur Nudeln mit irgendeiner Soße, dafür zwei Tonnen Katzen- oder Hundefutter, das Tier muß essen, die Kinder müssen nicht, die Kinder müssen gar nichts, dürfen aber auch gar nichts. Sie tun es trotzdem. Nichts zu essen im Haus, heute nicht, das habe ich vergessen, heute habe ich nicht gekocht. Ich habe vergessen einzukaufen. Das ist sicher eine Depression. Ich bin seelisch krank. Sagt die Frau. Das ist der einzige Beweis. Ich schwör euch, ihr vergehn die Sinne. Die Schulden und die Kinder wachsen ihr über den Kopf. Ich muß deswegen zum Arzt gehen, der Chefarzt muß es nur noch bewilligen. Die Frau teilt sich selbst aus und wird davon krank, und daher muß sie zum Arzt gehen. Das ist besser als zum Philosophen zu gehen. Einen Philosophen kennt sie gar nicht. Jede Frau geht zum Arzt, weil sie Depressionen hat. Sie geht nicht zum Logiker, nicht zum Rechtsanwalt, nicht zum Philosophen und nicht zum Metaphysiker, nicht zum Chemiker und nicht zum Physiker. Die kennt sie alle nicht. Sie geht zum Arzt, weil sie depressiv ist. Die Frau wacht auf, sieht sich im Spiegel sonderbar an, sie geht nicht zu ihrem gebraucht gekauften Kleinwagen, fährt nicht zur Bahnstation, um mit dem Pendlerzug in die Fabrik zu fahren, nein, heute nicht, heute nicht. Kein Frühstück für die Kinder. Was gemacht werden muß, wird nicht gemacht. Auch nicht die Betten. Nein, ich sehe grade, sie fährt doch! Sie fährt los! Sie fährt zum unbeschrankten Bahnübergang und steht lange da und wartet auf den Zug, weil sie solche oder andre Depressionen hat. Dann geht sie doch zum Arzt. Dann macht sie gar nichts und geht zum Arzt, der was machen soll. Sie hat die Arbeit irgendwo auf dem Weg verloren und findet sie jetzt nicht mehr, obwohl sie so sehr sucht. Sie findet keine. Sie kann kaum lesen und schreiben und rechnen. Sie kommt aus einem entlegenen Dorf, das immer noch dort liegt, wo es einmal umgebracht worden ist. Es gibt keinen Laden, es wird niemand geladen, es werden Kleinkalibergewehre geladen, und es wird damit gewildert. Dort stehn die Berge, drüben der Wald, umfahren wird das Dorf von einer Straße, aber bis zum Dorf kann es sehr laut werden. Dahinter sehr leise. Man kann nichts einkaufen, in diesem Dorf gibt es nicht einmal eine einzige Einkaufsmöglichkeit, der Kaufmann kommt einmal die Woche mit dem Kleinlaster, da muß man aufpassen, daß man wenigstens noch ein Laster erwischt. Meist bleibt keins übrig, kein einziges. Was bleibt dieser Frau übrig als zu verhungern. Sie kann allerdings im Versandhandel einen Massagestab kaufen, den sie immer noch im Sortiment führen, seit so vielen Jahren schon, und den eine andre Frau verpackt hat, die selber angeführt ist. Nein, das ist nichts für mich. Keine Einkaufsmöglichkeit. Nichts mehr da. Kein Stück Brot. Kein Käse. Kein Fleisch. Kein Spülmittel. Kein Waschmittel. Keine Taschentücher. Kein Klopapier. Die wachsen alle nicht im eignen Garten. Erquickung hast du nicht gewonnen, wenn sie nicht aus dem eignen Garten quillt. So. Jetzt auch noch der Hagel, der das Gurkenbeet, das Kürbisbeet und das Zucchinibeet zerstampft. Ich pendle aus. Ich arbeite. Ich bin seelisch krank. Ich bin eine Frau. Die Frau hat aber keine Zeit, sich hinzulegen. Das Dorf schon. Das liegt einfach so da. Das Dorf hat es gut, aber in ihm ist es nicht gut. Es gibt keine Einkaufsmöglichkeit, und wenn, dann wäre sie nur eine sehr vage Möglichkeit. Die Frau muß sich jetzt hinlegen. Sie rechnet mit dem Schlimmsten. Sie hat da vorn im Körper einen Knoten. Wo der wohl herkommt und was der zu bedeuten hat? Ich brauche einen Namen für den Knoten, damit das Leben neue Bedeutung bekommt und dann auch schneller geht. Daher geht sie zum Arzt. Der freie Platz beim Arzt ist nicht mit dem freien Platz im Bus, im Wirtshaus, in der Bahn, auf der Parkbank, am Kinderspielplatz zu vergleichen, der freie Platz beim Arzt ist viel wichtiger, denn die Frau geht jetzt direkt zu ihm, wo hoffentlich ein Platz im Wartezimmer auf sie warten wird, denn die Frau geht eigens zum Arzt, um sich gegen Depressionen behandeln zu lassen. Der Arzt ist für sie unersetzlich. Sie kann leicht ersetzt werden, muß es aber nicht, denn ihre Firma ist in Konkurs. Sie ist in Konkurs gegangen. Die Frau geht nirgendwohin. Wohin auch? Solang die Firma noch ging, ging es. Jetzt, da die Firma nicht mehr geht, gehen wir auch nicht. Die Kinder müssen nicht mehr auf den Spielplatz. Sie können auch zu Hause spielen. Die Frau ist seelisch krank. Das Leben ist kein Spiel. Das müssen sie lernen. Keine Zeit. Keine Arbeit, keine Zeit. Der Arzt kann nicht ersetzt werden. Nein, anders. Kein Arzt kann durch etwas anderes ersetzt werden. Ein Arzt kann durch einen Doppler Wein ersetzt werden. Auf einmal kann sie ihren lieben Hund nicht mehr anschauen, und im nächsten Moment schneidet sie sich schon in den Unterarm. Alles, was die Frau sieht oder hört, zerschneidet sie wie mit den eigenen Küchenmessern, die das eigene Essen zugunsten des Mannes vermessen, der längst fort ist. Er kriegt den Hauptanteil. Er ist fort und zahlt trotzdem nicht für die Kinder. Vielleicht hat er gar keine Arbeit mehr. Er hat eine Neue. Aber vielleicht hat er keine Arbeit mehr. Vielleicht hat er seine alte Arbeit nicht mehr. Darum geht die Frau zum Arzt, weil es hier und dort so schneidet, sich vorwölbt oder sonstwie weh tut, das muß das Fleischmesser gewesen sein, das muß das Handgelenk gewesen sein, zu dumm!, ich hätte es nicht genau drunter halten sollen. Es geschieht etwas Einschneidendes, die Frau kann es sich nicht erklären. Da ist ein Einschnitt. Dort sind Tabletten, die wir gesammelt haben, die wir ausgeschnitten und gesammelt haben, und jetzt kleben wir die Rabattmarken für unser Leben auf diese kleine Karte hier, dann, wenn die Karte voll ist, wenn sie vollgeklebt ist, kriegen wir etwas zurück, nein, abschicken können Sie mit diesen Marken Ihr Leben nicht, Sie können es einsenden, aber nicht mit diesen Marken. Senden Sie Ihr Leben ein, dann kriegen Sie dieses schöne Topfset zurück, aber nur, wenn Sie gewinnen. Sie gewinnen nie, sie kaufen aber eine Rheumadecke oder eine Heizdecke oder eine Zudecke oder eine Abdecke. Die Frau geht zum Arzt, der sich aber weigert, sie auch nur anzufassen. Sie fährt mit dem Bus zum Arzt in die Stadt, den sie Therapeut nennt, um sich gegen ihre Depressionen behandeln zu lassen. Sie weiß, dieser Arzt wird sie nicht anfassen, nie im Leben, deshalb geht sie nicht zu ihm. Endlich mal einer, der sie nicht anfassen wird. Leider wird er sie nicht anfassen, obwohl sie sich das so wünscht. Sie will von einem Arzt angefaßt werden, und zwar genau von diesem. Sie kann es sich nicht aussuchen. Nein, anders. Sie will sich nicht mehr anfassen lassen, weil sie nichts mehr anfassen darf. Keiner würde sie auch nur mit der Feuerzange anfassen. Aber nicht, weil sie so ein heißes Teil wäre. Da arbeitet man, bis man ganz zerzaust ist und zum Arzt muß. Da arbeitet man nicht mehr und geht auch zum Arzt. Es kennt sich keiner aus bei der Frau. Die Frau geht zum Arzt und aus. Sie geht jetzt einmal zum Arzt und aus.

 

Ein zweiter Geist (eine GeistIn), vielleicht ein Berater, endlich einer, der sich auskennt, er studiert nebenbei die Programmzeitschrift und zappt ebenfalls ein bißchen herum: Sagt der also zu mir, hör mal, du mußt mir dieses Mädel herbeischaffen, das da grade vorbeigegangen ist. Sicher will sie zu mir, weil die Frau zum Arzt geht, die gehen immer zum Arzt, damit können wir sie kriegen. Wir sagen, wir sind Arzt, und dann kriegen wir sie. Geschwind, ich sehe sie schon kommen! In dem Alter geht man ja immer zum Arzt, falls man dabei auch noch eine Frau ist. Allein mit der Tochter. Umgebracht die Tochter, verbrannt und am Flußufer notdürftig die Reste vergraben. Diese Tochter ist schon zum dritten Mal von zu Hause abgehauen. Die Mutter hält das nicht mehr aus, bringt sie um, zündet sie an und vergräbt sie dann. Nein, die nicht, die ist nicht von der Mama umgebracht worden. Die dort drüben. Umgebracht, verbrannt, Reste verscharrt. An einem schönen Plätzchen beim Fluß vergraben. Trotzdem wieder ausgebuddelt. Die Mutter hat es mit der Tochter nicht mehr ausgehalten. Wäre sie nur früher zum Arzt gegangen! Bei den meisten ist es zu spät, ich weiß nicht, was. Die Frauen gehen eher zum Arzt, und dort offenbaren sie eher ihren Willen. Die Männer schweigen meist. Gut. Die Tochter interessiert uns mehr. Nein, diese dort nicht mehr. Sie ist tot. Ich weiß nicht: Soll ich? Was rätst du meiner Lüsternheit? Die liebe schöne Tageszeit und mir die weitre Müh zu sparen? Ach was, das macht doch keine Mühe! Wir sagen der Tochter einfach, hilf mir, diesen schweren Gegenstand hinunterzutragen, gut, daß du grade vorbeikommst, sonst hätte ich dich gesucht, komm her, dabei kannst du mir helfen, ist ja gleich vorbei, dieser harte Gegenstand muß in den Keller, vorhin erst habe ich mich dazu entschlossen, da liegen aber schon wochenlange Grabungen und sonstige Arbeiten hinter mir, alles für dich, mein Kind, und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt, denn die werde ich brauchen, du bist nicht, wie ein Kind sein soll, du folgst nicht, du hilfst mir jetzt mit dem schweren Gegenstand, ich seh nicht genau, was das ist, aber du hilfst mir jetzt, der Gegenstand, den du hier siehst, muß runter, allein schaff ich das nicht, da mußt du mir helfen, als meine Tochter, mir helfen, ja, da mußt du mir helfen. Hilf mir! Du wirst mir jetzt helfen, oder es setzt was! Ich werde dir gleich helfen! Also komm, hilf mir schon! Dauert ja nur einen Moment! Eine Minute. Aber das ist das letzte Mal, Papa, daß ich dir helfe. Die letzten Male waren nicht so gut, eher mittel, nein, alles war finster, und ich war froh, als du fertig warst, froh, daß du endlich abgespritzt hast. Bei dir dauert das immer so lang. Ich kann mir nicht vorstellen, daß du es so lang in deiner Tochter aushältst, bis du insgesamt abgesamt hast. Schenkst mir die Ohrringe dafür? Kann ich mir was aussuchen? Nein, ich kann es mir nicht aussuchen. Was hilft mir Schönheit, junges Blut? Was hilft mir mein Blut? Immer wenn ich es brauche, ist es nicht da. Nur unterm Messer, unter der Rasierklinge, dort kommt es dann. Was hilft mir mein Atem? Immer wenn ich ihn brauche, ist er nicht da. Was hilft mir ein Schmuck, was hilft mir meine Jugend, was hilft mir? Immer wenn ich sie brauche, sind sie nicht da. Ich habe anderes zu tun als von dir gefickt zu werden, Papa. Ja, Kind, nur noch dieses eine Mal hilfst du mir, dieser schwere Gegenstand ist aus so einem widrigen Stoff, ich glaube Holz, Eisen oder so, jedenfalls schwer und unhandlich, im Gegensatz zu dir, mein Kind, aber du bist mir noch nicht gesellschaftsleisterisch, nicht leistungsfreudenreich genug, du hast einen Widerstand in dir, willst vielleicht fort, wer weiß, ich weiß, du willst fort, willst einen Beruf ergreifen, lernst schon brav, die Braven kommen zuerst dran, wem mag deine Herrlichkeit dann gehören? Dieser Gedanke ist mir unerträglich. Ich bin dein Vater. Ich bin der Vater. Man lobt euch Kinder halb mit Erbarmen, daß uns nichts Besseres als ihr gehört, und etwas Besseres als euch können wir uns immer leisten. Wir können uns immer alles leisten. Wir leisten es uns. Du willst die Hotelfachschule fertigmachen? Das geht nicht. Das Praktikum im Restaurant? Das geht nicht. Daß du in die Öffentlichkeit kommst, das kann ich mir nicht leisten. Es ist furchtbar, deine Ungezogenheiten herauszuspüren, bevor sie vollzogen sind, deine Anschwärzungen und Drohungen zu ertragen. Ich kenne da einen Ort, wo ich mich ausdrücken möchte, und zwar in dir, auf dir, unter dir, über dir, überall, das geht, denn der Ort ist klein, ich habe ihn selber geschaffen, ich habe alles geschaffen, ja, auch dich, und ich kenne da einen Ort, den habe ich auch gemacht, da ist es ruhig, es ist ruhig für zwei, für uns beide, ruhig, und jetzt hilfst du mir bitte, diesen Gegenstand, was immer er ist, könnte gut eine Bank sein, nein, nicht die richtige Bank, die nicht, von dort borge ich mir das Geld für meine Realitäten, nein, nicht für die Realität, nun, ein Türblatt wäre auch möglich, wenn du mich fragst, was das sein soll, was das soll, in den Keller zu tragen, dort muß er hin, der Papa mit dem Türblatt, dort mußt du hin, dort müssen wir alle hin, wir müssen alle unter die Erde, das steht nun mal fest. Das ist unser Los. Aber los vom Papa, das geht nicht. Ein Los kaufen, das geht, auch wenn es sinnlos ist, keine Chance, keine Chance, aber los vom Papa, das geht nicht. Ich habe mir die Arbeit gemacht und mich bei jedem Spatenstich von der Anklage freigesprochen, die aber jahrzehntelang keiner je erhob. Es wurde nichts erhoben als dieser Spaten. Du mußt alles Gesehene beenden und nur noch mich sehen. Es hat mich niemand gestört, als ich die Sünde beging, und es wird uns beide auch jetzt niemand stören. Hier stört niemand, hier stört nichts, hier stören einen nichts und niemand. Herr Nichts und Herr Niemand stören hier nicht. Ich warte, bis sich deine Gestalt in die Kurve der Kellertreppe legt, deine schon recht weibliche Figur, die sich mit der schweren Tür und mit mir auch noch abschleppt, kurz verschwindet, dann greife ich dich ab. Ich helfe zum Schein Tragen, aber ich habe dein Erdloch schon längst gegraben, für deine Kurven gegraben, im Schein des Elektrischen zeichnet sich die Kellertür schon ab, dir alle Lebensregungen zu hemmen, bis auf eine. Zum Schein öffne ich diese Tür, da muß etwas hinein, das du zu tragen haben wirst. Ich habe mir das, was sich abzeichnet, lange ausgemalt. Ich werde dir nicht sagen, daß mich deine Zärtlichkeiten glücklich gemacht haben, denn es gibt nichts, was mich glücklich macht, nur etwas, das ich machen muß. Es ist ein Zwang, dem ich unterliege. Es gibt nichts, was ich unterlassen kann. Es macht mich nicht glücklich, aber ich mache es. Vielleicht habe ich nicht die Gabe, glücklich zu sein? Das alles macht so viel Arbeit, daß es einen danach nicht mehr so recht freut. Ich habe dieses Loch gegraben, oder war das jemand andrer?, für den Bunker?, damit wir alle geschützt sind?, und ich habe diese schwere, diese aus Beton gegossene Tür ebenfalls geschaffen, eine Tür, hier unten betoniert, die noch viel schwerer ist als dieser Gegenstand, Türblatt oder Bank oder was das ist, der auch noch da runter muß, hunderte Kilo schwer die Tür, paß auf, daß du mir nicht rücklings auf den Boden fällst, wenn du mir tragen hilfst, obwohl das nicht unpraktisch wäre, darauf kommt es nicht mehr an, Papa!, baba und fall nicht!, sonst muß ich dich hineintragen, du mußt da rein in den Keller, aber das weißt du noch nicht, du hilfst mir jetzt, das runterzutragen, und dann bist du frei zu tun oder zu lassen, was du willst. Zwei Meter Freiheit hast du dafür, um auf den Topf zu gehen und aus einem andren Topf zu essen. Nur der Mensch gräbt sich zu seinem eigenen Vergnügen ein Loch in der Erde, denn er kann auch Türme erbauen, Häuser, Städte, aber er kann auch graben, das ist sein freier Willi, sein frei in der Hose baumelnder Willi, allzeit bereit, der immer was will, der das will, was er will. Auch die Tiere graben sich ihre Nester, ihre Bauten, alles im Boden, alles in der Erde, der Mensch gräbt zum Vergnügen, ein Loch, in dem er sein Vergnügen haben kann, so oft er will, weil das auf der Erdoberfläche nicht geht. Auf der Erde wird fleißig zum Arzt gegangen. Unter der Erde wird gefickt, bis kein Arzt kommt. Der kommt nicht. Nie. Niemand käme auf die Idee, nur zu seinem Vergnügen ein Loch in die Erde zu graben, um dort dann seinem Vergnügen nachzugehen. Ich aber schon. Ein Mensch muß etwas tun. Das ist ein Drang. Das ist ein Zwang. Das ist seine ganze Freude. Außer er tut nichts. Sein Empfinden empfiehlt ihm, ein Loch zu graben, um seinen Vergnügungen nachzugehen. Auf der Erde ist kein Platz für die Menschen. Sie müssen mit ihrem Willen, den sie nicht befreien können, denn es gibt ihn nicht, heiraten Sie Ihren Lehrer, wenn Sie das nicht glauben!, die Menschen müssen also bis unter die Erdoberfläche steigen, um ein Vergnügen mit sich und anderen zu haben, das weniger oberflächlich ist als die meisten andren Vergnügungen. So. Du gehst jetzt da rein. Als Vater macht man sowas. Als ein gutmütiger Vater macht man das. Für den Papa wirst du das doch machen! Was oben nicht geht, geht unten gewiß. Der Arzt wird das bestätigen, daß das bei den Frauen so geht und nicht anders auch geht, das wäre sonst ein Weggehen. Es geht auch anders, aber so geht es auch. Was oben nicht geht, geht dafür unten, vielleicht nicht dafür, aber es geht, und es geht bergab. Es geht hinunter. Dieses Mädel soll ich als Geist herbeischaffen? Ach so, der Geist soll ich sein, ich soll der Geist sein, das Mädel braucht kein Geist zu sein und keinen zu haben, es braucht einfach nur da zu sein. Okay. Das ist schwierig. Aber nein, das ist nicht schwierig, wenn auch nicht einfach, wir locken sie in den Keller, dort ketten wir sie an, wir hauen ihr was auf den Schädel, bis sie sich nicht mehr wehrt, wir können auch anders, aber das ist keine schlechte Methode, und dann holen wir sie uns in den Keller hinein. Ja, dieses Mädel holen wir uns in den Keller hinunter und rollen dann den Stein drauf. Stein drüber und aus! Wir polstern alles mit Dämmerung und Dämmschaum, damit kein Laut dringt, damit kein Laut nach außen, Dämmschaum aus der Tube oder was-weiß-ich-woher und kein Laut mehr nach außen, kein Pieps wird gehört. Pipi wird in den Kübel gemacht. Der Beton wird unten aufgetragen, so muß man den Schlußstein aus Beton, selber angerührt, selber aufgeschmiert, nicht hinunterschleppen. Kein Gott da, der ihn wieder wegrollt. Das ist die Strafe, weil wir nicht an ihn glauben. Wie lieb die Tochter ist! Die behalten wir. Gut, daß wir sie haben. Die behalten wir uns. Das behalten wir für uns. Es paßt, daß sie ohnedies grade auf dem Weg nach unten ist. Sie kommt meiner Bitte nach. Nur ich komme hier vor. Nur wir beide sollen jetzt hier vorkommen. Sie soll uns helfen, diesen schweren Gegenstand in den Keller zu schaffen. Bis sie dann zu leben aufhört und wie tot aussieht, das wird schon noch ein paar Wochen und Monate dauern. Zu lang? Es sind ja dem Fühlen auch in dieser Zeit keine Grenzen gesetzt. Unsere Bewegungen stocken auch unter der Erde nie. Ein Schmuck! Ein Schmuckstück! Wie sollte ihr die Kette stehn? Am Fußgelenk. Okay. Am Fußgelenk also. Ungefähr zwei Meter lang, die Kette, oder?, das reicht locker, die sitzt nicht locker, aber das reicht locker, daß die Tochter sitzen, liegen, stehen, scheißen und pissen kann. Zum Glück ist sie nicht ganz tot, sie sieht nur so aus, denn wir brauchen sie noch, weil sie so aussieht, weil sie so gut aussieht, weil sie einfach gut aussieht. Dieses Mädel sieht einfach gut aus. Wenn ich sie tot sähe, dann wäre ihr nicht mehr zu helfen. So aber helfe ich ihr. Der Arzt hilft auch. Das macht der schon. Sie ist schon auf dem Weg zu mir, zum einzigen Herrn Doktor. Nein. Ich bin nicht der, der ich bin. Diese Frau wird auch zum Arzt gehen. Sie ist schon über vierzehn. Gott sei Dank. Nein. Sie ist zehn und kommt jetzt in den Keller. Das muß sie sich ganz klarmachen. Sie wird nicht anders können, mit zehn wird einem schon manches klar, mit zwölf ist es eindeutig. Mit sechzehn wird einem dann alles klar gewesen, aber noch lang nicht vorbei sein. In der Dunkelheit wird einem so manches andre klar. Klarer wirds nicht. Das Licht wird abgedreht. Ich nehme den VW-Bus. Dann müssen wir nur noch den Tunnel graben, das Erdloch, um sie hineinzupflanzen und dann zuzuschütten. So. Es ist bereits gegraben. Tür drüber, dicker Beton, schalldicht durch Schaum und fertig. Ein Kübel für Scheiße und Pisse und fertig. Ein Ventilator zum Schneiden, Eindrehen und Auskämmen der Luft und fertig. Kann man regulieren wie einen Haarfön, sehr praktisch, und aus! Immer zu früh aus, aber mit Atemluft kann man jeden zähmen. Die Leute wollen Luft einfach lieber als Essen. Keine Ahnung, warum. Die Luft ist ihnen lieber als jedes Essen. Damit kann man arbeiten. Damit kann man planen. Damit kann man was anfangen. Die Leute atmen lieber, als daß sie essen. Das ist seltsam, aber wahr. Ich habe es überprüft. Ohne Luft machen die Leute einfach alles, bloß um sie zu kriegen. Rutschen auf Knien vor dir. Ohne Essen, das geht ja noch. Essen kann eine Waffe sein. Zuviel Essen wie zuwenig essen kann für die Frau und ihren Körper eine gefährliche Waffe sein. Aber atmen müssen sie alle, das habe ich überprüft. Man kann ihnen das Essen abdrehn, nicht aber die Luft. Wir haben diesen Ventilator eingebaut, die einzige Luftzufuhr, eigens für dieses Mädel, und was das Beste ist?, das Beste ist, daß sie mitgraben mußte an ihrem Verlies!, mitgraben mußte sie, die Kleine, wir haben sie ausdrücklich mit Atmen bestellt, mitarbeiten mußte sie aber auch, es war ja anfangs nicht genug vorbereitet, wir waren ja alle nicht genügend vorbereitet, da ist etwas schiefgegangen, sie mußte mit anpacken, sie mußte für ihr Verlies ordentlich mit anpacken, sonst wäre es ja nicht rechtzeitig fertig geworden. Mit Atmen das Verlies etwas aufwendiger, mehr Aufwand für den Ventilator, die Luft, die doch immer da ist, braucht Vorbereitung. Aufwendige Vorbereitung. Ohne Vorbereitung keine Atemluft. Also sie war schon da, aber das Verlies noch nicht, der Atem war da, aber die Luft noch nicht, sie war noch nicht eingetroffen, die Luft, der Ventilator auch nicht, das Kind mußte mitgraben an seinem eigenen Verlies, wer hätte uns denn sonst geholfen? Sie hat an ihrem Verlies hart mitgearbeitet, die Kleine, meine Puppe, sie mußte für ihr Verlies ganz schön schuften, ackern, die Erde umackern, graben, graben, graben, sie gruben und sie gruben, das Kind und sein Meister, das Kind und sein neuer Herr, sie gruben und gruben, ja, wir waren das, die gruben!, das Verlies mitgestalten und ausgestalten, ja, dein goldenes Haar, Margarete!, alles nur für sie, etwas Luft, eigens für sie hineingeblasen, für das andre Mädel unten, Gretchen in der Unterwelt, dein goldenes Haar, Margarete!, na schön, Elisabeth auch in der Unterwelt und noch viele andre in der Unterwelt, wie viele?, wer weiß?, keiner kennt die Namen, keiner hat sie gezählt, nein, wir auch nicht, wir kennen nur unsere eigene Volkszählung, und unser Volk wächst ständig, noch während wir zählen, wächst es schon, manchmal wird es auch weniger, manchmal kommt ein Stück Volk weg, ein Stück kommt uns manchmal abhanden, aber im großen und ganzen sind wir Herr über den Boden, den Keller, das Radio, die Zeitungen und die Lüfte. Das ist besser, als Herr über das Land zu sein. Herr über die Luft: Das ist das Beste überhaupt! Die Lufthoheit, das ist zwar eine Äußerlichkeit, weil die Luft zuerst ja immer außen ist, außer man atmet, dann ist sie für kurze Zeit innen, muß aber auch wieder raus, aber die ist schon gut, diese Hoheit. Diese Oberhoheit über den Luftraum und den Kellerraum. Das Höchste. Alles probiert – kein Vergleich! Luft brauchen sie. Ab und zu wollen sie Luft schnappen, das ist nur natürlich. Essen brauchen sie länger nicht, Essen hat Zeit, Essen kann warten, es wird davon nicht besser, aber es kann warten, Luft brauchen sie sofort, die Menschen alle. Die Luft wird zwar auch nicht besser, aber die Menschen brauchen sie nun mal. Sie können einfach nicht ohne sein. Seltsam, aber wahr. So. Wir richten ihr dort eine Grube ein, ein Loch in der Erde, das genügt schon. Ein Eimer als Abort. Das ist es, was die jungen Damen bekommen. Das bekommen sie sofort. Was rein will, muß raus. Was raus will, muß wieder rein. Was rein will, darf auch rein. Wer sollte uns hindern? Was sagt das Buch?, was sagt derjenige, der das Buch studiert hat, der Herr Doktor jur., ja, meint: Juristerei studiert, was sagt der?, wahrscheinlich hat sie es unten besser gehabt als oben bei Mama und Papa, das sagt er, nein, sicher hat sie es unten im Keller viel besser gehabt, das war ja noch Gold gegen Oben bei Mama und Papa, das sagt einer, der Paragraphos einstudiert hat, er sagt nicht: dein goldenes Haar, Margarete!, ja, auch bei Mama allein, bei Mama allein: gar nicht gut!, unten besser, der Herr Doktor, hat die Paragraphen studiert, der Heini, vor dem keinem graust, ein ganzes Studium, damit er nachher nur sagt, was im Buche steht. Der Herr Magister Lobesan, der soll uns mit dem Gesetz zufrieden lassen, aber er läßt uns nicht, er läßt uns nicht. Oben war es schlecht, unten war es sehr schlimm, so wird gesagt. Doch unten immer noch besser als oben bei der Mama. Da hat der Papa auch noch ein Wörtchen mitzureden. Der Teufel hat auch noch ein Wort mitzureden, der will auch noch seinen Senf dazugeben, und der Teufel schläft nicht. Er sagt: Das ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen! Und was sagt ihm der Papa? Der Papa hat keine Scheu vor einem Doktor. Er hat keine Scheu vor keinem. Er ist einer für alle. Er ist für nichts. Er ist dagegen, wenn er etwas gefragt wird. Er ist der Geist, der stets verneint. Er verneint schon, wenn er gar nicht gefragt wird. Er sagt kurz und gut: Wenn nicht das süße junge Blut heut nacht in seinen Armen ruht, so macht er was weiß ich, so macht er halt irgendwas, er müßte ja nichts machen, denn er wird sowieso alles machen. Er macht es schon seit vier Jahren. Ja, der macht das schon. Nein, anders. Es macht nichts, daß er alles macht, Herr Doktor jur. Der Papa darf das. Der Papa braucht keine Bücher, um alles zu dürfen. Hat man erst einen Menschen geschaffen, darf man alles mit ihm machen. Hätt er nur sieben Tage Ruh, braucht er den Doktor juris nicht dazu, so ein Geschöpfchen zu verführen, darin sind sie sich einig, da sind sie sich einig. Wer mit wem? Sogar für den Teufel eine schwere Aufgabe, für den Herrn Rechtsdoktor aber nicht. Der heilt Ihnen jedes Recht! Der sagt etwas, das er weiß, der liest ein Buch und sagt etwas, das er dann weiß, der liest viele Bücher und sagt, da steht etwas, das er schon vorher gewußt hat. Ich sage, was da steht. Und was steht im Buch, was steht im Buch des Rechts? Unten hat sie es wahrscheinlich besser gehabt als oben bei der Mama! Dein goldenes Haar, Margarete!, bitte, wo steht das, ich finde die Stelle nicht, wo steht das in dem Buche bitte?, im Buch steht das nicht, in keinem Buch steht das, aber es genügt, daß ich es sage. Aber Sie haben ja das falsche Buch! Ist doch klar, daß in dem nichts steht. Sie müssen ein andres Buch lesen! Sagen Sie uns, was da steht! Weiß schon, Sie haben Appetit auch ohne das. Auch ohne Französisch. Aber lesen Sie das andre Buch, da steht es! Da steht es doch: Sie ist über vierzehn. Sie ist schon über vierzehn. Geht doch! Geht doch! Was sagen Sie? Oben bei der Mama, da war es wahrscheinlich schlechter als unten. Dreimal ist sie geflüchtet, zweimal wieder zurückgekommen, einmal wegen Sprachschwierigkeiten, einmal wegen gesundheitlichen Schwierigkeiten, zweimal freiwillig wieder zurückgekehrt, das Heimchen, ins heimische Verlies, in die Heimat, beim dritten Mal nicht, beim dritten Mal krähte der Hahn, beim dritten Mal krähte dann jeder Hahn nach ihr, und das soll eine ordentliche Gefangenschaft gewesen sein? Das war sie nicht. Das war sie nicht. Immer nur Schwierigkeiten machen die Frauen, sogar in Gefangenschaft, sogar wenn die Gefangenschaft gar keine ist, sogar im Verlies, und sie haben auch immer welche, ich rede jetzt speziell von der kleinen Margarete, das ist eine andere, das ist ein andres junges Blut, ein andrer junger Engelsschatz, an dessen Ruheplatz eine Führung, für dessen Verlies eine Füllung stattfinden soll, sie selbst soll ihn mit sich befüllen, dein goldenes Haar, liebe M., das fällt so gut, das gefällt mir so gut! Nur ein Problem, nein, ein andres, der Ort ist das Problem, da trampeln mir zu viele herum, da schaffen wir einen andren, einen Ruheplatz im Keller, in aller Ruhe einen Ruheplatz im Keller. Warum müssen die alle runter, das frage ich mich schon. Warum all die Mädels in den Kellern? Warum nur, warum? Sie könnten ja auch in einem Turm gehalten werden, aber einen Turm hat nicht jeder, da muß man viele Stiegen steigen, womöglich ist das anstrengend, der Papa wird ja älter, einen Keller hat auch nicht jeder, aber meist ist ein Keller im Haus inbegriffen und integriert, seine Benutzung zwar nicht, aber er ist da, nicht alles, was da ist, darf man auch benutzen, wurde den Mietern gesagt, dieser Keller darf nur vom Hausherrn, der der Mensch im eignen Haus ist, benutzt werden, er ist zwar da, aber benutzen darf ihn nur der Herr im eignen Haus. Und er hat noch einen Vorteil, der Keller: Man kann jederzeit die Abgegriffene in dieses Kellerlokal abführen, hinunterführen, nein, nicht Hundeführen, Hundeführen geht nicht ohne Hund, hinunter also, es ist ja da, alles, was da ist, wird auch benützt, für die Hoffnung künftiger Freuden benützt und dann für die Freuden selbst auch benützt, um sich in ihrem Dunstkreis satt zu weiden, im Keller geht das, im Keller beim Kübel, da geht das. Mit dem Kübel wird sie noch viel Freude haben, die Tochter. Sie wird noch froh sein, daß sie ihn hat. Ob Turm, Dachboden oder Keller, es ist ohnedies alles dasselbe, dort können wir hin, dort sollen wir sie haben, man soll sie sehn, man soll sie haben, man soll die Mädels sehn, und dann soll man sie auch haben. Welchen Sinn hätten sie sonst? Du sollst sie haben. Du sollst sie sehen und haben. Die Mädels sehen und haben ist eins. Ist alles eins. Klein sind sie alle in ihrem ewigen Weh und Ach. Alle werden als Zwerg-Sorten schon klein gehalten. Klein sind sie uns lieber. Der Keller ist ja auch klein. Im Keller sind sie alle gleich, dort schrumpfen sie auf unser Augenmaß zurecht, aber niemandem ist es gleich, niemandem ist es gleicher dort im Keller, die Mädels im Keller, da eine, dort eine andre, Mädels aller Altersstufen: Marsch in den Keller, ab mit euch!, dort könnt ihr wenigstens keinen Blödsinn mit falschen Freunden mehr machen. Und wahrscheinlich habt ihr es unten sowieso viel besser als oben bei Mama und Papa, und wenn ihr verhungert, ist es immer noch besser, und wenn ihr erstickt, ist es immer noch besser! Oben verhungern ist immer noch besser als unten ersticken. Die eine hat ihren Papa sogar noch nach unten mitnehmen dürfen, oder hat der Papa sie mitgenommen? Weiß ich jetzt nicht. Dort liegt der Papa wie ein dunkler Berg, der Papa hat sie hinuntergebracht, er hat sie nicht umgebracht, er hat sie nicht um die Ecke gebracht, oder doch?, war da eine Ecke?, keine Ahnung, aber er hat sie nicht umgebracht, er hat sie hinuntergebracht, denn runter müssen sie, alle müssen runter, alles muß raus, nein, rein!, das ist ja wie im Krieg, aber ein richtiger Krieg ist das keiner, ihr kriegt nichts dafür, aber ihr müßt hinunter, damit ihr es unten besser habt, Mädels, keine falschen Freunde, euch bleibt viel erspart dort unten, das wißt ihr ja noch gar nicht, was ihr alles verpaßt, was ihr alles vermißt, aber es gibt nichts zu vermissen, hier habt ihr es besser, der Herr Doktor juris wird mir da auch zustimmen, leider werde ich es nicht mehr erleben, aber glaubt es mir!, kein Rauchen, kein Trinken, keine schlechten Freunde, die könnt ihr oben dann noch zur Genüge haben, falls wir es euch geben, nicht das Genügen, das Vergnügen. Dein goldenes Haar, Margarete. Im tiefen Keller sitzt ihr hier, Mädels, dort ist es besser als oben, für manche ist es besser oben, für manche besser unten, ja. Und scheißen und pissen könnt ihr in diesen Kübel hier, den wir euch eigens hingestellt haben, den wir euch beiden eigens hingestellt haben, der einen hier, der andren dort, auf alle Fälle, und diese Fälle der Fäkalien werden eintreten, in allen diesen Fällen, wo etwas eingetreten worden ist, in Fällen, die eingetreten sind, ist dieser Kübel gegeben, dieser Kübel ist angesagt, dieser Kübel ist obligat, den dürfen wir nicht vergessen, dieser Kübel ist ein Muß, was täten wir ohne diesen Kübel? Es wäre hier unten unerträglich. Mit Kübel geht es. Wenn eine nirgendwohin gehen kann, braucht sie einen Kübel. Es ist hier unten wahrscheinlich besser als oben bei der Frau Mama, sogar mit eigenem Kübel!, aber so gut ist es auch wieder nicht. Ohne Kübel unerträglich wäre es. Es ist besser mit, aber gut ist es nicht. Aber gut: So schlimm wie ohne Kübel ist es nicht. Aber das bleibt nicht so. Es ist nicht gut, aber besser hier unten, und das wird sogar immer besser werden, hat man sich erst dran gewöhnt. Besser als oben bei der Mama: immer! Dein goldenes Haar, Margarete! Das wird zwar alles besser, als es oben gewesen wäre, wo es noch schlechter war, wahrscheinlich noch schlechter, sagt der Herr Doktor Iuris Causa, der wird uns noch dumm, als ging ihm ein Mühlrad im Kopf herum, der Rechtsdoktor, kein Linksdoktor, der sich zu Hause wohl präpariert hat, Sohn und Enkel von Gutsbesitzern, der besitzt ein hohes Gut, der besitzt das Recht, und recht hat er damit, daß er es sich rechtzeitig gesichert hat!, das hat er studiert, die Paragraphen wohl einstudiert, ja, der Herr Doktor honoris juris oder wasweißich, das sagt er: Unten hat sie es wahrscheinlich besser gehabt als oben bei der Mama. Im Keller besser. Mit Kübel sogar noch besser! Oben schlechter. In des Menschen Hirn das paßt. Das Hirn des Menschen ist genauso groß wie das, was hineinsoll. Hier können Sie es beobachten. Dieses Menschen Hirn ist so groß, und was dreingeht und nicht dreingeht, immer ein prächtig Wort zu Diensten steht, und zwar dieses. Dieses Wort. Das im Anfang war. Im Anfang war das Wort und die Zeugung. Und wir haben das nur wiederholt. Oben schlechter. Unten besser. So. Wir machen Gutes noch besser, dieses Waschmittel ist schon sehr verbessert worden, es ist in den letzten zehn Jahren mindestens dreißigmal verbessert worden, wenn nicht öfter, nichts ist so gut, als daß man es nicht verbessern könnte, nicht wahr: Da wäre ein Eimer, da kannst du hineinscheißen und hineinpissen. Da bist du im Eimer. Da kann man nichts machen. Doch es besteht Hoffnung, es besteht noch Hoffnung: Später sogar ein Bad. Das ist das Beste überhaupt. So gut kann es oben ja gar nicht gewesen sein, daß wir uns nicht über das eigene Bad hier unten jetzt freun. Das ist fast mehr, als man ertragen kann. Ein eigenes Bad. Dort kann sie ihre Jungen werfen, die Tochter, nein, nicht im Bad, aber nicht allzu weit fort. Nichts ist hier weit fort. Nichts kann man hier sehr weit fortwerfen. Das geht nicht. Bitte, sie möchte das vielleicht gern, weil die Kinder von mir sind, aber sie kann es nicht, es ist kein Platz. Das eine, das kaputtgegangen ist, wenn auch nicht gegangen, noch nicht gegangen, noch lange nicht, ein Säugling, ein Baby!, ich bitte Sie!, was können Sie von einem Baby schon erwarten!, das schmeiße ich in den Ofen und aus. Das können Sie in einem so kleinen Raum nicht öffentlich verwesen lassen, das geht ja nicht. Noch dazu ganz ohne Öffentlichkeit. Sie hätte es nicht werfen sollen, sie hätte es nicht wegwerfen sollen, aber ich kümmere mich drum. Ich liebe alle meine Kinder, manche sind gleichzeitig sogar meine Enkelkinder. Es ist kein Platz, aber es ist ein Platz, der genügt. Sie wird sich dran gewöhnen. Dort kommt kein Arzt mehr hin. Auch wenn wir einen Arzt bräuchten, dort würde keiner hinkommen. Die andre Frau lebt oben und führt den Haushalt. Sie kümmert sich um die Kinder. Sie ißt und trinkt. Sie wird krank und geht zum Arzt. Sie wird von etwas krank und muß zum Arzt gehen. Sie kann zum Arzt gehen. Sie geht jetzt. Auch die andren Kinder oben gehen zum Arzt. Das Essen ist vorgekocht und steht zum Aufwärmen im Kühlschrank. Dort unten im Keller: kein Arzt. Dort kommt kein Arzt hin. Nie! Also ist das auch keine Frau dort unten. Aber dann ist das ja gar keine Frau dort unten! Denn die Frau muß zum Arzt gehen. Wenn sie das nicht kann, dann geht sie eben nicht zum Arzt und wird daher auch nicht krank. Sehen Sie, der Arzt ist nicht unbedingt nötig, die Frau glaubt das nur. Nicht nur, aber auch wenn sie krank ist, geht sie zum Arzt.

 

FaustIn (ihr Bildschirm wird dunkel): So. Endlich soweit. Schluß mit der Realität aus Leibhaftigkeit. Endlich dem Leibhaftigen selbst begegnen! Die Zwangsartigkeit des Seins abstreifen. Die Artigkeit auch. Ich begebe mich an die Flammenbildung. Ich begebe mich an den sausenden Webstuhl der Zeit. Ich begebe mich von Geburt zu Grab. Ich begebe mich ans Wittern eines Hauchs. Ich begebe mich an das Verwittern der Wände. Mein Gott, geht das langsam! Ich begebe mich ans Begreifen. Mein Gott, geht das langsam! Also wirklich! Was steht da davor und geht nicht weg? Die Wirklichkeit? Weg mit ihr! Was soll ich hier damit? Ich begebe mich auf den freien Platz. Ich begebe mich an die Fähre zum Tod. Da steht aber keiner. Da steht niemand. Wahrscheinlich müssen erst mehr Fahrgäste zusammenkommen, daß es sich lohnt. Leute wie ich werden nie erwartet und sind nie Gäste. Sie werden nie eingeladen. Muß offenbar selber warten, bevor man mir die letzten Geheimnisse mitteilt, die ich aber ohnedies schon weiß. Wieso holt mich keiner ab? Es ist nicht vorgesehen, daß eine wie ich abgeholt wird. Aber der Koffer ist so schwer. Was macht mir die Welt, daß sie ist, wie sie ist? Wie erkläre ich mir das? Wie kann ich mir mich selbst erklären, wo ich doch nur mich habe, um mich aus mir zu erklären? Andre haben mich auch nur aus mir heraus erklärt. Ich bin ein psychopathischer Sadist. Ich bin ein armes Schwein. Ich bin ein ganz armer Kerl. Die Frau dominiert. Ich bin im Grunde ein ganz armes Schwein. Ich habe Zeitprobleme. Ich habe gesundheitliche Probleme. Ein Mann geht nicht so oft zum Arzt wie eine Frau. Der Mann ist eher gehemmt, wenn auch nicht immer. Dem Mann dämmert etwas. Ihm dämmert, daß die Frau ihm überlegen ist. Die Frau überlebt nur, wenn sie überlegt und überlegen ist. Der Mann dämmt ein Verlies mit Schaum. Er hemmt den Schall. Es dringt nichts heraus, und er spricht auch nicht gern mit einem Arzt. Der Arzt ist für die Frau. Der Mann hat einen Erzieherkopf und einen Bohrkopf und Schaum, er hat Dämmschaum, damit man nichts hört, damit keiner was hört, auch der Arzt kann nichts hören, trotz Rohr zum Horchen, trotz Messer zum Messen, einen Arzt braucht die Frau, braucht der Mann nicht, der zieht an der Frau, bis sie ihm paßt, bis sie zu ihm paßt. Es ist nicht viel Platz hier unten, aber er macht sich die Frau schon noch passend, und wenn es bis nächste Woche dauert! Raum ist in der kleinsten Hütte. Die Frau kann nicht heraus, also muß sie von innen her erklärt werden, sie erklärt sich auf Wunsch auch selbst, obwohl sie sich nicht gut versteht, obwohl sie sich auch mit ihrem Papa nicht so gut versteht. Auf Nachfrage kann man die Frau auch als selbsterklärend und steuerschonend bekommen, allerdings nicht in selbstreinigender Version. Das wäre aber nicht nötig gewesen, wir erklären die Frau gerne. Dann ist es, als hätte sie sich selbst erklärt. Wir erklären uns ihr mit Blumen. Wenn sie das selbst machen will – bitte. Aber es hört ihr keiner zu. In dieser selbsterklärenden Version ist sie außerdem nicht waschbar, da muß sie dann in die Reinigung. Dafür sind dann die Polster billiger. Wenn man sie abziehen kann, ist die Frau teurer. Ich meine, wenn ihre Hüllen abziehbar sind. Sie können es sich aussuchen. Sie bekommen als Frau, was Sie wollen, ich meine, Sie bekommen diese Frau so, wie Sie sie wollen, das ist doch selbstverständlich. Wir schöpfen aus dem vollen. Sie ist in jeder Ausstattung vorhanden, die wir ihr gekauft haben. Auch in der Sonderausstattung: kellertauglich. Wir gehen ganz in die Tiefe. Diese Frau ist über ihr Los nicht aufgeklärt worden, weiß aber schon alles, wir haben es ihr erklärt. Ihr Los wird nicht gewinnen. Keiner wünscht das: zu verstehen. Wen interessiert das schon? Es versteht sich wohl von selbst, daß es etwas wie die Frau geben muß. Nein, anders. Wie kann ich die Frage nach mir selbst also an das zurückverweisen, das ICH war, weil ich so sein mußte? Da verweise ich doch immer nur auf mich, mehr habe ich auch nicht, da kann nichts mehr schiefgehen, man kann hier im Keller ohnedies kaum herumgehen, kein Platz, sehen Sie, und das ist so, als wollte man aus sich selbst etwas erklären, man braucht dazu aber Hilfsmittel und einen Hilfsmittelpunkt und eventuell eine Haushaltshilfe. Hilfe! Nichts da. Hier die Wärmeflasche, die brauchen wir, wenn eins der Kinder Bauchweh, Zahnweh oder Krämpfe hat. Es gibt keinen Arzt. Ich muß hierbleiben. Kann mir das nicht erklären. Weiß doch nicht mal, was. Kann mir bitte einer einmal kurz dieses Theaterstück erklären? Danke. Ich wußte schon vorher, daß das nicht geht. Und das andre Stück dort? Auch nicht. Es ist mir unerklärlich. Da hat man die Tochter in eine Stellung versetzt, sich zu entscheiden oder nicht zu entscheiden, und da entscheidet sie sich dafür, nichts zu entscheiden. Sie läßt alles mich entscheiden. Das müßte nun auch wieder nicht sein. Muß ich das also auch noch machen. Der Mann hat es schwer, denn die Frau ist ihm überlegen, falls sie nur einmal überlegt hat. Hier. So war ich ja auch geplant. So war ich gedacht, damit ich nicht weiter denken mußte. Ich schaue jetzt nach innen, ich mache eine Innenschau, denn im Fernsehen, welches bei uns unten ja ebenfalls innen stattfindet, denn ein Außen gibt es nicht, nicht für uns, nicht mit uns!, nichts für ungut!, dort schaue ich es mir auch an: im Fernsehn, nur dort sehe ich mein Innerstes. Ein Außen gibt es ja nicht. Wegen Regenmangels und Sonnenmangels und Wolkenmangels finden das Fernsehen und mein Innenleben, das aus dem Fernseher kommt, im Keller statt, und im Fernsehn ist heute nichts. In mir auch nichts. Es ist nichts. Was im Fernsehn ist, kann man nicht im Vorbeigehen erledigen, denn man kann hier gar nicht gehen, man kann an nichts vorbeigehen. Es ist ja alles im Fernsehn. Im Fernsehen ist alles, was ich sehen darf. Das Fernsehn ist alles, was das Gefallen ist. Im Radio ist alles, was das Gehör darf. Im Buch ist alles, was gebucht werden kann. Sonst nichts. Seit langem denke ich nicht mehr in Kategorien der Dinglichkeit, sondern in den Kategorien der Dringlichkeit. Ich muß atmen. Ich muß pissen. Die Kinder müssen essen, der Mann muß essen, kein Hund muß auch essen, und alle in defizitärer, defizienter Behutsamkeit, äh, Bedeutsamkeit. Aber ich bedeute nichts. Ich bedeute hoffentlich jemandem etwas, damit der mein Leben erschafft. Nein, anders. Ich überspringe alles, was ich nicht verstehe, also: alles. Auch mein Sein. Wo bin ich? Ich komme zuletzt. Wieso dann aber: Ladies first? Ich komme sogar noch hinter dem Hund, der vor mir essen darf. Ich habe ja auch das meiste Essen für ihn gekauft. Die besten Bissen bekommt er. Ich schwöre. Auf einmal kann ich den lieben Hund nicht mehr anschauen, und schon schneide ich mich ins Handgelenk. Weiß nicht, wie das gekommen ist. Einen Hund kann ich hier unten nicht halten. Aber ich stelle mir ihn vor. Ich müßte woanders rein, um einen lieben Hund haben zu dürfen. Bleibe nur ich, bleibe ich nur mir. Ich muß mich von außen her erklären können, damit fängts an, aber das geht nicht, denn ich habe ja nur mich. Mein Innen gehört dem Papa. Mein Außen gehört dem Papa. Alles gehört Papa. Er hat alles gemacht. Er hat das Loch gegraben. Er hat den Keller erweitert. Wir schluchzen zum Erbarmen, aber Erbarmen hat er nicht. Doch er kauft für uns ein. Immerhin. Hoffentlich kommt er bald wieder und ernährt uns. Hoffentlich kommt er bald aus Thailand wieder, wo er immer so lustig gewesen ist. Hoffentlich kommt er bald wieder und ernährt uns und ist lustig auch bei uns. Es ist mir unerklärlich. So ein schönes Land, Thailand. Genug erklärt. Ich erkläre Thailand für erschaffen und ein sehr schönes Land. Dort arbeiten Menschen. Und das Fernsehn erklärt uns andere Ferienorte, die es aber nicht erschaffen hat, das kann es nicht von sich behaupten. Da steht einer im Fernsehn und erklärt sich ausführlich, er erklärt, warum man mit ihm überhaupt in Berührung gekommen ist. Ich aber kann mich nicht einmal selber ausführen. Kein Platz. Der Keller hat kein Außen, außer im Fernsehapparat. Der ist mein Außen und Innen zugleich. Keiner soll etwas gegen das Fernsehn sagen, sonst bekommt er es mit mir zu tun. Ich wollte, er bekäme es mit mir zu tun. Auch wenn das Fernsehn mir nichts gibt, gibt es mir alles. Die Natur wird erklärt. Für uns gibt es die Natur nicht, aber sie wird uns trotzdem erklärt. Das ist eine Gnade. Also werde ich immer unerklärlich bleiben und mich an mein eigenes Bewußtsein klammern müssen wie eine Ertrinkende an einen Weidenzweig am Ufer. Der hält nicht. Der Tormann hält auch nicht. Wer hält schon? Diese Tür da hält, und doch ist da noch einer, der dies Halten unendlich schwach in seinen Händen hält. Oje! Der läßt das doch glatt fallen! Und dann: wieder nichts! Dann komm ich wieder nicht raus. Die Tür geht nicht auf, und sie geht nicht zu, nur weil wir das wollen. Man kommt so selten raus. Wieder mal rauskommen, das wärs! Da müßte schon ein Geist kommen, um mich da rauszuholen. Ich muß mir wohl andre Wesen holen, und dann müßte ich anders aussehen und überhaupt eine andre sein, um mich mir begreiflich zu machen. Da sind Mann, Kinder, Hund, nein, Hund nicht, das geht hier unten nicht. Hier würde kein Hund leben wollen. Hier würde nicht einmal ein Hund leben können. Meine Kinder: ja, ein Hund: nein. Aber sie erklären mich nicht, meine Lieben erklären mich nicht, mein Mann, der mein Vater ist, meine Kinder, die meine Geschwister sind, sie erklären nur mir den Krieg, immer gegen mich. Sie hören wieder damit auf, weil man ja nicht Krieg gegen das einzige führen kann, das man hat. Da kriegt man ja nichts dafür. Keiner bietet mit. Wer will mich? Sie schweigen. Bald sind die Wogen wieder geglättet. Den Bogen hab ich raus. Wie eine Klette an jemand hängen. Meine einzige Möglichkeit. Ich frage sie vielleicht, ob sie mir noch böse sind. Aber dazu bin ich zu stolz, glaube ich. Aus andren würde ich mich nicht erklären wollen. Ich würde mich jeder andren nahe fühlen, auch wenn sie nur von sich selber erfühlt wäre, selbst wenn sie verhüllt ist, selbst wenn sie nicht aus dem Haus darf, jedenfalls nicht allein, nur mit ihrem Vorgesetzten, nur verschleiert, nur in Begleitung, nur in Begleitung ihres männlichen Vorgesetzten, nur als Begleichung einer Rechnung, als Kriegsgrund, als Bereicherung, als täglich Brot im weitesten Sinn aus dem Haus darf, als Plackerei bei Tag und Nacht, dankeschön: keine Ursache!, ich fühle mich ihnen allen nahe, sie sind wie ich, sie sind ich, sie sind die, die sind wie ich. Ich finde niemand, der ist wie ich, weil ich einzigartig bin. Es gibt sicher andere in meiner Lage. Aber wie soll ich das jemals beweisen? Ist da jemand? Der Gedanke gefällt mir gut, daß es nur noch mich gibt und daß ich mich nur aus mir selbst heraus erklären kann, ich sagte es schon, nur aus mir selbst heraus, als wäre ich Gott. Dabei bin ich die Allerletzte. Bewältige und überwältige nur das Nichts, das ich bin. Ich bin nicht Gott, nur weil hier nichts anderes Platz hat. Nur Gott, ich, meine Kinder, kein Hund. Aber der zählt für mich nicht. Gott zählt für mich nicht, weil er mich damals nicht mitgezählt hat. Es zählen Mann, Kinder, Hund. Ach ja, Hund wäre schon fein. Er belästigt mich nicht, der Mann, er tut immer alles, also kann das niemals eine Belästigung sein. Er tut es immer. Er tut immer etwas, er tut alles, aber nie das, was ich will. Aber was sollte er denn sonst tun, es ist ja keine andre da? Er ist Gott. Er ist besser und mehr als ein Gott. Da ist er aber nicht der einzige. Er sagt mir, er sei der einzige, der Gott ist, aber ich glaube ihm nicht. Bitte, ich weiß zwar, daß ich nicht Gott bin, aber da muß es doch noch andre geben! Er sagt, er ist das, ein Gott. Die totale Berechenbarkeit von meinem Papa kann doch nicht zum alleinigen Zeichen des Seienden werden! Im Kerker gibt es keine Zufälle, die Tür ist ins Schloß gefallen, und bloß, weil mein Papa und ich hier miteinander im Kerker sind, kann das doch kein Zeichen für etwas sein! Nein. Die Tür ist zugefallen. Die Tür ist mir zugefallen. Meine ganze Familie ist mir zugefallen. Die Tür ist vermint und mit Gas verbunden, diese Tür gibt Gas, wenn sie muß, diese Tür kann Gas geben, das hat er gemacht, mein Gott. Das hat er hier eingebaut, das Gas, die Tür, den Dämmschaum, alles. Er hat uns den Strom geschickt, den wir jetzt geschickt nutzen. Aus Seiner, Gottes Miene sehe ich schon, wenn er kommt, was mir bevorsteht. Was mir blüht. Ich schweige oder sehe mit meinen Kindern fern. Was Schlechteres kann ich mir nicht leisten. Gottes Charakter ist nicht auslegungsbedürftig, obwohl wir Anlehnungsbedürftigen uns an ihn schmiegen, um diese Begegnung dann endlos zu interpretieren. Was sollen wir auch sonst tun? Ich muß meine Begegnung mit Gott wohl vorurteilslos interpretieren, sonst gerät der mir noch ins Hintertreffen. Mein Vater ist Gott. Er trifft mich von hinten und von vorn und von allen andren guten Seiten auch noch. Ich lege mich hin, ich lege ihn aus, er legt mich da her. Er will es so. Wenn ich mich nur endlich vorurteilsfrei mit ihm beschäftigen würde! Es wäre meine Aufgabe, aber noch habe ich Vorurteile, immer noch. Andre dürfen sich auch nur mit ihm beschäftigen. Doch für die andren ist wenigstens ein andrer ihr Gott. Was geschieht oben, in der Wohnung, in der Regelwohnung mit dem Regelbesatz, mit dem Regalbesatz? Bin nur auf Erzählungen angewiesen. Aber die brauche ich, sonst zergeh ich. Sonst werde ich gelutscht und dann aus Ungeduld zerbissen. Ich bin die Ausnahme, von was auch immer. Ich bin unten. Das ist mein Platz. Das ist meine Aufgabe. Ach. Wie verschaffe ich mir vorurteilslos einen kleinen Vorteil? Indem ich einem andren Menschen das Herz aussteche? Dann komme ich hier aber nie mehr hinaus. Das hat er mir gesagt, der Gott. Gott Vater hat es mir gesagt. Gott verbietet einem ja alles, was Spaß macht, außer er hat selber seinen Spaß. Außer er hat noch eine zweite Frau, woanders. Außer er geht zuerst zu der andren Frau und dann erst zu seiner eigenen. Seine eigene: jetzt Nummer zwei. Dann ist es erlaubt. Der eine Gott erlaubt mehr, der andre weniger. Egal welcher, er will sich an mir messen, denn auch er kann seine Welt, die er geschaffen hat, nur aus jemandem wie mir interpretieren, als einem von ihm geschaffenen, ihm begegnenden Seienden. Bla bla bla. Wieso sieht er mich dann nicht? Wieso sieht er dann nur mich? Wieso bin ich dann nicht? Wieso bin ich dann nicht mehr? Dieses Sein scheint für mich vorgesehen zu sein, sonst hätte mein Vater mich doch einfach beendigen und beerdigen können und aus. Noch etwas tiefer graben – darauf wäre es nicht mehr angekommen. Mein Vater war und hat das ausführende Organ. Wieso sieht er mich dann nicht an, und warum darf ich ihn nicht ansehen? Gott! Herrgott! Helligkeit! Nein, er duldet mich nicht. Er duldet nur mich. Die Kinder auch, immerhin. Aber nur mich als Mutter und Tochter zugleich. Als seine zweite Frau, als seine Geliebte, die er seiner Frau vorzieht. Er hat damit Probleme, die er aber überwinden kann. Solche Probleme kann jeder immer überwinden. Ich bin eine Dreifaltigkeit, dazu hat er mich zusammengefaltet, ich bin, mal sehn, Tochter, Mutter, Schwester in einem. Das ist doch praktisch. Wer ist das schon? Ich bin mehrere in einer. Wer ist das schon? Ich werde als solche nicht geschätzt, und dennoch gibt es mich gleich dreimal. Mir doch egal. Ich bin ohnedies besser als Gott, das ist klar, na ja, zumindest genauso gut, denn ich kann mich selber anschauen. Als gäbe es mich sogar viermal. Nein, sogar sechsmal! Zwei mal drei macht sechs. Wer kann das schon, zu vielen daherkommen?! Es ist auch recht anstrengend, das gebe ich zu. Danke vielmals. Einen Spiegel hat er mir schließlich gelassen, einen Alibert, im Bad, darauf kleine Abziehbilder, die Kinder haben den kleinen Tintenfisch so gern, doch was Kinder lieben, das zerstören sie gern. Der Sohn hat ihm ein Tentakel abgerissen. Wer war das? Der soll sich sofort melden. Wir haben die freie Auswahl. So. Jetzt ist der nette Fisch versehrt, für immer und ewig versehrt, denn wer schickt mir jetzt ein neues Bein für den Tintenfisch hier runter?, es wird dem Sohn kein andrer Tintenfisch, nicht einmal sein halbes Bein wird ihm gebracht. Er plärrt, der Sohn. Er belästigt. Er stört den Vateropa. Er heult. Daraus lernt er hoffentlich was. Ich wünschte, das hätte er vorher bedacht, als er am Beine riß und kratzte und schabte und scharrte. Ich bin auch da. Ich bin das Auch, weil ich nirgendwo sonst sein kann. Ich bin das Auch und das Daneben, aber nicht weit. Kein Platz. Ich bin auch da. Ich bin die Zweite, die jetzt die Erste ist, die Erstfrau, noch vor der zweiten, aber keiner weiß das. Ich bin da, wenn auch nicht allein. Die Zweiten werden die Ersten sein. Ich bin meinem Vater lieber als Mama dort oben, die oft weint und sich kaum zu essen traut. Ihrem Körper würde man das nicht ansehn. Ihr Körper ganz schön heftig, mit Anlagerungen von Fett, mit Fettaugen und Fettauflagen. Der Papa hat jetzt eine andere, die aber die eine und Erste ist. Sie wird zuerst aufgesucht, wieso gesucht, er weiß ja, wo sie ist, er hat ihr das Loch schließlich gegraben! Trotzdem duldet er mich nicht. In keiner Form. An keinem andren Ort. Er duldet nur mich, indem er mich nicht duldet. Ich bin eine Last für ihn. Das kann er natürlich nicht: mich anerkennen. Hier unten vielleicht, aber sonst kann er mich einfach nicht anerkennen. Was nicht geht, das geht nicht. Ich bin sicher eine Last für ihn, er wird ja nicht jünger. Die Kinder sind auch Lasten für ihn. Ich kann in der Welt herumschweifen und ich sein. Nein. Ich kann nicht in der Welt herumschweifen, und ich kann nicht ich sein. Das geht nicht. Der Keller ist einfach zu klein. Aber auch eine andre kann ich nicht sein. Die Erde nicht ein Ausschnitt aus dem Seienden im Ganzen. Mein Ganzes ein Ausschnitt der Erde im Sein. Mein Sein in einen einzigen Abschnitt, in einem Kellerabteil verteilt. Wir sind dem Keller zugeteilt. Obwohl wir für Papa die Ersten sind, sind wir die Letzten. Jedem das Seine. Jedem das eigene Heim, äh, Sein. Er läßt mich ja nicht. Er läßt mich nicht raus. Der Vater läßt mich nichts tun außer dem Möglichen. Der Vater hat Vorrang. Er hat hier unten Vorrang. Mein Weltbezug ist eingelassen in die Erde. Mein Decken- und Kissenbezug sind eingeladen und eingelassen in die Waschmaschine. Recht komfortabel mit der Zeit hier unten. Kein Streit. Kein Streit um einen Vorrang von etwas oder jemandem. Wir bleiben die, die wir sind. Kein Platz sonst. Wer schreit, wird erbarmungslos an die Luft gesetzt. Der Glückliche. Wer schreit oder streitet, darf dafür oben atmen. Wir sind halt die, die wir sind. Auch Gott kann ja nur der sein, der er ist, und er kann nur der werden, der er ist. Wie ich. Ich kann auch nichts werden außer der, die ich bin. Hier unten habe ich keine Möglichkeiten. Doch für Papa komme immer ich zuerst, dann kommt er. Nein, er kommt sowieso. Ob ich komme, weiß er nicht. Ich kann nicht gehen, also kann ich auch nicht kommen. Ich bin die einzige, die sich selbst begreift. Man sagt mir ja auch unaufhörlich, wer ich bin. Ich bin eine Fotze. Ich bin nichts als eine Fotze. Ich bin ihm eine Last. Ich bin die Tochter und gleichzeitig die Frau meines Vaters. Ich bin einfältig. Ich bin entdreigefaltet und -gerissen. Ich bin einmal unter ihm zerrissen, aber das macht nichts. Er sagt, was unter ihm geschieht, ist ihm egal. Wer unter ihm Kaiser ist, interessiert ihn nicht. Wer unter ihm die Hausarbeit macht, interessiert ihn nicht. Ich bin die Voraussetzung für mich selbst, aber alles andere ist doch auch die Voraussetzung für sich selbst! Ich habe keinen Vorrang, und Streiten geht hier auch nicht. Ich bin nicht anders als das Andere. Jedem das Seine. Jede dem Seinen. Jedem die Seinen. Ich nicht. Ich wollte, ich wäre jede. Aber ich habe hier nicht die Möglichkeit dazu.

 

GeistIn (hat endlich einen Film gefunden, den sie sehen möchte): Ja, das sag ich doch die ganze Zeit: Du gleichst dem Geist, den du begreifst. Nicht mir. Keinem. Denn du begreifst nichts. Klar. Schau mich nicht so blöd an! Ich muß mich nicht interpretieren, und du kannst mich nicht interpretieren, klar. Als Geist muß ich mich nicht deuten, denn als Geist bin ich schon bedeutend genug. Ich bin unfaßbar. Ich genüge mir. Gott habe ich nicht genügt, aber mir genüge ich. Klar. Alle können mich deuten, ich selbst muß das aber nicht. Jeder ist nur auf seinem eigenen Boden faßbar. Ich aber muß nichts fassen. Klar. Erklären ist das Auslegen des Unverständlichen und das Ausleben des noch nicht Verstandenen. Wollen Sie nicht ausleben, daß Sie mich auslegen können? Doch durch Erklären würde das Auslegen des Unverständlichen auch nicht verstanden, damit schon gar nicht! Bemühen Sie sich nicht! Das können Sie aufgeben, denn alles bleibt im Unverständlichen, und niemals wird das Unverständliche durch Erklären verstanden werden können, das ist doch wohl klar und eindeutig unverständlich, oder? Ich grabe jetzt ein Loch, damit Sie was zum Wohnen vorfinden, bis ich mit Ihnen fertig bin. Alles klar?

 

Na sowas, ich sehe, das Loch haben Sie ja schon! Da will ich mich einmal anstrengen und dann das! Was wollen Sie also von mir? Rein mit Ihnen und aus! Brauchen Sie einen Arzt? Wieso ausgerechnet jetzt? Ich kann keinen holen gehen, das wissen Sie doch. Hier kann kein Arzt herkommen. Da müssen Sie schon zu ihm gehen. Gehen Sie doch zum Arzt, wenn Ihnen was fehlt! Na also. Sie gehen jetzt zum Arzt. Würde ich an Ihrer Stelle auch. Wie schaut es denn hier aus? Hier können Sie doch keinen Arzt herholen! Da müssen Sie schon hin zu ihm! Nein, umbringen können Sie sich nicht. Sie sehen selbst: Das geht nicht. An Ihren Unterarmen ist vor lauter Schnitten schon kein Platz mehr. Wo wollen Sie sich da noch schneiden! Sie müssen doch für Ihre Kinder da sein! Wenn Sie krepieren, ein Arzt kommt Ihnen nicht her. So wie das hier ausschaut, können Sie keinen Arzt holen. Der Papa würde es nicht erlauben. Können Sie nicht aufräumen? Sie müssen zum Arzt gehen, denn zu Ihnen wird der nicht kommen. Man sollte doch meinen, wenn so wenig Platz ist, kann man wenigstens den aufräumen! Ich glaube, Sie brauchen einen Arzt. Aber der kommt Ihnen nie! Sie müssen schon zu ihm gehen.

 

FaustIn: Zu dumm! Bin über vierzehn Jahr doch alt. War aber einmal zehn, als ich hier runterkam. Jetzt über vierzehn, die andre Dame dort schon sechzehn. Wir sind auf alles schon vorbereitet worden. Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen, meinen VW-Kastenwagen und meine Prügel Ihnen anzutragen? Kann ungeleitet nach Hause gehn, werde umgeleitet, komme ungelegen, nein, sehr gelegen, ich komme, ich ging just vorbei, und jetzt bin ich da. Wer ist das? Wieso kommt das mit der Religion denn jetzt schon? Wie ich es damit halte? Ach so. Wie Sie es damit halten! Danke. Das macht schon eher Sinn. Über mich hat jeder Gewalt. Einfach jeder. Gott zuerst, dann jeder andre. Gott vielleicht sogar später. Zuerst ein anderer. Da kommt ein jeder daher. Nein, da kommt immer nur er. Da komme ich ausgerechnet an das einzige Wesen, das Gott einmal persönlich gekannt und ihn sofort imitiert hat, was gleichbedeutend ist mit: erkannt, sonst hätte Papa ihn ja nicht nachmachen können, nachäffen, nicht wahr, und was war der Erfolg? Daß es danach nicht mehr sein wollte wie er, sondern mehr als er! Bla bla bla. Das kann auch nur mir passieren, daß ich ausgerechnet so jemanden kennenlerne! Ich komme zum einzigen, der das Unverständliche verstanden hat, indem er nicht Gott sein wollte, der er doch damals gut hätte sein können. Er hatte die Wahl. Und dann das. So abstoßend kann doch nicht einmal Gott sein, daß man um keinen Preis sein will wie er! Na, um diesen Preis schon. Hab vorhin nicht gesehen, daß der Preis auf dem Schild gestanden ist. Man zahlt, und dann ist man Gott. Man zahlt, und dann ist man auf Urlaub in Thailand. Man zahlt, und dann wird man massiert. Man tritt dort überhaupt in Massen auf, sagt man mir. Man muß dort kein Maß kennen. Das ist sehr lustig. Man hat Spaß mit Frauen und Kindern. Man hat Spaß mit anderen Frauen und fremden Kindern. Man zahlt, und dann hat man das neue Auto. Man zahlt, und dann hat man das gewünschte Gut, das man gut selber hätte sein können. Man ist sich aber nichts wert. Man ist verkauft. Man ist verraten und verkauft. Dieser unreine Geist in seinem umweltfreundlichen Hybrid-Aufschwung wäre zwar eine Imitation einer Imitation gewesen, denn Gott soll ein guter Menschenimitator sein, sagt man, allerdings kriegt er es nie ganz hin, obwohl er angeblich schon ziemlich perfekt sein soll, er kommt den Menschen schon recht nahe, wenn er sich bemüht, aber das wäre immer noch besser als ich zu sein! Gott zu sein, Alles zu sein: immer noch besser als ich. Bla bla bla. Aber das wird Gott mir nicht glauben, der wird mir nicht glauben, daß ich in einem Kellerloch lebe, das jemand sich eigens die Mühe gemacht hat zu graben, soviel wird kaum jemals für einen anderen Menschen geleistet. Trotzdem, ich lebe hier gezwungenermaßen, allerdings mit einem Papa, der mir hilft, das zu genießen und auch selbst genießen kann. Aber er wird es wissen, Gott wird es wissen, er wird es nicht glauben können, aber er wird es schon wissen, noch bevor es ihm gesagt wird. Er ist allwissend. Glauben sollen dann die anderen. Der will Mensch sein und in der Welt aufgehen. Ich bin im Keller aus- und eingegangen, nein, nicht aus, nur ein, in den Keller eingegangen und aus dem Keller nie mehr ausgegangen, als wäre der Keller schon das ewige Leben gewesen. Der ist aber nur ein Abschnitt, der zur Wohnung gehört und in der Miete inkludiert ist. Ich möchte eher, daß mir die Welt endlich aufgeht. Nicht Untergang. Aufgang! Aus meinem heimeligen Stübchen raus, ins Offene. Erkennen, daß das Sein das Nichts ist. Es lohnt sich nicht. Ach, wäre das schön, etwas zu erkennen! Ich möchte ein Studium beginnen. Aber leider ... keine Erleuchtung! Erleuchtung: noch nicht eingetroffen. Ich lasse ihr vorn beim Kellereingang ein Licht brennen, falls sie noch kommt. Ich bin womöglich eine Imitation dessen, der einen andren imitiert hat, bloß um mir zu sagen, wer ich sein soll. Gott sagt. Welcher? Ich weiß zu gut, daß solch erfahrnen Mann mein arm Gespräch nicht unterhalten kann. Das weiß ich schon von meinem Papa. Alles andre natürlich auch. Sie finden, das sei ganz natürlich? Na ja. Gott wird auch nicht viel anders sein. Die Männer sind doch alle gleich. Es gibt nur sie. Ich suche mir immer nur Auslegungsbedürftiges und erkenne nur meine eigene Bedürftigkeit. Also zumindest die Ähnlichkeit Gott/Geist wäre nicht zu bestreiten gewesen. Mit dem Geist rede ich ja die ganze Zeit schon. Immer will der ein andres Programm im Fernsehn sehn, um sich zu nähren. Meist Sport. Wenn der Papa da ist: Sport. Wenn der Geist über mich kommt: Sport. Mein Geist ist gut genährt. Ich bin es oft nicht. Ich kenne beides nicht, nicht Gott, nicht Geist. Nicht Gott, nicht Geist. Nur den Vater. Ich kenne nur den Vater. Und was ist mit der Natur? Die muß ich mir nicht erklären, die ist einfach schön. Hab sie zwar lang nicht mehr gesehn, doch, doch, die Natur ist nicht Fräulein, aber schön, man will sie aber trotzdem sehn. Man sieht sie überhaupt viel zu selten, die Natur, das sagen Menschen im Fernsehn, die uns die Natur kleinschneiden, damit sie auf den Bildschirm paßt, sie wird auf Bildschirmgröße zugeschnitten, und dann wird sie vorgezeigt, ja, im Fernsehn zeigt die Natur auf wie ein Schulkind, die einzige Natur, die mir zugänglich, wenn auch nicht betretbar ist, dort kann man sie nicht übersehen. Dort kann man sie sehen und nicht: übersehen. Man kann sich an ihr nicht sattsehen. Die kommt viel zu selten vorbei, die Natur. Weiß doch, daß wir nicht bei ihr vorbeikommen können. Das Universum kommt im Fernsehn vorbei, und ich schaue es mir an. Bei mir kommt es nie vorbei, aber ich kann es mir im Fernsehn anschauen. Vielleicht kommt die Natur zu Ostern? Guter Zeitpunkt. Da haben wir sie ganz besonders vermißt. Da ist sie erwünscht. Das wäre ihre nächste Chance, sich zu zeigen. Leider kein Spaziergang. Der Spaziergang fällt heuer wie jedes Jahr ins Wasser, das in sich hineingefallen ist und einen Bach bildet, der nur noch wegwill. Die Natur steht ja nicht still. Die Natur kann man zwar erklären, wenn man nur genug studiert hat, wenn man die Naturgesetze erforscht hat, aber was soll man machen, wenn man sie kaum je sieht, wenn man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht, in dem man doch die ganze Zeit schon herumgeht? Also herumgehen kann ich nicht, das steht fest. Ich sitze fest. Mein Dasein ist irgendwie festgefahren, aber fahren kann ich auch nicht. Ich kann hier unten Formeln studieren und anwenden, okay. Also ich könnte, ich kann aber nicht. Bla bla bla. Das heißt, ich könnte das einmal können, wenn ich es gelernt hätte. Und als Formeln wären sie für mich durch die Abendschule vielleicht verständlich geworden, und trotzdem bliebe dann das, wovon sie sprechen, was sie deuten, das Unverständliche. Derzeit alles unverständlich. Bla bla bla. Rhabarber Rhabarber Rhabarber. Also bin ich schon wieder bei einem Schöpfer gelandet, bei meinem Vater, der mein Schöpfer, Erhalter und Vorenthalter ist, das ist bequem, dafür muß wiederum ich nichts mehr lernen. Mein Vater und Mann lernt für mich. Ich muß mich um nichts kümmern. Er holt sogar die Windeln fürs Baby, ja, das, welches überlebt hat, Pampers aus einem fernen Supermarkt von entfernteren Bergen für nur ein Stück Baby. Gäbe es zwei davon, müßte er die doppelte Menge kaufen, ein riesiger Packen. Das fiele dann schon auf. Ach was, das fällt niemandem auf! Wohin ich auch renne, ein, zwei Meter im Quadrat, mehr geht nicht, aber diese ein, zwei Meter kann ich auch springen, nicht überspringen, aber springen, das könnte ich, wo ich auch bin, überall glotzt mich ein Schöpfer an, mein Vater, der mir dieses Leben bereitet hat und nun ernsthaft erklären will, daß er mich so wollte, wie er selber aber nie hätte sein wollen. Warum denn sonst ich? Wie er ausgerechnet mich aber haben wollte. Er hat immer den Andren geschaffen, aber wie oft kommt jemand wie ich dabei heraus! Als könnte ich über meinen Tellerrand hinausschauen und mich als einen Anderen begreifen, der es auch geschafft hat, geschaffen zu werden! Sein Abfall, des Schöpfervaters Müll, aber auch unsrer, da muß ich gerecht sein, die Kinder machen auch viel Mist, der Müll also bleibt für mich als Existenz übrig, die Erde und der Müll, die bleiben mir, die Kinder, die Erde, der Müll, kein Hund, die bleiben mir, denn der Vater hat mich nicht gewollt, jedenfalls nicht so, er hat mich als eine Andere gewollt, er hat mich gewollt, aber als Tochter, oder nein, er hat mich nicht als Tochter gewollt, er brauchte nur zu wählen, und dann hatte er mich, er hatte mich, die Mutter kam vor mir, jetzt aber komme ich vor ihr. Er hat mich der Mutter vorgezogen. Ich bin dazu in den Keller verzogen. Die Mutter durfte oben bleiben. Die Glückliche! Aber sie ist immerhin meine Mutter. Er hat mich geschaffen, und dann hat er mir sogar einen Ort zum Leben geschaffen, im Keller, im tiefen Keller sitz ich hier, mein Vater! Was rede ich da, das weißt du eh! Ich war als eine Andere gewollt, die ich zu gern selber kennengelernt hätte, aber es ist immer ich dabei herausgekommen, ohne raus zu können, ich bins!, zwar nicht immer, aber mindestens in der Hälfte aller Fälle bin es ich, die hier vorkommt, nein, es sind noch mehr Kinder da, ich habe aber keine gute Chance, deswegen übersehen zu werden. Doch der Schöpfer übersieht nichts, kein Haar fällt vom Kopf, das der Schöpfergeist übersehen würde, da nützt einem kein heißes Bemühn, er kommt über mich und haucht mich an, ich rieche, was er gegessen hat, etwas mit Zwiebel, sowas kommt immer raus, ich komme hier nicht raus, er erschafft mich, der schafft mich!, obwohl ich doch fertig bin, längst fertig, er hat mich ja fertiggemacht, echt fertig. Und jetzt ist er endlich auch fertig. Hat abgeschüttelt. Ausgetrunken und abgespritzt und abgeschüttelt das Bäumchen. Bla bla bla. Rhabarber. Die andere Hälfte wäre die schlechtere. Ich bin die bessere. Ich bin die bessere Hälfte meines Vaters geworden. War ganz leicht. Die erste Hälfte hat er nicht mehr gemocht. Es war ganz leicht. Nein, anders. Es war furchtbar schwer. Mir fehlen die Worte. Ich weiß, daß Sie das nicht bedauern würden, denn da sind sie natürlich schon wieder, die lieben Worte, waren wohl nur kurz verreist. Anders als ich. Ich bin ganz weg, daß meine Worte zu mir zurückgekehrt sind. Als auch ich wieder zu mir gekommen war und keinen andren Weg und keinen andren Ausweg mehr hatte, konnte ich es kaum glauben, wo und unter welchen Bedingungen mein Ich ich sein mußte. So. Ich bin ein schlecht bestelltes Feld, das im Netz des Tores, im Aufscheinen der Flutlichter ganz anders ausgeschaut hat, man hat die Größe aber nicht gesehen, man hat meine Größe einfach nicht gesehen. Überhaupt hat mich keiner mehr gesehen. Ich gäb was drum, wenn ich nur wüßt, wer heute wieder mein Herr gewesen ist. Ach ja, weiß schon! Jetzt fällt es mir wieder ein. Viel Auswahl hab ich ja nicht. Ich fülle das Feld jetzt aus, wie von mir verlangt. Ich würde auch mehr ausfüllen, aber man gibt mir keinen Fragebogen, was ich will und was nicht. Ich wurde bestellt und habe den Käufer dann enttäuscht. Er gibt mich grade wieder zurück. Immer wieder gibt er mich zurück. Aber nur er ist da, mich zu nehmen. Und den Müll, der ich bin, muß ich auch noch runtertragen. Jeden Tag die Stiege runter. Zuerst Mann, dann Kinder, dann kein Hund.

 

GeistIn: Wollen Sie Ihren Mörder als Ihren Befreier oder was? Glauben Sie, Sie können es sich aussuchen? Wollen Sie Ihrem schrecklichen Schicksal entgehen? Da müssen Sie aber dran arbeiten! An allem müssen Sie arbeiten. Es geht nicht, daß Sie nicht arbeiten, weil alle es müssen. Leben ist gleich Arbeit. Alles ist gleich Arbeit. Die Arbeit ist einem nicht gleich. Sie macht auch nicht gleich. Die Arbeit hetzt Sie mit tausendfacher Glut, das ist schon mal klar. Auch der Himmel, wenn er mit seiner Umarmung in Gestalt eines Mannes gewaltig in Sie eindringt, arbeitet. Das macht doch alles Arbeit! Auch das Küssen, als wollte es Sie in wollüstigem Tod ersticken, macht Arbeit. Küssen Sie! Schon macht es Ihnen Arbeit! Sind Ihre Lippen kalt und müssen Sie sie anwärmen: Arbeit. Antworten: Arbeit. Ein Kind tränken: Arbeit. Ein Kind umbringen: Arbeit. Heulen und Zähneklappern: unwillkürlich, aber Arbeit. Ficken: Arbeit. Einen Menschen dabei schaffen: Arbeit. Tausendmal Arbeit. Einen Menschen befreien: Arbeit. Kommen, egal woher: Arbeit. Gehen, egal wohin: Arbeit. Übrigbleiben: Arbeit. Für die Gräber sorgen: Arbeit. Das Leben an sich: Arbeit. Der Profit, der aus dem Leben herausgeschlagen wird: ja, auch der Arbeit. Und wer bewertet diese Arbeit? Wieso sag ich das überhaupt? Woher hab ich das bloß? Was für einen Wert hat das? Denn wenn es Arbeit ist, muß es doch auch einen Wert haben! Ich als GeistIn sage: Das Finanzkapital, das Finanzkapital, das Finanzkapital ist inzwischen die einzige Instanz, die Maßstäbe für den Wert der Arbeit setzen kann. Sie müssen jetzt nicht mehr arbeiten, denn das Kapital arbeitet. Allerdings nicht Ihres. Wert für Geburt, Wert für Tod, Wert für Arbeit, Arbeit für Arbeit, Maß für Maß, Arbeit wird Arbeit, und wieder zurück: Arbeit wird jetzt auch: Arbeit. Arbeit vernichtet auch: Arbeit. Das alles bedeutet nichts mehr. Woher hab ich das bloß? Aus mir selbst, aus meiner Arbeit, woher denn sonst? Das bedeutet alles nichts mehr, weil Arbeit immer Arbeit ist, aber nicht immer Arbeit hat. Trotzdem: Arbeit ist das halbe Leben, und jetzt ist es eben die andre Hälfte auch noch. Sie werden keinen Unterschied merken. Nur die Arbeit wird einen Unterschied merken. Arbeit ist Leben, und Leben ist Arbeit. Arbeit ist ein Bad. Arbeit ist flüssig, und man wird darin eingetaucht. Man wird eingetunkt und gegessen. Die Arbeit frißt einen auf, weil alles Arbeit ist und daher nichts Arbeit ist. Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir. Arbeit, Arbeit, Arbeit! Ach, wir Armen! Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf und trug und hegte?, das macht doch Arbeit!, und mit Freude Beben erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?, das macht doch auch Arbeit! Ein Meer von Arbeit, das jedes Werkzeug verschluckt, mit dem man ihr zu Leibe rückt. Das macht doch Arbeit! In Lebensfluten, im Tatensturm wall ich auf und ab, webe hin und her! Das macht Arbeit, das kann ich Ihnen sagen! Dem Wasser kann man genausowenig ausweichen wie der Arbeit. Das Wasser ist wie Dreck. Aller Dreck ist wie Wasser. Arbeit ist Dreck. Arbeit ist alles. Wenn man hineintritt, muß er ausweichen. Dreck weicht aus, wenn man ihn tritt. Bekämpfen kann man ihn nicht. Arbeit bekämpfen geht auch nicht. Das Kapital ist jetzt der Sozialismus geworden, weil es als einziges noch etwas leistet, wenn es arbeitet. Aber es wird nicht immer mehr, wenn es arbeitet, es kann auch weniger werden, obwohl es so fleißig arbeitet. Alle anderen arbeiten nur, weil es nichts anderes mehr gibt als Arbeit. Aber das Kapital, das Kapital, das Kapital arbeitet mit einem Ziel. Früher hatten Sie auch ein Ziel. Jetzt hat nur das Kapital ein Ziel. Woher hab ich das bloß? Der Geist weiß es nicht. Die GeistIn weiß es auch nicht. Wir leben in der Arbeit, doch das einzige, was wirklich arbeitet, ist das Kapital. Das Kapital ist sein eigener Sozialismus. Die Aktiengesellschaften sind heute der Sozialismus des Kapitals, des Kapitals, des Kapitals. Auch wenn sie nicht allen gehören. Das macht nichts, denn alles ist Arbeit. Woher hab ich das bloß? Keine Ahnung. Der Geist weiß es nicht. Die GeistIn weiß es auch nicht. Das Kapital ist gleich. Dem Kapital ist alles gleich. Es ist ungleich, und deshalb muß es arbeiten, schon allein um mehr zu werden. Um so viel zu werden wie andere haben. Es wird aber oft weniger. Wer arbeiten kann, arbeitet. Wer nicht mehr kann, arbeitet auch. In permanenter sozialer Tätigkeit, im Oberstübchen, in der guten Stube, im Keller. Überall soziale Tätigkeit, aber wirkliche Arbeit ist nur vom Kapital, vom Kapital, vom Kapital zu erwarten. Wer arbeitet? Alle arbeiten und keiner. Nur das Kapital arbeitet. Keiner kann sich ausschließen. Keiner darf sich ausschließen. Wer das Kapital an seiner Arbeit hindert, gewinnt. Aber niemand kann das Kapital an seiner Arbeit hindern. Daher gewinnt niemand. Alle greifen danach, schon hat es wieder einen Monat gearbeitet, das Kapital, wo sind Früchte zum Ernten? Es ist, als griffen die Hände in Wasser, es ist, als griffen sie in Dreck, alle wollen mehr Kapital, und dazu muß es arbeiten, dagegen muß es aber auch arbeiten. Es ist nicht aufzuhalten. Die Arbeit des Kapitals endet nie. Es ist nie zu stoppen, weil ja alle arbeiten müssen und niemand nicht arbeiten muß. Das Kapital ist zur Entnahme bereit, aber sogar dann arbeitet es. Es arbeitet an seinen Einnahmen. Es wird entnommen, wenn es gearbeitet hat. Es wird entnommen, wenn es gearbeitet hat, auch wenn es nicht mehr geworden ist. Es wird auch genommen, wenn es weniger geworden ist, dann wird eben weniger genommen. Alles ist zur Entnahme bereit. Alles arbeitet. Es ist das einzige, das noch arbeitet, das Kapital, nein, es ist eins von allen, die arbeiten. Es gewinnt, weil, es gewinnt nicht, obwohl es so fleißig gearbeitet hat. Auch wenn es weniger wird: Arbeit. Das macht aber gar nichts, denn arbeiten müssen wir alle. Alles Arbeit. Alles Arbeit. Alles Arbeit oder was? Alles: Was?

 

FaustIn (sieht jetzt einen andren Film, der ihr offenbar besser gefällt. Sie macht es sich im Fernsehsessel bequem und stellt der Konkurrentin im andren Fernsehsessel den Ton mit der Fernbedienung ab): Mein Müll. Was meinst du, Geist? Muß ich denn wirklich weiter Waren aus dem Lager verpacken, Adreßkleber drauf, schon krieg ich auch wieder eine geklebt, und dann rauf aufs Fließband. Meine Quelle! Meine Quelle sind diese Pakete, noch, aber die Quelle ist versiegt. Das Sanierungskonzept nicht tragfähig. Dem Vernehmen nach ab sofort eingeschränktes Sortiment, ohne mich. Stimmt der Masseverwalter zu? Der Masseverwalter wird nicht zustimmen. Diese Pakete, die jetzt stillgelegt sind, so schöne Sachen drin!, ach hätten Sie sie nur einmal von innen gesehen wie ich, wie ich!, befeuern mein Midassein nicht, und nicht mein Miteinandersein, auch nicht mein Inderweltsein allein, was werden sich die Leute freuen, wenn sie diese Pakete zu Weihnachten bekommen! Zum allerletzten Mal. Die Quelle ist versiegt. Das Ende ist in Sicht. Selbst wenn übernommen, würde sich der Käufer übernehmen, die Mitarbeiter würden nicht übernommen. Frauen allesamt. Zur Kündigung angemeldet, zum Fall ins Wenige, das sie auch vorher nicht hatten. Freie Dienstnehmer entstehen, frei frei frei!, die Chöre halten uns diese mutige Ansprache: Endlich frei, dafür konnte man früher ins Gefängnis kommen, wenn man frei sein wollte. Jetzt erlaubt. Freiheit erlaubt. Schon da. Bin schon da! Schon angekommen, die Freiheit. Wir hoffen bloß, es besteht noch Hoffnung! Die Dienstnehmer sind an die Frist, an jene Frist, an jede Frist nicht gebunden und können jederzeit freigesetzt werden. Frei, endlich frei! Unendlich frei! Ein gegebenes Wort wird nicht gehalten, und wir fallen in die Freiheit. Dazu müssen wir gar nichts tun. Sie wird uns geschenkt! Was heißt: Freiheit endlich erkämpft? Es heißt nichts, denn wir kriegen sie geschenkt! Unsre Frauenhände packen nichts mehr und packen nichts mehr an. Ich mache auch selber welche, mache Pakete nur für mich, für Mann, Kinder, Hund! In meine Arbeit am Band, auf das ich die von mir gepackten Pakete lege, fließen alle ein, die die Waren hergestellt haben. Frauenhände verpacken fein und legen damit alles von sich selbst hinein und legen sich damit selbst hinein, bevor es ein andrer tut. Reingelegt werden sie ja immer. Kommen sie für die Frühpension in Frage? Wer kommt in Frage? Wer ist pensionsnahe Mitarbeiterin, voriges Jahr noch belobigt, jetzt ohne, jetzt ohne Mitte, jetzt keine Mitarbeiterin mehr? Bitte suchen Sie jene, die pensionsnah sind und nicht zu nahe am Wasser gebaut haben! Sie werden nur welche finden, die nahe an der Nachbarwohnung, im unbezahlten Einfamilienhaus, nahe der lauten Bundesstraße, nahe der Eisenbahn, nahe dem Flughafen, nahe der Autobahn gebaut haben. Solche finden Sie überall, warum also hier? Wo sind Jobangebote? Hier sind Jobangebote. Nichts dabei. Da ist doch nichts dabei! Aus. Aus. Aus. Wir kommen aus entlegenen ländlichen Gebieten, es war unsere einzige Arbeitsstelle, die versiegt ist, der Sieger nimmt den Rest, aber da ist keiner mehr. Wenn Wasser versiegt ist, bleibt nichts. Unsere Gebete sind nicht erhört worden, unsere Gebeine sind müde, wir würden aber trotzdem weitermachen, wenn man uns ließe. Wir haben die Stelle am Band, das können wir, wir sind ja selber alle, wir sind schon alle, wir sind ja selber alle wie am Fließband hergestellt, eine wie alle. Die Pakete gehen nicht verloren. Die sind nicht wie wir, obwohl wir sie für andre besorgen. Wir sind besorgte Paketversenderinnen. Besorgt sind wir, und wir besorgen alles, was Sie wollen. Für unsere Besorgungen: nur wenig Zeit. Besorgt gehen wir in der Welt auf, so finden wir nie Zeit zum Lernen und fanden sie nie. Nie. Nie. Nie. Seit unserer Kindheit fanden wir keine Zeit, und wenn, dann hätten wir sie uns natürlich aufgehoben. Dann hätten wir mehr davon gehabt, mehr Zeit, mehr von der Zeit. Ist aber auch nicht vorgesehen. Wir gehen besorgt in der Welt auf, indem wir Besorgungen machen wollen, für die oft keine Zeit ist. Die werden ohnedies immer weniger. Geldmangel. Entzug. Leere. Die Quelle ist versiegt, die Händler aber wollen noch weitermachen. Wie wollen sie weitermachen, wenn die Quelle für den Nachschub versiegt ist? Ich frage nur. Ich frage nur. Weiterhin mit potentiellem Investor verhandeln. Dazu kann ich nichts sagen. Die Welt hat es uns ordentlich besorgt. Keiner hält eine Ansprache. Alle beim Frühwarnsystem zur Kündigung angemeldet. Keiner bleibt übrig. Das ist unser letztes besorgendes Aufgehen in der Welt, ja, das muß es sein. Bla bla bla. Rhabarber. Rhabarber. Da kennen wir uns aus. Das ist unser Alltag, besorgt in der Welt aufzugehen, indem wir etwas besorgen, weil es uns kein andrer ordentlich besorgt, es schon lange nicht einmal versucht. Wir sind nur wir, aber wir haben leider an Gewicht zu sehr zugelegt. Zuwenig Bewegung, weil man fernsehen muß. Doch hier ein Investor, der es versuchen will. Daß dies das endgültige Aus ist, stimmt schlicht und ergreifend nicht. Daß es uns einer ordentlich besorgt, stimmt schlicht und ergreifend nicht. Daß uns von den Masseverwaltern ein Forderungskatalog übergeben worden ist, stimmt, nur stimmt nicht, daß er uns übergeben worden ist. Wir werden übergangen. Wir sind übergangen worden. Vereinbart ist. Vereinbart ist ein Angebot. Aber nicht an uns. Der Fortbetrieb soll besichert werden. Mit uns nicht. Wir könnten nur Unsicherheit besichern. So sind wir miteinander, nur: Mein Dasein ist ein Ding. Und die anderen, die Dings, die Dingsbums oder was, die andren sind, die, ach was, die sind halt auch noch da, Frauen sind zum Ficken da, so singen die Mädels in der Fußgängerzone, die sie mit den Burschen durchzechen und durchziehen, umweltlich und zweckdienlich vorhanden sind sie, umfänglich und umfassend vorhanden, könnte man sagen, könnte man überhaupt etwas sagen, wieso sind sie dann nie da, wenn man sie mal braucht? Und jetzt alle! Ich bin, ich bin, ich bin, keine Ahnung, wer ich bin, aber jedenfalls bin ich, ich bin, aber nur weil die andren auch da sind, Mann, Kinder, Hund, die Kolleginnen vom Fließband. Noch. Nur durch sie bin ich. Noch. Mein eigener Schöpfer. Die andren kommen nicht nur einfach neben mir vor, ich mache sie. Ich mache sie. Sie machen sich gut. Und ich mache Pakete für sie. Du hast dich manchmal schon wie ein Schöpfer gefühlt, als du diese Pakete gepackt hast, nicht wahr?, ich packs nicht!, du warst schon fast ein Gott, warst wie er, er hat dich dafür nicht gerade geliebt, das leuchtet mir ein, wer will sich schon Konkurrenz im eigenen Haus heranzüchten?, und jetzt bist du also wieder bei dir selbst gelandet! Harte Landung. Wollen Sie jemanden benachrichtigen? Kreislaufkollaps. Kreislaufkollaps der Wirtschaft. Kreislaufkollaps des Fließbands. Ende des Kreislaufs im ganzen. Bald steht das Band still. Das letzte Band. Kein einziges armes Paket mehr in der Hand. Keine Freude beim Empfänger mehr. Märkte sind prinzipiell instabil, und jetzt hat es halt uns getroffen. Wir sprechen von Blasen. Der Mann spricht vom Blasen. Ich weiß nur nicht, wen. Nein, vom Tuten verstehe ich auch nichts, aber ich spiele als Hobby Tuba in der Feuerwehrband. Es nützt ja nichts. Ich spiele in meiner Freizeit. Es nützt mir nichts. Ich habe nur Freizeit, kann aber nicht ständig blasen. Viele Märkte sind überbewertet oder unterbewertet, fremde Faktoren wüten auf ihnen, die alle mit Menschen und ihren Eigenschaften zu tun haben, Massenverhalten oder Wahn, dilettantisches Treiben, Spielerverhalten, Gier. Nichts davon trifft auf mich zu. Ich habe meine Arbeit verloren wie tausende andre Frauen auch. Ladies first. Da kann man nichts machen. Man kann es uns an der Stirne ablesen, daß wir nichts können. Wir wären auch sonst nicht so keck gewesen, wenn wir etwas könnten oder gelernt hätten. Dieses Mädchen will Blumenverkäuferin lernen und kann nicht mal addieren. Man kann nichts machen, und man kann ohnedies nichts. Zuviele Mitspielerinnen, an den Börsen inkompetente Aktionen, sinistre Neigungen, Irrationalität. Die Leute können sich nicht entscheiden, ob sie Geld verdienen oder Geld verlieren wollen. Ich habe nichts entschieden und bin trotzdem arbeitslos, ein Spielball in einer ökonomischen Ausnahmelage, in der jetzt lang nichts mehr wachsen wird. Diese Lage muß aufgegeben werden. Das würde jeder einen Abstieg nennen, ich aber nicht. Es ist ein Aufstieg, denn du bist beim Geschaffenen selbst gelandet! Geschafft! Das ist ein Haupttreffer! Ich bin bei meiner Liebe gelandet, die für die Frau zählt, die für die Frau allein zählt, die für die Frau alleine zählt, die alleine ist, kaum hat man was, will man es nicht mehr, zum Glück hat man nie. Nur die Liebe ist, was zählt. Der Mann ist jetzt weg. Es war ihm zuviel. Die Kinder allein waren ihm schon zuviel, da ist es auf den Hund nicht mehr angekommen. Ich aber, ich zähle meine Schulden. Die Liebe zählt. Aber ich zähle schon auch!, ich zähle meine Schulden. Ich subtrahiere sie von der Liebe, die der Mann mitgenommen hat. Kinder und Hund hat er dagelassen. Nein, gelassen bin ich deshalb noch lange nicht. Ich dreh gleich durch. Das Geschaffene ist ja immer unzufrieden, und das, was geschaffen wird, ist immer größer als der Schöpfer, der irgendwann die Verfügungsgewalt darüber verliert. Alles implodiert: Staubwolke! Vom Mann seh ich nur noch eine Staubwolke. Der Mann ist nur noch eine Staubwolke. Der neue Freund fünfzehn Jahre jünger. Wir sitzen nur noch am Computer, jedem der Seine! Die Kinder bekommen nichts zu essen. Der Hund bekommt manchmal noch was, die Kinder bekommen nichts. Sie schreien, streiten und machen ihr Zimmer nicht sauber. Sie räumen nicht auf. Der neue Freund sitzt, wie ich, immer nur am Computer. Wir spielen. Wir kümmern uns um nichts. Schöpfer und Geschaffenes fallen irgendwann sowieso zusammen. Warum also aufräumen? In ihnen nur heiße Luft. Bla bla bla. Was sage ich da? Ich weiß ja gar nicht, was ich sage! Was? Was? Das Geschaffene ist das Seiende, das aber ganz und gar nicht den Charakter von etwas hat, das da ist, von Dasein, vom Wegsein, vom Wegsein zehrt, von der Wegzehrung zehrt, weil es, dieses Sein, weil es einen von sich wegzerrt, weil es ja immer für andere da sein muß, ein Für-Andere, lieber ein Für-Anderes, aber das spieln sie nicht, so kommt man zu nichts, so kommt man nicht zu sich. Niemand kommt zu mir. Bei der Unordnung, die die Kinder machen, kommt man eh nicht mehr zur Tür rein. Mein neuer Freund und ich, wir machen Computerspiele. Mein Dasein ist Mitsein nur, weil die anderen tatsächlich vorkommen, noch, im Fernsehn, noch, aber lang werde ich mir das nicht mehr leisten können, andere am Tisch des Lebens freizuhalten, bin doch jetzt selber frei! Freigestellt! Die Kinder patzen mit dem Essen herum und räumen ihr Zimmer nicht auf. Als Frau: Freiraum erkämpft, aber in Freiheit ist er doch gar nicht mehr nötig. Kein Freiraum mehr nötig. Alles Freiraum, der sofort fürs Computerspielen und fürs Chaos im Kinderzimmer genutzt wird. Freiheit: zu der gehört Mut! Manche Menschen fürchten die Freiheit. Ich auch. Mann, Kinder, Hund, Band. Noch. Das Band: noch! Während Dasein das Seiende ist, das prinzipiell verständlich ist, bin ich mir nur durch die anderen verständlich, Mann, Kinder Hund, Band, Arbeit, noch Arbeit, ohne die versteht man mich einfach nicht, aber wer will mich schon verstehen?! Kann man Freiheit verstehen? Nein. Der Mann ist abgehauen. Kann ich Freiheit verstehen? Nein. Man hat sie, oder man hat sie nicht. Man versteht mich nicht ohne die anderen, die jetzt weg sind, den Mann, der jetzt weg ist, dafür habe ich den Zwanzigjährigen, mit dem ich dauernd nur Computer spiele. Die Spur der Kinder ist verschüttet. Chaos im Kinderzimmer. Freiheit? Wer kann schon Freiheit verstehen? Ich ja, ich verstehe die Freiheit irgendwie, ich kann sie gut verstehen, denn, ja, denn!, nicht insofern, sondern denn zu seinem Dasein in der Welt gehört das Verstehen selbst, sein Sein IST das Verstehen, sonst wäre es weg. Der Mann ist jetzt weg. Der neue Freund ist knapp über zwanzig, und wir spielen Computer. Bla bla bla. Lach! So ist Welt dem Dasein verständlich, das Dasein ist der Welt aber immer unverständlich. Geist!, im Charakter der Bedeutsamkeit begegnest du mir. Das ist eine große Ehre. Darf ich dir etwas anbieten? Tee? Kaffee? Saft? Oder was Alkoholisches? Was? Was? Du hast überhaupt keinen Charakter, sagst immer nur nein, verneinender Geist, das bin ich gewöhnt von Mann, Kindern, Hund, sogar das Paket verneinte öfter meine schwache Hand, welche Bestellungen hineinstopfte, als würden diese ihr gehören, doch es mußte immer von mir fort, das liebe Paket, so sorgfältig gepackt, so sorgsam der Adreßkleber drauf, das muß ja nach was ausschauen, nicht wahr. Dafür hast du jetzt mich, Geist, in mir kannst du Gott wieder sehen, vor dem du damals doch geflohen bist! Voreilig. Dort wäre es für dich besser gewesen. Wenn man eine Stellung hat, behält man sie so lang wie möglich. Du hättest alles haben können, du hast alles gehabt! Du blöder Geist, du! Ich werde dich aber nicht vertreiben, dazu bin ich zu schwach. Du Idiot! Sogar das schlägst du aus? Schlägst lieber mich? Jetzt traust du dich, weil der Mann weg ist und der Freund nur Computer spielt! Die Welt, die jeder von uns schafft, und wäre es am Bildschirm, die jeder schafft, der noch die Tasten und auf die Tube drücken kann, die jeder schafft, bevor sie einen schafft, gleicht dem Ebenbild der Gottheit, das heißt, sie gleicht dem, was es nicht gibt, sie gleicht nichts, sie ist ohnegleichen, das heißt, sie gleicht nicht einmal einem Abbild von jemand, den es nicht gibt, ich gleiche nicht dir, Geist! Aber ich halte zu dir, Geist! Du hättest damals, Gott vor Augen, besser den Mund halten sollen! Das glaub ich. Ich würde mich nie nein zu sagen trauen. Zu Gott schon gar nicht. Ich muß eine Jasagerin sein, sonst geht einmal gar nichts. Ich kann es nicht einmal riskieren, im Sinn des Alltäglichen mit Mann, Kindern, Hund miteinanderzusein, ich kann kein Nichtsangehen riskieren, ich kann kein Nichtsanbrennenlassen riskieren, wir haben so wenig Essen hier, auf das Essen müssen wir aufpassen, nichts anbrennen lassen, Fleisch ist ein seltenes Gut, und das Miteinandersein mit Mann, Kindern, Hund ist nicht nichts, es ist mein Alles, mein höchstes Gut, es ist das Allermeiste für mich, das es gibt, obwohl, das verstehe ich natürlich, das Mitsein mit Mann, Kindern und keinem Hund – nein, doch Hund!, hier oben geht es ja auch mit Hund, das hab ich vergessen – etwas nimmt, mir etwas von mir wegnimmt, mich nicht nur deprimiert, sondern depraviert, bla bla bla, mir etwas fortnimmt, denn dieses Miteinandersein ist immer dieses Aufeinanderangewiesensein, und die Quelle ist jetzt versiegt. Und der Mann ist auch weg. Ziehen Sie bitte selbst den Mann von alldem jetzt ab. Sie können ja subtrahieren, hoffe ich. Meine Quelle! Bla bla bla. Mein Job ist weg. Mein Job ist weg. Ich gleiche dem, was ich mir unter dir vorstelle. Seit die Quelle versiegt ist, seit das Versandhaus Quelle vertrocknet ist, wage ich nicht mehr, mir unter mir selbst etwas vorzustellen. Unter den Waren konnte ich mir etwas vorstellen, die hab ich ja jahrelang eingepackt, und ich konnte es an der Wirklichkeit überprüfen, aber unter mir kann ich mir nicht einmal etwas vorstellen. Da sind: wahlweise Mann, nein, Mann nicht mehr, Kinder, Hund, Pakete. Doch das war einmal. Das ist nicht mehr. Ich bin aus meiner Welt herausgefallen, und diese Welt war mir Voraussetzung für alles, für dieses Miteinander, für mein Inderweltsein. Für alles. Für Mann, nein, Mann nicht mehr, Kinder, Hund. Alles. Aber ein möglicher Irrtum quält mich dabei, den ich begangen habe, na, jetzt ist es zu spät, weil die Voraussetzungen nicht mehr stimmen, der Irrtum ist begangen, die Brücke ist eingestürzt, die Quelle ist versiegt, aber es quält mich sozusagen rückwirkend, weil es ja Rückwirkungen auf mich haben könnte, die gar nicht abzusehen wären: Was ist, wenn das Seiende gar nicht ist? Wenn in diesen Paketen nichts als Leere gewesen wäre? Wenn ich die Leere selbst hineingepackt hätte und jedes Begehren nach eigenem Gut, das noch nach realen und fiktiven Werten unterscheiden kann, sofort im Weizenkeim erstickt wäre? Denn das hat es ja bestellt, das Reale, Waren von realem Wert, na ja, für mich nicht, aber für den Kunden, Geldverkehr und Preisbildung unter kapitalistischen Bedingungen, okay, die gelten für mich und für den Kunden, abgehakt, gut, ist ja jetzt vorbei, gut für Sie, falls Sie bei uns nicht Kunde waren, nein, eigentlich egal, schlecht für mich, die Illusion einer Deckung durch Wertsubstanz: nicht mehr gültig, Gold ist nicht mehr Gold, am Golde hängt, zum Golde drängt nicht mehr alles, obwohl ein paar Irre das nicht glauben wollen und immer noch Gold kaufen, obwohl ein paar Irre immer noch Tips geben, daß man Goldmünzen kaufen soll und sogar wo, besser im Ausland, da dort Steuern geringer!, denn das Gold, das lebt auch ganz allein, das glauben die, welche es immer kaufen, Gold: na ja, immer noch gut, solang keine Wertdeckung und Wertdeckelung damit gemeint ist, solang das Gold sein Solo aufgeigen und aufgieren darf, Gold allein: na gut, aber nichts hängt mehr dran, außer uns, und so sagen wir, und außer uns niemand, und wahrlich wahrlich, so sagen wir, daß kapitalistische, kapitalistische, kapitalistische Ökonomie nur nur nur und ausschließlich als Kreditökonomie und Geld nur als Kreditgeld verstanden werden kann, nicht wahr, Gold abgehakt, Gold, Gold, Gold abgehakt, nicht wahr, die Deppen kaufen und kaufen immer noch, mehr denn je, aber es ist längst abgehakt, gut, es gibt noch was, wer hat noch nicht, wer will noch was?, wer hat einen Tieflaster dafür?, Gold kann man kaufen oder nicht kaufen, aber es ist abgehakt, kein Thema mehr, wahrlich, es ist doch so einfach, auch wenn Sies nicht glauben: Das Begehren des Kindes, das ein von mir gepacktes Paket öffnet, wäre erloschen, jedes Begehren erlischt, sobald dieses Paket geöffnet ist. Und Gold erlischt, sobald niemand mehr dran hängt. Der Wert von Wertungen, äh, von Währungen hängt nicht mehr am Gold, aber Sie tun es noch! Sie Depp tun es noch! Glauben Sie denn, Sie wären stärker als eine Währung? Sie müssen doch wissen, daß Sie für sich nichts kriegen, daß es viele gültige Währungen gibt, doch Sie gehören nicht dazu, und Gold kriegen Sie nur für Gold, das eine hebt das andre auf, am Golde hängt, zum Golde drängt undsoweiter, also, was ist jetzt? Gold währt am längsten? Ich währe auch, schon verhältnismäßig lang sogar, und was kriege ich für mich? Nichts! Das Kind will, kaum daß es das Weihnachtspaket geöffnet hat, schon ein neues. Es will immer was Neues. Das ist ganz einfach. Das gilt für immer. Daß man immer was will, das gilt für ewig. Und hat es was, will es noch mehr, das Kind. Schauen Sie, ich bin eine einfache Frau, man läßt mich nun nicht einmal mehr Pakete packen, was ich doch gut gemacht habe, so ganz einfach ist das ja auch nicht, aber das habe ich dabei begriffen, daß jeder, der auf irgendwas setzt, der sich irgendwas wünscht, sich irgendwas kauft, daß also jeder jeder jeder in die Zukunft hineinfällt und damit ins Leere, in die Leere. Jeder fällt in die Leere, der auf etwas setzt. Jeder, der auf etwas andres setzt, fällt nicht. Der steigt. Wer auf etwas anderes setzt, der kann auch aufsteigen. Das geht das geht das geht. Schauen Sie, sonst müssen Sie sich hier auf die Bahngleise legen, wenn Ihr Kurs nicht gestiegen ist. Jedem das Seine. Jeder seines Glückes Schmied. Ich kann nichts dafür, habe meinen Job aber trotzdem verloren, obwohl ich selbst recht gut beschlagen bin. Das geht so, und zwar so, und zwar deswegen so, weil die Zirkulationssphäre sich eben von der Produktionssphäre abgesetzt hat, schon lange, obwohl der Absatz noch funktioniert und noch nicht abgebrochen ist, und nie wieder nie wieder, keinesfalls in einfache Tauschakte konvertiert werden kann. Nie wieder! Nie wieder! Nie wieder! Rückführung unmöglich! Nichts kann mehr in einen Tauschakt zurückgeführt werden, außer auf der Tauschbörse für Kinderkleidung, wo man mich bald finden wird, wenn ich keinen neuen Job finde und nichts Neues mehr kaufen kann. Die Kinder wollen ja was anzuziehen haben, die Kinder wollen immer was Neues, die Kinder müssen was Neues, das in unserem Fall, durch unseren Fall, auch alt sein kann, egal, die Kinder müssen was anzuziehen haben. Die Kinder wollen was aufzuräumen haben. In ihrem Zimmer noch immer Chaos, obwohl ich schon lang nichts mehr für sie kaufen konnte. Dieser Weg ist verschlossen. Hab jetzt vergessen, welcher, also einfach: jeder Weg. Dieses Paket ist verschlossen. Und nicht einmal ich weiß, was drinnen ist, obwohl ich es doch selbst gepackt habe. Das ist jetzt vorbei. Holen Sie sich jetzt Ihre eigene Packung ab, fünf zu null werden Sie abgefertigt werden, mit dieser Packung holen Sie sich eine Packung fünf zu null! Jetzt sage ich Ihnen, wieso meine Pakete allen was gebracht haben, solange es die Post noch gegeben hat, ja, die Post hat allen was gebracht, mir gibt sie aber eigentlich nichts mehr, nein, auch die Musik, die Kunst, das Fernsehen geben mir jetzt nichts mehr, das hat mir nie was gegeben, nicht einmal das Fernsehn hab ich richtig verstanden, nur mein Handy hab ich verstanden, wenn auch nicht alles davon, es kann noch viel mehr, das ich nicht kann, und jetzt wär ich natürlich froh, hätte es mir was gegeben, das Fernsehn, dann hätte ich es nämlich jetzt, dann hätte ich jetzt die Ferne, und sehen könnte ich auch noch, doch ich bin nur in meiner Familie aufgegangen, das hat mir was gegeben, sonst hat mir niemand was gegeben, so, das gibt mir alles nichts mehr, was mir eh nie was gegeben hat, das alles gibt mir nichts mehr, ich schaue auf den Bildschirm und sehe: Das gibt mir nichts. Keiner gibt mir was. Obwohl das Fernsehn das einzige ist, das mir bleiben wird. Der Fernseher kann nicht gepfändet werden, er ist Leben, er ist das und gehört zum Leben, der gehört einfach zu uns, er ist das Leben selbst. Aber es gibt mir nichts. Niemand gibt mir etwas. Alles alles alles, außer dem Fernseher, wo ich nie als Model, das gesucht wird, in einer Castingshow auftreten werde können, weil mich eben keiner sucht und als Model schon gar nicht, nein, als Dancing Star auch nicht, alles alles alles ist ein uneingelöstes Versprechen, sogar dann, wenn das Versprechen erfüllt wird, sogar dann ist und bleibt es für mich uneingelöst, es kann erfüllt werden, aber nie eingelöst, denn alles hat eine grundsätzliche Zukunftslastigkeit, alles wird auf später vertröstet, und es ist typisch, daß vertröstet und versprochen werden muß. Jetzt ist nichts. Derzeit findet nichts statt. Derzeit wird nur aufgenommen, na, ich nicht, um später ausgestrahlt zu werden, tja, ich nicht. Die Show wird ausgestrahlt werden. Ich strahle nicht. Alles ist in der Zukunft, wo es dann aber auch nicht ist. Die Zukunft wird also produktiv, wenn auch nicht für mich. Und in ihrem Zentrum steht das Prinzip all dieser uneingelösten Versprechen, zum Beispiel, ob ich an dieser Publikumsshow werde teilnehmen dürfen, jetzt hab ich ja Zeit, na, mir hat man natürlich nichts versprochen, die Zählkarten waren schon ausgegeben, das Geld auch, und wenn ein Versprechen, dann hätte ich es nicht geglaubt; ich sagte es schon, die Zukunft: nichts als ein uneingelöstes Versprechen!, na, für mich nicht, ich habe nichts bekommen und kann nicht mal einen Gutschein einlösen, und versprochen hat man mir auch nichts. Man hat mich vertröstet, aber versprochen hat man mir nichts. Mir hat keiner was versprochen, die Zukunft schon gar nicht, nicht einmal teilweise. Teilen werde ich sie eh nicht können, der Mann ist weg, der neue Freund starrt auf den Bildschirm. Was bleibt mir übrig, als auch auf den Bildschirm zu schauen. Auch der Computer kann mehr, als ich kann. Er kann mehr, als ich mir vorstellen kann. Was ich an ihm kann, ist gar nichts, es ist zuwenig, er kann viel mehr als ich. Der Freund starrt auf seinen Bildschirm, ich auf meinen. Wir können nichts dafür. Wir können zuwenig. Wir können wenig und starren auf den Computer, der viel mehr kann als wir. Wer hätte ein Versprechen einlösen sollen? Kennen Sie jemand? Versprechen deshalb (und ein leeres Versprechen bleibt es auch), weil es uneingelöst ist und auch bleibt, und jetzt und jetzt und jetzt sage ich: Handel und Wandel, eine Erfindung des Geistes, der stets bejaht, der stets bejaht und doch der Teufel ist. Der Teufel ein Jasager. Da gibt mir aber der Bildschirm beim Spielen noch mehr zurück, als ich vom Teufel je gefordert hätte. Er würde Ja sagen, das steht fest. Er würde mir alles versprechen, er würde sagen: Ja, das kannst du haben, wenn du nur auf die Tiefkühlkost verzichtest und auf die Schnellgerichte und auf die Fertiggerichte und auf McDonald’s sowieso und statt dessen Heuschrecken ißt, bevor sie dich fressen. Doch jedes seiner Versprechen wäre wie ein Krebsgeschwür, die Wucherung einer uneinholbaren Schuld, nur durch sich selbst in Gang gehalten in Gang gehalten in Gang gehalten. Der Teufel ist das Versprechen, das durch sich selbst in Gang gehalten wird. Und wenn sich der Teufel mal niederlegt, dann liegt er im Detail. Einen Kredit wollen Sie? Auf die Zukunft? Glauben Sie, mit Ihren Sicherheiten, die Sie nicht haben, kriegen Sie von uns einen Kredit? Einen Kredit kriegt nur der, der schon soviel hat, wie der Kredit dann ausmachen würde. Es geht mit mir, mit uns, mit jedem, mit keinem nirgendwohin, weil es keine Sicherheiten gibt, nur Versprechen. Das Geld ist nichts als ein Versprechen auf das, was man schon hat, nein, ein Versprechen auf das, was man für das, was man schon hat, bekommen könnte, ach, ich weiß nicht. Ich weiß nicht. Es sollte in die Zukunft gehen, wo das alles eingelöst werden wird, aber es geht nicht, es geht ums Verrecken nicht, es geht dort nicht rein. Diese Kuh geht nicht in den Stall. Sie geht auch nicht ins Kinderzimmer, weil dort so eine Unordnung herrscht, daß sie gar nicht über die Schwelle käme. So. Es geht im Prinzip nichts weiter. Bla bla bla. Da sage ich einmal die Wahrheit, aber einen Job bekomme ich trotzdem nicht, und der Mann ist trotzdem weg. Der neue Freund ist nicht schlecht. Wir haben jeder einen Computer, und um den kümmern wir uns jetzt. Der braucht das. Der braucht das, daß man sich um ihn kümmert. Es kommt uns aber auch eine Menge zurück. Der Computer gibt uns viel in dieser Zeit. Sonst gibt uns keiner was. Vielleicht hätte ich die Wahrheit doch nicht sagen sollen. Also, zweiter Versuch: Ich bin ein Versprechen, das in Zukunft sicher eingelöst werden wird, weil in der Zukunft ja alles passieren wird, weil die Zukunft alles in Gang hält, auch meine Ratenzahlungen für das neue Sofa und die neue Einbauküche, die Computer haben wir ja von meiner Abfindung gekauft, die wir nicht bekommen haben, die Computer haben wir daher auf Teilzahlungsbasis erworben, das ist keine schlechte Basis. Der Computer bringts. Der gibt mir mehr als mein Job früher. Er verschafft mir ewige Kindheit. Spielen, spielen, spielen. Ja, der Computer bringts. Kleine Ursache – große Wirkung. Er gibt, was er hat, der Computer. Er nimmt nichts, er gibt nur. Alle bringen was, alle sind eifrig, alle arbeiten, auch wenn sie nicht arbeiten, nur das Fernsehen gibt mir jetzt nichts mehr. Alle andren bringen mir was. Schauen Sie: Der Tischler zum Beispiel, der Tischler bringts irgendwie auch, aber nicht alles, der Tischler hat für alle was, aber bezahlt muß es werden, weil die Zukunft alles in Gang hält, auch meine Zahlungen, doch diese stocken oder werden es bald, na ja, die Bank wird das anders sehen, aber ohne Geld keine Musi, nicht wahr, es stockt alles, und die Bank ist verstockt und glaubt nicht an meine Zukunft, sie glaubt nicht, daß ich in der Zukunft werde bezahlen können. Die Bank glaubt mir nicht. Ich möchte mich bitte jetzt auflösen und mein Humankapital auf die Zukunft jetzt schon einlösen, sage ich zur Bank, bin auch bereit, auf Zinsen zu verzichten, sehen Sie, Bank, ich verzichte bereits!, Sie haben mich schief angeschaut, und schon verzichte ich, während Sie nur haben haben haben wollen!, wenn ich meine Zukunft bitte jetzt schon haben könnte?, nein?, oje! Ja, auch ich will haben, doch ich bekomme nicht, die Bank sagt nein, ich bin nicht Geld, nicht Gut, aber die Bank will mich, wer will mich?, die Bank!, sie will etwas von mir, und dann will sie alles, was ich habe, solang ich noch was habe, weil sie nichts von mir bekommt und sie mir nichts mehr gibt, weil ich dann ja nichts mehr habe. Scheiße, ach ach ach, am Golde hängt, äh, das wissen Sie ja schon, ach, ich Arme, ich Arme!, egal, an wem ich hänge, Mann, der kürzlich verzogen, Kinder, ebenfalls verzogen, Hund auch, der ganz besonders, egal egal egal, bla bla bla, egal, mein Versprechen auf die Zukunft kann nicht eingelöst werden, von niemand, ich hab es auch nicht gegeben, ich habe nichts zu geben, mir gibt ja auch keiner was, mir gibt keiner was für meine Zukunft, nein, für meine Gegenwart auch nicht, denn ich habe ja nur den Wert, den ein andrer mir zumißt, und in meinem Fall muß ich leider sagen: keinen. Ich habe keinen Wert. Kein Warentermingeschäft mit mir zu machen, hab weder Waren noch Termine. Bin weder Fräulein noch schön. Überhaupt kein Geschäft mit mir zu machen. Mein einziger Wert ist, daß ich keinen habe. Keiner gibt mir eine Abnahmegarantie, ich kann ja nicht einmal abnehmen, obwohl ich das gerne würde!, mindestens fünf Kilo sollten noch runter, aber von mir geht nichts runter, ich bekomme nichts, und ich darf auch nichts geben, nicht einmal mich selbst, nicht einmal etwas von mir selbst. Kein Vertrag also über die Abnahme von mir als Ware, über mein Abnehmen als Ware, über einen neuen Job zu einem künftigen Termin, aber zu einem festgelegten Kurs. Als ich das letzte Mal reingeschaut habe, war dieser Kurs voll, schade, von dem hätte ich echt profitieren können!, na ja, und mein Kurs ist auch am Boden, aber echt. Ich möchte einen Vertragspartner, den ich aber nicht habe, auf den Ertrag und das Ertragen einer, meiner Zukunft verpflichten, aber keiner nimmt mich, wer will mich?, keiner, und da keiner auf meine Zukunft auch nur eine kleine Wette abschließen, nicht einmal eine kleine Anzahlung leisten würde, kann ich auch keinen auf meine Zukunft verpflichten, und ich kann mich selbst nicht mehr auf das Ertragen meiner Zukunft verpflichten. Immer nur Pflichten, doch ich habe keine mehr. Da ist die Zukunft nun so wichtig geworden, für Geschäfte wichtig wie für mich, und hier, genau hier, genau hier hört die Zukunft auf. Jäh und abrupt. Jetzt ist sie da und hat sofort aufgehört, wie sie mich gesehen hat. Ich bin nicht darauf gefaßt, ich falle in meine Zukunft hinein, ja, ich bedeute Zukunft!, wie man mir zwar nie gesagt hat, was ich aber weiß, ich weiß bloß nicht mehr, wann man mir sowas gesagt hat, wahrscheinlich nie, egal, keiner fängt mich auf, keiner nimmt mich, keiner nimmt mir was ab, keiner gibt mir was, keiner gibt was für mich. Und keiner gibt was für die, die ich sein werde, und zwar in der Zukunft. Nur ist die jetzt schon da. Hätte mir nicht jemand einen Stoß versetzt, hätte ich es nicht gemerkt. Hätte mir nicht jemand einen Anstoß gegeben, hätte ich den Computer nicht gekauft. Mein Freund und ich, wir spielen den ganzen Tag. Alle wissen jetzt schon, daß es sich nicht lohnt, auf mich zu setzen. Wie schnell sich das herumgesprochen hat, daß ich nur noch vor dem Computer sitze und spiele. Mein Freund tut auch nichts andres. Warum also ich nicht? Wir spielen, und wir verspielen uns. Wir verspielen einander. Der Computer bringts. Der hat uns soviel gebracht wie nichts zuvor. Es hat keine Folgen. Wir haben Zeit. Wir verbringen sie mit unseren Computern. Zeit, also Zukunft, wird als endloser Vorrat, den man bereits angelegt hat, vorausgesetzt, in die hinein man Geschäfte versichern kann, in die hinein man Geschäfte wirft, in die Zukunft hinein, jawohl, und sie kommen als Nichts oder als Mehr wieder heraus, man versichert Spekulationen mit Spekulationen, man wandert von Sumpf zu Sumpf, aber mir versichert man nur, daß ich in meinem Alter keine Stelle mehr bekomme, auf der ich mich selbst in meine eigene Zukunft investieren könnte, ich bekomme ja jetzt schon keine Stelle, keine Stellung, nicht einmal die, an der ich schon war, habe ich noch, nirgends, wo ich vorkommen kann, nirgends, wo ich jemand nachkommen kann, keiner gibt mir was für mich, ich habe keine Stelle, wo soll ich hin?, wo ist eine Stelle, die frei ist?, ich sehe keine, wo ich hin könnte, ich habe keine, denn auch ein Job ist eine Versicherung auf Zukunft, man investiert sich selbst, man bekommt nichts für sich, man verliert alles, man kann jeden Moment alles verlieren, und so verliert auch die Zukunft ihre Bedeutung, es werden Risiken geschaffen, um Risiken abzusichern, für die Zukunft abzusichern, und dann wird eine Zukunft für die Zukunft geschaffen und gegen die Risiken künftiger Zukünfte verrechnet, alle verrechnen sich dabei, aber sie rechnen weiter, alles wird gegeneinander verrechnet, für die Zukünfte der Zukunft. Nur mit mir rechnet keiner, für mich gibt keiner was, für meine Zukunft gibt keiner auch nur etwas, keine geringfügige Stellung, nicht einmal etwas Geringes, nicht einmal ein Gefüge, nicht einmal Flüge, vor denen man gründlich untersucht wird, abgeklopft, abgescannt, so wichtig ist man geworden!, na, ich bin nicht wichtig, ich bin nicht würdig eines Urlaubs, ich habe ja auch keinen Job. Alles ist Urlaub, alles ist da, aber nur für mich gibt keiner was, nicht einmal der Scanner am Flughafen, der mich vollkommen nackt zeigen wird. Er würde mich zurückgeben, er würde mich freigeben, denn für mich gibt keiner was, man gibt mich zurück, aber mir gibt keiner was. Einem anderen kann so manches etwas geben, nur mir gibt keiner was, mir gibt nichts etwas, außer dem Computer, der gibt mir was. Mit mir allein ist kein Geschäft zu machen. Mit vielen anderen sind auch keine Geschäfte mehr zu machen. Mit mir nicht! Auch mit mir nicht! Nicht mit mir! Jetzt nicht, das steht fest, aber sie sagen: in Zukunft auch nicht, noch weniger als jetzt, das wissen sie jetzt schon. Ich habe meine Arbeit verloren und bekomme nichts mehr nichts mehr nichts mehr. Dann habe ich natürlich Fehler gemacht, ich habe meine Bestimmung verfehlt, und zwar nachträglich noch verfehlt, was ein vages Versprechen war, ohne reale Besicherung. Meine Bestimmung wird von niemandem bestimmt und bestätigt. Meine Bestimmung wird von niemandem besichert. Jetzt sowieso verfehlt, alles verfehlt. Aber hinterrücks wäre ich auch noch ausgelöscht. Nicht hinterrücks, wie von einem Messerstecher, sondern nachträglich noch. Ich müßte, falls das Sein IST (daß das möglich wäre, hätte ich nie vorher gedacht, was vielleicht ein Fehler war), falls es etwas dermaßen Blödes wie das Sein tatsächlich geben sollte, das an sich Seiende in seinem eigenen Sein bestimmen, in seinem eigenen Saft schmoren lassen, aber damit dürfte ich es nicht bewenden lassen, mit Mann, Kindern, Hund darf ich es nicht bewenden lassen, die bewenden sich dann ja auch von mir ab, die werden sich noch von mir abbewenden! Bla bla bla. Ballerballer. Ballaballa. Bescheuert! Lach! Die Quelle ist versiegt, ich kann mich nicht mehr fortbringen, und ich kann auch Mann, Kinder, Hund nicht fortbringen, na, den Mann nicht, der ist schon weg, ich kann die Restlichen höchstens in ein Fortbringungs- äh, Fortbildungsseminar schicken, in einen Kurs, der in die Zukunft investiert, diese Kurse steigen nicht, und sie fallen nicht, sie sind überhaupt keine Kurse, und die Zukunft ist schon verpfändet an weitere Zukünfte, die mit den zukünftigen Zukünften der Zukunft besichert sind, also gar nicht, man versichert mir, dieser Kurs, der bringts, damit kriegen Sie garantiert wieder einen Job, aber versichern können wir das nur für die Zukünfte der Zukünfte dieser zünftigen Zukunft, nicht für jetzt, nicht für derzeit, nicht für heute, nur für morgen, für morgen können wir garantieren, daß es danach auch noch die Zeit geben wird, etwas Zeit, etwas Zeit brauchen wir, dann geht es wieder, nur etwas Zeit brauchen wir, aber heute können wir für nichts garantieren, denn unser Kurs steht zu tief, bitte, er wird einmal besser stehen, in einer der Zukünfte gewiß, sehr wahrscheinlich, eine von ihnen krieg ich!, eine werde ich abkriegen, aber jetzt steht er nicht gut, jetzt sinkt er sogar, der Kurs, ich möchte einen andren, ich möchte durch einen Kurs höher stehen lernen, mein Kurs aber sinkt mit jedem Tag. Die würden sich von mir abwenden, meine Kunden des Lebens, Männer, Frauen, Kinder, Hunde, alle würden sich von mir abwenden, wenn ich sie allein zurückließe und nur noch leere Pakete aufs Band legte, bis ich gar keine mehr aufs Band legen darf (da bin ich besser als Gott, der sah, daß es gut war, und seine Schuhe, auch aus dem Versandhandel, wenn auch nicht von mir verpackt, unter den Tisch streckte und gar nichts mehr tat), ich müßte immer weiter fragen, was das sagt, was ich da sage, was das sagt, was andre sagen, was überhaupt gesagt wird, was da aufgesagt und gleichzeitig aufgekündigt wird.

 

Die andre FaustIn, sie wird später noch drankommen und sich auch für einige Zeit durchsetzen, taumelt herbei, versucht zu sprechen, es entsteht ein Gerangel, die andere wird aber von der ursprünglichen FaustIn rüde abgedrängt. Die ursprüngliche sprüngelt weiter: Blöde Kuh! Ich bin noch nicht fertig! Hau ab! Ich mache weiter: Und um das Dilemma käme ich nicht herum, daß – wo kommt denn die blöde Philosophie jetzt her? Die ist doch noch gar nicht dran! Aber hier steht es doch, daß sie dran ist! Kannst du nicht lesen? – daß das Sein also nur als Erfaßtsein bestimmbar wäre, und dazu müßte ich von jedem Subjekt, das ich deuten möchte, sofort absehen, das geht aber nicht, obwohl ich Philosophie nicht studiert habe, nicht Erlebens- und nicht Ablebensphilosophie, aber das deckt sich nicht mit der Philosophie, die alles übrige auch noch erklärt, na, mir nicht, aber allen anderen, und die alles erklärt außer Geburt und Tod, in denen wiederum ich mich auskenne, hab meine Schwiegermutter lang gepflegt, ständiges Wundliegen mit Sonnenlicht, dem guten Sonnenlicht, mit UV plus, das nichts kostet, behandelt, die Sonne zu ihrem Dekubitus hereingelassen, es hat ja kein andrer gemacht, und keinen andren konnte ich mehr in diesen Gestank hereinlassen, so, das Erklären, das geht also alles nicht, das Deuten geht nicht, das Bedeuten schon gar nicht, denn jedes Subjekt, das ich deuten würde wollen, wäre ja mit mir in der Welt, wäre mit mir, es wäre drinnen mit mir, und durch seine Interpretation könnte ich es mir aneignen, was ich wiederum nicht könnte, denn indem ich es interpretieren würde, wäre es ICH geworden, da es mit mir zusammen in der Welt wäre, würde es in mich hineinfallen und in mir verschwinden, wäre es ich, wäre es ich, wäre es schon Vergangenheit, und dabei kommts doch nur auf die Zukünfte der Zukünfte der Zukunft an. Alles fällt nach vorn, hinten sinkt das Schiff, wir fallen nach vorn in die Zukünfte hinein, und ich müßte mich mir selbst endlich nicht mehr erklären, für was denn?, für wann denn?, und das Sein wäre immer ein mögliches Erkennbares, na ja, nicht von mir, nicht mit mir, bla bla bla, undsoweiter, undsofort, gähn, gut, daß ich nicht Philosophie studiert habe, mich nicht einmal drum bemüht habe, und heiß schon gar nicht, aber als Erkennbares müßte es, was?, das Sein natürlich!, immer wenn und wo man nicht mehr weiterweiß, setzt man das Wort Sein ein, wir gründen einen Seinskreis, dort diskutieren wir dann, im Seinskreis, der sich manchmal mit dem Sinnkreis und der Sinneskrise überschneidet, dort diskutieren wir dann, und schon ist die Philosophie fertig, da muß man sich nicht drum bemühn, das geht doch ganz leicht, bäh bäh bäh, das Sein also müßte immer ein Anderes sein, denn nur wenn es ein Anderes ist, etwas fortgerückt von mir, nicht wahr, indem ich es etwas sozusagen von mir wegschiebe, auf meinem kleinen Gedankenverschiebebahnhof in den Gedankenverschubbahnhof Richtung absolute Grenze, Richtung meiner Grenze, herumschiebe, ja, das geht, denn alles Denken ist ja Schiebung, würde es erst ein erklärbares, würde das Sein ein erklärbares werden, nur mir unerklärlich, für andere erklärlich, wenn auch noch nicht Zukunft, der Zukunft noch nicht würdig, mein Sein keiner Zukunft würdig, eher eine Art Klärgrube sozusagen, eine Erklärgrube wäre das, eine Sickergrube, eine Versitzgrube, in der man wühlt, Scheißhäuselkramer, das haben wir als Kinder gesagt, auf dem Land, wo denn sonst!, ja, alles, was ich zu erklären versuchen würde, in meiner Subjektivität, würde sofort seinen eigenen Subjektstatus verlieren. Alles ist weg. Auf diesen kurzen Kurzschluß kann ich es bringen. Dauert ja nicht lang. Sein Sein darf sein allein, ach wie könnt es glücklich sein! Ach, was weiß ich?, nichts!, ich Arme! Was werden Mann, Kinder, Hund, Pakete dazu sagen? Wenigstens der Mann fällt jetzt weg. Alles leer. Alles Leere. Alles totale Leere. Meine Quelle! Meine Quelle versiegt! Alles leer. Ich gehe fort, ich muß fortgehen, denn der Kurs ist in der Stadt, der Kurs ist woanders, er findet statt, aber er findet mich nicht, er findet mich nicht geeignet, er findet ohne mich statt, und er ist mir sowieso zu hoch gehängt, ich hüpfe aus dem Stand hoch, aber ich erwisch ihn nicht, ich muß wohl fortgehen, um mich zu finden, das ist wie mit den fauligen Krediten, die müssen erst, die müssen erst rücksichtslos versichert, dann rücksichtslos verkauft werden und dann rücksichtslos abstürzen, die sind so rücksichtslos, und doch und doch und doch: Ich kann verraten, verkauft, nicht versichert werden und dann abstürzen, ohne dabei soviel Lärm zu machen wie diese Kreditderivate, wegen derer alle so herumbrüllen, obwohl keiner sie je gesehen hat, die schreien schon vorher, ja, für die einen ist Schuldenmachen so billig wie nie, die andren dürfen gar keine machen, ich kann das ganz leicht: keine Schulden machen, denn man läßt mich keine machen, keine Schulden, kein Kredit für die Zukunft, denn dort, wo ich war, hätte ich mich jetzt schon längst gefunden, wäre ich dort überhaupt je gewesen. Ich bin nichts, und ich war noch nirgends. Hopp! Hopp! Hoppe hoppe Reiter! Fällt mein Seinsknecht hin, so schreit er. Aber ich war nicht dabei, als er fiel. Sein Fall wurde mir aus zweiter Hand mitgeteilt. Die Hand gehörte dem Briefträger. Man muß die Feste feiern, wie sie fallen. Und sie fallen nie dort, wo ich bin. Die Fälligkeit ist dort, wo ich bin, aber die Feste fallen dort nie. So, jetzt kannst du! Bin am Ende.

 

FaustIn2: Ich trete nur dieses eine Mal auf, falls man mich endlich läßt! Um mein Gesicht zu wahren, das Sie dann aber nicht mehr sehen werden, Sie müssen es sich nicht merken, mein Gesicht, dem ich schon morgen nicht mehr unerwartet begegnen werde können, im Spiegel oder sonstwo, denn schon morgen werde ich älter sein, ein ganz klein wenig gealtert, vielleicht etwas verblüht. Hören Sie! Meine Hand fällt ins Regal, sie fällt auf zwei Becher Pudding. Die sind bereits arretiert für den Wegwurf, denn ihr Datum, das Datum für den Verfall, dem wir alle unterliegen, das Verfallsdatum ist mit diesem Tag überschritten, der Pudding kann nicht mehr verkauft werden, vielleicht aber doch, wer weiß, vielleicht findet sich jemand, der nicht genau hinschaut. Aber nein, doch nicht, dieser Pudding wird für die Öffentlichkeit gesperrt, bleibt jedoch Eigentum des Supermarkts, für den ich arbeite. Er ist also verfallen wie wir alle, nur früher, wer weiß, vielleicht nicht früher, auch Sie könnten ja in diesem Augenblick schon sterben, nicht wahr. Ich nehme die verfallenen Puddings, die Eigentum des Supermarkts sind, für meine Kinder mit. Was ist dabei? Niemand ist dabei. Diese Ware darf nicht mehr verkauft werden, kommt in einen versperrbaren Raum und wird für verfallen erklärt. Sie sind verfallen, die Puddings, und werden daher weggesperrt. Sie sind verfallen und werden ohne eigene Schuld eingesperrt und zum Entsorgen aufbewahrt, aufgebahrt. Sie werden weggesperrt und verfallen dann noch viel mehr. Wer aber in den versperrten Abfallraum einbricht, wird wegen Einbruchs angezeigt. Nichts ist etwas wert, das dort drinnen ist. Nichts ist es wert, dafür eingesperrt zu werden. Nur der Verfall ist es wert. Ich arbeite hier, nein, nicht als Aal, der sich überall reinmogelt, sondern als Regaleinräumerin und Ausputzerin. Ich selbst erkläre diese Puddings für verfallen, das Datum sagt es aber auch. Ich lasse sie nicht im Stich, ich lasse sie nicht verkommen. Sie sind zum Wegwurf bestimmt, aber Eigentum des Marktes, der mich beschäftigt, der mein Arbeitgeber ist. Hoppla! O weh! Ich habe so lange gesucht, um endlich mal was Festes zu finden. Dieser Mann, welcher die eingedrückten Kiwis genommen hat, die für den Verkauf nicht mehr geeignet waren, für den Genuß aber schon, ist ja auch damit davongekommen. Die Frau mit ihrer Matschbirne, ich meine der eingedrückten Birne, die sie genommen hat, ohne zu fragen, diese Frau auch. Es ist in allen. Warum nicht ich und die Puddings? Weil ich davonmuß. Der Mensch ist wie Gras und muß davon. Diese Puddings sind eigens pro Stück verpackt. Man sieht außen aufgedruckt, was Ihnen dann drinnen aufs Auge gedrückt wird. Dazwischen faulende Luft. Abgase. Hier räume ich schon so viele Jahre Regale ein, sortiere aus, sortiere mich selber aus und wieder ein, aber da ist kein Regal mehr, wenn ich mich einmal einsortieren will. Es ist die Regel, daß man nichts stehlen darf. Da ist das Nichts. Dort bin ich. Ich will mich einsortieren, irgendwo, will mir etwas besorgen, will mich irgendwo entsorgen, damit ich weiß, wohin ich gehöre, und da mache ich den Fehler und nehme etwas mit, das ohnedies schon gar nicht mehr hierher gehört, denn es ist abgelaufen. Es wird weggeworfen, das ist seine Bestimmung, bleibt aber Eigentum, nicht meines, das ist seine Bestimmung, aber Eigentum des Supermarkts. Es weiß, wohin es gehört, das Eigentum, wie es sich gehört. So. Den Pudding hab ich genommen. Man hat mich eingestellt, der Filialleiter hat mich genommen, aber nicht, damit ich hier mit abgelaufenem Pudding wieder wegrenne, das leuchtet mir ein. Aber man muß die Feste feiern, wie der Pudding so abläuft, nicht wahr. Und das ist er nun mal: abgelaufen. Eingelaufen: mein T-Shirt nach zu heißer Wäsche. Abgelaufen: die Puddings. Hier war nichts, auf das man sich hätte verlassen können, nur die Überwachungskamera. Die hat sich fleißig bewegt. Die schaut uns alle an. Die schaut uns allen hinterher. Mit meinem Lohn kann ich mich kaum bewegen. Ich hatte bis dahin nichts Festes gehabt. Jetzt bin ich Regaleinräumerin und werde es bald gewesen sein. Das wird es gewesen sein. Der Pudding hat sich die Sohlen abgelaufen, der geht nicht mehr, der kann nicht mehr verkauft werden. Ich nehme ihn mit, den Armen, der kaum mehr jemanden finden wird, der ihn will. Ich will ihn. Er ist abgelaufen wie ich selbst. Beinahe. Ist aber gewiß noch gut. Ist noch für den Verzehr ohne gesundheitliche Schäden geeignet. Wie ich selbst. Beinahe. Ist aber noch gut. Es geht mir, danke, gut. So froh über dieses Reale, diese Regale, dieses Regaleinräumen, endlich ein Job. Und dann ist das Verfallsdatum überschritten. Dann läuft der Pudding aus. Nein, er läuft nicht aus, er läuft gar nicht, Becher intakt, Pudding verfallen. Er ist noch gut, aber verfallen. Wie ein Kredit. Noch gut, aber verfallen. Ich wäre nicht gut für irgendeinen Kredit. Dieser Pudding aber ist sicher noch gut, wenn auch wertlos. Er liegt sicher, er liegt gut. Die Kredite feiern schon wieder ihre eigenen Feste, die feiern schon wieder die Feste, wie sie fallen, die Kredite fallen wie von weit, sie fallen, hoppla, sie fallen, so, und am Personaleingang kontrollieren sie streng meine Tasche, ob ich was habe mitgehen lassen, aber wer würde schon freiwillig mit mir mitgehen wollen?, nie würde ich etwas mitnehmen, das einen Wert hat, und wäre er geringfügig, ohne meinen Arbeitgeber um Erlaubnis zu fragen! Frage nicht, was mir sonst passieren würde! Willst du mit mir gehn, mußt du Worte verstehn, hier steht es ja, können Sie denn nicht lesen? Stehlen verboten. Ich werde stichprobenartig, dann aber streng kontrolliert, doch das gilt nur für die echten Werte. Dieser Pudding ist wertlos, da abgelaufen, mir aber ist er noch was wert. Er kann nicht mehr verkauft werden. Er kommt in den versperrbaren Abfallraum, in den jederzeit eingebrochen werden kann. Immer, denn es gibt keine Öffnungszeiten. Außer der Müllwagen kommt. Dann ja. Also ich nehme jetzt den Pudding. Wem schadet es? Er ist Eigentum des Marktes, kann aber nicht mehr verkauft werden. Ich habe über das Eigentum meines Arbeitgebers für mich selbst entschieden, und so muß mein Arbeitgeber befürchten, daß ich keinen Unterschied zwischen Wegwerfware und eigentlicher Ware, also allen anderen Waren mache. Woran soll sich mein Arbeitgeber also halten? Er kennt mich ja nicht persönlich. Er weiß nicht, daß ich nur nehmen würde, was nichts wert ist. Wie soll er das wissen? Das ist fehlender Anstand. Das Eigentum an den Erzeugnissen liegt bei meinem Arbeitgeber, der sie verkauft. Was ist daran unverständlich? Nichts. Ich hätte fragen müssen. Jeder einfache Vorstandsvorsitzende, der sein Unternehmen ruiniert, fragt ja auch vorher, ob er das darf. Die Milliarden verschwinden ja auch nicht so einfach. Sie fragen vorher, ob sie das dürfen. Der blöde Pudding für die Kinder, der fällt mir halt jetzt auf den Kopf, der bricht mir das Kreuz. Dazu war er nicht gedacht. Ich hatte Bezahlung nicht einmal angedacht, muß ich gestehen. Dieser Pudding, zwei Becher, ist absolut wertlos, aber Eigentum. Eigentum des Supermarkts. Er wird weggeworfen, bleibt aber Eigentum. Weshalb käme er sonst in einen eigens versperrbaren Raum, wenn er nicht Eigentum wäre? Ich weiß: das Kiwi-Urteil. Das Birnen-Urteil. Wer weiß mehr? Vielleicht kann auch Wertloses verkauft werden? Denn alles findet seinen Käufer, auch wenn der nicht bezahlen kann und die Ware wertlos ist. Abgelaufene Ware an der Kasse gestapelt: Verfallsdatum überschritten. Ich nehme mir zwei Puddings. Leider war ich am Kühlregal und habe den Pudding für die Kinder genommen, zwei Becher, Schlagobers integriert, mit integralem Schlagobers, Datum: mit dem heutigen Tage überschritten. Blöd nur, daß der Tag noch nicht geendet hat. Der hat auch nicht vorher gefragt, ob er enden darf. Trotzdem eindeutig überschritten. Also. Verfallsdatum tritt in Kraft, Verfall tritt ein, Krankheit tritt auf, Gase bilden sich. Schlagobers früher obendrauf, jetzt in den Pudding integriert. Manche integrieren sich nie, andre schon. Es kommt immer drauf an. Dieser Schlagobers hat das geschafft. Pudding jetzt! Pudding jetzt ich. Mir zittern die Knie. Ich hätte das nicht dürfen. Rechtfertigt das meine Kündigung, Herr Filialleiter?, bitte! Herr, Frau Arbeitsgericht? Bitte! Was sagen Sie? Wie komme ich eigentlich dazu, ungefragt abgelaufene Ware mitzunehmen, anstatt selber abzulaufen? Ein bißchen Diebstahl erlaubt? Nein, sagt mir das Gericht. Aber ich bin ja abgelaufen, sehen Sie das denn nicht?! Meine Sohlen, ich selbst, abgelaufen bis auf die Haut! Einfach eine Klorolle mitnehmen, Papier aus dem Büro, oder das Bienenstichurteil? Das Bienenstichurteil hätte ich vorher bedenken sollen, Diebstahl von einem Stück Bienenstich, und es ist aus. Zwanzig Jahre Bienenstiche verkauft, dann ein einziges Mal selbst gestochen und aus. Herr, Frau Gericht, warum ist es dann aus? Wegen einmal? Trotz Geringfügigkeit? Andre waren doch auch nicht geringfügig! Andre sind wertvoll und werden daher nicht verurteilt. Ich schon. Man sagt mir, das habe mit fehlendem Anstand zu tun, daß ich diese zwei abgelaufenen Becher genommen habe. Anstand gegen Ablauf. Wie ist das abgelaufen, daß der Anstand verlorenging? Ich weiß es heute gar nicht mehr. Diese zwei Becher Pudding waren zum Warenverkehr nicht mehr zugelassen und zum Verzehr daher auch nicht. Nicht einmal für den Verkauf. Nur noch für den Abfallraum. Wegsperren und aus. Aber wer weiß? Vielleicht will dort jemand einbrechen, dem sie noch was wert sind, die Puddings? Daher müssen sie doch wirklich was wert sein! Es gibt jemanden, dem bedeuten sie was! Das Band läuft noch, es läuft an der Kasse sinnlos weiter, aber nicht mehr für mich. Diese Ware wird vom Band genommen. Sie ist abgelaufen. Aber wenn es Ihnen keiner sagt und Sie nicht genau schauen, kaufen Sie die Ware, das ist schnell geschehen, das ist für den Supermarkt gern geschehen. Bitte. Nein, da läuft nichts mehr. Das Band ist abgelaufen. Ich bin gekündigt worden. Mein Kreditrahmen ist Null. Mein Kredit ist auf immer abwesend. Mein Besitz ist Müll. Die zwei Schüsserln auch Müll, Sondermüll, Plastikverwertung, für keinen was wert, für mich schon, das gebe ich zu. Das geht nicht. Der Arbeitgeber müßte dann ja damit rechnen, daß auf einmal eine Menge Sachen müllreif sind, wenn er das einmal durchgehen läßt, oder? Aber hier, das Datum, sehen Sie? Das Datum kann man nicht fälschen. Diese Ware kann nicht mehr verkauft werden, wird aber oft genug doch verkauft. Ich sage nur: meine Milch vor zwei Wochen. Verkauft. Obwohl abgelaufen. Jetzt bin ich aber auch sauer! Wegen zweier Puddings! Wollten noch mit dem Band mitlaufen, um etwas wert zu sein, wurden aber entfernt, abgelaufen die Puddings wie ich, wollten noch was wert sein, wollten noch verkauft werden, aber nichts da, fürs Band nicht mehr geeignet. Nehmen Sie diese Puddingschüsserln vom Band, die sind abgelaufen, ich hole Ihnen sofort nagelneue, frische herbei, mit der Frischegarantie, Augenblick! Moment! Neuer Pudding kommt gleich! Bitte um Entschuldigung. Ich nahm Wertloses und wurde gekündigt. In dieser Arbeitswelt kann den Arbeitnehmern nicht gestattet werden, sich an Übriggebliebenem einfach zu bedienen. Sie sollen selber bedienen, aber sie sollen nicht: sich selber bedienen. Diese Puddings, diese Schlawiner, brechen mir jetzt das Kreuz! Halt! Bitte warten Sie! Sie wollten noch aufs Band springen und was wert sein, aber sie durften nicht. Ich hätte auch nicht gedurft. Wie komme ich dazu? Notdurft? Nein! Das hat mit fehlendem Anstand zu tun, sagt das Arbeitsgericht. Eine Frau Arbeitsgericht sagt das. Eine Geringfügigkeit – nein, nicht die Frau Arbeitsgericht! –, aber trotzdem ein Kündigungsgrund. Für die Frau Gericht. Fristlos entlassen. In der Tat eine Kündigung wegen eines Diebstahls grundsätzlich gerechtfertigt, obwohl die Ware nichts mehr wert. Trotzdem immer noch Eigentum des Supermarkts. Es tut uns nicht leid. Weg mit Ihnen! Nehmen Sie Ihre Puddings und kommen Sie nicht wieder! Kommen Sie mit! Und gehen Sie! Das ist endgültig. Das Verfallsdatum war endgültig gültig. Es war schon überschritten. Nichts nützt Ihnen etwas. Es nützt Ihnen nichts. Der Pudding ist ungültig, auch wenn er für Sie noch gültig gewesen sein mag, so spricht das Gericht. Ich sage: Bitte, das zurücknehmen, dieses harte Urteil nicht sprechen, bitte! An das Kiwi-Urteil, an das Birnen-Urteil denken bitte! Alles rennet, rettet, flüchtet. Die Puddings durften nicht mehr aufs Band, obwohl sie schon Anlauf nahmen, verzweifelt die beiden, ich jetzt auch verzweifelt. Sie dürfen auch nicht mehr kommen, Sie! Sie haben uns bestohlen, Sie haben Ihren Arbeitgeber, der immer gut zu Ihnen war, bestohlen. Nehmen Sie Ihre Puddings, aber kommen Sie nicht wieder! Fristlos gekündigt. Holen Sie Ihre Sachen. Sonst schaut er mich immer an, der Herr Filialleiter, jetzt schaut mich keiner mehr an. Hier wurde nicht abgesehen von einer Anzeige. Sie wurde gemacht. Die Anzeige wurde gemacht, denn Diebstahl ist grundsätzlich nicht abhängig vom Wert der gestohlenen Ware, und wenn der Wert null ist, der Diebstahl ist es offenkundig wert, der ist es Ihnen wert, mich zu entlassen, der ist mehr wert, der Wert der Ware ist mehr wert, als Sie gedacht hätten. Der Diebstahl ist keine Null, auch wenn das Gestohlene nichts wert ist. Kommt drauf an, für wen! Er hat mich dann nicht einmal und nicht ein zweites Mal angeschaut, der Herr Filialleiter, der mich kennt. Das tut mir jetzt leid, aber zu spät. Die vollkommen wertlosen Puddings, immer noch Eigentum des Marktes, jedoch wertlos, unverkäuflich, die bleiben mir, die bleiben mir, zum Trost. Sie sind wohl nicht bei Trost! Lange halten die nicht mehr, es bilden sich schon Fäulnisgase. Die Puddings werden zum Bleibenden für mich, nur die Gase sind flüchtig. Ich bin schon weg. Die Kündigung bleibt aufrecht. Ich bleibe nicht aufrecht. Meine Knie zittern, die ganzen Beine zittern. Ich gehe woandershin. Das Band ist still. Das Band ist gestockt. Die Puddings wollten an ihrem Ablauftag noch rauf, schnell, im letzten Moment, wer weiß!, vielleicht kommen wir durch, heute ist immer noch heute, Verfall: heute bereits vollzogen, aber heute ist ja noch, heute ist noch nicht zu Ende, heute ist überschritten, obwohl das Heute heute ist! Verfallsdatum überschritten. Gericht: überlaufen, Verkehrsmittel: überfüllt, Wünsche: unerfüllt. Sie durften nicht mit, meine lieben Puddingbrüder. Ich wollte noch bleiben, aber ich durfte auch nicht. Das war das letzte Band, und es ist zerrissen. Alles steht jetzt still. Allgemeiner Stillstand. Ich muß weg. Aber immerhin, dort, wo ich jetzt hinkäme, hätte ich vielleicht genügend Objekte zu meiner freien Auswahl. Nur: sie einräumen in die Regale, das darf ich nicht mehr. Ich habe dieses Vergehen in einer besonderen Vertrauensposition, als Regaleinräumerin, begangen. Der Wert dieser Puddings ist nicht niedrig, er ist gleich Null, und doch sind sie Eigentum. Mein Wert ist niedrig, er ist gleich Null, und doch will mich niemand als Eigentum. Ich muß jetzt gehen. Den Pudding habe ich nicht verpackt, er ist ohnedies in seinem kleinen Becherchen, schauen Sie: die Verpackung teurer als der Inhalt, der Inhalt verfallen, abgelaufen, noch nicht verfault, aber verfallen, ich muß weg. Mein Datum ist überschritten. Ich muß fort. Die Frau Arbeitsgericht sagt: Vertrauensbruch. Aber was in mir zerbrochen ist, das interessiert keinen. Das ist ja Irrsinn! Das ist Ware, die abgelaufen, aber nicht verrückt ist, ich habe sie schließlich selber eingeräumt. Ich hätte als erste gemerkt, wenn dieser Pudding verrückt gewesen wäre. Ich räume vor dem Gericht den geringen, den nicht vorhandenen Wert dieser von mir entwendeten Ware ein. Das ist das Letzte, das ich noch einräumen darf. Der Becher ist ja teurer als die Ware! Die muß ich zurückgeben. Da kann man nichts machen. Sie ist abgelaufen, muß aber zurückgegeben werden. So. Ich verschwinde. Sie sehen mich nie wieder. Den Puddings habe ich ins Auge geschaut, einen Augenblick Aug in Auge, ein Klecks Schlagobers auf ihrer dunklen Haut: ihr Auge, im Auge des Puddings ist es ruhig. Alles andre: abgelaufen. Da laufen sich die Menschen die Sohlen ab, um einen Job zu finden, ich hatte so einen schönen, für eine ungelernte Kraft, die selber aber keine Kraft mehr hat, und diesen Job verliere ich wegen zweier dummer Pudding-Pennbrüder, die doch selber schon abgelaufen waren. Haben mich nur dumm angeglotzt, die beiden Schlaumeier. Es war zu spät. Für sie und für mich. Also wenn das nicht komisch ist, dann weiß ich nicht. So, jetzt du wieder!

 

Sie verschwindet und wird von der üblichen FaustIn abgelöst.

 

GeistIn: Bitteschön, ich sehe, Sie sind jetzt eine andre. Da bin ich aber froh, denn Ihre wie meine Vorgängerin, ja, genau die von vorhin, sie war schon vorher da, aber es ist uns bisher immer gelungen, sie zurückzudrängen, wir beide, sie und ich, die waren mir beide irgendwie unheimlich. Ja. Alle beide. Da hat einfach nichts gepaßt bei denen. Diese GeistIn vorhin war wie ein Raum, in dem sogar der Geist seine Macht verliert. Sie aber sind mir vertraut. Und ich bin auch wieder dabei. Wir sind in Frauenform im Frauenforum mit dabei. Wir sind immer dabei, wo es um die Frau geht. Wir sind in bester Form, wenn auch in weiblicher. Die Form schmälert uns leider. Ich wollte, unsere Form wäre irgendwie schmäler. Aber na gut, da kann man nichts machen. Wir sind, wie wir sind. Nur Gott ist der, der er ist, war und sein wird. Unsere Figur ändert sich aber. Sie paßt sich dem Essen an. Das Essen paßt sich ihr leider nicht an. Wo waren wir? Sie haben noch was anzulegen? Sie haben noch etwas zuzulegen? Das glaub ich Ihnen gern. Da stehen Sie gar manche schwere Stunde am Bettchen Ihres kleinen Kapitals, ihrer lieben kleinen Ersparnisse, und blicken sorgenvoll, es darf kaum sich regen, sind Sie schon erwacht, kaum beginnt es zu strampeln, studieren Sie schon die Kurse, auf einem kleinen Bildschirm, den Sie immer bei sich haben, beim Wickeln, beim Stillen, beim Kochen, beim Aufräumen laufen sie unaufhörlich durch, endlos, sie laufen und laufen, die Kurse, die rennen auch, wie am Fließband, die Kurse strampeln, sie strampeln sich ab, nur für uns, aber für Sie ist nichts drin und nichts drauf. Für Sie ist nie was drin. Es nützt Ihnen nichts. Die laufen, und sie laufen vor Ihnen davon. Die Kurse laufen Ihnen davon. Auf und davon. Ab und davon. Mir hat auch nichts etwas genützt. Ich bin das Ebenbild Gottes, nur natürlich schlechter. Leider. Sonst wäre ich gewiß mehr im Gespräch. Aber sogar ich weiß, daß sich weder Schönheit noch der Aufstieg des Geldes messen lassen. Alles, was geschieht, läßt die Erwartungen, die Sie an das Geschehen richten, schon mit einfließen. Nichts ist sicher. Nichts ist fest. Alles ist das, was Sie sich davon erwarten, oops, ist es nicht, nein, es ist, was sich immer jemand anderer davon erwartet, der den Gewinn einstreift! Zu dumm! Blöd gelaufen! So wie die Zukünfte der Zukünfte der Zukunft immer schlechter werden, obwohl wir darauf spekulieren, daß sie besser werden, eine der Zukünfte muß ja schließlich besser werden, oder?, bin ich ein schlechteres Ebenbild. Ich ähnle Gott irgendwie, ich war ja schon einmal fast er, fast hätte ich das geschafft, Sie können es nicht vergleichen, da Sie IHN ja nie gesehen haben, aber glauben Sie mir: Ich bin schlechter. Auch wenn man es mir nicht ansieht. Na ja, Objekt bin ich auch wieder keins, obwohl: Für meinen Schöpfer war ich doch nur ein Tennisball, der aus einer Wurfmaschine abgeschossen und wieder eingesammelt wurde. Tausende Male ich, von ihm abgeschossen und wieder zurückgeholt. Ich aber wollte mehr. Wir wollen alle immer mehr als alles. Alles konnte ich nun leider nicht werden, nur eben ein Ebenbild. Vergessen Sie das nie, wenn Sie mich interpretieren wollen! Nach Ihrem Kurs werden Sie das vielleicht sogar können. Aber dann! Aber dann! Sie werden mich zwar fassen können, aber Sie werden nie über mich hinauskommen. Nein, Sie werden auch nicht über mich hinwegkommen. Sie wollen sich die Welt als Erfaßtsein erklären, und Sie wollen die Wirklichkeit des Wirklichen als Erkenntnis objektivieren! Und was sagen Sie dann zu jemand wie mir? Der ach, ach, ach, mit Ach und Krach Philosophie studiert hat? Sie sagen zu mir, was Sie über mich sagen können. Weil alles schlechter ist, was nicht Gott ist, und das Gegenteil ohnehin. Das hat man uns eingebleut. Alles immer schlechter als das Original. Und der Mensch ist sowieso schon schlecht genug.

 

FaustIn: Was? Nicht einmal dir gleiche ich? Klar, daß ich einem Geist nicht gleichen kann. Wo ich doch nicht mal gescheit rechnen, schreiben und lesen kann. Wem dann? Nicht dir? Der Natur? Bin ich wirklich Natur? Echt? Dann wäre ich ja das Unverständlichste überhaupt, und zwar deshalb, weil ich dann ja erklärbar wäre! Fühle ich etwas? Nein. Noch fühle ich nichts, weil mir das zu Erklärende nie näherrückt, wenn ich es mir nur aus dem Anwesenden erkläre. Du, Geist, bist wenigstens abwesend, indem du anwesend bist. Das hilft meinen Erklärungsversuchen bereits ungemein, vielen Dank. Ich kann das hier nicht schreiben, weil ich nicht gut schreiben kann, danke für den Applaus. Aber ich kann es sagen: Jetzt aber wirklich Philosophie! Jetzt kommt sie, jetzt kommt sie! Ich spreche in Zungen, aber sogar die Zunge wird mir noch im Mund umgedreht. Werde mal versuchen, das Wesen des Abwesenden zu erklären. Eine schöne Abwechslung, weil ich es dann wenigstens nicht sehen muß. Sonst erkläre ich immer nur die Abwesenheit des Wesens, für das ich jeweils Sorge trage, Mann, nein, Mann nicht, Kinder, Hund. Ich bin. Ich bin. Ich bin. Sie haben geglaubt, ich wäre es nicht, aber ich bin es! Ich bin es! Wenn nicht einmal Sie mir glauben, wer soll ich denn dann sein? Die Zukunft zu erklären, habe ich aufgegeben, und auf die käms an! Was sage ich da? Das ist doch überall. Leider wird das Alleinsein des Daseins nicht dadurch behoben, daß Mann, nein, der nicht mehr, Kinder, Hund, mehrere Exemplare der Gattung und einer andren, aber ähnlichen Gattung daneben stehn und vielleicht noch zehn andre dazu, wenn wir Gäste zur Geburtstagsjause der Kinder haben, auch wenn alle diese Wesen da sind und ich für sie sorgen muß, kann das Dasein doch sehr allein sein, finden Sie nicht, Geist? Ächz! Lechz! Abschalt! Also die Philosophie hätten wir damit abgehakt, leider haben wir mindestens zehn Minuten, ach was, fast zwei Stunden dafür gebraucht, die wir besser hätten verwenden können, als halbe Analphabetin, die verzweifelt versucht, eine ganze zu werden, Stunden, die wir für anderes hätten verwenden können, für nichts nämlich, für das Sagen, nicht für das Schreiben, Lesen und Rechnen, danke für den Applaus!, abgehakt, indem sie sich vordrängt, die Philosophie?, ja, die, ich sehe nicht, wer sonst, es stellt sich ihr ja keiner in den Weg, wieso drängt sie sich vor?, abgehakt, indem wir erst richtig loslegen und wahrlich wahrsagen, wenn auch nicht die Wahrheit: Sowenig wie mein Dasein ein weltloses Subjekt und ein Inneres ist, denn ich habe ja Mann, nein, den nicht mehr, Kinder, Hund, ein Inneres, zu dem halt ein bißchen eine Welt hinzukommt, sowenig also mein Dasein von der Welt mitkriegt, wenn ich Pakete packe und aufs Fließband lege, gepackt, gelegt habe, meine ich, sowenig wird es dadurch zum Mitsein, daß sich Mann, Kinder, Hund einstellen und bei mir wieder einstellen lassen. Und daß ich diesen Kurs vom Arbeitsmarktservice machen muß, um wieder woanders eingestellt zu werden, während dort, wo ich eingestellt werden möchte, jemand andrer freigestellt, vom Dienst freigestellt, rausgeschmissen wird, werden muß, das nützt mir jetzt auch nichts, oops, da fallen wir also alle schreiend in die Zukunft ein und hinein, auch die Börsenkurse, alles fällt von einer Zukunft in die nächste, nur da ist es nie, und jetzt hab ich meine Stellung ja wirklich verloren! Meine Quelle! Versiegt! Versiegt, ohne zu siegen! Die hat sich verpißt, die Quelle. Das soll ihr mal einer nachmachen! Muß woandershin jetzt. Die Quelle ist versiegt und vertrocknet. Ich muß weg. Ich muß was lernen, das sehe ich ein. Für Mann, nein, Mann nicht, Kinder, Hund, alle verstockt, nicht versiegt, aber verstockt, wäre das nicht nötig gewesen. Bitte, bemühen Sie sich nicht! Jetzt ist es allerdings nötig, das Lernen, es ist nötig, wird mir aber nichts nützen, ich lerne, doch es nützt mir nichts, ich lerne auf den Computerführerschein, damit ich neu eingestellt werden kann, damit ich untergestellt werden kann, komm ins Trockene, Freund!, geh darin unter, Feind!, bevor das trockene Klima kommt! Ich brauche einen Frauenjob! Ich brauche, ja, was brauche ich denn?, ich sehe schon, diesen Satz werde ich nie zu Ende führen können, werde nie sagen können, was ich brauche, ich brauche ich brauche, jetzt kommt das Wenn, und wenn das Wenn gewesen ist, weiß ich nicht mehr, was ich gebraucht habe, was mir fehlt, wenn also das Miteinandersein ein Miteinandersein in ein- und derselben Welt besagt, in der alle sind, was sie sind, in der wir alle sind, was wir nicht sein wollen, in einer Welt, die uns glatt alle macht, nein, glatt nicht, eher verkehrt, aber sie macht uns alle, was vielleicht auch verkehrt ist, egal, wenn also, wenn also, wenn also dieses Miteinandersein, das wir schon als eins In-Der-Welt festgestellt und definiert haben, welches unbedingt auch indifferent und dem einzelnen, na, mir nicht, aber vielleicht dem Mann von früher, Kindern, Hund unbewußt sein kann – denen ist ihr Sein meist unbewußt, weil ich es ja füttern muß, weil ich dafür Sorge tragen muß, die müssen sich nichts fragen, denn antworten muß sowieso immer ich! – , wenn also, wenn also, wenn also dieses Miteinandersein, von dem ich schon sagte, daß es eins in ein- und derselben Welt sei, sonst macht es ja keinen Spaß, nicht wahr!, wenn die alle woanders wären, nicht wahr?, und wenn uns unser Sein vollkommen unbewußt wäre, obwohl es uns dauernd aufstößt, als hätten wir was Schlechtes gegessen, nicht wahr, bla bla bla bla, dann brauche ich was?, wenn was ist, brauche ich was?, ja, was brauche ich, wenn wir alle miteinander sind, brauchen wir diese zahnplombenzerrenden, zahnschmelzzehrenden Karamellbonbons, die uns zusammener sein lassen, bis wir unentrinnbar aneinander kleben, wie uns in Bild und Ton, oft schon hochauflösend, nein, es löst sich deswegen nicht auf!, gezeigt wird, als erstrebenswert gezeigt wird, die Flasche Eierlikör, die neue Therme, das Öl dazu, das Gas dazu, um uns warm einzuheizen, was brauchen wir, was brauchen wir?, also wenn, also wenn, also wenn das so ist, wie ich nicht weiß, daß es ist, dem einzelnen unbewußt, das Leben vollkommen unbewußt, wie ich weiß und wie gesagt, wenn das Leben mir also meine Möglichkeiten blockiert, indem es sie erst ausformt, aber immer für andere, was ist dann? Das ergibt dann alles keinen Sinn. Es ist vollkommen sinnlos. Danke für den Applaus, der nicht kommt. Nicht einmal der kommt. Sie sind müde, kann ich verstehn. Die Philosophie sagt – ich faß es nicht, die redet ja immer noch, ich hab sie vor einer halben Stunde verloren, und da redet sie immer noch – die sagt halt auch irgendwas. Alle sagen was, doch sie sagen uns nichts. Uns sagt keiner was. Da legt man den Hörer beiseite und wäscht das Geschirr und die waagrechten Flächen in der Küche ab, nein, die senkrechten nicht, außer sie sind vorne, so daß man sie sehen würde, wenn man hinschaute, und wenn man den Hörer wieder nimmt, redet sie immer noch, die Philosophie! Also mir sagt sie nichts. Aber sie sagt und sagt und sagt, und sie wiederholt es sogar, das Sagen, keine Ahnung, wie oft sie das schon wiederholt hat, als ich den Hörer weggelegt habe, daß etwas keinen Sinn ergibt, aber sie sagt nicht, WAS keinen Sinn ergibt. Und dafür hab ich derweil mein ganzes Geschirr abgewaschen! Für nichts. Mehr sagt sie hoffentlich nicht, die Philosophie. Wie kann ich meine Möglichkeiten optimieren und doch Miteinander in der Welt sein? Kann ich nicht. Die redet ja immer noch! Ballaballa. Rhabarber! Mit dem Herzen etwa optimieren? Suboptimal! Das Sein als Geschick, das uns die Wahrheit schickt, die wir dann sofort geschickt zu umgehen suchen? Entfremdung, deren Wurzeln in allgemeiner kopfloser Heimatlosigkeit und daher natürlich auch in natürlicher Wohnungslosigkeit liegen? Das Geschick des Seins, das auf irgendeiner Behörde entschieden wird, wodurch die Heimatlosigkeit aber nur kurz verdeckt wird? Wenigstens Arbeit? Was ist sie denn? Der Vorgang der unbedingten Herstellung, also Vergegenständlichung des Wirklichen durch den Menschen, der sich selbst ja nur als Subjekt erfahren kann? Der Mensch ein Subjekt? Ich lach mich krank! (Beginnt zu lachen, kann das folgende kaum noch sprechen, stößt es prustend hervor) Wie sehen denn Sie den Menschen, sagen Sie einmal! Sie sehen ihn als Opfer der Technik, die Metastase im Gehirn, die Maustaste in der Hand, die sofort nach dem weichen kleinen Wesen tastet, das ihm soviel Freude macht? Die Technik in ihrem Wesen ein seinsgeschichtliches Geschick der in der Vergessenheit ruhenden Wahrheit des Seins? Bla bla bla! Es ist absurd. Es ist alles absurd. Alles. (Schreit vor Lachen. Erholt sich nur mühsam) Und alles bezieht sich nur auf sich selbst, was sollte die Zukunft der Zukunft der Zukünftigen denn anderes sein als das, was sie aus der Gegenwart bezieht? Und dort sind meine Bezüge derzeit mau, faktisch nicht vorhanden. Keine Bezüge mehr. Keine Bezüge, die der Rede wert wären, aber die Philosophie redet und redet. Es kann ja nichts mehr bewertet werden, weil es keinen Wert mehr gibt und keinen Wert mehr hat, was auch immer, es hat keinen Wert. Und früh am Tag schon an der Waschmaschine stehn, bis die endlich von allein arbeitet, wir müssen alle arbeiten, und am Geschirrspüler stehen, der nicht von allein arbeitet, obwohl er noch nicht einmal abbezahlt ist, dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen, und immer so fort heut und morgen. Da gehts, mein Herr, nicht immer mutig zu, doch schmeckt dafür das Essen und die Ruh. Früh wenn die Hähne krähn und die Sternlein sinken, muß ich am Herde stehn, muß Feuer zünden. Na ja, so weit würde ich denn doch nicht gehen, müßte ich auch nicht, denn der Herd ist: daheim. Er geht nicht. Er geht leider nicht, das Gas ist abgestellt, wenn auch nicht von mir. Der Servicemann ist schon unterwegs. Der wird mir wenigstens den Geschirrspüler servieren, hoffe ich. Was sagen Sie? Ich hätte gewiß dabei das reinste Glück empfunden? Glück bei der Arbeit? Na danke. So hat man es mir aber nicht gesagt. Aber wenn Sie meinen ... Jetzt weiß ich es besser. Hätte ich es schon früher gewußt, ich hätte Mann, Kinder, Hund sterben lassen und das Band angehalten. Mann vielleicht sowieso schon tot. Aber das hätte ich nicht ausgehalten. Es war für den Hugo. Es war sinnlos. Alles sinnlos. Wie der Markt etwas gegenwärtig bewertet, so bewertet er auch die Zukunft danach. Und nichts ist mehr erkennbar, nicht einmal Angebot und Nachfrage. Ich habe kein Jobangebot, also werde ich in der Gegenwart als Null bewertet, und daraus zieht man allgemein den Schluß, daß ich immer eine Null sein werde. Blödsinn. Man setzt auf mich, aber ich werde nicht einmal den Einsatz bringen. Wer setzt auf mich? Keiner. Was ich auch tue. Na fein. Es hat keinen Sinn. Auch meine Sinne haben keinen Sinn mehr. Und wenn, dann sagt einem keiner den Sinn. Immer wenn man die Philosophie einmal braucht, ist sie nicht da. Wozu, wofür Sinne? Lesen Sie! Ich habe das gelesen. Ich habe diesen Ratgeber gelesen, obwohl er für mich wenig Sinn macht. Dafür macht das Lesen mir Schwierigkeiten. Keiner versucht auch nur zu erahnen, was ich meinen könnte, was wieder andre meinen, was andre meinen, daß wieder andre meinen, aber was ich meine, das ist allen egal. Ich heiße nichts. Weil mir niemand einen Namen geben würde, einen Job, die Raten fürs Haus, das Geld für den Schulausflug der Tochter, der Unkostenbeitrag für die Kremierung des Sohnes, äh, nein, ich meine für die Kreditnahme des fast erwachsenen Sohnes, der aber immer noch zu Hause wohnt. Die Bürgschaft für seinen Kredit meine ich. Soll ich einem einsam spazierenden Menschen begegnen und ihm, in der Rückschau, die vielleicht eine Zukunft werden wird, ins Gesicht blicken? Eine schöne Abwechslung. Vielleicht. Das Gleiche aber bleibt, obwohl eigentlich das Andere einen mehr interessieren würde, es bleiben Mann, Kinder, Hund. Also es bleibt einer von denen weniger. Das bleibt aber. Wer noch da ist, bleibt auch. Die Quelle ist versiegt. Wo das hergekommen ist, Mann, Kinder, Hund, dort ist nichts mehr. Aber alles andre bleibt mir. Da ist nichts, und das bleibt mir. Der Hund bleibt manchmal nicht bei mir, aber alle andren bleiben. Laut lach! Schmeißt mich doch einfach weg und aus! Laßt mich! Bewahrt mich nicht! Ihr, Engel, nein, ihr auch nicht! Rettet mich nicht! Richtet mich! Jetzt hab ich mich so oft hergerichtet, da könnt ihr dafür ruhig mal mich richten! Nein, auch sechs Richtige habe ich nie gehabt. Habs oft versucht, bin oft angetreten zu früher Morgenstund in der Trafik, habe Nummern angekreuzt, die ich sicher nicht geschoben habe, das wüßte ich, aber ein Dreier war das Höchste der Gefühle. Ich wußte nicht die richtigen Nummern. So. Ich bin gerettet. Ich bin hergerichtet, aber wozu? Für wen? Mann? Kinder? Hund? Für wen, frage ich Sie! Was? Sie lassen mich nicht? Was lassen Sie mich nicht? Man läßt mich doch sowieso nicht! Sie lassen mich nicht? Das bin ich gewöhnt, daß man mich nicht läßt! Damit schrecken Sie mich nicht. Haben Sie zu meiner Rettung was aufzubieten? Engel? Wollen Sie an mir irgendwas bewahren? Was denn, das frage ich Sie! Sie wollen mich für meine eigene Zukunft bewahren? Mir graut! Mir graut! Mir graut so, das ist echt arg. Na ja, der Film heute abend ist nicht schlecht. Schauen wir halt ...

 

GeistIn: Sollen wir das mit der Religion auch noch bringen? Das hier ist eh schon viel zu lang! Danke für Ihre Unaufmerksamkeit! Ich seh doch, Sie sind schon längst nicht mehr aufmerksam. Nicht mehr neugierig. Na, dann danke ich Ihnen halt nicht. Sollen wir das mit der Religion noch machen, egal, was? Das machen Sie doch so gern, wenn Sie nicht mehr weiterwissen,wenn Ihnen etwas zu hoch ist, dann gehen Sie gleich bis ganz nach oben. Ein Trick, den die Leute aber nie durchschauen. Gut für Sie! Das klingt dann alles toll, ist aber nichts, weil Sie ja nicht viel davon halten werden. Und wenn Sie sterben, hat es dafür Sie dann in den Krallen, das sage ich Ihnen heute schon voraus. Wenn man etwas bringt, von dem man nicht viel hält, dann überzeugt man niemanden. Noch niemanden. Es ist nichts recht, weil man eben dran glauben muß. Das ist die Grundvoraussetzung, sonst verstehen Sie nur Bahnhof. Was glauben Sie, wie viele dran glauben müssen, jeden Tag! Ich habe ungefähre Schätzungen. Man muß aber dran glauben. Jeder muß dran glauben. Ich glaube am allerwenigsten an etwas, aber ich muß sagen, es ist eine überwältigende Zahl, die sogar mich überzeugt, wie viele dran glauben müssen. Muß man? Ja, man muß. Diese Zahlen lügen nicht. Alle Zahlen lügen, diese aber nicht. Es sind die richtigen Zahlen. Ja, zahlen muß man immer.

 

FaustIn: Na schön, von mir aus. Halte ich halt die Religion, bis sie mir aus der Hand fällt. Ich kann dazu ohnedies nicht viel sagen. Ich kann sagen, meine Seele gehe wie in größter Not umher, sich selbst fragend und sprechend: Wo ist dein Gott? Sie erfährt es nicht. Merkwürdig. Als gäbe es jemand, der sich mir ohne mein Zutun ins Gedächtnis rufen könnte. Als wäre ich der Geist, der stets gerufen werden kann, nur um dann nein zu sagen! Ich bin schlaflos und wie ein einsamer Sperling auf dem Dach. Da wird Gott angerufen, da werden die Engel angerufen, da wechselt Gott den Provider, weil die Anrufe an ihn zu teuer sind, und zu leicht gerät man in ein fremdes Netz. Da ist er schon wieder, der Herr Gott, nur gibt ers diesmal billiger. Neukunden zahlen nur die halbe Grundgebühr. Altkunden die ganze. Dann wechseln wir schon wieder den Provider, oder wir melden ein andres Familienmitglied als Neukunden an. Während sie auf ihre Verbindung wartet, ist die Seele in einem Zustand, daß sie einerseits weder im Himmel ist, noch vom Himmel einen Trost erhält, und andererseits weder auf Erden ist, noch von der Erde einen Trost haben möchte. Sie schwebt also irgendwie wie gekreuzigt zwischen Himmel und Erde und leidet, ohne daß ihr von irgendeiner Seite Hilfe kommt. Die spinnt doch! Denn die Hilfe, die sie vom Himmel hat, und das ist die Erkenntnis Gottes, die alles, was immer man begehren könnte, weit übertrifft, die geht immer ins Leere. Entschuldigung, ich sage das halt so, wie ich es gelesen habe. Aber ein bissel vertrottelt, oder sagen wir besser: einfältig ist sie schon, die Seele. Nicht so dreifältig wie Gott. Einfältig. Sie können ja was andres dazu sagen, wenn Sie wollen. In der Religion ist das sowas von egal, was man sagt. Wenn man nicht dran glaubt, nützt das alles nichts. Also ich sage eben das. Sie sagen was anderes, von mir aus. Denn die Hilfe, die vom Himmel kommt, vermehrt nur die Qual der Seele. Dadurch nimmt nämlich ihre Sehnsucht nach Gott in einer Weise zu, daß nach meiner bescheidenen persönlichen Erfahrung die Heftigkeit der daraus entspringenden Pein die blöde Seele manchmal, wenn auch nur für kurze Zeit, der Sinne beraubt, und ohne Sinne hat die Seele ja keinen Sinn. Man merkt es fast gar nicht, weil die Seele sowas von deppert ist. Wie ein stumpfer Bleistift. Solche Zustände kommen jedoch den Todesnöten sehr nah. Was wollen Sie? Ich darf das doch wohl noch sagen. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen, oder? Das ist Religion, und Religion wird man doch wohl noch ausüben dürfen, auch ohne vorher geübt zu haben. Diese bittere, wenn auch süße Marter wird man doch wohl noch ausleben dürfen. Wenn man seine Triebe oder seine Tierliebe ausleben darf, dann darf man auch seine spirituellen Bedürfnisse ausleben, oder? Alles muß raus. Jeder Trieb muß raus. Man kann keinen Trieb zurückhalten, man kann ihn zurückschneiden, aber raus muß er, raus kommt er immer. Alles muß aus dem Körper raus, und wenn man sich körperlich ausleben darf, dann darf man es auch mit dem Geist, dann darf man sich diese süße Marter der Sehnsucht nach Gott ohne weiteres antun, ohne daß Sie meckern. Meinen Sie nicht, Herr Geist? Sie müssen das doch ganz besonders meinen, auch wenn Sie glauben, Sie müssen das stets verneinen. Sie haben Gott einmal gesehen, dann wollten Sie er sein, dann haben Sie vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr gesehen. Und jetzt sind Sie halt da.

 

GeistIn: Da haben Sie irgendwie recht, wissen Sie. Das Problem ist, daß man, hat man einmal, wie ich, Gott gesehen, dann ist alles, was sich auf der Erde darbieten mag, meinetwegen auch der Seele, ja, auch der, dann ist alles, was einem vielleicht süß und angenehm zu sein pflegt, nichts mehr, was die Seele annehmen könnte. Die nimmt das einfach nicht an. Was für ein Luxus, etwas nicht anzunehmen! Genau den habe ich mir geleistet! Aber sie nimmt es nicht an, die Seele. Sie quillt auf, sie bläst sich auf. Alles, was ist, will sich ja aufblasen, um mehr zumindest zu scheinen. Aber da scheint immer jemand heller, da scheint mir immer jemand noch heller zu sein! Ich nehme an, sie will es annehmen, die liebe Seele, kann es aber nicht. Das ist das Problem, wenn Sie Gott einmal persönlich gesehen haben. Dann wollen Sie nichts anderes mehr sehen, dann nehmen Sie nichts mehr an, dann können Sie nichts mehr annehmen, sondern Sie stoßen alles, was Ihnen auf der Welt begegnen kann, unverzüglich von sich. Man erkennt wohl, daß man nichts geliebt hat als Gott, leider zu spät erkennt man das, denn man hat ja, indem man sein wollte wie er, beziehungsweise gleich er sein wollte, an sich geschuftet wie ein Handwerker, bis der ganze Putz von einem abgefallen war, und danach strebt man nicht mehr in Partikularinteressen nach ihm, damit gibt man sich nicht mehr zufrieden, sondern man will ihn immer wieder ganz, jeder will alles, man will alles, man will den ganzen Gott, wenn schon denn schon, man will den ganzen Gott haben, zu spät, das ist das Problem, zu spät will man ihn immer wieder, da man ihn einmal gesehen hat und hatte, man will ihn man will ihn dann immer wieder, je ferner von ihm, desto nötiger und dringender will man ihn, man will ihn immer wiederhaben, ohne zu wissen, welches Teil von ihm man liebt, man will alles, aber man könnte nicht einmal einen kleinen Teil von ihm ertragen, man könnte nicht einmal die Liebe zu einem Teil Gottes ertragen. Bitte: Die Seele kann sich ja unter Gott auf Anhieb überhaupt nichts vorstellen. Ich habe ihn gesehen, und ich kann mir jetzt alles, wirklich alles vorstellen. Aber das ist kein Zustand des Lichts, der Erleuchtung. Wenn man sich alles vorstellen und alles machen kann, das sehen Sie ja an sich selber, dann kann man sich nichts vorstellen und nichts tun. Man will auch nicht. Man will zu Gott zurück, aber der nimmt einen nicht mehr. Nicht wenn man er sein wollte, dann nimmt er einen natürlich nicht mehr. Wer will schon Konkurrenz im eignen Haus? Mehr Freude über einen bekehrten Sünder als über soundsoviele geachtete Gerechte. Als soundsoviele geschlachtete Geschlechter. Aber nicht, wenn man er sein wollte. Konkurrenz, noch dazu im eigenen Haus, erträgt er nicht. Man sehnt sich nach ihm, aber immer dann, wenn es zu spät ist. So auch ich. Was einmal Wonne war, wird Schmerz, was einmal Wolle war, wird Kunstfaser, was einmal Wohltaten waren, wird Mangel. So auch ich. Bin nicht der Geist, der stets verneint, bin der Mangel. Ich bin der Mangel an sich. Ach, ich kann nicht ansatzweise sagen, was ich meine. Es wirkt also schon!

 

FaustIn: Die bedauern mich kein Haar. Niemand bedauert mich. Meine Seele, die können Sie vergessen. Ich habe sie auch schon vergessen. Ich habe ihr eine Menge Vorwürfe gemacht. Es ist ein schrecklicher Zustand, vergessen zu werden, denk es, o Seele!, keiner kann mir sagen, was das ist. Die meiste Zeit wird meine Seele von Todesängsten gequält, vielleicht zu Recht, vielleicht nicht, ich weiß es nicht. Das vermeintliche Herannahen des Todes – wofür eigentlich? Wieso muß ich das aushalten? Noch dazu bald, warte nur, balde!, unter der Erde! Die gehen im Licht, die seligen Geister, und ich? Unter der Erde, ohne irgendeinen Nutzen als dem für meinen Vater, denn für Gott bin ich hier nicht vernutzt worden! – versetzt mich in Furcht, also meine Seele zumindest, ja, jeden Tag Todesangst!, und die kann ich mir doch nicht herausschneiden, die kann ich doch nicht von meinem Leibe scheiden! Scheiden tut weh. Das ist so heftig, daß ich es kaum aushalten kann. Öfter schlägt darum kein Puls mehr in mir, ich habe keinen Puls mehr, dafür habe ich Zeugen. Die Kinder, meine einzigen Zeugen, fühlen mein Handgelenk und merken, daß ich keinen Puls mehr habe. Meine Hände sind dann so starr, daß ich sie nicht halten kann und nichts mit ihnen halten kann. So, das war jetzt die Religion. Die ist erstarrt und abgehakt. Mehr Religion werden Sie von mir nicht kriegen. Das kriegt alles mein Papa. Was war und was kommt und was ist, das ist für meinen Papa. Mir tut alles so weh, als hätte man mir die Glieder verrenkt. Ich bin bald dran, und die bedauern mich nicht. Der dunkle Gang, die kleinen Zimmer, immerhin ein Bad dazu, als Draufgabe, gekachelt, man muß zum Baden nicht auf den Gang hinaus, für alles andre aber schon, wie hat mein Papa das alles nur gemacht? Das muß ungeheuer schwer gewesen sein, das alles da runterzuschleppen. Nur für uns. Nur für uns hat er das auf sich genommen, nur damit er mich nehmen kann, wann immer er will, hat er das auf sich genommen. Was untersteht er sich, uns dort unten unterzustellen? Aber er ist immer noch mein Papa, auch als Mann ist er mein Papa. Vater! Die Worte werden mir dürr, ich würge, muß einen Schluck Wasser trinken, sonst krieg ich sie nicht runter, die Worte, aber die sollen nicht runter, die sollen ja raus. Ich hab genug geredet. Danke für den Applaus. Ach, das war gar keiner? Egal. Genug. Wäre meine älteste Tochter nicht arztbedürftig als Patientin ausgeliefert und dann eingeliefert worden, wäre es endlos so weitergegangen. Das hätte noch endlos so weitergehen können. Wegen Krankheit aber plötzlich geöffnet. Unser Laden hier wurde wegen Krankheit geöffnet. Dieses Kind hat sich für uns geopfert, vielleicht nicht willentlich, aber doch. Zuvor hat sich noch mein Mann und Vater für uns geopfert. Doch in seinem Alter kann er das nicht endlos tun. Er muß ja weit entfernte Supermärkte aufsuchen, damit nicht auffällt, daß er mehr als bloß mehrere ist. Daß er viele ist. Daß er mit uns zusammen ist, weil er auch mit anderen zusammen ist. Daß er doppelte Last zu tragen hat, die einer für den anderen tragen sollte. Ich würde ihm ja helfen, aber er läßt mich nicht raus. Der hat das alles hinuntergeschafft, der hat die Tür vermint und vergast, um uns alle zuzugasen und abzugasen, hat er gesagt, hat er zugegeben, das hat er zugegeben, aber es war gar nicht wahr: Da war kein Gas, da war keine böse Miene in seinem guten Spiel, keine einzige böse Mine, die hochgehen könnte, aber hochgehen kann immer nur er, wir bleiben unten, wir müssen leider unten bleiben, er war doch mein lieber Papa, keine einzige böse Mine dort unten bei uns. Das hat er nur gesagt, um uns Angst vor der Freiheit zu machen. Als hätten wir die nicht sowieso gehabt! Wir waren seine einzige Kundschaft, Papas Kundschaft, er hätte besser mit uns umgehen können, aber er hat uns immerhin ernährt, wir waren seine Familie. Wir waren seine Zweitfamilie. Andre haben nicht mal eine, er hatte zwei. Meine Zunge hat soeben ein Wort gefunden, sie kann nicht genug Worte finden, aber eins hat sie jetzt, die Zunge gehört zu den wenigen, die sich hier bewegen können, so wenig Platz, meine Zunge schnellt wie ein Fisch, sie findet Worte, sie findet die passenden Worte, sie hat einmal großgetan, als ich draußen war, jetzt sagt sie, was sie dazu getrieben hat. Das, was sie dazu getrieben hat, war so gut und war so lieb, daß sie es gern gesehen hat, danke, gern geschehen. Wenn wirs wild getrieben haben, entschuldigen Sie, ich finde keine Worte, dabei habe ich so wenige, und die sind absolut überschaubar, ich könnte leicht ein andres Wort in meinem kleinen Vorrat finden, doch ich finde immer nur dieses: Wenn wirs hier getrieben haben, so wild es eben ging, nicht sehr wild, also von meiner Seite aus jedenfalls nicht, außerdem ist hier zuwenig Platz dafür, nein, nur hier ist der Platz dafür, einen andren hatten wir nicht, wenn wirs also miteinander getrieben haben, dann wäre hier kein Platz zum Ausweichen gegeben gewesen. Kein Platz zum Umdrehen. Kein Platz zum Parken. Wie hätten wir den Kindern ausweichen sollen und die Kinder uns? Auf dieser schmalen Straße? Der Rand, das Bankett vom Wildwasser, vom Gas, von der Gischt, vom Schaum, von was-weiß-ich ohnedies schon stark angebissen? Ausgewiesen wurden hier nur die Kranken, die Schreienden, die das Nachtmahl zurückgewiesen hatten, um weiterzuschreien. Sowas hält ja keiner auf Dauer aus. Die Gesunden hier aufs Töpfchen, die Kranken hinauf. Ich glaube, die hatten Köpfchen, diejenigen, die krank geworden sind. Zuviel geschrien hier unten. Mein Grab bebt, mein Grab hier bebt, es ist mein einziger Platz, meine Kinder haben auch keinen andren, wir haben alle nur diesen einen Platz, den der Vater uns gegeben hat, er reicht grade so eben, er reicht nicht, er würde keinem reichen, der Platz, der ist nicht genug für uns. Der reicht nie. Die Gräber beben und dein Herz aus Aschenruh zu Flammenqualen, was rede ich da, ein Feuer, das fehlte uns hier unten noch!, da würden wir kein Gas mehr brauchen und keinen Treibsatz, uns anzutreiben. Wir wieder angeschafft, wieder abgeschafft, angeschafft, raufgeschafft, abgeschafft, noch ein Kind und noch ein Kind, geschafft! Eins war ihm nicht genug, eins hätte Papa nicht genügt, da mußten noch mehr her, befreit, frohlockend sprangen die Kinder aus meiner Fotze, die Papa gehört wie alles, einmal zwei gemeinsam, eine Zweiheit, eine Zweifaltigkeit. Das genügt nicht. Mir wird so eng, kein Wunder, ein Wunder, Gott, Gott, Gott!, bitte ein Wunder, bitte ein Wunder jetzt und dann noch eins, wenn möglich!, mir wird so eng, die Mauern, die Erde, die Erde, mein Erdloch, von Papa gegraben, nur für uns, nur für uns, mir wird so eng, die Erde befängt mich, nichts befähigt mich zu nichts, nur die Kinder, die Kinder, für die lebe ich, die Erde bedrängt mich, die Erde drängt auf uns ein, Luft! Luft! Licht? Ja, bitte, Licht auch! Luft aber nötiger. Atmen. Bitte atmen Sie, Sie werden gleich verbunden! Weh dir, wenn du aufhörst zu atmen. Das ist die Warteschleife, aber atmen mußt du trotzdem. Der Zweite, ähnlich dem Ersten oder gar genau wie das Erste, atmet nicht. Das Kind atmet nicht. Was muß ich tun, damit es atmet? Draufhauen? Alles probiert – kein Vergleich. Es atmet nicht. Die Ärmchen bewegen? Es atmet nicht. Arme für andre da, ich meine: meine Arme für jemand andren da. Arme hat das arme Kind, aber es atmet nicht. Luft! Nachbarin! Keine Nachbarin. Nirgends Nachbarn, und wenn, dann hören sie uns nicht. Die stehen zu hoch über uns. Im zweiten und dritten Stock. Es ist nichts zu hören wegen dem Dämmschaum. Papa hat an alles gedacht, nur nicht daran, sich selbst zu dämmen. Der ist ungedämmt und ungehemmt. Der Keller: gedämmt. Das Kind atmet nicht und wird in den Ofen geworfen und verbrannt, damit die Familie oben es warm hat. Ja, wir auch. Die Familie unten speist die Familie oben mit kostengünstiger, umweltfreundlicher, selbst erzeugter Erwärmung, und sie leben auch gut mit der Erderwärmung, sie leben dort oben mit mehr Erwärmung, als die Erderwärmung zu bieten hat, obwohl wir ja in der Erde wohnen und es wissen müßten. Von uns stammt diese Wärme. Weil wir atmen dürfen, dürfen wir auch heizen. Ich bestätige, das Kind wurde ins Feuer geworfen, um das Haus zu heizen, aber nicht allein. Ein so kleines Kind kann kein ganzes Haus heizen, das ist klar, da muß noch einiges an Masse, an Biomasse dazukommen. Wie kommen wir dazu, mit einem Kind das Haus zu heizen? Es wird wohl auch unsere Atemwärme zur Heizung dazukommen. Wir unten heizen das Haus. Wir unten heizen das Haus oben mit, da ersparen sie sich oben ein paar Heizkosten und wissen es nicht einmal!, denn wir unten müssen ja atmen, einatmen, ausatmen, nur manchmal geht das nicht, aber atmen müssen wir, und die Erderwärmung und das Kind im Heizkessel und wir alle unten treiben die Wärme in die Adern des Hauses hinein. Der Vater geht in unseren Keller, als ginge er zu seinem Tod. Dabei wird ihm hier eingeheizt, wir heizen dem ganzen Haus ein mit unserem Treiben, nicht allein, natürlich nicht allein, wir könnten es alleine keine Minute heizen, aber unsere Existenz hier unten spart doch Energie für die zweite, die richtige Familie dort oben, zwei Richtige, das ist nicht viel, dafür kriegt man nichts, nicht einmal den Einsatz, doch, den schon, jede Person ist ein Stück Einsatz und bekommt sich auch wieder zurück. Das ist alles, das ist nichts, wir sind gerichtet, die droben gerettet, eine Rabattmarke Energie, das wirds schon bringen, für die Erstfamilie dort oben, die ja auch meine Familie ist, eine Mutter, eine zweite Mutter, die ersten Kinder, die zweiten Kinder, die zweiten Kinder, welche, da sie zuviel schrien, zu den ersten hinaufgeschickt worden sind, wer, wenn ich schriee, hörte mich in der kleinen Engelchen-Unordnung? Der Papa hört dich, der Papa erhört dich, du darfst rauf, wenn du schreist, du kriegst den Platz an der Sonne, na, wenigstens sind die dort oben fein raus und genießen unsere Atemwärme, die wir von unten her hineinjagen ins Haus, nein, in die Luft können wir es damit nicht jagen, das Haus, es ist unsere Luft, es ist unsere kleine Atemluft, sie heizt denen dort oben ein, ohne daß sie es wissen, sie wärmt uns unten, sie ist unser ganzes Leben, die Luft, sie ist nicht gut, aber immerhin Luft, und Luft ist doch unser ganzes Leben. Der Vater sagt, des Himmels Freude ist nichts in meinen Armen. In diesen die Freude noch viel größer ist, als sie im Himmel je sein könnte. Gewiß. Gewiß. Wo herrschte je größere Freude? Ach, wir Armen! Ich atme ihn vorsichtig an, atmen muß man ja, der muß nicht angeheizt werden, der Papa. In diese Flamme muß man nicht mehr blasen. Der brennt schon von allein, der brennt schon lang für mich. Der brannte schon für mich, bevor er den Ofen eingebaut hatte. Der Ofen dann gelegen gekommen. Das Baby hineingeworfen, den Zwilling. Einer allein von zwein ist genug. Einmal darf die Natur noch, dann ist aber Schluß. Sie hat einen Zweier gewürfelt, die Natur. Auch wenn der Papa nach Thailand fährt, brennt er unter der Sonne nur für mich. Und bevor wir hier verhungern, kommt er wieder zurück. Obwohl brennen er überall könnte, aber nur für mich und auf mich. Es brennt tüchtig herunter. Was soll man da machen. Der brennt, der Flüchtling, der Unbehauste, der Doppeltbehauste, oben und unten behaust, bei mir eher an dem Unten interessiert, oben hat er ja alles, bei mir eher das Unten, das ihn anzieht, die Tiefe, unten in der Tiefe, das hat er drauf, da ist er voll drinnen, das hat er auch drauf, das ist in ihm drin, das Unten, das ihn schon immer angezogen hat, bei den Seinen, bei den Fremden, bei allen, Papa!, die Menschen wollen gern hinauf, aber der Papa will immer nur nach unten. Das Durcherschüttern, das Durcherwärmen, das gefällt ihm schon irgendwie, warum käme er denn sonst immer wieder, bis einmal die Tür explodiert. Die Tür wird nie explodieren, das hat der Papa doch nur so gesagt. Als er sich einmal ärgerte. Nicht ganz ernstzunehmen. Wir aber haben es geglaubt. Hat er aber gesagt. Damit wir uns fürchten. Es hatte ja sonst keiner was zu sagen. Er hat es gesagt. Damit wir uns vor der Freiheit fürchten. Die Tür fliegt nicht in die Luft, und wir kommen auch nie an die Luft, wir heizen das Haus, wir heizen den Heizofen mit unseren Kindern, na, eins zumindest haben wir opfern müssen fürs umweltfreundliche Heizen, Bio, Biomasse, Selbstversorger beim Heizen, nein, wo denken Sie hin? Daß Menschen brennen, reicht noch nicht. Das reicht nie. Was denken Sie überhaupt? Denken Sie, ein so kleines Kind könnte das Haus auch nur für eine Sekunde heizen? Das verschwindet spurlos im Rauch, im Rauch, diese kleine Wärme merkt niemand, die da vergangen und verpufft ist wie unser eigener Atem, ohne Rauch gehts auch, dieser Hauch ist doch gar nichts, ist nicht einmal Rauch. Das Kind ist nichts. Das ist ja gar nichts! Der Vater, der Unmensch ohne Zweck und Ruh, ein Mensch, der wie ein Wassersturz zu Tal peitscht, ein Flüchtling, der ausgerechnet uns braucht, um ein Heim zu haben, und der auch noch uns hier unten braucht, um ein Heim zu haben. Und obwohl er sogar zwei Heime hat – oben hat er ja auch eins –, muß er zu uns runter in den Boden, ruhen bei uns, schwer ruhen bei uns wie Gestein, wie Erz, wie klingende Schellen, die mit sich selber klirren wie eingefrorene Fahnen, die im Wind sich drehn, darauf ein Name, der Name unseres Herrn, der Name des Besitzers, zwei Heime hat dieser Wassersturz, ein Rohrbruch, der hätte uns hier unten noch gefehlt, aber Papa ist ein tüchtiger Handwerker und verhindert, daß das Rohr bricht. Kein Rohr bricht ihm, kein Atem haucht ihn aus, kein Elektro stürzt ihm zusammen, keine Wand kippt um, der Atem stockt und wird repariert, einer stockt, kann aber nicht repariert werden, dafür heizen wir das Haus mit ihm, da war aber kein Atem. Der Flüchtling, der sein Heim verliert, ist nichts dagegen, der Unbehauste, der sein Nichts verliert, ist nichts dagegen, denn daß der Unbehauste nichts bekommt, sondern immer verliert, dafür sorgt er, dafür sorgt der Papa, der doppelt Behauste, er hat mehr von allem, darum gehts ja, nämlich mehr von allem zu haben! Von allem am meisten zu haben. Mehr als Wasser: der Wassersturz, der Luftsturz, der Stürzende, der Engel, Papa, der Engel, Luzifer, der gestürzte Engel, anders wäre er nicht zu uns runtergekommen, um uns das Dunkel zu bringen, nur mittels Sturzes ist er gekommen, der einzige, der uns versorgt, der Engel, der uns mit Nahrung, Wasser, Luft versorgt, keiner darf hier rein, nur er, aber er sorgt für uns, dem Abgrund zustürzend wie Wasser, versorgt er uns. Tiefer gehts nimmer. Für den Wassersturz geht es nicht mehr tiefer, es geht nicht tiefer als bis in den Keller. Tut mir leid, tiefer gehts nicht mehr, wir sind am Boden, wir sind hier der Boden, wir SIND der Boden, wir sind hier schon am Kellerboden angelangt, der tiefergelegt ist, tiefergelegt das Haus wie ein Sportwagen, nur nicht so schlüpfrig, windschlüpfrig, nein, das nicht, wo kriegen wir hier einen Wind her?, es gibt keinen, und wir können unter uns nicht noch ein Stockwerk graben. Wir können uns nicht im Stockwerk irren, denn es gibt für uns kein Stockwerk, nur den Keller. Wir kennen die Welt aus dem Fernseher, aber man sagt uns dauernd, und ich sage es meinen Kindern weiter: Die ist gar nicht echt. Meine Kinder sollen das Echte erkennen lernen. Ich bestätige hiermit, daß es noch eine andre Welt gibt, deren Andenken ich aufmerksam pflege, aufmerksam wie meine Kinder, aber diese ist es nicht. Dies ist nicht die richtige Welt. Die Welt wird im Fernseher gemacht, sage ich ihnen. Aber es ist nicht richtig. Das ist nicht richtig, und es ist nicht richtig. Es ist nicht wahr, aber richtig. Es ist in Wahrheit billig und heilsam, würdig und recht, dir dafür Dank zu sagen, Papa. Keine Ahnung, wofür. Es gibt kein Abbild von etwas, das es nicht gibt. Dort ist die Fabrik für die Wirklichkeit. Im Fernseher. Da gibt es Hütten im Alpenfeld, ja, da, im Fernseher, während das kleine Kind brennt und uns einheizt, dem Vater nicht einheizt, er ist es ja, der das Kind einheizt, der Vater, der gottverhaßte, wen kümmerts. Zwar Kind ist Kind, und Spiel ist Spiel. Was wollte ich damit sagen? Ich weiß es nicht. Wölbt sich der Himmel nicht dadroben? Liegt die Erde nicht hierunten fest? Ich weiß es nicht. Von mir aus könnte der Himmel auch unten sein, aber unter uns sind nur wir, unter uns ist sonst nichts mehr. Der Papa bemüht sich, wenn er unter uns ist, aber tiefer geht es nicht mehr. Einen zweiten Keller kann er uns nicht graben. Ich habe keinen Namen dafür. Mein Papa hat ja auch Gefühle! Und er hat auch keinen Namen dafür. Gefühl ist alles, Name Schall und Rauch, Rauch das Kind, in den Rauch das Kind geschrieben, Schall und Rauch, umnebelnd Himmels Glut. Schall nicht, aber Rauch das Kind. Die andren Kinder Schall, dieses aber nur Rauch. Kein Name, nur Rauch. War ihm das nicht genug? Daß er die Erde umfaßte, beiseite schaffte, die Tür einbaute, mich hineinbaute, mich einbaute wie eine Kredenz in eine Einbauküche, war das nicht genug? Mußten da auch noch diese ganzen Kinder herumgetrieben, herumgetragen, her- und hintransportiert werden?, schaut er Aug in Aug ihnen zu, hörte er ihr Schreien, dann entschied er, unsichtbar sichtbar neben ihnen: die Schlechten nach oben, die Guten, die Ruhigen hier unten, die Ruhigen, von denen wir den Hals nicht vollkriegen. Die Ruhigen bleiben hier und haben nie mehr Ruh. Erfüllen das Herz des Vaters, der ganz in dem Gefühle selig ist, ihr Herr zu sein. Ihr Herr. Für das eine Kind, obwohl Herr der Namen, keinen Namen. Die Hölle will schließlich Opfer haben, hier unten Opfer, dort oben die sechs Richtigen, hier unten nur Opfer, beim Papaopa finden sie Ruh, da finden sie Ruh, waren aber schon vorher ruhig, deshalb durften sie bleiben, mußten nicht hinauf zu den Gesunden, durften sie unten bleiben und hatten alles andre zu vermeiden, hatten nichts zu vermeiden, hatten nichts, meine Ruh ist hin, oje, sie ist wirklich hin!, wir müssen leider unten bleiben, aber andre finden sie vielleicht, die Ruh, und bringen sie mir zurück, aber sie ist hin, sie ist kaputt, meine Ruh ist kaputt, die Unruh dieser Uhr ist auch kaputt, das Kind ist hin, das Kind ist spurlos verbrannt, so klein das Kind, als sein Köpfchen den Ausgang fand, war es schon fast hin, das eine hin, das andre her, das eine Kind hin, her mit dem andren. Was keinen Ausgang sieht, das stellt sich gleich alles als Ende vor. Dieses Kind: bei einem Ende raus, beim andern wieder rein, in den Heizofen, das Kind ist dahin. Das holde unselge Geschöpf: dahin, dorthin. Meine Ruh ist hin, das Kind auch. Alles hin. Wir atmen, wir atmen, ach, wir Armen!, wir atmen, immerhin, wir wälzen die Augen im Kopf herum, aber sie sehen immer dasselbe, sie sehen im Kopf, was sie im Fernsehn gesehn haben, das ist viel weiter fort als alles, das kommt von weither und geht bis zu uns, weit, aber das Fernsehn war gar nicht echt! Echt? Nein! Doch! Sie sehen den Papa, die Kinder sehen jetzt eine Livesendung mit dem Papa. Der bringt uns unser Leben von oben mit herunter, in Form von haltbaren Nahrungsmitteln, Reis, Nudeln, Konserven, während er zum Ficken nach Thailand fährt. Nein, nicht während. Immer schön eins nach dem anderen. Aber das Eine nach dem Anderen, das muß sein. Soviel Zeit muß sein. Der Allumfasser, der Allerhalter, faßt und erhält er nicht dich, mich, sich selbst, ja, sich selbst sogar besonders gut, das ist schon mehr als Erhalten, das ist: Bekommen. Er fährt nach Thailand. Papa fährt morgen nach Thailand. Dort gibt es angeblich alles für den Allumfasser und Allerhalter und Alleinunterhalter. Der erhält dort etwas für sein Geld. Der erhält dort etwas als Gegenwert für sein Geld. Der erhält dort den höchsten Gegenwert. Er lacht. Er lacht. Er lacht und erhält. Er lacht und erhält uns mit Nudeln und Konserven. Er hat vorgesorgt, der Allumfasser, der Allerhalter, der uns alle erhält. Vorher mißt er uns unsere Zeit hier unten noch zu. Er rechnet Meter um Meter an Zeit ab. Die Erde liegt hier unten fest, das hat er gemacht, es steigen hüben und drüben ewige Sterne herauf, das hat er nicht gemacht, es ist aber trotzdem wahr. Wir müssen es ihm glauben, denn das drängt nach Haupt und Herzen uns. Was sollen wir denn sonst tun? Wir müssen uns bedrängen lassen. Wir müssen ihn ewige Geheimnisse weben lassen, sonst gibt er keine Ruh, denn nur wenn er in Thailand ist, gibt er Ruh, er läßt nur ein unsichtbar Schamhaar neben mir, unsichtbar sichtbar der Papa neben mir. Wenn was passiert, ist dann keine Zeit zum Vorsorgen. Zeit zum Vorsorgen: Soviel Zeit muß sein. Wenn mal was passiert, ist nie Zeit. Dann ist nie Zeit, die Rettung zu rufen oder die Feuerwehr oder die Sorge oder das Sorgentelefon. Man muß nämlich vorsorgen. Wir können uns ja nicht wehren, was brauchen wir da die Feuerwehr?, die wehrt sich ja auch nicht. Die hilft uns nicht, uns zu wehren. Erst der Arzt wird uns helfen. Er wird uns zur Selbsthilfe helfen. Hilf dir selbst, dann hilft dir der Arzt. Diese Sendung ist echt, Papa kommt hier live vor, es ist eine Livesendung, da können Sie nicht schummeln, die Kinder wissen, das ist alles echt, obwohl nichts hier unten echt ist. Sie sehen die Mama, die ist echt, sie sehen keinen Hund, sie sehen sich im Spiegel, wir sehen uns im Spiegel, wir wiegen uns in unsere Freuden ein, wir wiegen unser Essen in den Schlaf, wir werfen unser Kind in den Ofen, damit es hier endlich warm wird, es wird aber nicht warm, wir werfen unseren Atem hoch in die Luft, wo er nicht nötig ist, denn Luft ist ja Atem. Wer darf ihn nennen, wer bekennen den, der uns den Atem geschenkt hat. Papa. Ich glaub ihm. Ich glaube an ihn. Ich darf das sagen. Ich glaub ihn, er ist es, den ich glaube. Er ist mein Glaube. Ich bekenne. Jeder Kubikzentimeter Luft ist schon einmal von jemand anderem ausgeatmet worden, na ja, so ähnlich, er wird dazwischen immer wieder mit Sauerstoff angereichert, aber wo soll der herkommen? Wie soll der Sauerstoff hier runterkommen? Die Kellertreppe schafft der nicht, der ist sauer, weil er kein Sauerstoff mehr sein darf, o weh, Entschuldigung, ich bin ja noch tiefer als dieser Keller, Verzeihung!, aber Tatsache ist: Hier unten ist zuwenig zuwenig zuwenig. Hier unten ist zuwenig Sauerstoff. Ich bin dermaßen sauer deswegen! Und wenn ich schon dabei bin: Hier unten ist von allem zuwenig. Von einem zuviel. Von einem zuviel. Ob das dem Papa auf Dauer nicht zuviel wird? Große Angst von uns und bei uns und unter uns. Er ist nicht mehr der Jüngste. Den Papa hätte ich nicht gebraucht. Einen solchen Papa, den hab ich noch gebraucht! Der hat mir noch gefehlt. Oh, mein Papa! Wandle ihn, du unendlicher Geist, Vater, wandle, was immer du willst, von mir aus, wandle den Wurm wieder in die Hundsgestalt, bittebitte, denn ich möchte auch einen Hund hier unten haben, ein liebes Hundi, ich weiß, ich habe nie genug. Ich gebs ja zu. Ich habe nie genug. Alles geht, doch das geht nicht. Einen Hund kann ich hier nicht haben, also gut, Papa, du mußt diesen Wurm nicht unbedingt in einen Hund verwandeln, das sehe ich ein. Ein Hund geht hier nicht rein. Wir gehen hier grade noch so eben, aber ein Hund, das ginge wirklich nicht. Du mußt also diesen Wurm nicht verwandeln, verwende deine Kräfte auf etwas anderes, aber nein, doch nicht auf mich, nicht auf mich! Nicht schon wieder auf mich! Laß dir die Kinder auf die Schultern hängen, laß mich von dir herunterhängen, laß ihn wenigstens einmal hängen, laß ihn hängen, du läßt doch uns dauernd hängen, warum soll dann dein Schwanz dauernd stehen?, das kannst du nicht von ihm verlangen, ich verlange es ja auch nicht von ihm, ich persönlich möchte nicht, daß er dir immer steht, aber bitte, verwandle diesen Wurm nicht, einen Hund könnten wir, so gern wir einen hätten, hier nicht halten. Und wenn du den Wurm schon verwandelt hast, wenn du das arme Wurm schon in den Heizofen geschmissen hast, dann wandle dich wieder zurück in deine Lieblingsbildung, die wir sind, die du uns alle gemacht hast, wir sind deine Lieblingsbildungen, wenn auch nicht sehr gebildet, woher auch?, aber alles, was an uns gebildet ist, ist von dir gebildet worden. Allumfasser. Allerhalter! Wir sind das, was du ausgebildet hast, du hast uns aus deinem Körper gebildet, mich, die Tochter, und unsere andren Kinder, die hast du gebildet, was mußt du einen Wurm in einen Hund verwandeln, wo du doch uns geschaffen hast, das war viel schwerer als einen Wurm in einen Hund hineinschaffen, nicht wahr? Menschen schaffen am schwersten. Wir kriechen im Sand auf dem Bauch vor dir, Papa, auf der Erde, im Staub, wir kriechen, damit du uns mit Füßen trittst oder nicht trittst, aber bitte verwandle keinen Wurm. Und dein Wurm soll sich auch bitte selber nicht verwandeln. Er soll bleiben, wie er ist und wo er ist. Laß den Wurm in der Hose, Papa, laß den armen Wurm in Ruh, schmeiß lieber dieses arme Wurm in den Ofen, aber laß, aber laß, aber laß, ich weiß nicht was, aber laß es! Auf jeden Fall: Laß es! Heiz das Haus mit diesem Kind, aber laß den Wurm in Ruh! Nimm dieses kleine Wurm, aber laß den Wurm auf dem Boden in Ruh! Einen Hund brauchen wir hier nicht auch noch. Der nimmt uns doch die ganze Luft zum Atmen weg. Jammer! Jammer! Von keiner Menschenseele zu fassen, daß wir alle hier unten sind, vom Papa herabgebracht, vom Papa unten erzeugt, warum?, damit auch Sie jetzt dabei sein können! Bitte lesen Sie auch die Fortsetzung morgen! Dabeisein genügt, Dabeisein ist alles. Geschöpfe in der Tiefe unseres Elends. Daß nicht dieses Baby im Heizofen, daß nicht dieses Geschöpf in der Tiefe des Elends sinkt, daß nicht das erste in seiner windenden Todesnot genug tat für die Schuld aller übrigen. So, das ist Religion! Das einer das tut, um alle übrigen zu entlasten oder gar zu erlösen, das Kind im Heizofen, na los, erlöse uns! Bitte, mach schon! Einer muß es ja tun! Wieso sind wir immer noch nicht erlöst? Ich glaube jetzt gar nichts mehr. Vor den Augen des Ewigen sind wir nicht einmal ein Baby, das in einem Heizofen verpufft. Mir wühlt es das Mark und Leben durch, das Elend dieses einzigen, des Kindes im Ofen, und du grinsest gelassen über das Schicksal von uns, nein, tausend sind wir nicht, aber für hier unten doch recht viele, unser Elend rührt dich nicht, unser Elend rührt niemanden, das Kind im Ofen verpufft, in ein paar Sekunden, Minuten verpufft wie das Elend aller. Vor Gott dem Herrn, vor Papa, ein Wimpernschlag, mehr nicht. Na schön. Wie halten wir es mit der Religion? Wir halten sie, aber sie hält nicht, hält uns nicht. Die geht immer wieder ab. Jetzt haben wir sie angenagelt, den Papa können wir ja nicht annageln, der nagelt eher uns, und vorhin ist sie schon wieder runtergefallen von der Wand, die Religion. Nicht einmal die Wand hält die Religion. Wie halten wir es? Wie halten wir es aus? Wie halten wir hier? Rette uns, Papa, oder rette uns nicht! Rette uns oder rette uns nicht! Für dich Rettung nur ein Wimpernschlag, mehr nicht. Es liegt bei dir. Warum hast du Gemeinschaft mit uns hier unten gemacht, wenn du mit uns nicht zurechtkommst, nicht zurande kommst, nicht mal zum Rande des Kellers kommst? Wolltest fliegen und bist dafür in den Keller! Wolltest lachen und gehst dazu in den Keller und machst Menschen und dann noch mehr Menschen. Drängten wir uns dir auf oder du uns? Drängten wir uns dir auf oder du uns? Wie endet das? Endet das? Rette uns, Papa, oder wehe dir! Den entsetzlichsten Fluch auf dich, wenn du uns nicht rettest! Auf Jahrtausende! Sekunden, Minuten das Kind im Heizofen verglüht, nicht einmal verglüht: geschmolzen, verpufft!, aber uns kannst du retten! Bitte! Mach einfach den Riegel auf, deaktiviere das Gas, stille den Sprengstoff und rette uns! Rette uns!

 

GeistIn: Wer wars, der euch ins Verderben stürzte? Ich oder du?

 

FaustIn: Er. Er. Er! Also du. Du bist er. Nur ohne Geist. Ist es dafür, daß den Menschen das Feuer in die Hand gegeben wurde? Damit sie verglühen? Alle brennen für etwas, aber die meisten verglühen, ohne daß sie je gebrannt haben. Meine Mutter, die Hur, die oben kocht und kocht und meine Kinder in die Trachtengruppe und zur Musikkapelle führt, wo sie in Instrumente blasen, mein Vater, der Schelm, der auch irgendwas macht, hab vergessen, was. Was macht er hier unten? Er macht was, er ißt uns, glaub ich, aber das kann nicht sein, wir sind ja immer noch da, minus dem einen, den Sohn, der in den Heizofen kam. Weiß jetzt nicht, hat er den getauft oder nicht, hat er den notgetauft, nachdem er mich wieder mal genotzüchtigt hatte? Ich weiß es nicht. Meine Kinderlein klein, mein Töchterlein, mein Schwesterlein hob auf die Bein an einem kühlen Ort, nein, das Kind ist verbrannt und aus. Fliegt nicht fort, fliegt nicht fort. Wohin auch? Wo auch? Weiter als in den Ofen geht nicht. Papa, erbarm dich! Ich kann dir jetzt nicht dein Essen machen, muß ich doch dieses Kind tränken, das andre verbrannt, doch dieses noch da, muß es tränken, grad hatt ichs noch, wo ist es denn, wo ist es denn? Das wird doch nicht zum Ofen hin sein, dem Brüderchen nach? Ach ja, hier. So. Ich habs getränkt. Muß ja den Papa noch ficken, ficken und ficken lassen, das geht in einem Aufwaschen, vielleicht helfen die Kinder heute bei der Abwasch, dann gehts schneller. Du hast mir das Kind genommen und sagst, ich hätt es umgebracht. Also das geht entschieden zu weit. Es kann nicht auf mich sein, daß sie das sagen. Es ist nicht über mich. Über mir nur mein Vater. Kein Himmel. Erde. Erde. Erde. Über mir mein Vater und Mann. Um mich herum nur Erde. Aber für ein Begräbnis hats nicht gereicht. Soviel Erde, aber es mußte ja unbedingt eine Feuerbestattung sein. Für den Papa: kommt nur Feuer in Frage. Wo ist mein Vater jetzt hin?, wo ist er, weit kann er nicht sein, hier ist kein Platz, hier ist nur Platz für ihn, wir aber sind auch noch da. Hier ist er ja, weit konnte er nicht sein. Da ist er schon wieder. Bringt Einkäufe mit. Windeln, Tees gegen Krämpfe, rezeptfreies Zeugs, eine Wärmflasche. Keinen Arzt. Mann! Mann! Gebt ihn mir, schafft ihn mir, wenn ihr ihn mir nicht geben könnt, aber ich muß ihn haben. Mann! Mann! Papa! Wo ist er? Ach, hier ist er ja! Weit konnte er nicht sein. Hier ist er, und ich bin auch hier. Er ist aus Thailand zurück und stockt sofort unsere Nahrung auf. Danke! Vielen Dank. Viel Zeit wäre nicht mehr gewesen. Wir waren schon knapp. Knapp an Nahrung. Wir waren schon SO kurz davor! Ich sage nicht, wovor. Wir haben schon alles zusammenkratzen müssen, damit wir nicht abkratzen. Schön, daß du da bist, Papa! Danke danke danke! Ich bin auch angekommen, Papa. Aber ich war ja nie weg. Gut, daß du mich trotzdem an der Kellertür, ja, der mit dem Schaum vor der Mündung, dem Dämmschaum, ganz richtig, gut, daß du mich dort abholst, obwohl ich gar nicht fort war. Du hast mich hergebracht und wieder abgeholt. So gehört es sich. Du bist es. Ich komme mit. Warum nicht? Ich komme mit. Die Fesseln los! Befreist mich. Ich komme mit. Wen befreist du da? Weißt dus? Ich komm. Ich komm. Ich komme nicht. Aber ich komme. Kommst du endlich? Kommst du jetzt gleich, Papa? Komm endlich! Was brauchst du denn so lang? Muß noch das Essen für die Kinder kochen. Was brauchst du so endlos, bis du kommst? Mach schon! Komm endlich und befreie uns! Ja, keine Sorge, das Kind längst verbrannt, aber wir sind ja noch da! Ich bin noch feucht. Wisch dich ab, bitte Papa, ich bitte dich, komm endlich, wisch dich ab, dann wisch ich mich auch ab, und dann können wir alle essen. Wenn du endlich fertig bist, können wir alle, die Kinder, ich, kein Hund, dann können wir alle endlich essen. Was schaust du, Papa? Du wirst übrigbleiben. Du wirst übrigbleiben. Wer sorgte denn für unser Grab, wenn du nicht übrigbliebest? Der Vater wird bleiben. Neben die Toten möchte ich auch. Ich möchte neben den Toten meine Totenruhe halten. Also komm endlich, wisch dich ab, ich wisch mich dann auch ab, und dann können wir essen. Gib mir die Hand drauf, Papa, daß du bald kommst und wir endlich essen können!

 

GeistIn: Freiheit.

 

FaustIn: Da hinaus? Nicht um die Welt. Dort steht der Ofen. Siehst dus zappeln? Ich doch nicht! Ich geh dort nicht raus! Rette den armen Wurm, er zappelt noch! Was, du willst nicht? Schmeißt ihn in den Ofen? Fort! Geschwind! Rette den Wurm, damit du einen Hund draus machen kannst! Ein Hund wär so nett. Probier es wenigstens! Vielleicht klappt es ja einmal. Nur übern Steg dann, grad in den Wald hinein, links am Teich. Da könnt er schwimmen und jagen, der liebe gute Hund, besser als ein Mensch. Fort! Rette! Rette!

 

GeistIn: Rette? Rette dich!

 

FaustIn: Sitzt dort nicht die Mutter auf einem Stein? Ach nein, die ist ja oben bei den andern! Sie winkt nicht, sie weiß nichts, sie weiß, sie nickt nicht, ihr Kopf ist ihr schwer, aber sie nickt immer noch, nein, sie nickt nicht, ihr Kopf ist ihr schwer, sie hat Kopfweh. Sie sitzt dort. Sitzt einfach so da. Ach nein, sie sitzt nicht dort. Sie winkt uns nicht. Sie kann schlafen. Wir können uns freuen. Sie kann schlafen. Sie soll schlafen, daß wir wachen können und uns freuen alle beisammen.

 

GeistIn: Rette? Rette dich!

 

FaustIn: Ich schreie laut, daß alles erwacht. Aber wer sollte mich hören? Der Ofen? Der Wurm? Der Hund, den ich nicht habe? Die Kinder? Der Tag, dem es schon graut, bevor er uns sieht. Aber hier unten sieht er uns eh nicht. Der Tag.

 

GeistIn: Genau. Richtig beobachtet. Es wird Tag. Freiheit! Ich lasse dich nicht. Ich lasse dich nicht. Soviel ist Freiheit, daß man nichts läßt, sondern nur gelassen wird. Ich bin ganz gelassen. Gut. Höheres Gut. Freiheit! Dort winkt sie! Sie winkt aus dem Bildschirm heraus. Aber ich glaube nicht als Freiheit. Vielleicht verkleidet. Verdammt. Da ist ja eine vielbefahrene Straße dazwischen. Das hätten sie mir aber auch vorher sagen können. Diese Straße ist nirgends eingezeichnet. Und das GPS schweigt immer, wenn es was sagen soll. Wenn es einmal was sagen soll, schweigt es. Es sagt vielleicht nur mir nichts. Wie komm ich dorthin? Wie komm ich über diese Straße? Kein Zebrastreifen. Kein Fußgängerübergang. Das ist ganz schön gefährlich. Aber ich komm hin. Ich komm dort noch hin! Ich sags euch, ich komm dort hin! Und wenns bis übermorgen dauert. Freiheit! Ich seh sie schon! Guter Empfang heute. Freiheit!

 

FaustIn: What?  

 

 

 

 

From hell:

Goethe: Urfaust“

Joseph Vogl: “Die voranlaufende Verpfändung der Zeit”

Hl. Theresia von Jesu

Martin Heidegger

Ich selbst

Andere

 

 

Lithographien von Eugène Delacroix

aus:
FAUST
TRAGÉDIE DE M. DE GOETHE

Übersetzt ins Französische von
Adalbert Stapfer

Illustriert von
Eugène Delacroix

Paris, 1828, Ch. Motte

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der deutschsprachigen Aufführung ist nur vom Rowohlt Theater Verlag, Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek, Tel.: 040 – 72 72 – 271, theater@rowohlt.de zu erwerben. Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt. Dieser Text gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur ersten Aufführung der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Der Verlag behält sich vor, gegen ungenehmigte Veröffentlichungen gerichtliche Maßnahmen einleiten zu lassen.

 

29.4.2011 / 8.5.2012


FaustIn and out © 2011 Elfriede Jelinek

 

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