für Peter Eschberg

 

Peter Eschberg sieht es als einen Vorteil an, wenn er spielen läßt. Wenn er also jemanden (z.B. wie mich) findet, den er für wert hält aufgeführt zu werden, dann hält er ihm gleich ein Instrument hin: eine Bühne. Von der kann man sich dann abheben, oder man kann überhaupt abheben, wenn man sich traut, sie bewegt sich keinen Millimeter, diese Bühne. Wie man in Österreich sagt: Man derhebt sie nie, sie ist immer zu schwer. Egal. Peter Eschberg sagt einem, im Gegenteil: sie ist leicht, die Bühne. Die Bühne soll einem leicht werden. Damit sie das wird, ist er da und hebt sie ein wenig an, er hilft einem beim Tragen. Es wird ja einen Tag geben, an dem er sie doch noch auslassen muß, und dann steht man da und muß sie alleine halten, während das Publikum und die Kritiker einem Hieb auf Hieb austeilen, und man hat keine Hand frei, um sie abzuwehren. Peter Eschberg denkt: ich habe jetzt lange genug geholfen, die letzten paar Minuten muß sie es alleine aushalten oder sie wird fallengelassen, ich meine: sie wird die Bühne halt fallenlassen, es darf ohnedies keiner die Füße drunter haben, das ist verboten. Die Bühne, das Stück müssen alleine gehen, oder sie müssen überhaupt nicht gehen.

Diese Begeisterung, etwas zu ermöglichen, und zwar auf seiner Bühne, hat Eschberg sicher oft auch Streiche gespielt, aber wenn die Streiche an "seine" Autoren ausgeteilt wurden, dann hat er auch noch die andre Wange hingehalten, Hieb für Hieb hat dann auch er bekommen, und die sind etwas weniger lustig als die dummen Streiche der Dichter. Streicheln hätte auch er sich, wie jeder, gern lassen, für das Wissen, das er besitzt, über das Theater und das Theater hinaus. Er läßt nicht mit sich spielen, der Herr Eschberg, er läßt spielen, zum eigenen Vorteil, weil es für ihn sehr angenehm scheint, sich von einem Theatertext überzeugen zu lassen, und zum Vorteil des Autors, der Autorin. Was treibt ihn an? Will er etwas erklären, unermüdlich? Und wenn man etwas erklären will, dann läßt man ganz besonders nicht mit sich spielen und spaßen, denn dann muß man immer ernst sein. Vielleicht findet er das Publikum zu biegsam, der Peter Eschberg, sodaß er es wieder geraderichten möchte, indem er ihm etwas ausrichten läßt. Das ist dann aber, auch für ihn, immer so wichtig, daß es auf den Punkt gebracht werden muß, wo es nicht mehr zu richten ist, in dem Sinn, daß nichts mehr daran zu richten sein darf. Es muß so sein wie es am besten ist, nicht wie es am besten ankommt. Diese Absicht hat Eschberg, denke ich, daß er zwar gut ankommen möchte, aber das Verkehrsmittel, das er nimmt, ist ihm keineswegs egal. Es muß schon das Zielführendste sein, das Stück, das genau das und das sagt und genauso wie es zu sagen ist. Dafür macht er eine Zusage, daß es auf die Bühne kommt. Es kommt dann vielleicht trotzdem nie an, aber schauen Sie, Peter Eschberg steht immer noch an der Haltestelle, um es abzuholen, denn es war ausgemacht, daß es dort ankommt, auch wenn sich niemand darüber freut, weil alle schon ein andres Verkehrsmitt el genommen haben, mit dem es den Menschen, die brav gezahlt haben, heimgezahlt werden soll, damit sie wenigstens noch ein bißchen innehalten, bevor sie dann doch, immer wieder, nur keine Angst, nur Angst!, zuhause ankommen. Ja, genau, vielleicht ist es aber gerade die Angst vor irgendetwas, das in ihm selber lauert, daß er aufpaßt und wartet, bis das richtige Verkehrsmittel vorbeikommt (man erkennt es an dem, was auf dem Schild draufsteht), das er dann mit Fracht belädt, oft Menschen, viele Dinge, die erst herbeigeschafft werden müssen, Musik, was halt so anfällt, nicht: was halt so abfällt, denn alles ist wichtig und nötig, um das Ziel zu erreichen, dieses Zuhause, das aber gewiß nicht heimelig sein muß. Das ist keine Vorbedingung dafür, daß es kommen darf. Irgendwas sagt Peter Eschberg, daß das Zuhause gar nicht heimelig sein kann (er kommt aus Österreich. Ist er darum Bühnenwirt geworden, weil er weiß, wie unwirtlich es irgendwo sein kann?), und daher dürfens auch die Ziele auf der Bühne nicht werden. Warum sonst würde er grade solche Züge mit sich spielen lassen und zum Spielen bringen, die dermaßen unbequeme Sitzplätze haben? Peter Eschberg hört jetzt in Frankfurt auf. Es ist zum Vorteil der anderen gewesen, daß er hat spielen lassen. Jetzt kommen vielleicht modernere Züge, sogar klimatisiert, aber auch um das Klima hat er sich früher selber gekümmert, das kann ich beschwören.


für Peter Eschberg © 2001 Elfriede Jelinek

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