Burgtheater

Posse mit Gesang

2. TEIL

Vier Jahre später, 1945. Knapp vor der Befreiung Wiens durch die Rote Armee. Istvan und Käthe sind zunächst mit Handschellen aneinandergefesselt. Käthe ist aufgelöst, ungepflegt und desolat, wie betrunken. Sie trägt ein heruntergekommenes, aber sehr aufgemascherltes Abendkleid im Wiener Wäschermadl-Stil. Große Tupfen. Dazu Schleife auf dem Kopf und Spitzenschürzerl. Unordentlich.

Eine Zeitlang bleibt die Bühne leer, dann tritt, verstohlen und gehetzt, verängstigte Blicke um sich werfend, Therese auf Sie schleift das Burgtheaterzwergerl hinter sich her. Der Zwerg bibbert, fürchtet sich.

Resi: Kimm eine do! Kimme eine! Geh her do! Se seind nicht do. Se seind ausgegongen. Vielleicht geradewegs zur Himmelstür. Fier den Schauspüla ist das Biehnenportal der Schauspülahimmel.

Zwerg: Net faseln! Net spintisiern! Verstecke mich, bevor sie zurückkehren, die Kollegen, die Rotzegeln! Die Kunstschnalzer!

Resi schleift den Zwerg hinter sich her. Ziellos, hierhin und dorthin.

Resi: Wo ist ein Verstecker, welches mir noch nicht gehabt haben?

Zwerg: Schnöö! Tummel dich! Ungustel!

Resi: Im Kosten worst schon, und unter mein Bett aa. Ungebärdig tu ich mich herumschleudern und an die Ecken anhaun. Au! stößt sich den Ellbogen. Auweh! A ledernes Wamserl tat mir jetzt gut.

Zwerg: Unter dein Bett aa... ein schreckliches Erlebnis, fürwahr. So ein grauslicher Blick. Ein Fleischerl, das durch die Bretter quillt. I bin a wilder Bua, aber manchmal brauch sogar ich meine Ruah.

Resi: Ob ich es vielleicht mit diesem Büffet versuche? Es sieht recht vertrauenerweckend aus. Sei net so schiach zu mir! Untersucht das Büffet. Birnderl! Wann i di so anschaut.. vertracktes Gewächs! Schmeißling! Kohlweißling!

Zwerg: Alles ist entschieden besser. Nur nicht die körperliche Vernichtung durch den braunen Spuk. I biit! I bitt schön! Ich wandle auf Freiersfüßen. Seind schon ganz verwandelt, meine oamen Fieße.

Resi: Oams Zwergerl, oiter Mime, der wos so begobt wor, bis er rein nicht mehr zum Verwenden wor. Jojo. Ausgedinge! Aushäusel! Zuchtrute in der Hand von Erdmute. Der Wiener ist halt manchmal koben, und dann ist er wieder ganz brunzen.

Zwerg: Ich bin freilich mehr kleinwüchsig als Wiener.

RESl: Oder vielleicht durten in dera oiden Standuhr, die wos dumpf die Stunden schlogt? Rüttelt zweifelnd an einer riesigen Standuhr, öffnet probeweise das Türchen, begutachtet sie ausführlich.

Zwerg: Nehme keine unnetigen Risiken auf dich, Theresia, liabs Kaiserwaberl! Weiberl! Nicht solchene Kicherheiten, die winsche ich nicht. Deine braune Herrschaft, was einmal meine Kollegenschaft woren, teetet dich und mich ohne viel Federlesens. Singsang, klingklang. Bimbam schlägts Uhrl dem Ahndl.

Resl: Höre ich da gar nichts? Legt pantomimisch die Hand hinters Ohr und lauscht heftig. Noin. Ich woge und webe, doch kein Laut regt sich im Walde. Handiklatschen konn jedoch nix schaden. Tut es. Auch herumwuseln kann nix schaden. Huscht herum. Lauschen ist angebracht. Lauscht pantomimisch.

Zwerg: Tua endlich weide, Resi! Du bist doch Marienkind.

Resi: Die Menschen stoßen dich leicht aus ihnara Mitte! Klagend: Aber sie holen dich nicht so leicht wieder zuruck. Kimmt gonz drauf on, wo du bist. Je weide je gscheida. Das Getreide steht herrlich. Es erstreckt sich in Augenreiche soweit das Blickerl zuckt.

Zwerg: Spiel mir auf deiner Zaubergeige! Oder kunstpfeife etwas! Sie hören beide zugleich ein Geräusch draußen und rasen hektisch herum, auf der Suche nach einem Versteck. Resi schleift den Zwerg hinter sich her.

Resi: Hier hinein! Rasch! Beeile dich, Zwerg!

Zwerg: Zwerg, verschwinde! Bist ein hübsches Mädel, Resi, und gesund hoffentlich! Ich wollte, ich könnte dasselbe auch von mir behaupten!

Sie schiebt ihn schließlich ins Büffet, er klettert ächzend hinein, sie kann das Büffet gerade noch im letzten Augenblick hinter dem Zwerg schließen, da tritt auch schon Istvan mit Käthe auf, beide mit Handschellen aneinander gefesselt.

Istvan: Nanu, Theres, verbargst du uns was? Etwas Tand? Etwas Gwand? Ein Zeugerl? Oder gar einen Krauter? Oder vielleicht einen jungen Tutter? Einen Springinsfeld? Es wird doch nicht etwa ein Hollodri sein, nein nein!

Resi: Ich verbarg nichts. Nicht Schwarz unterm Nagel!

Istvan: Ich bin der beste Tänzer, der beste Reiter, der erste Kavalier! Nichts Besseres findet du net aushäusig. Drum sage flugs die Ergebenheit auf!

Resi: Ich bin gonz ergeben und sehr ergiebig, deswegen follt mir ein: Winschen Sie wos, gnä Frau? Ein frisches Kaffeetscherl eventuell?

Käthe gellend: Nichts! Jetzt gehörn die fünf doch uns! Gellja! Sag an, Bub! Windbolzen!

Istvan: Kusch!

Käthe gellend: Hörst dus klingen, hörst dus singen? Das ist mein Lied. Singt. Hörst dus klingen, hörst dus singen? Das ist mein Lied!

Istvan hält den Handschellenschlüssel hoch, Käthe hüpft danach, sie kann ihn aber mit der anderen Hand nicht erreichen: Schlekkerpatz! Schlepperkatz! Ongeführt, mein Weibi. Hier ist der Schlissel zu deiner Kammer. Schließ ab, sage ich schroff, sonst schliaff i glei eini! Schlongen auf der Schwölle.

Käthe gellend: Spiel mir auf der Geige!

Resi beiseite: Dos sokte nailich erscht der Zwerg zu mir, ollerdings beherrsche ich das Geigenspiel nicht zum Vorzeigen, sondern bestenfalls zum Hausgebrauch. Schenieren tat ich mich vurm wählerischen Zwerg, der wos ein Kenner des Wienerlieds ist. Laut: Konn ich jetzt gehn, gnä Herr? Weil ich hab was zum erledigen.

Käthe gellend: Ein Mädel muß mindestens Schamgefüge haben! Sie schlagt Istvan mühsam, weil sie ja gefesselt ist.

Istvan schlägt viel heftiger zuruck, wirft sie fast um: Geh wos mochst denn? Haut mi um des Mensch. Pirsch! Mohnnudln! Ungefestigter Sautanz eventuell!

Resi: Oiso ich entferne mich jetzt, gnä Herr, wenn Sie keine Winsche nicht mehr hoben, nicht wohr. Dos Obgehen mocht mir ka Schand nett Sie geht unter furchtsamen Blicken auf das Büffet ab.

Istvan tritt Käthe leicht: Ich warte mit der Ernte auf dich! Und wenn sie verschimpeln muaß. Der rechte Zeitpunkt verstrich elendiglich. Nix wochset mehr nachher.

Käthe weinend: Dos oame Getreide! Dos hinige Korn! Ja, das können die Herren! Reiten und Schießen! Reiten und Schießen! Ein einfaches Madl kommt unter die Räder. Die Magd wird es bießen missen.

Istvan: Bin ich nicht immer gut zu dir gewesen?

Käthe gellend: Das flichtige Abenteier einer Nocht! Hot mir kein Glück gebrocht! Der Pfarrer spricht es auf der Kanzel, die neidischen Madeln sammeln sich drunter und tuscheln über die Magd. Kirbisch! Unehelich! Unehelich! Schande!

Istvan: Tu dich innerlich sammeln, Braut.

Käthe: Der Russe besudelt das Burgtheater, fallt mir jetzt ein. Ein Tropfen Wermut durchzuckt mich. ist es Eifersucht! Neinnein, es ist nicht Eifersucht. Verzicht ist es!

Istvan: Aber geh! Zugspirrt is eh scho long! Käthe rennt plotzlich mit aller Kraft dröhnend gegen die Wand, zerrt dabei natürlich Istvan ein Stück mit, der sich gegen sie wehrt. Bist teppat wuan? Mensch bleedes! Komm, binden wir lieber die Garben! Bringen wir ein das Korn! Er will das Buffet aufsperren, es klemmt offensichtlich.

Resi, die die ganze Zeit uber durch einen Türspalt gelugt hat, stürzt herein, reißt Istvan vom Büffet weg.

Resi: Weg do! Weg do! Net Tieren aufsteßen wollen, welche der Herrgott verschlossen halten mechtet, weil mir Menschen dafier noch nicht. . . schweift . . rrreif. . .

Istvan: ist sie teppat gewurden?

Käthe im Rennen: Aufmerksamkeit beansprucht der weibliche Schauspüla! Volle Aufmerksamkeit bittaschen! Sie rennt los, wird gebremst.

Istvan: Haltaus! Zurick! Nix Iebertriebenes, Gewolltes paßt zu deiner großen Kunst, Kathi! Sei nur du söba! Sei nur du söba!

Käthe ringt mit ihm, rennt wieder los: Fliegen! Uralter Menschheitstraum! Bravo! Bravissimo! Und hoppauf! Holladrio! Soeben erfillt er sich. In der Wiener Vorstodt.

Istvan schlägt sie mit der Faust brutal nieder, sie fällt um und reißt ihn natürlich mit. Sie brabbelt sabbernd Unverständliches auf dem Boden: Wohltun trägt Zinsen. Ich mechte wissen, warum das Weib so erregt ist. Ihr Atem fliegt, die scheinbare Ruhe triegt. Aufwochen, Weibi, aufwochen fier Daitschlond!

Käthe gellend: Angst! Angst! Angst!

Istvan: Brauchst do ka Ongst net hoben. Der Schorschi hot si's eh gricht. Wieda amol. Dos ist der einmolige Instinkt von oinem oinmaligen Schauspüla. Dieser unentbehrliche Liebling der Wiener sitzt schlußendlich doch noch im Häfen! Das Kind will einen Hänfling retten. Doch der Pole loßt eahm nicht. Dieses primitive Vulk kennt doitsche Tierliebe nur vom Hörensagen. Die Fulge: das Tier verbrennt elendiglich. Pfui Deifel!

Käthe schlägt mit dem Kopf gegen den Boden: Grausam! Grausam! Was sind die Menschen doch grausam!

Istvan reißt sie brutal zurück: Wir werden heimkehren! Wozu jammern und fragen. Es wird doch Alles gut!Käthe sabbert.In unserem Bette wird unser Herz pletzlich wissen: Ringsum schlagen Millionen daitsche Herzen! Daheim bist du, endlich daheim!

Käthe sabbernd, mühsam: Bist du endlich heimgekehrt, Reinhardt! Max Reinhardt! Nach Salzburg! Neige du Schmerzensreiche! Zeige die Krätzenleiche! Die Sprachschiebung des Schauspülas .

Istvan: Kusch! Speibn! Die Furze Ackers! Der Lehm. Das Mickergras. Gewachsen aus Millionen Herzen. Und ringsum ist struppig ein Dach. Eine Trine davor. Brüte, alte, schwarme Erde Deutschlands!

Käthe klarer, rappelt sich auf: Das höhere Gesetz in dir, das schwerere. Eben weil es das Schwerere ist. Fritz Maltesius, der Verlobte, stirbt und werdet angehäufelt. Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal! Sie reißt sich mit der einen Hand ein Seidentuch vom Hals und versucht, sich damit zu erwürgen. Istvan entwindet es ihr leicht. Das Tuch riß! In der Mitten durch! Wos fong ich jetzt on?

Istvan: Auslossen, Weibi! Holte flugs ein! Wann scho der Schorsch zum Tode verurteilt ist, so will ich doch mein junges Weib beholten. Mir missen uns eigens aufsporen fier kinftige Generationen! Die wollen auch noch ens Burgteatta gengan. Kriegst bald ein Butzerl.

Käthe: Jedermann! Der Domplatz. Der Hosenlatz. Der Häuselratz.

Istvan: Net Bledsinn reden, Weibi, gell. Mir missen uns vorbereiten. Ihm ein Denkmohl setzen, dem Volksmimen einen Kronz flechten. Mir san doch erschten Grodes mit ihm verwondt. Gfreie dich doch! Mir san mir! Und wie ma sa so samma!

Käthe wimmernd: Istvan. Laß mich dein guter Engel sein! Brumme nicht, Liebster, Bester! Sei kein alter Brummbär! Sei ein Zeiserl!

Resi: Tan die Herrschoften jetzt bitte in den Salon iebersiedeln, damit ich allhier in aller Ruhe die Kredenz aufreimen konn! Bittaschen!

Käthe: Wie tut die Resi schen bitten?

Resi hüpft mit gefalteten Händen: I bitt! I bitt! I bitt! I bitt!

Istvan: Was schleicht sie dauernd um diese Kredenz herum, fallt mir auf. Dienstbot! Will sie stehlen, Trampel?

Resi: Aber gnä Herr! Gnä Herr! Wos denken Sie von mir? Noch oll den Johren!

Käthe gellend: Ich habe als Frau die undankbare Aufgabe, deinen Tatenblust zu bremsen. Nämmlich: Die Unsrigen in Daitschlond lossen necht zu, daß mir hier verschlicken und verritten werden! Worte nur, sie kommen! Liebesleute sind wir! - Brautleute gar.

Istvan: Ieberhaupts erscheint es mir neetich, net wohr, drauf hinzuweisen, Theres, doß in letzter Zeit auffallend viel Nahrung in diesem Hausholt verschwinden tut. Wohin ging sie?

Resi: Wer, gnä Herr? Wen meinen?

Istvan schlägt sie leicht: Maid! Gfrast! Die Nahrung: Wohin ging sie?

Resi: Ich weiß von nichts, gnä Herr.

Käthe gellend: Uns Daitschen will man die Zähne ausspercheln!!

Istvan tippt sie mit dem Schuh grob an: Nix is mit dem Pappenklavier! San eh noch olle drin. Wann i dir doch sog. Der Schorschi werd uns als der ollernaicheste Patriot bei die Russen scho aussihaun!

Käthe: Der Schorsch werd die Waagschale nach unten dricken!

Istvan: Genau. Analphabeten sind sie.

Käthe: Ongst! Schreit: Ongst! Ongst! Schwieriges Gespinst!

Istvan: Jetzt hob i dirs scho hundertmal erklärt. Gurken. Quargel!

Käthe versucht plötzlich, sich die Pulsadern durchzubeißen: Naa. Ich vertraue nur auf mich söba. Beißt. Au! Auweh! Tuat weh! Is oba neetich. Wo ist die Stimme, welche die gonze Wölt herausschreit aus ihrem Todesschlof?

Istvan: Kaasgraben! Kredenz! Resi erschrickt. Kolatsche! Krispindl!

Käthe gurgelnd: Diese Stimme ist Daitschlond!

Istvan: Heast, spinnst, nix Aderl aufbeißn, gö! Der Russ wird jo glauben, wird jo glauben miassen, mir hom Lüster am Hecken, net wohr. Schlägt sie.

Käthe: Tuat weh! Tuat weh! Auweh!

Istvan: Nur den Mut net sinken rossen! In daitscher Herde hofgastein, aber nur, wann der Russe wirklich kimmt. Donn zeigen wir ihm, wos mir in der Zwischenzeit gemocht hoben. Nämmlich wurde ich unter Max Reinhardt der beste Jedermann! Jawull!

Käthe: Aus unserem Herzen wachset ein Rebstock hinaus in die daitsche Klust. Herb und sieß. Teire Heimat, sei gegrießet! Singt: Teire Heimat, sei gegrießet!

Istvan: Auch ich grieße die faire Heimat von Herzen.

Käthe: Doch itzo tut sie ihr Antlitz verstecken, der Russe möge gefälligst verrecken! Hunnische Horden tun der Welt scheenstes Teatta ermorden! Ins Kaffeehaus mecht i wieda gehn! Geben Sie mir bitte ein Schalerl Gold, Herr Ober. Zahlen bitte!

Istvan: Wacker. Wacker! Wozu leben meine Junge?

Käthe kurz vernünftig: Du host Techta, Manndi. Schmutzian! Falott!

Istvan: Nix wor umasunst, wos mir geton hoben. Bliah! Wenn jeder itzo klagen würde. Reißts eich zusammen!

Käthe: Herb und sieß. Istvan, schweigst einfach, wenn die Heimat nach dir ruft! Mei Burgteatta, du liabs Häusel du, laßt dich slawischer Ungeist nicht in Ruh? Gleich kimm ich und sag energisch: Ausse! Ausse! Ausse!

Istvan: Gratuliere! Alles Jungs!

Käthe schleift Istvan mit zur Kredenz, ist dabei, sie zu öffnen: Diese Stimme ist mächtig geworden in der Wölt. Auszurotten die Ungeschmächtigkeit! Leider gehts nur mit Stukas und Kanonen. Konnmonnixmochen. Auf wos ondares heern sie necht. Einszweidrei-Zauberei! Wie töricht! Hinein ins Röhricht! Sie öffnet die Kredenz, bemerkt jedoch in ihrer geistigen Abwesenheit den Zwerg nicht.

Resi schreit: Jessasmaria! Jeschuschmaria! Kniet vor Käthe nieder: Gnade! Gnade! Fichtenschonung! Lärche! Lärche!

Käthe achtet ihrer nicht, sondern holt ein Medizinfläschchen hervor. Hält es gegen das Licht wie ein Doktor Mabuse in einem Hollywoodfilm .

Resi sehr leise zum Publikum: Sie achtete des Zwerges nicht. Dieser atmet erleichtert auf: gerettet!

Käthe gellend: Deutsche Panzer! Sie kommen!

Sie entkorkt entschlossen das Fläschchen und nimmt einen tüchtigen Schluck. Istvan Iäßt sie zuerst geistesabwesend gewähren, nimmt ihr plotzlich aber doch das Fläschchen weg, schaut, was auf dem Schild stebt, erschrickt.

Istvan: Bledes Mensch! Ungeziefer! Trampel! Ungetreue Volksgenossin! Drückebergerin! Tachiniererin! Feiglingin! Steckt ihr den Finger in den Hals, sie erbricht auf den Boden.

Resi: Wenn der Himmelvatta droben doch nur ein Einsehn hätt! Dann tat er glei obikommen, und ein fIottes Gebet tat höffen. Der Zwerg in der Kredenz gibt jetzt ein ersticktes Husten von sich. Resi erschrickt übertrieben, pantomimisch: Aus ist Aus ist. Ich huste ebenfalls, werfe ängstliche Blicke. Tut es.

Istvan: Hustete hier wer?

Resi: Ich tat es, gnä Herr. Stecke mir notfalls den Finger in den Hals. Tut es.

Istvan: Eine mir führwahr wohlvertraute Bühnensituation des a parte-Hustens.

Plötzlicher Erstickungsanfall aus der Kredenz, den niemand ubertönen kann, dazu erstickt vom Zwerg: Entschuldigens scho! Entschuldigung bitte . . .

Istvan stürzt hin und öffnet die Kredenztür: Wos geht durten in dera Kredenz vur? Erstickte Geraische, das is bestimmt a schiacher Bua. Will naschen. Was sehe ich? Ein Griff und scho habe ich ihn, der sich mit List hier versteckte, in dem Glauben, mir erspähen ihm nicht. Holt den Zwerg hervor. Jetzt hole ich ihm hervor, und was siach ich? Es ist ein Kretin. Ans Tageslicht mit eahm! Damit er in Gottes schöne Natur speanzeln kann.

Zwerg höflich: Grüß Gott! Alle erschrecken nachträglich. Resi kniet.

Resi: Gnade! Gnade! Töte mich, nicht ihn! Just schob ich ihn in die Kredenz, und nun ist er gar schon wieder hier. Verschone ihn mit deiner Wut! Is ein flottes Zwergerl, is zum Oabeiten zum gebrauchen. Is eh fleißig und geschickt, des Zwergerl.

Käthe uninteressiert: Meine Kunst gilt vielmehr dem ewigen und einfachst Menschlichen. Dem großen Gemeinschaftserlebnis. Ich verabscheue alles Künstliche und Gemachte wie dies zu klein geratene Wesen hier.

Resi: Herr! Haben wenigstens Sie ein Einsehen! Richten Sie mich hin, doch schonen Sie seiner! Zerdrucken Sie mich, doch nicht eahm. Er singt auch verschiedene Lieder völlig akzentfrei. Zum Zwerg: Bitte auch du! Appelliere ans goldene Wiener Herz, damit es dich nicht vernadern oder zermerschern tut!

Zwerg: Net tötn! I bitt!

Käthe: Ich betrachte dies Wesen itzo genauer und sehe: Es gibt Gesichter, die sind Heimat. Heimat, sogar im Unbehausten, spiegelt dies Antlitz. Maurus! Komm zu mir, Maurus! Und auch Sie, lieber Mutius, kommen Sie her zu mir!

Zwerg: Liefern Sie mich endlich bei der Sammelstelle ab, doch spotten Sie nicht einer derortig verwochsenen Kreatur! Zeigen Sie dem Russen ein freundliches Gesichterl, Frau Kollegin! So wie es Ihr Publikum von Ihnen gewohnt is, wenn Sie net grad plaazen oder reahrn.

Istvan: Ich sehe weit das gonze Lond, von der Ostsee bis zu die Karawanken, von der Etsch bis on den Belt. Doch nirgends nicht sah ich eine derartig unausgewogene Kreatur in freier Wildbahn jagen. Freilich: a Jaga werd ihm schon efter gesehen haben. Bin jo nur ein Komödiant!

Zwerg faßt Mut: Das Krüpperl im Verstecke schlief, die Resi nicht nach der Gestapo rief. Bittersüße Romanze! Zwei Lippen fanden sich. Zwei Herzen schlugen gebieterisch. Sakt der Herr Gauleiter zum Hans Moser: Se kennen mech emmer anrufen, jeden Tog! Ontwortet der Hans Moser: Und was mach ich in der Nocht?

Istvan: Wer nicht nach der Gestapo rief? ist dies nur ein Traum? Ein Schaum?

Zwerg: Es est metnechten ein Traum! Natierlich der Istvan nicht nach der Gestapo rief. Habe mich geirrt, habedehre! Freut sich: Das werd ihm bold ritzen! Worte nur, bolde! Werstes do no derwoaten kennen!

Istvan: Ich muß schon sagen... diese Theorie leuchtet mir ein. Der Resi leuchtet sie Allerdings heim.

Käthe, Situation mißverstehend: Ich gehörte eahm niemals an, Liebster. Des muaßt du mir glauben. Immer verschloß ich mich scheu. Des Roserl bleibet zua, es is a Ruah! - Geh - kleinmädchenhaft aus dem Stand hüpfend - tua mir aufspirrn, geliebter Mann, ich schau auch keine anderen Mannsbülder nicht an! Vor Allem nicht dieses . . . Unnatürl! Diesen Opernläutnant! Ekel . Bäh!

Istvan: Kaas. Nix! Wannst dich itzo entschweibst, fallt es schlußendlich auf mich zuruck. Net töttn! Nix abkrageln! Rufen Sie mir auf der Stelle Max Reinhardt zum Telefon, damit ich unter eahm spülen kann.

Resi: Ich konn jetzat nicht zum Telefon eilen, gnä Herr, weil ich muß losen, wos do geschiacht mit mein Zwergerl. 's Zwergerl steht unter meinem Schutz und Schirm.

Käthe: Sie mißversteht, Theres. Sie bedenkt necht, daß sie aufgrund ihrer erblichen Schwachsinnigkeit ebenfalls aufs Äußerste gefährdet ist. Sie verdankt es unserer natierlichen Gutmietigkeit, daß sie noch hienieden weilt.

Zwerg: Net tötn bitte! Net stessen den Knichtelmann!

Käthe: Net aufpudeln, Theres, des tuet ma net!

Zwerg: Gestotten... Sie sollen jetzat erfohren, wen Sie retteten. Einen Vaterländer! Und damit retteten die Menschen gleichzeitig einen Wipfel und einen Kipfel.

Istvan: Uninteressant . . . Regimegegner! Sie hoben oiso nicht mit den Wölfen geheult? Damit hoben Sie sich eine Sachertuatn mit Schlag und ein resches Weinderl verdient. Gratuliere! Gschamsterdiener!

Zwerg: Das Motiv für mein Verstecken war folgendes . . .

Käthe: Feigheit! Drückebergertum! Pfui! Dem Ruf nicht Folge leisten!

Istvan: Maulhalten!

Zwerg: Nicht Feigheit wars, nicht Angst vorm Benzinspritzerl, nein! Ober schon a wengerl Spundus vor die Gasduschen, gellts jo! Is jo ka Schand! I sog wies ist

Istvan unterbricht: Halten Sie Ihnare Goschen! Nicht vorlaut wern! Des konn ich necht leiden.

Käthe: Aufspirren! Tu mir auf, Mann! Humoreske!

Istvan: Wirst just auch brav sein? Nun gut, dann tu ich dir sodann aufschließen.

Käthe: Vertierte Horden!

Zwerg: Eine begabte Bande! Respekt!

Istvan sucht die ganze Zeit uber verzweifelt den Handschellenschlüssel.

Käthe: Nimma zuspirrn! Nimma! Wir Wiener Wäschermadl wollen weiße Wäsche waschen wenn mir nur wüßten wo ...

Istvan unterbricht sie: Wirst di itzo nimma wengan Russ umbringen? Jo oder naa?

Käthe: Legt der Russe auch alles in Schutt und Trümmer, unser Burgteatta vernichtet er nimma! Spitzt das Mündchen und gibt Bussi. Mir werden donn wieder auf die Bretter stehn, die die Welt bedaiten!

Istvan: Versprichst es halt, Weibi? Versprichst es? Und es ist ein heiliger Blutschwur! Blutspur! Blutspur!

Zwerg: Oiner Kreatur, die was den Verstond verloren hot, derf man niemols nicht trauen, Kollege. Dos rote ich Ihnen als Kenner der Materie.

Resi: Gib mir ein Zwickerbusserl, Zwerg, jetzt endlich geheeren mir vor Aller Welt zusammen. Als Mann und Frau! Jetzt derfen mir es zugeben, daß unsere Hände ineinandergefiegt werden.

Zwerg: Glaubst, mir graust vor gor nix?

Resi: Gatte und Weib. Legaler Zeitvertreib!

Istvan suchend: Wo hab i denn die Schlissel hinton? Wo vasteckte ich sie diesmal nur? Weilst auch gor so unvaninftig bist, Kätherl! Jetzt find i's Schlisserl neama. Wo is? Wo is?

Käthe neckisch herumhüpfend, Istvan dabei mitziehend: Gleich hat er sie! Gleich holt er sie herfür, die Schlüsselchen zu meiner Herzenstür! Und hernach ist es nur ein kleiner Schritt, die Gemieter der Wiener wieder zu gewinnen! Jo, ich hobe sie niemals nicht verloren gehobt!

Istvan: Endlich bist gscheit! Endlich tuest aufmerken! Dein Publikum woatet! Wird dich jo schier zerdricken vur Freid! Wird dich busseln! Wird dich zerquetschen! Wird dich matschen! Just patschhandizsamm machen! Hat die Schlüssel an einem unmöglichen Ort endlich gefunden, hält sie triumphierend hoch. Käthe hüpft ihnen spielerisch nach. Do hammas jo! Verstecker homs spüln wolln! Und was kriegt das Manndi jetzt! No? Wos?

Käthe neckisch: Dem Istvan papp i ein Bussel drauf, denn das is stets der Welten Lauf. Schlingel! Schlingel! Fesches Mannsbüd! Küßt ihn ab.

Resi andächtig: Jöö! Scheen! Scheen! Gonz aso mochen mirs jetzt aa. Zwercherl! Fix! Gemmas on! Entschädige mich flugs fier die valurenen Jahrln!

Zwerg: Jo Schneckn. Host glaubt, gö! I steh jetz gonz onders do, wo der Russ kimmt. Hob jo net gwußt, doß er faktisch scho do ist Nur a poor Taagln. Bin ich zwar klein, will ich doch nicht überall hinein. Konn oba auch in sehr kleine Öffnungen einischliafn.

Istvan befreit Käthe endlich.

Käthe befreit im Zimmer neckisch herumhopsend: Wie eine Lerch im Ätherblau sing ich jetzt, du hast mein Herz und Hirn verhext! Bin ein Zuckergoscherl! Gellend: Dank! Dank! Es soll dir flugs vergolten sein, hol nur die Kinder rasch herein! Schlawiner! Kotzknödel! Furznudel!

Istvan will hinaus, da stürzt sich Käthe zum Schreibtisch, holt einen Brieföffner und stößt ihn sich jählings ins Herz, jedoch so schwach, daß sie nur leicht verletzt wird. Das meiste ist nur Theater.

Käthe gespielt ersterbend: Menschenbildner sein! Greeßte Aufgabe!

Istvan herbeistürzend: Jessas!

Zwerg und Resi zugleich: Jessas!

Istvan untersucht Kathi: I s eh nua a Fleischwundn, sunst nix. So a narrisches Weiberl. Des kummt von sulch ana tiefen Aufwühlung durch das Erlebnis "Kunst". Geist und Gemiet effnen sich ganz der Verzauberung des Teattas. Und der große Reinhardt schaut von Amerika aus zua und gfreit si. Floh er doch zu Unrecht, dies Schenie der Biehne. Hätt eh dobleibn kennen, hättmers eahm scho gricht, dem Zauberer der Verwondlung! No jo, so is und so woas, kemma nix ändern . . . Zu sich selbst sprechend verarztet er Käthe, assistiert von Resi.

Zwerg schlendert inzwischen zwanglos umher: Ich schlendere umher, ergreife dies und jenes, freue mich meiner neugewonnenen Freibeit. Gibts in Wien a Hetz a Drahrerei, joo, do bin i dabei. Singt, schlendert.

Käthe mühsam Besinnung gewinnend: Ausgerechnet ein schiacher Zwerg bringt mich in meiner geliebten Muttersprache zu mir zurück.

Zwerg: Sie fühlt eben die eigenen Schwingen wachsen. Aus der einstigen Amateurin wird zusehends eine Berufene.

Istvan: Genau, Zwerg. A Hetz muaß sein. Kein schlechtes Gstankerl derf sie stören.

Resi: Is eh wohr. Wenn Sie sagen, ich stinke, donn konn ich dazu nur sagen, daß Sie zuerscht bei ihr selbst riechen sollten. Des is erscht a Griecherl!

Zwerg: Still, Resi!

Resi: Na kumm her do! Mei liabs Zwergerl bist eh! Versucht den Zwerg zu umarmen, der allerdings stößt sie heftig weg. Nein! Neet! Begreifen dämmert langsam in mir auf: Stessest du mich zurück?

Istvan: Hörst, Resi, du werdest auf Anfrage bezeigen, daß der Zwerch von uns persenlich vor der Eithanasie vasteckt wurde. Viele Jahre long, die ins Lond gegongen sind. Dieser Zwerg muß schlußendlich unseren unieberlegten Polenfüm wettmochen. Und wenns Graz güüt. Dieser Zwerg ist Goldes wert. Nett! Speck! Dreck!

Resi mit Würde: Niemals nicht bezeugte ich eine Unwahrheit. Ich muß unserem gietigen Herrn Pfarrer in die Augerln schauen können. Und diesmal kommt eine Lüge schon gar nicht in Frage, richtet sie sich doch gegen meine ureigensten Interessen als Weib.

Istvan: Schweigen Sie, Theres, bevor Sie etwas sagen, was Sie hernach bereuen könnten!

Käthe mühsam, noch groggy: 1925 stund ich zum ersten Male neben der saftigen Volksschauspielerin Hansi Niese auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

Resi würdig: Komme jetzt her do. Zwerg, damit mir gehen können. Sie hängt sich an ihn und versucht, ihn zum Ausgang zu zerren, er wehrt sich tapfer, hat aber natürlich wenig Chancen.

Zwerg: Net stessen! Net stessen bitte! Net unhöflich sein!

Resi: Kimm her do! Geh weide! Gengan mir!

Istvan: Dieser Dienstbot macht sich vor der Herrschaft just lächerlich. Lacht. Aber Resi, sehen Sie schier nicht, daß dieser Zwerch widerstrebt? Ich gehe jetzt ausse, um mich, ei potz, nach dem Verbleib meines Bruders Schorsch bei einem Boten zu erkundigen. Ab.

Resi: Es ist doch kein Bote necht gekommen. Man hat keine Tierklingel nicht geheert. Annie Rosar! Annie Rosar! Mein Schutzgeisterl! Sie schafft es tatsächlich, den Zwerg hinauszuschleifen, der lamentiert.

Zwerg halb draußen: Net stessen bitteschön!

Pause. Käthe liegt noch immer ziemlich benommen am Boden. Die Tür geht auf und ihre älteste Tochter erscheint. Sie hüpft freudig erregt herein und tragt ein geblümtes Tüllabendkleid über dem Arm.

Mitzi: Mutti, schau, das Rosenknosperlkleidl! Das hot mit doch anno dazumals der Onkel Schorsch gschenkt, ein letztes Vermächtnis! Ein Widerstondskleiderl, das ich in Ehren halten werde. Schau, Mutti! Damit werde ich zauberhaft aussehen und viele Balleroberungen machen! Die Mutter rührt sich kaum. Wos host denn, Mamschi? Mein liebes Mütterlein, schlaf doch nicht zum ewigen Schlafe ein!

Käthe mühsam: Die Mutter tut am Boden liegen und sich nicht mehr in den Hüften wiegen. Die Schand! Nein, die Schand! Ich überlebs net!

Mitzi: Geh, Mamschi, sei gscheit! Erscht gestern hab ich gehört, daß uns der Russe von der braunen Knechtschaft befreit. Beim Greißler. Den was der Lueger dazumals noch belobigt hot. "Ich fürchte nicht für diese Stadt, solang sie solche Bürger hat" So hot er gsogt.

Käthe heult: Keinen Sterz treiben mit sulchene Sachen! Hoid aus! Pschsch! Was siech i do? Was ist dos? Die Schand! Die Schand! Gellend: Mit diesem Sudelkloide kummst du mir nicht ins elterliche Heimatdorf zurick. Sie zerrt an dem Kleid. Mitzi wehrt sich.

Mitzi: Neet! Aufpassn, Mamsch! Des is für mein erschten richtigen Ball! Ein Walzer muß es sein! Net zerreißen! Net schänden! Net obsichtlich schiach mochen!

Käthe gellend: Wieviel Stärke und Mut es erfordert, nur auf sich selbst zu hören! Her das Kewand! Schnöö! Nix Rosenknosperl! Zerrt.

Mitzi: Naa, i gebs net her! Es is a teires Ondenken an den Onkel Schorsch, esterreichischer Patriot und Widerstondskämpfer der erschten Stunde! Helf! Bester der Besten! Treuester der Treuen!

Käthe: Wos siecht das Mutterauge hier? Ein böser Kaffeefleck guckt fürwitzig herfür! Weg domit. Sie reibt an einem unsichtbaren Fleck.

Mitzi kreischend: Naa! Net! Geh weida! Gibstes her, narrische Fuchtel! Tepperte Urschel! Hergeben, Mamsch! Du söba host eahm einigmocht, den Fleck, den beesen! Wo isser? Is jo gor net doo! Du söba host dieses Ehrenkleid bedreckt. Mamsch! I siech eahm net! Den Fleck! Ich troge dieses Kleidl im Geist vom Onkel Schorsch. Und jetzt ist es befleckt!

Käthe haut ihr das Kleid um die Ohren: Und des do? Und des do? Wos is dos? Wos is dos? Wenn das ist kein Kaffeefleck, werf ich den schönen Namen Käthe weg! Wo is der Fleckbenzin? Gleich tut die Mutti den Fleck hier ausputzen.

Mitzi ängstlich nachgebend: Oba aufpassen, Mamsch! Vursichtig! Behondle dieses taire Ondenken zort, zärter am zärtesten!

Käthe sucht Benzin: Jugendfrische und holder Herzenston und ergreifende Wahrhaftigkeit sind mein Geheimnis. Mein Weg führte ohn Zaudern auf den Thespiskarren. Findet Benzin. Herbtrotzige Keuschheit! Ungebändigte Verliebtheit! Nur wildes Aufbrausen vom Manne als Antwort. Sie nähert sich mit dem Benzin der Tochter vor dem Kamin. Offenes Feuer lodert darin.

Mitzi: Neet, Mamsch! Vursichtig! Sunst geht die scheene Foab ausse!

Käthe: Habs doch gewußt, daß ich den Benzin hier versteckte, als mich mein Istvan mit einem Obstfleck einst neckte. Still, Kind! Schweige! Stille, Stille, kein Geraisch gemacht! Sie grapscht nach Mitzi, der schwant Übles, sie wehrt sich.

Mitzi: Auslassen, Mutti! Auweh! Loß mi gehn! Sich regen bringt Segen! Arbeit macht das Leben süß. Auslassen! Aufhörn!

Käthe hält eisern fest: Tue deine Pflicht! Käthe kämpft: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nie auf morgen.

Mitzi gellt: Hilfe! Zu Hüffe! Wos mocht die Mutti do? Hilfe! Papsch! Resi! Zu Hüffe! Aufhörn!

Käthe sprenkelt, ihre Tochter festhaltend, freigiebig Benzin auf Kleid und Tochter. Hüffe! Hüffe! Hüffe! ist denn keiner da: Hollaho! Schnöö!

Käthe befriedigt: Was ich sage, scheint unmittelbar in meinem Herzen entstanden, knapp bevur ich es aussprach. Prüfung. Zitternde Freude! Neie Aufgaben! Die Käthe bin ich, einfach nur "die Käthe".

Sie stößt ihre Tochter samt Kleid in die auflodernden Flammen. Im letzten Moment kann sich Mitzi noch zur Seite werfen und entkommt knapp dem Flammentod. Maurus! Maurus! Hilf mir, Kamerad Maurus! Biograph!

Mitzi: Höffen Sie mir, Herr Doktor Mutesius! Bleiben Sie jedoch, wo Sie sind, Herr Doktor Frankl!

Käthe: Oasch! Sie entkam. Wo i geh und steh tuet mir mei Herz so weh. Singt.

Mitzi schluchzt: Papa! Papa! Papa!

Käthe resigniert: Die Tat wurde leider abgestoppt. Das Kind ist mir davongerobbt. Wo ein Ziel, da ein Weg. Der gute Wille gilt fürs Werk.

Mitzi: Wo ich mich doch hibsch machen wollte, fier unseren neuchen Gost. Jedes Mädel beginnt einmol zag, sich hibsch zu mochen.

Käthe: Welchen Gost?

Mitzi: No angeblich ein Zwercherl! Beese Mamsch! Hot mi so gstessen!

Zwerg wie aufs Stichwort von draußen: Net stessen! Net stessen bitte! etc.

Mitzi, Hand hinterm Ohr, theatralisch lauschend: Horch! Hörest du nicht einen Laut? Die Veegerl schweigen im Walde warte nur balde? Das Echo vom Berg? Oder ist es gar schon der Zwerg? Und i bin no net onzogen fier unseren Retter.

Käthe: Funse! Funse! Funse! Der Weg von der Wirkung zum Wesen.

Die Tür fliegt weit auf, der Zwerg erscheint wieder, allerdings etwas ramponiert von Resi, aber sonst recht frisch. Großer Burgtheaterauftritt.

Zwerg: Hollaho! Hallihallo! Keiner do? Hallo Wirtschaft! Hollari Hollaro! Grüß Gott! Tritt ein, bring Glück herein. Pause. Ich soll allhier ein tulli gstölltes Maderl treffen, mit welchem die Theres keinen Vergleich nicht aushaltet. Keuschheit! Vor allem Keuschheit unterscheidet diese von jener.

Mitzi erschrocken: OH! OOOOH! So schlimm hab i mas net vurgstellt! Des is jo pomale furchtbor!

Käthe: Jetzt löffle die Suppe aus, Kind!

Mitzi: Aber er ist ja unbeschreiblich häßlich und zudem sehr klein!

Zwerg: Muaß so sein, ghert zum urdentlichen Zwergel dazua wie die Gas zur Kammer. Jawull!

Mitzi: Na ich weiß nicht so recht. . .

Zwerg: Auf alle Fälle: grieß Gott! Do seind Sie jo! Verehrung! Gschamster Diener. Hier sind Pralines, wo hobe ich nur die Großpockung? Sucht. Ei, wo bist du nur, wo? Mocht nix! Hier steht jedenfolls das Mensch fier den begnadeten kleinwüchsigen Darsteller. Jetzt holt er nur noch rasch die Bonbonniere, die er vergaß, Momenterl. Rasch hinaus.

Mitzi fängt laut zu heulen an.

Käthe: Gosche! Halt die Gosche, vorlautes unruhiges Mädchen!

Zwerg mit einer Bonbonniere hereinkommend, die fast größer ist als er selbst, sie feierlich überreichend: Hier bitteschön, das Geschenk. Weine jetzt necht mehr, Kind! Ich schreite nämmlich von den Außenbezirken des Seins bis zu dessen verschlossensten Quellen. Außerdem - und auch das ist keine kleine Leistung - vermag ich euch Alle, wie ihr da steht, als Regimegegner auszuweisen! Verehrung. Habedehre!

Mitzi schluchzt: Naa! I wüü net! I wüü net! Gengan mir furt!

Zwerg: Dobleiben! Einen Rum mit Tee bitte! Dieser Zwerg hat Rasse, dieser Zwerg hat Klasse. Und das nur als Zugabe! Im Hauptberuf hot er Begobung, Talent und Eigensinn für drei.

Käthe, Aufschrei: Rasse! Rasse!! Wenn ich des scho beere! Natur sei die Lenkerin!

Mitzi: Nein, sage ich. Wo ist der Herr Leutnant? Gustl, wo bist du? Mache itzo deinen Auftritt, just jetzt tritt herfür! Man will mich nämmlich an einen Krippel, der was ausgerottet ghert... Sie kriegt von Käthe eine Watsche.

Käthe: Do host eine Watsche.

Mitzi erstaunt: Ich erhielt eine Watsche.

Zwerg: Ein Zwergerl - direkt aus dem Märchenspiel. Ich bin ein Elementarereignis! Bin ich auch klein - net unhöflich sein!

Käthe: Sie hoben vollkommen recht, Herr Kollege. Verehrter Lehrer! Mentor!

Mitzi schluchzend: Huhububu! Kölblein! Firmling! Lutschkerl! Kommis!

Zwerg: Ich komme oiso hier herein, um deine liebe Tochter zu frein, Frau Burgtheaterkollegin. Jetzt isses soweit. Jung gefreit hat noch keinen gereut. Er nimmt einen Blumenstrauß aus einer Vase und wirft ihn Käthe direkt an den Kopf, er trifft aber leider zu tief

Käthe: Müssen Sie gleich soweit gehen? Geniegt Ihnen nicht unsere Freundschaft? Unsere Treue? Blinder Gehorsam? Nibelungenlied!

Zwerg: Geniegt nicht, weil ich nämmlich vor der Wiener Polizei eine Aussage mochen werde. Lieber Verträge, sagte schon der Herr Direktor Reinhardt. Blut bindet fester! Gurkerl! Nudlsuppn!

Käthe: Nicht mein einziges Kind! Haltaus! Woatens a bissel, bis se sich an den Gedonken gewehnt hot.

Zwerg: Wir wissen aus sicherer Quelle, daß Sie deren drei besitzen, wovon mindestens zwei derzeit in der Küche schwitzen.

Mitzi: Schande, Schande! Scham! Schändung!

Käthe: Wilhelm Foxl läßt mich im Film Neuland betreten.

Zwerg: Schlußendlich kurz und gut: Wenn Sie nicht wollen, daß ich sag, was Sie olle gemocht haben im achtunddreißiger Jahr und danach, dann missen Sie mir dieses junge Madl scho geben. Sunsten sag i's, sunsten sag i's glei der empeerten Effentlichkeit!

Käthe: Saat und Ernte!

Mitzi: Reife! Das Tier braucht seine Reifezeit, und das junge Madl braucht sie aa.

Käthe: Da wird sich mein Monn, der wos der Bruadan von dem beriehmten gleichnamigen Widerstandskämpfer is, aber gor net gfrain. Unsaren Bruadan haben sie zum Tode verurteilt, die braune Brut. Schande! Österreich wird frei und das Weinderl wird frei, die Kipferl werden frei und die Golatschen aa.

Zwerg: Was muß ich da hören? Kam mir einer zuvor? Mir scheint, i muaß mi tummeln, gibt immer mehr Verfulgte. Schliaffens ausse aus die Lecher, wie die Ratzen!

Käthe: Dienen Sie der Kunst, nicht der Geltung.

Zwerg: Ich verliere hier meine Zeit mit Ihnen. Seit Wochen bereits belästigen mich ehemalige Kollegen des Burgtheaters, ich sull sogen, ich bin in eahnare Kölla gehuckt. Flennen tans! Rehren! Rehren! Platzen! Nur die Allerbleedesten von eahnen sind nicht in der glücklichen Loge, einen Reschimgegner ihr eigen nennen zu dirfen. De werden donn dawischt wern.

Käthe: So haben wir nicht gewettet, Zwerg. Nimm mich, doch verschone die jugendliche Frucht in meinem Gorten!

Zwerg: Mitnichten. Tappt Mitzi gierig ab. Ich greife mir diese Fut hier. Jung gefreit hat noch keinen gereut. Höflich sein!

Mitzi: Mutter! Mutter! Bertha von Suttner!

Käthe: Fort von meinem Kindel Zwerg, verschwinde! Hosentürl! Burschi! Krischpindl! Sakra sakra!

Zwerg: Wers glaubt wird selig. Der Zwerg hat itzo Appetit, und zerscht amol nimmt er diese hier mit. Zerrt Mitzi zur Tür. Kumm, folge mir! Ausse! Loschierst itzo beim Zwergerl, wos als Erbkronker verfemt und verfulgt wor und nun aufersteht. Essiggurkerl!

Käthe: Niemals! Bildens Ihnen nur nix ein, Herr Kommerzialrat! Lossen Sie dos junge Dingerl gehn, Herr Baron!

Zwerg: Komm jetzt! Komme!

Schorsch platzt plötzlich und ganz unversehens herein. Alle erstarren: No samma olle wiederum beieinand? Das is gscheit! Brav seids! I kumm grad stracks vom Morzinplotz, hollodero! Vom Metropol, hallihallo! Weinbeißer! Bockhendl!

Käthe zum Zwerg: Wie ich schon sagte, ist es ihm mit einem jüdischen Dreh gelungen, sich durten inhaftieren zu lossen. Issa gscheiter Bursch, der Schorsch.

Schorsch: Ui jegerl! Kein fließend Worm-Koltwosser. Doch jetzt is der braune Spuk faktisch aus. Seids terrisch worn? Seidses teppert?

Alle Anwesenden geben Laute und Anzeichen des Erstaunens von sich.

Käthe: Mir hom glaubt, du seist neilich erscht liquidiert wurn.

Schorsch: Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht.

Mitzi: Onkel Schorsch, gut daß du wieder da bist. Dieser häßliche Genußzwerg will mich mißbrauchen wie man ein deutsches Mädel nicht vergenußspechteln darf. Gottseidank bist du gerade zur rechten Zeit erschienen. Leibwarm. Fein, daß du nicht tot bist, Onkel Schorschi!

Schorsch: Drei Wochen long, eine wohre Ewigkeit! Wenn der Mensch sei Freiheit valieren tut, so valiert er etwos Unverlierbores. Hallihallo! Joho, der Wein is guat, i brauch kan naichen Huat! Ich wurde geläutert.

Käthe wirft sich ihm jählings an den Hals: Retter! Retter! Und ganz unversehrt! Gnade! Gietiges Geschick! Ich sehe olle Schatten des Glickes und des Schmerzes ieber dein Gesicht hinwegziehen wie Wolken ieber eine geruhsome Herbstlondschoft.

Schorsch: Jojo, is scho guat. Is scho guat! Net hinmochen! I hab mi schlußendlich, finf vor Zwölfe, no fotografieren lossen, wie i an Scheck fier die esterreichischen Patrioten unterschrieben hob. Olles fier Esterreich, domit es wieder rein und scheen werdet! Besoffen hob i gsungen, es steht a klanes Bankerl im Helenental. Des homs netwolln, die Nazibagasch! Ihr seht: Kleine Ursachen - große Wirkung! A tuli Idee wor des, gö jo!

Käthe: Davon später. Rette mein Kind vor dem Zwerge, der was es heiraten wü.

Schorsch: Klor. Mach ma! Hamma nimmer notwendich das Zwergerl. Samma söba Verfulgte. Jawull! Hamma söba des greeßte Opfer gebrocht, und des is des eigene Leben! Habedehre! Schnabulieren will ich jetzt, und das ausgiebig!

Käthe: Schwager! Bruada! Wer sull dir die erscht unlängst verlurenen longen Jahrln ersetzen? Tue flugs ebenfalls Menschen gestalten! Wia mir es die gonze Zeit tan!

Schorsch: Grauslich! Seind Kommunisten aus die Fenster vom vierten Stock ghupft! Homma ihnare Knocherl bis auffe krickeln ghert. Bluat im Schnee, sans davonghupft. Homsas meistens eh wieder eingfongen. Sovü Bluat! Außen Rot und innen aa. Haha. Oba wos soll i eich dazöhln: erschtens die Gekepften! Geschrian hams die ganze Zeit: Mutter! Rotfront! Mutter! Rotfront! Mutter Rotfront! Das Beil machte dem ein rasches Ende. In der Nocht hot man net schloffen kennen. Scheißlich! Grauslich! Wos ein Mensch dem ondaren Menschen antun kann: ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit! Pfui.

Käthe: Keiner gibt dir die Jahrln wieder zuruck, in denen du deiner ureigensten Berufung als Burgschauspieler nicht nachkommen durftest, weil sie dich ächteten.

Schorsch: Dafier durfte ich Zaige sein, wie Esterreich wiederauferstand! Des wor mas wert. Stell dir vor, es geht das Licht aus, ja wos sollen wir da tun? Keine Angst, es geht noch nicht aus, aber trotzdem sag ichs nun!

Zwerg wütend: Mir bleibt das Gonze trotzdem schier unverständlich, Kinder. Gemma auf olle Fälle furt! Gemma. Ausse! Ausse! Er zerrt Mitzi hinter sich her.

Käthe wirft sich vor den beiden auf den Boden, sie am Hinausgehen hindernd: Hiergeblieben! Stillgestanden! Stille Stille kein Geräusch gemacht! Eine Mutter hat man nur einmal. Sehet her! Sie reißt sich ihren Halsausschnitt auf, ein goldenes Hakenkreuzerl an einer Kette kommt zum Vorschein: Ihr könnt mich schänden, ihr könnt mich pfänden! An dem Kraizerl do werds eich verbrennen! Muttererde!

Zwerg prallt entsetzt zurück: Eine schier Unbelehrbare! Schätze, die wird sie auch noch nach Jahren sein und bleiben! Da zieht sichs Zwergerl schnö zuruck von dem braunen Nazispuk! Er weicht übertrieben zurück, die Hand abwehrend vor den Augen.

Mitzi: Nein! Geh in dieser schweren Stunde nicht von uns, Zwerg!

Schorsch: Hiergeblieben, Zwerg! Haltaus, Zwersch! Hopperla! Pardauz! A so a Zwetschkerl! Vorsichtig sein! Er stellt dem Zwerg ein Bein, der stolpert.

Käthe würdig: Was ich erntete, säte ich wieder in den fruchtbarsten Boden, aus dem ich selbst hervorging: das Volk.

Zwerg: Habedehre Allerseits. Nix für ungut! Ich bin schier überwältigt worden und gehe nun ab. Will ab, wird von Mitzi und Schorsch festgehalten, wehrt sich verzweifelt, aber wirkungslos. Net stessen! Net unhöflich sein!

Käthe: Jedoch ein Kripperl findet bei uns immer Unterschlupf und ein wärmendes Mahl. A so a Binkerl!

Zwerg: Bei Ihna kimmt sogar ein Zwerg in Verlegenheit, glaubens mir! Wos sull er mochen? Er dorf sich schier nicht mit Ihnen blicken lossen. Ihm droht eine Abreibung, tut er es doch. Will ab, da gibt ihm Schorsch einen Stoß, daß er über den Fußboden schlittert und neben Käthe zu liegen kommt.

Mitzi: Also ausgemacht ist: Der Zwerg wird auf Anfrage antworten, daß er bei uns im schitzenden Kölla huckte. Flugzeuge zuckten umher, doch er vergoß keinen Tropfen Zwergenblut. A Hetz hama ghabt, er wurde vom gräßlichen Geschehen abgelenkt, der Zwerg. Wiener Blut, Wiener Blut - was die Stadt alles hat in dir ruht! Singt.

Schorsch: Vorne die beiden jungen Frauen in ihren hellen Kleidern, dahinter der Widerstandskämpfer mit seinem scharfen Verstand, dazu sein Bruada. In der Mitte der agile resche Zwerg. Ausgeschlossen: die Nazibande. Saupatteln. Gfrießer! Wichtelmänner!

Mitzi: Erzähle uns doch noch einige deiner Abenteuer im Nazigefängnis, Onkel Schorsch! Bitte bitte! Sei fesch!

Schorsch: Gern. In Permanenz hams durch die Wand geschrian: Rotfront! Mutter! Lang lebe Stalin! Ich vermißte die Wiener Höflichkeit, die Poesie dieser einmaligen Großstadt. Narrisch host wem kennan. Keine Spompanadeln bitte!

Zwerg: Jetzt heißts sich rechtzeitig besinnen und einen Preis gewinnen. Hier sehe ich den Preis schon.

Mitzi: Naa, i tuas net! Naa, i wü net!

Käthe ohrfeigt Mitzi: Trutsche! Pritsche! Funse! Trine! Zwergerl is kommen! Zwergerl is do eh lieb! Wackerer Zwerg! Bravs Zwerscherl! Versäume nicht deinen Auftritt! Trete jetzt auf!

Zwerg verbeugt sich geschmeichelt: Meine strahlende, unbefangene Jugend gewinnt wie stets die Herzen der Wiener. Höflich sein!

Mitzi: Zu Hüffe! Zu Hüffe! Kommt denn keiner? Nein, ich sehe keinen. Hilfe!

Käthe wirft dem Zwerg die Tochter entschlossen in die Arme. Der Zwerg fällt um ob der Last: Ich bin im Volksmund ein Lied, das bleibt und klingt, warum? Weil es echt ist!

Schorsch: Ein Feinspitz isser, unser Zwergerl, ein Feinspitz!

Mitzi: Hüffe! Bedienung! Holla! Keiner da? Frau Wirtin Wundermild! Zu Hilfe!

Die Tür springt wieder einmal jäh auf, auftritt Istvan. Er hat die Resi im Schlepptau. Letztere wehrt sich heftig und schenierlich.

Istvan: Wer rief mich? Da bin ich! Juppheidi und juppheida! Fidirallalallalla!

Resi: Naa sog i! Sans so guat! I muaß koche! Und sovü Wäsch hob i aa no! Gengans lossen Sie mich aus! Giftig den Zwerg beäugend: Dieser Zwerg, den ich jahrelang selbstlos versteckte, legt sich nun ins gemachte Bette. Und wo liege ich? Soll denn Dienen und immer nur Dienen meine Bestimmung bleiben? Ich hoffe nicht!

Käthe hat sich unbemerkt in eine Ecke zurückgezogen und versucht, sich mit Hilfe eines Polsterüberzugs - kein Plastiksack, leider - zu ersticken. Das geht natürlich nicht. Sie zieht ihn sich über den Kopf:

Istvan: Paß mer auf mei Weiberl auf. Sufurt! Person damische! Narrisches Hendl! Krowotin! Softgulasch!

Zwerg: Ich schlage fulgendes vur, Kollega: Ich lege mein junges Weib ungebraucht zurück. Dafier derf i fürderhin den Don Carlos spuin, den Hamlet schier! Hochs Zwergerl aus der oiden Burgtheaterdynastie! Fost hätte er eine hibsche Gemahlin gewonnen. Is aber nix draus wurdn. Die Wiener toben, und das zurecht!

Istvan: Ich bin eigens gekommen, um fulgendes vorzuschlagen. Erscht der neilich ist mir diese Idee gekummen: Mir wullen sein ein einig Vulk von Gegna, in kana Not uns trennen und Gefohr! Jubel von Allen Seiten, Wiederholung des Satzes in allen Tonarten, auch gesungen. Jawohl, Papsch, genau! Bravo! Bravoo! etc. Alles mündet schließlich in das beliebte Wienerlied "Erst wanns aus wird sein mit ana Musi und an Wein" . . . etc.

Schorsch: No jo, i bin auf olle Fälle ausm Schneider, des sog i eink. Schlimmstenfolls wird man hinter vorgehaltener Hond tuscheln, doß i a Monarchist wor und zum verschimpelten Kaiser gholten hob in brauner Zeit. Welteis! Weltgschmeiß! Kloans Weltkugerl in meiner Hond!

Käthe sinkt offensichtlich bewußtlos und zuckend unter dem Polsteruberzug zu Boden.

Istvan: Jo wo is denn mein Weibi? ist etwa dieses Paket durten mei Kathi? Ich hörte vorhin einen lauten Bumperer, wußte jedoch nicht, wer diesen verursachte.

Resi: Gnä Frau! Gnä Frau! Jeschuschmaria! Der Herr Gemahl ist hier und verlangt stürmisch sein Recht.

Mitzi: Mama! Mamaa! Zu Hilfe! Heute fällt mir gar nichts ein als dauernd gellend um Hilfe zu schrein.

Zwerg beiseite: Ich kann unmöglich die Tochter einer Frau vergenußkipferln, die sich aus Furcht vor dem russischen Bären entleibte. Daher gehe ich jetzt endgültig aussi. Ich habe es wiederholt angekündigt, doch scheint mir gerade dieser Augenblick günstig. Er will unbemerkt, da alle bei Käthe Wiederbelebungsversuche machen etc., zur Tür hinausschlüpfen. Mitzi erwischt ihn jedoch im letzten Moment bei den Beinen und zieht ihn zu Boden.

Mitzi: Hiergeblieben, Zwerg! Nein, so haben wir nicht gewettet!

Zwerg: Net stessen bitte! Net umadumhaun!

Mitzi: Ich bedarf deiner noch, jetzt mehr denn je, Zwerg. Kritikaster! Studierter Mensch! Kluger Knopf!

Zwerg: Bitt ich muß hinaus. Net unhöflich sein! Erlauben schon!

Schorsch: Um Gotteswillen. Rasch! Eine Schallplatte von den Wiener Philharmonikern unter Karl Böhm! Ihr Lieblingsorchester. Das belebt ihre Sinne stets gründlicher als ein feuriges Getränk es vermöchte.

Käthe flüsternd, groggy: Musik und das Getränk, bitte! Denn gleich werde ich wieder zu deutscher Erde. Getränk wird ihr eingeflößt.

Istvan: Um des Herrgotts willen, sakrasakra, was geschah vorhin mit diesem tatkräftigen, resoluten Frauerl?

Schorsch: Einen weiteren Cognac für die gnä Frau! Rasch, Reserl! Prächtig. Ein Gewitter könnte die Luft nicht gründlicher reinigen.

Zwerg: Ich gehe jetzt. Auf Wiedersehn. Mein Recht muß mir werden! Aufs Stichwort stürzen sich alle auf den Zwerg, beschwichtigen ihn zur Abwechslung liebevoll, der Zwerg wehrt sich so gut er kann. Net stessen bitte! Net stessen! Ich gehe jetzt ausse, um zur Besinnung zu kommen und einen klaren Kopf zu erhalten. Von dieser Ehe muaß ich jedenfalls Abstand nehmen, so leid es mir tut. Klobassi! Taumel der Sinne!

Mitzi: Naa net! Schau, wie dei Mitzi deswegen flennt. Bin schon ein junges Weib, necht mehr des Kind, des du einstens kanntest. Sie hält den Zwerg zuruck. Umkehrung der Situation von vor hin. Verlosse mich nicht, denn ich fühle eppes, von dem mir ganz enterisch wird.

Zwerg mühsam: Ich kämpfe um mein Recht auf ein friedvolles Leben in Freiheit. Konn mi jetzt wieder offen auf der Gossn sehn lossen, ohne daß mi wer da schnappert und ausbeindelt. Weg do! Auslassn! Ringt mit Mitzi.

Istvan hält ihn ebenfalls fest: Nicht diese Handvoll zusammengewürfelter Menschen aus allen Schichten, Berufen und Konfessionen verraten, Zwergerl! Des tuet ma net! Des derfst net!

Käthe gewinnt Bewußtsein zurück: Ich schließe mich der Bitte meines Lebenskameraden und Burgtheaterkollegen vollinhaltlich an und glocke hell die Worte: Bleib, Zwerg! Schaut nur der zitternde Zweig des Haselnußstrauchs!

Der Zwerg bebt. Es überläuft ihn ein kalter Schauer, er schaut aus als wie a Toter.

Zwerg: Naa. Aussi muaß i! Loßt mi gehn! Hobts ihr den keinen Onstond mehr im Leib? Versucht erfolglos, sich durchzuboxen. Istvan schließt ihn statt Käthe mit der Handschelle an sich an. Jössas! Wos is dos? Wos gspier i do?

Istvan: Soda. Fertich! Tan is und guat ist Was Gott zusammengefiegt hot, dos sull der Mensch net trennen.

Zwerg: Druck erzeugt Gegendruck! Versucht zunächst erfolglos, die Handschelle abzustreifen. Rosenhiegel! Stätte frohen Schaffens! Der Stoff, aus dem die Träume sind.

Käthe etwas benommen noch: Deutschland erwache!

Istvan haut ihr mit der freien Hand über den Mund. Sie beginnt zu bluten.

Käthe blutend: Hunde, die bellen, beißen nicht. Der Ackersrand. Der Wackerbrand. Heidelerche! Graz! Aussaat!

Istvan: Kusch! Weibsteufel! Trampel!

Endlich gelingt es dem Zwerg, sein Händchen aus der zu großen Handschelle zu ziehen, er läuft rasch ins fernste Eck. Istvan holt ihn mühelos ein und fesselt ihn gleich wieder. Zur Sicherheit hält er jetzt auch noch die Zwergeshand fest.

Zwerg: Die Gesellschaft ist auf Alles, was aus der Norm fällt, nicht eingerichtet. Mir wirds wunderlich ums Herz, wos ist dos? Die Enttaischung ieber einen Verlorenen Krieg konnt es nicht sein. Käthe nuschelnd, Blut spuckend: Grien ist mein Tirolerhut. Versengt das Band, verdreckt das Gwand. Am Polarkreis mißtmer jetzt sem.

Istvan: Jaja. Is scho recht. Burenhäutel!

Käthe: Sehen Sie denn nicht, daß ich bewußtlos bin? Um Christi Barmherzigkeit willen, zu dessen Ehre dieses Spitol errichtet wurde, soll ich denn inwendich zur Gänze verbluten?

Istvan: Bist immer no net staad? Zitat! Plappermäulchen!

Mausi kümmert sich liebevoll um den Zwerg: Plaudertasche! Flaneur! Mei liabs Manndi wirst, gö?!

Zwerg: Naa, i wüü net! Loßts mi ausse do! Net unhöflich sein!

Käthe gellend: Sie spucken auf uns! In Deutschland sind sie jetzt nicht mehr schwach.

Istvan: A Ruah is! Sie kriegt wieder eine auf den Mund. Sowas sakt man nur hinter vorgehaltener Hand, wenn überhaupts.

Zwerg: Wenn Sie mich nicht schleunigst ausse lassen, sog ichs! Ich sags dem nächsten Kommissar, dem ich auf meiner Flucht begegne.

Mitzi: Nix tuest sagen, Herzi! Wos sogst? Nix sogst! Küßt ihn wild.

Käthe: Schleckerpatzi Butterbrot, erfinderisch macht die Not. Es werdet sich wohl auch fier mich noch ein Werkzeug finden, denn jeder Topf findet schlußendlich seinen Deckel! Potztausend! Sie kann sich eine Schere grapschen und sie im Mieder verstecken.

Istvan den Zwerg hinter sich her schleifend: Des konnst net mochen. Des is unkameradschaftlich, Kollege! Verehrter Lehrer! Kamerad! Burschi! Lackl! Titan! Atlas!

Zwerg: Und doch sag ichs! Und doch spreche ich frank und frei, wie mir der Schnabel gewachsen ist, von der Leber weg. Jetzt erscht recht!

Käthe gellend: Uns Deutschen will man die Zähne ausbrechen! Sie sticht sich mit der Schere in die Brust, blutet, ist aber nicht tot. Es kümmert sich keiner mehr um sie.

Istvan: Weißt, Kropftauberl, du derfst keiner Menschenseele verratn, was du hier im Hause der Musen erblicktest. Dafier derfst du schlußendlich als einziga Schauspüla auf der Wölt den Posa und den Carlos in einer Person dorstellen, des weiteren den Faust und Mephisto, den von Goethe genialisch ersonnenen Widerpart. Watschengsichterl! Papperter Trottel!

Zwerg: Wo ließ bittschön der Zimmermann ein genügend großes Loch? Empfehle mich. Servus.

Mitzi: Bleib! Liebevolle Inszenierung! Sie macht sich geil am Zwerg zu schaffen, der wehrt sich entschlossen.

Zwerg: Kleine Verführerin! Lulu von Wedekind! Erdgeist! Geschmeichelt: Soviel vertane Mühe für den Krüppel. Traum ganz in Weiß.

Istvan: Gehen Sie flugs hinaus, Therese, dies hier ist nur für den engsten Familienkreis bestimmt.

Resi: Und i kunn mei Zwergerl net mitnehmen? Damit i's owoschen und wieder urdentlich herrichten ko?

Istvan: Nein. Gehen Sie itzo furt! Um uns herum wird deutsch geredet. Revue!

Resi: Annie Rosar! Annie Rosar! Ich gehe ab, obwohl ich nicht will. Ab.

Schorsch: Madln und Buam! Ein herzliches Willkomm! Wir bitten zum Tanz. Umasunst ist der Tot, und der kosts Leben.

Die Situation beruhigt sich sichtlich. Mitzi schmust exzessiv mit dem Zwerg, der dabei strampelt, aber nicht wegkannn, weil er ja an Istvan gefesselt ist. Pause.

Istvan: Was strampft der Zwerg gar a so?

Zwerg gurgelnd: A Glasl Wosser bittaschen! Net haun! Dann werde auch ich nicht umhaun.

Käthe richtet sich plötzlich auf, verletzt, stöhnt undeutlich: Es ist mir schon wieder nicht gelungen. Derweil hat der Russe mein Burgteatta bezwungen. Er richtet sich dorten häuslich ein. Nein! Die Eisschollen schieben sich voran, wie es Klügere als ich prophezeiten. Haltets eahm auf! Ringsum schlagen nämlich Millionen deutsche Herzen. Gurgelnd.

Istvan öffnet ihr Mieder, untersucht flüchtig die Wunde, versorgt sie, wobei er immer den Zwerg hinter sich her schleift: Ei der Taus! Jessas, die spinnt! Der stille Verehrer reitet die Hohe Schule. Powidl! Ribisel! Ogrosel!

Käthe leise: Eine Krume für die Enkerln loßts mich retten bitte.

Istvan: Sinnlose Reprise. Sängerfilm!

Zwerg: Solchene Wegstrecken seind nichts für mich als extrem Kurzbeinigen. Seit Jahren lief ich nicht mehr so viel umheer und noch dazu ohne Weg und Steg, ohne Sinn und Ziel.

Käthe gurgelnd: Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus, Städtele hinaus. Liebling der Matrosen. Ja, ich gehe sogar so weit zu behaupten: Seine Tochter ist der Peter. Klangvoller. Wie könnt ihr denn denken, daß Alles umsonst war? Nicht klagen, sagen und fragen, Leutln! Reißts euch zusammen!

Mitzi: Mamsch! Tua auch du net so umadumwacheln! Des gilt für das Zwergerl im gleichen Maße wie für dich.

Istvan: Is eh scho olles blunzn. Schließt dem Zwerg auf: Missmer holt doch noch repartieren!

Käthe ersterbend: Mir wirds gar wunderlich ums Herz. Der Feldstein! Hier, sehen wir ihn uns an! Gewachsen ist er aus Millionen Herzen von uns allen. Laßt mich flugs das Nötigste gestalten. Wenns ihr mich nicht gestalten laßts, werde ich sufurt wieder bewußtlos. Ich habe diesen scheensten oller Berufe erlernt. Itzo tue ich jeden zerschmettern, der mich an meiner Berufsausiebung behindern tut. Loßts mich Menschenbildner sein! Wos? Es loßts mich nicht? Nun, so schwinden mir eben erneut die Sinne. Sie wird bewußtlos.

Alle stehen jetzt um die blutende Käthe herum. Folgendes steigert sich rhythmisch, wie eine Wortsymphonie. Steigern! Rascher! Es muß so gesprochen werden, daß es ausgesprochen sinnvoll klingt, mit Betonungen und allem.

Alle abwechselnd, Käthe blutet still: Davon wissen mir nix! Des sengen mir gor nett Wos mir net sengen, des gibts net! A Schachertuatn mit Schlog. Das blitzende Schlauauge. Der Kalk im Fracken. Der Krotz im Glaserl. Der Schalk mit Hacken. Das Kaffeetscherl mit Hudelzupf. Das blütige Stuterl. Der Torpido. Die Brüte. Der Ränftling. Edelschweiß! Knickschuß! Der Fahlenberg. Der Rohrschnabulierer. Krambambuli. Das Muttergeh. Das Pisstatschkerl. Die Quargel. Der Gilberbrand der Donau. Schampus! Der kehre Grust des Leithagebirges. Der Großhocker! Die Bremse. Der Alpenklein. Die Bombenzische. Ka Kreuzer im Neck. Der gute Braune. Der Schlagoberbolzen.

Das Riesenkrad. Die herzhafte Kartausche. Das Grammelschwalznot. Der Krepierer. Die tausend schluchzenden Granaten. Der Grillkarzer. Die fleißigen Henker. Die Axt des Großwachters. Der Umzingel. Der liebe Herrknoch. Das Umbringel. Der Himmelreiß. Die Omi. Das Wäschergasl. Der Wienerschallt. Der Stukrapfen. Der Faschingsknall. Die Philharmoniker. Der tiefe Bann. Die Almzücke. Die Heimkrücke. Das Vanillifliegerl. Die Vergaserin. Die Ringtrosse. Zwoa Brettl a gführiger Fleh. Juchhe! Der Brodler. Das Hack. Die Tiefflennt. Der Herr Leutnant. Der Steifl. Das Kaffeehaus. Der Kraß. Die Hutteln. Das Köpfeln. Die Tramwarn. Der Glanz von tausend Brustern. Die Muttergottes. Der Kaiserschmierer. Die Hofwürg. Der Schnalzer. Salzburg! Das Krepierl! Fritz Eugen. Der Germjudel. Der Haferlknoch. Das Gurkenstirndl. Das Salzkammerblut. Motzhart. Das Scheißhäusl! Schubert Brennzl. Der Abortknüttel. Papa Haydn. Die goldenen Jahre der Tellerminette. Die silbernen Jahre der Zyklonbette. Die Saubertöte. Die Senkgruabn. Ringstraßenmorderie. Die Pawlatschn. Wiener Schnalzer! Des Pferterl. Die Laschur. Das gspiebene Apfelkoch. Strauß Waani. Klamm Knochwien. Der Hammerring. Der Semmerkalt. Der Jagerkrepp. Der Wüderer. Das Knüppelhäusel. Königottokarsglückundende. Das Haus Habswürg. A Gasmüch. Das Judensternderl. Mamsch und Papsch. Das Musikkazett. Die Safaladi. Die Mutterquäle. Das Stück Altes Gerinn. Das man im Schwärzen drin hat. Der Feurige. Die Gloriette! Salzburger Trümmerl! Wimmerl! Der Trottel. Der Hirnkehrer. Der Klachl. Das Wurzelmorderl. Der Finacker. Das Hunterl. Das Teatta. Das Burgteatta. Der Köpfungsfroh. Halberzehne. Der Teifel. Die guate Menschenhaut. Die Lampenstirn. Der Juchhee. Die Bubenrinne! Der Bombenmatsch! Die Burgverrotter! Der Hundekotter!

Die Hymne bricht jäh ab. Stille. Alle stehen. Dann tanzen sie miteinander um die daliegende Käthe herum, die still blutet. Sie singen: Grieß enk Gott alle miteinander, alle miteinander, alle miteinander, etc.

Langsamer Vorhang.

 

 

Burgtheater, in: manuskripte 76 (1982), S. 49-69, (Uraufführung in Bonn 1985)


Burgtheater - Teil 2 © 2000 Elfriede Jelinek