Stig Dagerman-Preis                        

Ich möchte mich sehr herzlich für einen Preis bedanken, der nach einem Schriftsteller benannt ist, den ich bisher nicht kannte. Inzwischen bin ich erschüttert von diesem Mann, der in so jungen Jahren, nicht einmal Mitte zwanzig war er, mit Sprache, nur mit Sprache, (etwas anderes hatte er nicht) die Zustände z.B. im Deutschland der unmittelbaren Nachkriegszeit zu fassen versucht hat. Ohne Fanatismus einer kaum geborenen Demokratie gegenüber, die im Herbst 1946 auf die Welt gekommen ist. Übrigens zur gleichen Zeit wie ich. Da ist die Demokratie also aus einem blutigen schwarzen Loch herausgekrochen gekommen, ganz verkrustet und verklebt, beinahe unkenntlich. Ich bewundere Dagermans Gelassenheit und seinen Gerechtigkeitssinn den Tätern gegenüber, ohne daß er die Opfer dabei vernachlässigen und damit schänden würde. Gelassenheit ist bei diesem Autor das Sehen Wollen, ohne aktiv oder passiv einzugreifen. Außer man kann jemandem helfen. Gelassenheit ist nicht: geschehen lassen, aber es ist trotzdem Aktivität. Die Aktivität des Sehens und Beschreibens, die alles durch sich hindurchgehen läßt und es festhält, indem es nichts festhalten will. Ich muß versuchen, mir das zum Vorbild zu nehmen. 

 


Stig Dagerman

 

Zur Verleihung des Stig Dagerman-Preises am 5.6.2004 in Laxör (Schweden).

12.6.2004


Stig Dagerman-Preis © 2004 Elfriede Jelinek

 

zur Startseite von www.elfriedejelinek.com