Burgtheater

Posse mit Gesang

 

 

      PERSONEN

      Käthe Burgschauspielerin, Filmschauspielerin

      Istvan Burgschauspieler, Filmschauspieler, Käthes Mann

      Schorsch Burgschauspieler, Filmschauspieler, Istvans Bruder

      Mitzi Käthes und Istvans älteste Tocher

      Mausi Käthes und Istvans zweitälteste Tochter

      Putzi Käthes und Istvans jüngste Tochter, eventuell lebensgroße Stoffpuppe, Stimme vom Band

      Therese genannt Resi, mittellose Schwester Istvans, Dienstbote, Annie-Rosar-Typ

      Ein Burgtheater-Zwerg

      Der Alpenkönig

       

       

Der erste Teil spielt 1941, der zweite knapp vor der Befreiung Wiens. Der Ort der Handlung ist Wien.

Sehr wichtig ist die Behandlung der Sprache, sie ist als eine Art Kunstsprache zu verstehen. Nur Anklänge an den echten Wiener Dialekt! Alles wird genauso gesprochen, wie es geschrieben ist. Es ist sogar wünschenswert, wenn ein deutscher Schauspieler den Text wie einen fremdsprachigen Text lernt und spricht.

1. TEIL

Käthe trägt ein stark stilisiertes Trachtenkostüm mit applizierten riesigen Eichenblättern. Durch die Blätter ist an der Brust je ein Dolch gebohrt. Die Familie, mit Ausnahme Istvans, des Vaters, und Mitzis, der Ältesten, sitzt um den großen Eßtisch herum. Die beiden kleineren Kinder sind unglaublich aufgemascherlt. Riesige Haarschleifen etc. Therese trägt eine Altwiener Dienstmädchentracht. Schorsch einen Frack oder Smoking wie aus einem typischen Wiener Filmerzeugnis der Zeit. Er sieht aus wie ein Ober. Käthe steht ständig auf, flattert von einer Tochter zur anderen, richtet ihnen die Haare, zupft an den Kleidern, den Schleifen, setzt sich hin, springt gleich wieder auf, eilt immer wieder um den Tisch herum. Istvan trägt zu seinem großen Auftritt, den er gleich haben wird, ungarische Reitkleidung. Zeit: 1941 . Alles äußerst heiter!

Istvan reißt die Tür auf, erscheint, posiert, lacht schallend zwischen den Sätzen, strahlt, fuchtelt herum etc. Reitgerte!!:

Grieß enk Gott alle miteinander, alle miteinander, alle miteinander!

I hab zwa herbe Rappen, mei Zeugerl steht am Grabn!

I seh da rare Happen!

Er greift wahllos mitten auf den gedeckten Tisch und holt sich etwas zu essen heraus. Käthe klopft ihm übertrieben auf die Finger, blickt ihn strafend an. I hab a rare Pappn! Ui jegerl! Schampus! Juchu! Das ungarische Herrengut. Der Leutnantsmut. Das Wurmbuchtel. Das Umfuchtel.

Käthe: An dem Mann, der mir einst die Unschuld raubte, gehen die Jahrln nicht spurlos vorüber! Putzi, Mausi, aufgepaßt. Sie hebt eine Terrine mit Schinkenfleckerl hoch und schüttet das Ganze mitten auf dem Tisch zu einem Haufen auf: Die Kinder kraxeln sofort halb den Tisch hinauf, versuchen, etwas davon aufzufangen, essen mit dem Kopf auf der Tischplatte, wie die Schweine. Furchtbare Patzerei!

Käthe applaudierend: Sans net sieß meine Bauxerln? Gleich trägt die Resi die Nockerln auf. Schön schnabulieren, gelts ja! Und wenn es nur fürs Hoamatl is, das bald hungern und frieren wird. Ehebaldigst böckelts im Schützengraben und die Stukas stürzen vom Himmel. Doch halt, seht! Ein Fallschirm hat sich geöffnet, der kühne Flieger konnte sich retten. Unten warte: mit brünftelndem Rock die Bäuerin. Sie singt ein Auftrittslied. Gebieterischer Ruf! Mit Singsang und Klingklang. Es zog ein Bursch hinaus fallera.

Schorsch: Geh weiter, Kätherl! Sowas sakt man nicht vor die Sprößlinge! Vor die Schößlinge! Bin nur ein Komödiant!

Käthe: Ui jegerl! Hörts zu, Kinder! Unter dem groben Kittel des Bauernweibes steckt nur der Bauer in seinem schmutziggrünen Ehrenkleide, der Tracht des alpinen Menschen, und sunsten ist durt absolut nix. Ein Herz muß schweigen!

Resi tritt jammernd auf, lamentiert a la Annie Rosar: Jessas gnä Frau! Gnä Frau! Was hams da wieder angstöllt? Schweinerei! Wer hotn do so umadumpatzt?

Käthe: Das is der Sumpf der Großstodt, vor dem man sich hüten muß. Theres! Mitten auf unserem herrlichen Mittagmahltisch, den wos der Herrgott uns gespendet hot. Seine Tochter ist der Peter. Roxy! Roxy! Moderner Name! Dahinter ihre stolze Mutter. Die was lächelnd zuschaut, wie ihr Lausbub, der wos a Madl is, Fußball spielt.

Schorsch gutmütig, brav: Was i dir neilich scho sagen wollt, Kathi, mir missen unsane Rollen jetzn, vastehst, itzo a weng. . . ändern. Anpassn den veränderten Zeitläuften. Dem Verlangen vom Hoamatl... staatspolitisch besonders wertvoll!

Käthe unterbricht: Niemals! Burgtheaterton: Niemals gebe ich einem Verlangen nicht nach. Nicht einmal wenn es von der Heimat herkommt. Ich verlange den Ring, der mir Geborgenheit schenkt. Torheit! Ganz große Torheit! Ferienkind!

Istvan hat inzwischen etliche Erfolgsnummern aus seinen beliebten Filmen stumm zum Besten gegeben: Ober, Strauß-Schani, komisches Faktotum, ungarischer Verführer, etc. Mozart, Beethoven: Tua schön zuhörn, Käthe, tuest halt zuhörn und machst es dann nach, gö ja. Der Schorschi weiß schon, was gut is, fier uns und fier die ondaren. Der hot seine Beziehungen zu Berlin, die was er spielen laßt, damits eahm spün losen. Schrammeln. Eindringlich: Schrammeln!!

Käthe: Spielen, spielen ist ja mein Leben! Saat und Ernte! Reife! Also: I spü a junge Schauspielschülerin aus der Provinz. Aus Graz halt. In mein Pensionat hab i heimlich die Aufnahmspriefung für die Schauspielakademie bestonden. Mitm Gretchen natierlich. Des gibt ein Hallo und eine Aufregung bei die geistlichen Schwestern durt! Und meine Freindinnen klettern olle zu mir aufs Betterl und wusch! Hastenetgsehn, da hab i auf amal a Klampfn in der Hond und gemmas an plum plum sing i a Liadl. Und die ondaren singen olle glei mit: Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust. . .

Resi, die aufträgt, verschüttet in diesem Augenblick etwas Soße aufs Tischtuch. Wie eine Furie fährt Käthe herum und schmiert ihr eine.

Trampel bleeder! Sautrampel elendiger! Das dritte Mal in dera Wochn!

Resi: Gnä Frau... entschuldigen scho... gnä Frau... werd net wieda vurkummen!

Käthe geht urplötzlich mit einem silbernen Kerzenleuchter auf Theres los, jagt die Quiekende rings um den Tisch: Deutsche Wut wacht.

Mausi, der Mutter in den Arm fallend: Naa! Net! Net! Mamschii! Net unser liabs Reserl schlogn! Nie tat die Resi auch nur Schwarz unterm Nogel nemman! Mammaa! Bitte! Bittschen!

Schorsch: Also für mich ist die Mausi ein Bub.

Istvan: Gell ja, Resi. Bist ja mei Schwesterl, mei oides! Hast eh net gheirat, weilst dich für mei Famülie aufopfern tuest! Komm her do! Kimm her do, oits Maderl! Kriagst eh a Busserl von dein Bruadan! Küßt Theres, hält sie aber dabei geschickt Käthe hin, die Resi weiter unsichtbar traktiert. Und no a bissi durt, und no a bisserl durten, und jetzt is guat! Dienstbarer Geist, enteile und stille deine Wunden! Tschapperl!

Resi quiekend ab.

Käthe unberührt: Aufgerecht pack i meine Kofferl, konns jo gor net da woaten! No jo, und so fohr i holt mit unserem lieben oiden Bahnderl übern Semmering, ein Londkind auf dem Weg ins Verderbnis! Ich bin eine elementare Erscheinung, ein Orkan, der ieber die Erde rast. Ich bin im Donaubecken zustande gekommen!

Schorsch: Ich hob dir vorhin scho ernsthoff gesokt, Kätherl, daß des net ollweil so weitergeht mitn Semmering und die Alpen und die Liadln. Man konn jo nicht immer lochen, net wahr. Der Ernst der Stunde verlangt gebieterisch noch einem in Großdaitschlond ollgemein verständlichen Schriftdaitsch. Alpen- und Donaugaue gegen sich. Ein neuer Erdenbürger! Willkommen!

Käthe unterbricht: Ewig stehen die Berge in eisiger Pracht! Vaterland, halt treu die Wacht! Das daitsche Publikum aller Stämme will auch juchzen! Nur eine einmalige künstlerische Begebenheit wie ich verhilft dazua. Österreichertum!

Istvan haut ihr eine Leichte runter: So tue halt dem Schorschi zuahean! Künstlerin, meine geliebte, du! Die was du mir die Demut vor der Kunst erscht gelernt host. Goldene Fessel!

Käthe tritt Istvan leicht gegen das Schienbein, springt auf und stürzt zur Tür, wo sie melodisch hinausruft: Reserl! Treuer Hausgeist! Sekretärin, Buchhalterin, Kindermädchen, kumm her do! Kumm eine do. Erscheine!! Resi erscheint schüchtern m der Tür und wird stürmisch umhalst. Und da papp i dir ein Bussel drauf und da aa, und durten aa! Küßt sie ab. Faktotum oides! Schwägerin! Schwester! Naa, mehr als a Schwesterl: Dienstbot, treuer!

Endlich gelingt es Resi, sich loszureißen und davonzurennen. Immer zweihundertprozentig das treue Dienstmädchen spielen!

Schorsch: Mir missen jetzt ernsthaft dafier klampfen, daß ein jedes Blitzmädel und ein jeder Hitlerjunge sagen kann und das zurecht: Unser Burgtheater!

Istvan: Joo. Jawull! Und da missen mir auch etwas tan dafier. Des fliegt uns net einfoch zua. Anstrengen missen mir uns, damit mir die woamen, otmenden Laiber am Heldenplotz, die was unserem Fiehrer ein so begeistertes Willkomm entboten hoben, auch urdentlich befriedigen kennen. Brüderlein fein, Brüderlein fein!

Käthe gellend: Nein! Nicht befriedigen! Nicht schon wieder dieses häßliche kleine Wort! Die wunderbare daitsche Sprache, die Sprache Goethes und Schillers, verfiegt ieber so viele andere Werta!

Schorsch: Kusch, Kathi! Bereits vollerbliehte Frau! Daneben die noch geschlossene Knospe Mausi.

Mausi kichert schrill auf:

Käthe: Heimatlaut! Heimatklang! Die Gemse brunzt im Morgenrot, der junge Krieger, der ist tot. Ich schenke nach meiner Ankunft in Wean die erste Nacht einem Manne. Heil! Sieg Heil!

Schorsch zu Istvan: Wie solle mir ihr das beibringen, Briaderl? Sie vastehts absolut net! Sie ist gonz ungebärdige Kroft, ein einziches Binkerl Kroft und Energie und Talent. Sie hot dieses Esterreichertum so unglaublich erfoßt und konn es wiedergeben. Sangesfreude! Wäre sie Malerin geworden, wäre sie eine große Malerin geworden. So ein Mädel vergißt man nicht!

Istvan: Mir miassen ieberhaupts jetzt die Energie ausnitzen, die was itzo im Londe ieberoll zum Aufspieren ist. Die heilige Energie des Vulkes. Daitschlond erwoche! Wen die Götter lieben.

Käthe normal: Oiso: Ich kumme in Wean an, in der oiten Stodt der Ernaierung. Mit mein lieben Steirerhiatai und die großen Haferlschuach. Ui jegerl, is mei Kofferl schwaa... so schwaa sie steht auf, ergreift etwas Schweres und macht vor, wie sie mühsam einen Koffer schleppt - ringsherum . . . in Bild und Ton! Da ist es schon!

Kinder: Oame Mamsch. Muaß sie so abrackern! Is schwaa, Mama? S'trenzt scho, s'Muatterl! Die Kinder wollen Käthe helfen, sie stößt beide grob zuruck.

Käthe: Ich stoße euch grob zurick und trage mein Kreuz alleine. Er glaubt mich moralisch defekt, zieht sich zurick, der ernste Monn.

Schorsch: Nana, Kätherl... derfst net immer so wüüd sein! Muaßt langsam gesetzter werden, mit deine drei Gschrappn! Wildfang! Bist jo ka Madl mehr. . . Oba vor ollem: das Weanerische muaß jetzt longsom aufheern, vastehst? Frauen sind keine Engel!

Käthe hört nicht zu: Ich komme nicht darieber hinweg, finde mich dann doch mit ihm. Doktor Alexander Thalheim! Am nächsten Tog steht er mir als mein Lehrer gegenieber. Nimmst no an Solot, Schorschi? Resi, no an Solot fier dei Briaderl! Geh weide! A bisserl geschwinda, wenn ich halt bitten derfte. Und es sitzts ma jetzt ruhig, Kinder! Tuats net so mit die Fussi umhaun, weil sunsten haut euch die Mutti auf die Fussi, gelts ja. Unruhige Mädchen! Finale! Kinder johlen und strampeln stark. Käthe nimmt Istvans Reitgerte und haut ihnen unter dem Tisch auf die Waden, sofort heulen die Kinder laut im Chor. Ruhig! I hau lieber glei! I hau lieber glei! Was man sufurt tut, das ist wohlgetan, wohlan, hört euch jetzt weiter die Mutti an! Kinder heulen. Schließlich lieben zwei den gleichen Mann. La Habanera!

Schorsch: Stillhalten fier Daitschlond! Patzer seids! Patzer!

Käthe: Sans net fesch meine Maderln! Schöne Stimmerln hams Alle! Lachende, vergnügte Menschen entströmen dem Lichtspielhaus. Zwei Stunden haben sie ihre Sorgen vergessen. Sie zieht Resi, die sich über sie neigt, um nachzuschenken, fest am Ohr. Resi heult auf: Käthe lacht. Na, Reserl, mir missen noch fest ieben miteinend, gell?!

Schorsch: Wanns brav seids, dirfts in mein Mozart-Füm "Die Zaubergeige" mitspün. Hallawachl! Potschochterl!

Istvan: Aber erseht wann i mein Beethoven-Füm "Der Grantscherm von Heiligenstadt" abgedreht hobe, Schorschi, gell. Da derfts donn die Pamperetschn von der gutmietigen Vermieterin spiele, die was das Genie trotzdem sekkieren tut. Bißgurn elendiche.

Schorsch: Nix! Zuerscht der Mozart! Der gebirtige Inländer.

Istvan: Geh mir weida mit diesem Freimaurer! Wo erblieht daitscher Geist am schönsten? In der Eroica! Das Ferienkind!

Schorsch: Ich darf dich darauf aufmerksam machen, daß . . . Kinder unterbrechen und tanzen ohrenbetäubend johlend um den Tisch herum: Oh fein! Oh wie fein! Welche Fraid! Mir derfen mitgestalten! Mir derfen eine Rolle verkerpern! Mir derfen umadumwacheln! Mir derfen Menschenbildner sein! Mir derfen das Erbe von der Hansi Niese und vom Werner Krauß weitergeben! Mir derfen einen beglickenden Beruf ergreifen! Frühlingsstimmen! Frühlingsstimmen!

Käthe teilt Dachteln aus: Still seids! Staad, Menscher! Fein sein, beinonder bleibn! Unser scheener Beruf wachst nur in der Stille.

Schorsch: Fies flitzet ein pomadiger Jud pomale durchs Bild, wie der Mozart grad ieber sei neieste Simfonie dischkurieren tut. Wia a Elritzn! Hoit die Pappn!

Istvan: Jawoll. Zu Befehl! Wie a Weißfischerl! Gschwind is zertretn! Nur a glitschiges Fleckerl erinnert den Meister Beethoven no dran, daß da amal a Menschenwesen gestonden is und geotmet hot.

Käthe ungerührt: Also daß i aich dazöhl. . . wie i mi da so abplag mit mein schweren Kofferl, fremd auf dem schlipfrigen Pfloster der Großstodt, do fohrt wie a Blitzschlog der Blick von an fainen Menschen, der wos oba scho ölta is, in mich hinein. Wißtes eh, wer den spült.

Schorsch: Jawoll. I spü den! Ein Stern fällt vom Himmel.

Istvan: Nix! I spül den. I bin da Jingare und außerdem der Kathi ihr Mo.

Käthe: Es ist dies das ewiche Wiedererkennen zwischen Tier und Mensch .

Schorsch unterbricht: Wann i den net gspui, dann spüüst ma net das Bäsle aus Augschpurg vom Mozart!

Istvan: Wann i den net gspü, dann spülst ma net die Gräfin Gitschardi!

Käthe: Buben, ihr mochts mi ganz damisch. Ihr sprudelts ja ieber vor Soft und Kroft! Natierlich spült der Schenbeck das Wiedererkennen zwischen Kreatur und Kreatur.

Schorsch: Geh weida! Der ogschleckte Hoibjud! Die hohe Schule.

Käthe: Nein! Nicht dieses Wort. Die daitsche Sproche verfiegt ieber so vielene andane Werta! Schenare Werta!

Istvan: A Feschak is er!

Käthe: Ich benötige neue Partner, keine Znirchterln! Neue Anregungen, Inspirationen!

Schorsch: Na guat. Wenn des dei letztes Wort is, derfst net mitm Mozart busseln.

Istvan: Derfst net dem Beethoven sei unsterbliche Liebe sein!

Schorsch: Außerdem - in Wean derf des Gonze sowieso net spüln!

Istvan: Jawull. Scheen was, aber spün tanses net! War nur ein Komödiant.

Käthe: Volkswut stürzet sich auf mich, weil ich das Ehrenzeichen von unserem Führer unsichtbar auf der Stirn geschrieben tragen tu, und die Zeit ist noch nicht reif dafier. Laßt mich Vorhut sein! I bin gonz Grazerisch und gschamig. Der Mann spricht zu mir: Derfte ich Ihnen behüfflich sein, mein schönes Frailein? Und dos wird der Onfong von ana Gspusi mit an Wein. A rosanes Kleidl hob i o bei unsara nächsten Begegnung. So mit Rieschen und vurn so Spitzerl, damit ma meine schrankförmige Figur net siecht. Oba der Zuschauer siecht nur meine Augen, nicht dos Gewond. Humoriges Streiflicht!

Schorsch: Und der schlechte Otem von Tausenden tut sich iebel vermischen, und auch der Fiehrer soll ja unheimlich aus dem Mund stinken, wiar ma so heert. Tritsch Tratsch! Plitsch Platsch!

Istvan: Sodann reit ich einher und setze machtvoll ieber eine Hecken. Das ist meine Schpezialität, die was i no aus Ungarn hob. Am liebsten tat i jo den Andrasy spün, und die Kathi is die Kaiserin Sisi. Den geliebten Manne, der wo betrogen werd.

Kinder hüpfen in ihren Sesseln und patzen herum: Mir hoben die hohe Kunst von unsara Mutti geerbt! Ihren Ernst und ihre Demut! Ihre Bescheidenheit und ihr zähes Arbeiten an sich. Ihr Ringen um Ausdruck!

Käthe: Wer ißt wie ein Schweindi und tut mit Nahrung urassen, derweil unsere topferen Burschen an der Front verrecken tan? Wer? Es is wieder amal die Mausi! Natierlich! Tunkt Mausis Gesicht in den Teller. Mausi gurgelt.

Istvan: Schattengleich, eine nie endende Kette schlanker Laiber, setzt die Menschenmauer aus dem Schützengraben in das Sperrfeuer hinein. Ein lebendiger Springbrunnen aus Beton. Blutzeugen für unseren Führer. Wie gern, oh wie gern wär ich dabei! Doch bin ich hier unabkömmlich. Sowas müßtmer einmal mochen. War des a Gspaß! Spiegel des Lebens. Trotzkopf!

Käthe trällert: Wien, Wien, nur du Allein sollst nur die Stadt meiner Träume sein . . . etc. Wie oft sang ich dies!

Schorsch: Genau! Schi Heil, der Feind! Hollaro! Wos i sog, des sog i aa!! Wos i waaß, des sog i aa! Und wos i soog, des güüt! Aber no net heit, no net morgn! Reserl, geh weida, tuest uns dei lebung vormachen, die was mir dich unter greßten Miehen gelernt haben?! Dafier derf des Reserl dann auch zum Basar vom Winterhilfswerk marschieren und die Kinstla zuaschaun, darunter auch wir drei, wie wir hier hocken. Oisdaun, Reserl, aans, zwaa, aans, zwaa, umtata, umtata. . . etc. Singen!

Resi, die still im Zimmer herumgearbeitet hat, legt Beserl und Schauferl beiseite und faßt ihre Schürze zwischen Daumen und Zeigefinger. Ungeschickt graziös! So walzt sie unbeholfen herum und singt mit brüchiger mißtönender Stimme: Ein Walzer muß es sein... Wien und der Wein ... Wien und der Wein ... Da liegt ein Stück vom Himmel drein ... etc. Habedehre, Herr Geheimrat! Kiß die Hond, gnä Frau! Aber Herr Baron, die scheene Suppn! Lamentiert immer. Net einispuckn! Gehns weida, Herr Brofessa, Sie kennen do des Kinderl net auf die kolte Stroßn ausseschicken! Wos do regnet! Sie hot doch nur geliebt, und Liebe is do kaa Verbrechen! Bittschen, Frau Gräfin, derfs a bissel mehr sein? Gengans weida, Frau Wiberal! Legt die Hand hinters Ohr, lauscht übertrieben kammerkätzenhaft. Hurchens zua, Frau Oberpostoffizial! Hurchens! Die Musi spüt. Der Ziehrer! Der Lanner! Der Millöcker! Der Girardi! Die Fiaker Milli! Lauscht plump. Perfekte Annie-Rosar-Kopie. Lamentieren! Jessasmarandjosef! Jeschuschmaria! Ach du liebe Zeit! Marantana! etc. ähnliche Ausrufe ad libitum.

Schorsch: Das Herz tuet an bluatn. Und des missen mir jetzt olles aufgeben. Unsterblicher Walzer!

Istvan: Glaubst wirkli, Schorschi?

Schorsch: Freilich. Gestern wor i beim Gauleita. Er hot uns zum wiederholten Mole beonstondet. Und diesmol güts, hot er gsokt.

Istvan: Aber geh! Des is do net das erschte Mal.

Schorsch: Oba des letzte, sokt er. Hernoch sieht er uns nur mehr als Wühler und Unterminierer. Ein Leben lang.

Käthe: Es trenzt das Reh, es geilt der Bock. Es trägt der Jager den grienen Rock. Ich lernte ihn lieben!

Istvan und Schorsch umfassen einander und tanzen singend einen feurigen Csardas. Durcheinander: Oioioi, jui, Mamma Bruderherz, was kostet Wölt? Mein ideoler Lebenszweck is Borstenvieh und Schweinespeck! Is Borstenvieh - Pfiff - weil i a Fiaker bin! A Kutscher konn a jeder wean, aber fohrn, des kennens nuuur in Wean! Mei Stoiz is, i bin holt a echts Weanerkind, a Fiaker wiarman net olle Tog find . . .

Käthe setzt mit hellem Sopran fort: Mei Herz is so lifti so leicht wiarda Wind. I bin holt - Pfiff -

Schorsch und Istvan: .. .is Borstenvieh und Schweinespeck!

Käthe zu Resi, die schweratmend auf einem Fauteuil zusammengesunken ist: Herst, Reserl, wannst nimma oabeitn konnst, muaßt holt weitergehn! Faulenzer! Unnützer Esser! Alsdann: geschwindig, springe, Hausgeist oita! Rasch, hin zur Putzi! Mir scheint die hot si vorhin vur lauter Lochen über unsere Gspassettln angwiescherlt. Tue das Kind säubern! Wirds boid? Resi hebt die Jüngste auf und will mit ihr zur Tür hinaus. Käthe eilt flink hinterher und gibt ihr noch einen Arschtritt, daß sie buchstäblich hinausfliegt. Und jetzt no an Stesser, und jetzt no an Stesser, damit gehts glei besser! I brauch kan Fiebermesser!

Schorsch singt, während man Resi von draußen lamentieren hört etwa: Aber gnä Frau . . . Sowas! Sowas derfen gnä Frau do net! , etc. Im Frühtau zu Berge wir ziehe fallera!

Istvan: Wos san denn des fier scheißliche Liadeln? Sowas hamma ja no nie net gsungen!

Schorsch: Des werma jetzt lernan, Bub! Und daitsch wird gredt! Sufurt! Urdentlich daitsch!

Käthe: Am liebsten spü i a Grafentöchterl aus der Provinz! Des paßt am besten zu mein großflächigen Gsichterl, wos oba schwer zum belaichten ist

Schorsch: A daitsches Madl in Polen wirst jetzt spün. In der Wojwodschaft Luzk. Und aus. Konnst scho onfongen, den Akzent lernen, gö!

Käthe: Ogrosel! Hirnschüssling! Zu Mausi: Geh, Mauserl, tue net so umadumpantschn mitm Essen. Das tut man necht, Kind! Sie haut Mausi fest auf die Finger. Mit dem Löffel. Mausi heult ein Solo.

Putzi schadenfroh: Jetzt hotsas kriegt. Jetzt hotsas kriegt! Oba ordentlich Kletzenfetzen! Weinheber! Schweinkleber!

Käthe reißt Putzi die Haarschleife auf: Net die Dichter schänden, Kind! Putzi zuckt zurück und bekommt eine Ohrfeige.

Schorsch forsch: Blut und Dreck mutig und keck. Neck neck, guter Speck!

Käthe elegisch: . . . Rollen . . . Rollen . . .stets muß ich aus Aigenem gestalten! Menschen formen! In naiche Menschen Kinder einischliaffen! Nie ist die Mimin sie selbst.

Schorsch: Heast, schau, wie die Kätherl die naichene Sproch vom Reich ko!

Istvan: In die Weite schreiten. Laß dich stets vom Meister leiten! Mein Fiehrer befiehl, mir folgen dir!

Schorsch: Die Frau Geheimrat, der Herr Kanzleirat. Die Dreierreibe. Sakristei. Schreibtruachn.

Käthe: Ich nehme mein Herz fest in beide Hände.

Istvan: Geh weida! Des is gewiß nur Träumerei!

Käthe: Ich habe viele Neider. Anton von Wildgans!

Resi steckt vorsichtig den Kopf zur Tür herein, Käthe bemerkt es aber sofort und wirft Essen nach Resi. Rasch verschwindet die Dienstbotin.

Käthe: Ich werfe mit Gottesgabe.

Istvan: Dies sehen mir.

Schorsch: Des sengen mir.

Käthe begeistert: Liab is, mei Mausi! Wern boid die Buam kommen. Aber nicht, wenn die Mausi mitm Sessel hutschen tut... Sie zieht ihrer Tochter Mausi den Sessel hinterrücks weg, Mausi fällt heulend zu Boden. Unordnung allseits. Da liegts Mauserl. Gfalln wie a junger Krieger aufm Föld, der was nicht das Glück hat, das unaussprechliche Glück, ein woames Betterl zu haben und der was nicht Klavier lernen tut und nächstes Jahr mit der Geige anfangen derf, weil er doch so gepenzt hat darum. Und der was nicht praktisch lauter Einser hat in der Schul. Resi kommt wieder einmal vorsichtig zur Tür herein.

Istvan: Kimm nur einer da! Geh weida! Reserl, sei gscheit!

Schorsch: Derfst eh net heiratn, Faktotum, oides! Derfst eh net!

Istvan: Bist eh nurs oide Schwesterl, was net pimpern derf!

Schorsch: Brauchst gor net frogn! Muaßt di holt reinlich hoitn, da kennt die Kathi nix.

Käthe streichelt Resi: Bist jo unser oites Reserl, wos treulich zur Famülie holtet, weil die Kinder so an ihr hängen. Oite Vawondte, liabs Reserl! Bussibussibussibussi! Handibussi! Scho vawölkts, s,Reserl!

Istvan: Scho vabliahts, s,Reserl! Mathias Wiemann! Mathias Wiemann!

Käthe elegisch singend: Rosenstock, Holderbliah, wann i mein Reserl sich! Klopftmer vor lauter Froid s,Herzerl im Leib. Trallallallalla! Hollarediüh! Hollero! Hollero! Holarüdirüdiho!

Schorsch: S,Dirnderl muaß fest oabeitn, gö ja?! Brav so. Es hat mich sehr gefreit.

Käthe: Erfühltes Sehnen! Triebes Regen! Banges Ahnen! Zupft an der Resi herum. Dabei leistet auch sie ihren kleinen Beitrag, damit mir bewahrt bleiben vor die hunnischen Horden! Burgtheater! Du Stätte der Weihe am Ring! Du Ort der Verwandlungen! Zauberland der Kindheit! Erstes glühendes Regen am vierten Rang! Das rotbackige Anstellen um Stehplätze! Erstes Erspüren, was Kunst sein kann, sein soll! Währenddessen macht Käthe der Resi heimlich Schürze und Spitzenhäubchen auf, beides fällt zu Boden, erschreckt befestigt Resi alles wieder. Käthe hüpft um sie herum: An Gspaß hob ich jetzt gmocht! Und wie das Publikum locht! Es jauchzt und tjachzt! Es juchazt und lefzt! Es seimt und schleimt! Es gigazt und Werner Krauß! Werner Krauß! Heros! Titan! Atlas!

Schorsch: Soweit so gut. Des missen mir uns merken fier unsaren nächsten Füm, diesen fröhlichen Streich. Und wos sokt die Resi drauf?

Resi auf Befehl lamentierend, immer schon Annie Rosar: Draußen is ein Herr, der mechte die gnä Frau sprechen bittaschen!

Alle winden sich vor Lachen. Durcheinander: Falsches Stichwurt! Falsches Stichwurt! Resi lacht furchtsam mit, von einem zum anderen blickend: Gnä Frau, es ist angerichtet. Der Herr Baron warten schon.

Käthe wirft Resi etwas von der Tafel an den Kopf: Mein Eigen! Mein Innling! Nesthocker! Brütling!

Resi wankt.

Schorsch: Die Resi is an wengerl zurickgeblieben, net wohr. Jedoch mir zeigen sich ieberall mit ihr. Mir schitzen sie wacker und ohne viel Federlesen vor dem Eithanasieprogramm. Unverdrossen! Marie Geistinger, Mutter der Wiener Operette. Milli Strubel!

Käthe: Zum Herrgott tan mir bettn.

Schorsch: Aber do net glei . . .! Woat a bissi!

Die Bühne verdunkelt sich langsam. Es ertönen märchenhafte Harfenklänge, es folgt ein Allegorisches Zwischenspiel.

ALLEGORISCHES ZWISCHENSPIEL

Musik (Harfen und ähnliches) erklingt. Bühne dunkel, helles Licht nach oben. Die handelnden Personen erstarren kurz in ibren Posen, wie behext. In der Art eines Altwiener Zauberspiels (Raimund, schau oba) erscheint eine Art Märchenkahn, Gondel o. ä. paradiesisches Gefährt, hübsch bemalt und so. Das Gefährt wird an Schnüren langsam von der Decke herabgelassen, während die Harfen schon spielen. Im Märchenkahn eine Gestalt in einer merkwürdigen Mischung aus Alpenkönig, Menschenfeind und Invalide. Er trägt ein Zauberstäbchen. Er ist, was man aber nicht sofort bemerken darf, ganz mit weißen Binden (Verbandszeug) umwickelt wie eine ägyptische Mumie. Tritt aber unbekümmert und fesch auf: Vorerst. Einige Blutflecke, diskret angebracht, können zu sehen sein.

Resi steht wie die anderen einen Augenblick lang baff, dann faßt sie sich ein Herz. Langsam bewegen die anderen sich ebenfalls, aber wie in Zeitlupe, verlangsamt, träumerisch, bis zu dem Punkt wie angegeben: Es est ein urtsfremder Herr angekommen. Mechte woll hier einischliaffen, wenn mir ihn losserten. Er mechte ein Labsal, ein Wagnis und eventuell einen Wein.

Schorsch: Es wird ein Wein sein, und mir wern nimmer sein.

Istvan: Kennen wir ihn?

Der Fremde verbeugt sich elegant.

Käthe: Est es ein fescher Monn?

Istvan betrachtet den Mann näher: Pfui. Ein Unorganisierter!

Schorsch: Ich schmeiß ihm gleich aussi.

Istvan: Weil mir dürfen uns auf nix einlassen. Die Wölt schaut auf unsereins und mir schauen auch auf uns.

Käthe hymnisch: Sehet: ein innerlich zunehmender Mensch. Woge des Lebens. Gefährte der Größe. Irrklang der Seele! Harmonie der Dichtung. Mitte des Daseins. Abbild des Geistes.

Istvan untersucht den Mann, spricht in Käthe hinein, beide kurz zugleich: ist ein wenig bekannter Kollege. Kein Judenkrispindl. Ein Haxenschmeißer. Kein Zuwizahrer!

Schorsch: Kurzum, mir lossen eahm net eini in unsr naiches Haus Daitschlond.

Harfenklang. Der Mann, genannt Alpenkönig, steigt majestätisch aus seinem Gefährt. Er singt a la Raimund.

Alpenkönig: Und suchest du Ruhe, das ist ja bekannt, am sichersten ruht sichs im Östreicherland!

Istvan: Wer hot Ihnen einiglossen, Sie Bursch Sie! Mir hoben itzo keine Zait. Mir missen zur Grillparzerfeier, mir missen zur Medea, der großen Rassentragedie!

Käthe: Die gspui ii! In der Josefstodt! I gspui jene tragische Schuld, der eigenen Art untreu geworden zu sein!

Schorsch: Sprache und Volkheit!

Istvan: Dieser Wiener, zu dem sich das endlich geeinte deutsche Volk bekennt!

Käthe: A scheene Rollen! Und gonz Daitschlond erlebt mit! Es nimmt den großen Sohn und Dolmetsch der Ostmark glaichsam gonz ons Herz.

Schorsch: Libussa! Königottokarsglückundende!

Istvan: Vielleicht die mächtigste geschichtliche Tragödie, die je ein Daitscher geschoffen.

Käthe: Daitsche Gerodlinigkeit gegen tschechische Vermessenheit, die im letzten seelisch nicht stondhält.

Istvan: Brav, Kathi! Guat host des gsokt.

Schorsch: Nur nördlichen Völkern sind so zarte Märchengebilde eigen!

Käthe: Bravo! Bravissimo!

Istvan zum Alpenkönig, der sich still beschäftigt hat: Und nun gehen Sie, Freund! Verlassen Sie unsere stille Kammer und nehmen Sie die Sorgen mit hinaus!

Schorsch: Seind Sie vielleichts ein Autogrammsommler? Hier hoben Sie meine Unterschrift, und wie gern! Er unterschreibt eine Postkarte, reicht sie dem Alpenkönig, der sie fallen Iäßt.

Istvan: Und nun gengan Sie! Beflecken Sie dieses Stickl Erde nicht!

Käthe: Jawull! Es ist eine Zuflucht fier eine winziche Minderheit: die Idealisten! Die Enthusiasten des Teattas!

Alpenkönig nach einer Pause, in der die Anwesenden versucht haben, ihn hinauszuzerren, was ihnen nicht gelingt: Gellns, Sie höffen mir, liebwerte Kollegenschar, Freunde und Gönner! Könner!

Käthe: Wos wollns? Wos wü der Lackl? Gengans weida!

Schorsch: Gehns seins gscheit! Sinds doch kein junger Tutter mehr, sinds doch schon ein alter Krauter!

Alpenkönig: Selbst es Blümerl lebt gern!

Käthe eifrig: Recht hams! Selbst der Wurm, die Eidechse, das Oadachsl, selbst der bunte Falter lebet gern in unserem Daitschlond.

Schorsch: Wo man frank und frei otmen konn. Gengan Sie sufurt! Ohne Widerrede! Weil sunst holen mir die Polizei.

Käthe: Kenne persenlich einen Schutzwochta, der wos mich immer um Autogramme onbetteln tut.

Istvan: Und unsere herrliche Jugend! Speziell sie zählt zu unsren leidenschoftlichsten Verehrern! Mir haben die Jugend necht vergessen. Die Jugend besteht aus Idealismus!

Schorsch: Auch mir waren einmal jung.

Alpenkönig: Sie kennen gewiß mehrere Anekdoten, Herr Burgschauspieler, in denen ich der Trottel bin, nicht wahr?

Schorsch: Seind Sie vielleicht die rote Pest? Ui jegerl!

Istvan: Seind Sie vielleichte die Fratze des Bolschewismus? Ui jegerl, hob i an Spundus!

Schorsch: Seind Sie der Vertreter des Weltjudentums? Mir kaufen nix!

Alpenkönig: Hier bin ich nur Österreicher, hier darf ichs sein.

Käthe: Wos sokt der notiche Mensch?

Schorsch: Er sokt, er ist oin Ausländer.

Istvan: A Behm? A Krowot? Schaißlich!

Käthe sehr akzentuiert: Es stimmt nicht einmal, daß Grillparzer das tschechische Volk nach dem tschechischen Schneider etwa beurteilt hätte, bei dem er vielleicht arbeiten ließ, obwohl das gar kein schlechtes Paradigma für die Deklination des tschechischen Volkes wäre.

Alle schweigen einen Augenblick.

Istvan zum Alpenkönig, der sich an den Sekretär gesetzt hat und etwas schreibt: Gengan Sie! Mir wollen hier keine Juden und Ausländer!

Alpenkönig schreibend: Ich sammle Geld für eine unserer örtlichen Widerstandszellen bitteschön. Sie können uns einen Scheck überreichen oder die Summe mit der Post überweisen. Sie erhalten für Ihnare Spende ein schönes Abzeichen.

Alle prallen vor ihm zurück.

Käthe: Schweigen Sie! Seinds fesch!

Resi kommt mit Nahrung: Der orme Mo! Gonz verhungert is er schier! Kommens mit, i geb Ihna a Jausn!

Käthe haut Resi Ohrfeigen runter: Aussi! Aussi! Bosnigl!

Alpenkönig: Ihnare Entgleisungen schaden Ihnen mehr als sie nutzen. Tun Sie nun endlich eppes fürs Österreicherlandl!

Käthe: Pfui! Fort mit dem flennenden Hudriwusch! Sie geht auf ihn los, versucht ihn hinauszudrängen! Pfui über dich, du Tor!

Alpenkönig wehrt sich: So seinds doch gscheit! Ich arbeite an Ihrer Biographie! Passens auf! Wie leicht is wos gschchn!

Käthe: Aussi! Aussi! Aussi! Lumpenkerl!

Alpenkönig: So wortens doch, wos in Ihnara Biographie olles drinnenstengan wird, wos man hernoch freilich sogleich wieder vergessen wird! Bagasch!

Istvan: Lumpenhund! Vaterlandsverräter!

Käthe singt: Brüderlein fein, Brüderlein fein, einmal muß geschieden sein! Sie wirft sich gegen den Alpenkönig, der fällt gegen seinen Kahn, beides taumelt, wankt, kracht.

Alpenkönig in Not: Holten Sie ein, gnä Frau, holldero. Ich bin Ihnare Biographie! Mich wird man genauso vergessen, nebstbei bemerkt. AU!

Käthe schlägt auf ihn ein, einiges gerät ins Wanken: Wos sein Se! Wos sein Se!?

Alpenkönig: AU! Mir sein mir! I bin i! AU!

Resi hält Käthe von hinten fest. Gerangel: Gna Frau! Gnä Frau! Jeschuschmaria! Tuan Se sich nicht versündigen! Der Herrgott siecht Ihnen zu!

Schorsch raucht eine lange Pfeife: Wo die Not am größten ist, dir Gott am nächsten ist, wie der Doitsche sogt.

Alpenkönig ächzend: Ich bin die Nachgeborenen! Ich bin die Jugend! Ich bin das hohe Alter! Ich bin Österreich! Ich bin die Zukunft!

Istvan und Käthe schlagen ernsthaft und immer heftiger auf den Alpenkönig ein, der beginnt jetzt, Körperteile zu verstreuen um sich her. Kleidungsstücke lösen sich von ihm. Ein Arm löst sich jetzt. Teile seines Gesichts ebenfalls. (Maske!) Das Zeug fällt zu Boden. Während Istvan und Käthe den Alpenkönig demontieren, tanzt Schorsch mit der sehr widerstrebenden Resi eine Art Ländler, Schorsch singt dazu.

Istvan hält kurz inne, schwer atmend: Ui jegerl, is des a Hetz!

Schorsch keucht: A Hetz muaß sein! So glocht hamma nimma seit dem Anschluß!

Istvan keucht: I ko scho neamma! Ui, is des a Gspaß!

Schorsch: So gschrian homma nimma seit dem Heldenplotz.

Alpenkönig ohne Arm, mit glatt bandagiertem Gesicht ohne Nase und Mund: Der bessere Teil Österreichs braucht Ihnen jetzt, Kollegen!

Käthe: Der redt jo immer no! Aussi sog i! Heerns schlecht, Sie Schlawiner? Sie stößt den Alpenkönig heftig in Richtung Tür. Der König torkelt, es löst sich aus seinem Armstumpf - oder sonstwo vom Körper- eine endlose weiße Binde Verbandszeug, die stark bIutbefleckt ist. Im folgenden wird der Alpenkönig von den Brudern und Käthe so heftig herumgestoßen, daß sich die bIutige Binde immer mehr abwickelt und auf der Bühne überall herumliegt.

Istvan und Schorsch gemeinsam singend: Marianadl anndl anndl . . . aus dem Wachauerlandl andl! . . . ein nettes Wort von dir ist wie ein Kuß von dir.

Alpenkönig undeutlich, torkelnd, sich auflösend: . . . Scheint die Sonne noch so schön . . . einmal muß sie untergehn!

Käthe: Falott! Krambambuli! Sie ergreift einen Schürhaken, schlägt auf den König ein, der fährt sich mit dem Arm über die Gesichtsbandagen und verschmiert das Blut im Gesicht.

Alpenkönig undeutlich: Hier ist gut ruhn! Eine klare Quelle, ein Trunk kühlen Wassers, und schon geht es mit frischen Kräften vorwärts. Grüß Gott. Er wird niedergeschlagen.

Käthe: Gigerl! Krispindl! Schlawiner! Wiener!

Alpenkönig undeutlich stammelnd: Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein. Er wird von Käthe geschlagen und schreit auf.

Istvan: Es wird nichts so heiß gegessen wie gekocht.

Schorsch: Es ist noch nicht aller Tage Abend.

Istvan: Frisch gewagt ist halb gewonnen. Alpenkönig schreit laut.

Käthe: Weißt du wies am besten schmeckt? Frisch gekocht und rein gedeckt!

Schorsch: Der Ausländer wird anlassig!

Käthe: So gebietets ihm doch Einhalt, Burschen!

Alpenkönig klangvoll, wenn auch etwas atemlos: Geben Sie Gedankenfreiheit!

Lachkrampf von Käthe und den beiden Brudern. Sie fallen einander atemlos vor Lachen in die Arme, Käthe lacht sie liebevoll aus.

Käthe: Burschen seids gscheit, seids staad! Seids Idealisten!

Der Alpenkönig will flüchten, aber die beiden Männer versperren ibm den Weg, der König tropft Blut um sich herum. Als der König noch einmal hochkommt, wirft sich Istvan auf ihn und ringt mit ihm auf dem Boden. Dabei beschmiert auch Istvan sich kräftig mit Blut.

Käthe betrachtet den Alpenkönig: Rotzfrech, der Lümmel! Aber aufgeweckt.

Schorsch betrachtet die Kämpfer: Mecht mer gor net glauben, daß der a Jud ist

Käthe: Mecht mer ihm net ansehen, wenn mas net wissert. Das Bündel Alpenkönig liegt still da.

Schorsch: Brav sein, gscheit sein, Steigbügelhalter sein!

Alpenkönigs Stimme vom Tonband: Ade, ade! Scheiden tut weh.

Schorsch: Er stemmt sich immer noch gegen die Mehrheit. Er reißt Stücke aus dem Alpenkönig heraus und wirft sie wie abgenagte Knochen hinter sich, demontiert das Menschenbündel.

Alpenkönig vom Band: Hast für mich wohl keinen Sinn, wenn ich nicht mehr bei dir bin. Singt.

Schorsch tritt ihn: Jetzt tuans mir zuhurchen. Weils mir gor so derbormen. Singt: Geb zehntausend Taler dir, alle Tage bleibst du bei mir!

Käthe gellend: Nein! Tue es nicht! Mann, Bruder, Freund!

Schorsch: Aus is und guat ist!

Alpenkönig singt vom Band: Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub und zupft mi: Briaderl kumm! Da stell ich mich am Anfang taub und schau mich gar nicht um.

Schorsch: Kusch! Packen Sie Ihnare sieben Zwetschken und dann hinaus! Er schlägt noch einmal mit der Faust in den Alpenkönig hinein, der reglos liegenbleibt. Schorsch rappelt sich blutbespritzt hoch.

Istvan: Heast, wüüst wirkli für die Lumpn zahln, die wos gegen den Fiahrer stiarln tun?

Schorsch: No, wer waaß ... in a paar Jahrln  ... werma sehn, was unser Kriegerl dann so machen tut!

Istvan: Geh tue net so schiach!

Käthe: Garstiger Bub!

Schorsch: Werma sehn, für wos guat ist ...

Käthe: Resi, begleite den Herrn hinaus!

Resi eilt herbei, steht den Menschenresten aber hilflos gegenüber. Sie kommt in der Folge mit ein paar Bogen Packpapier zuruck, in die sie den kaputten Alpenkönig verpackt. Sie kehrt mit dem Besen das Verbandszeug zusammen. Die Bruder zerlegen inzwischen die Gondel, falten sie klein zusammen, beseitigen sie gründlich.

Istvan arbeitend: In ein paar Jahrln is entweder Sieg Heil oder Mathäi am Letzten!

Schorsch: Werma nochat scho sehn!

Käthe: Die Zeit heilt Alle Wunden.

Schorsch: Auch wenn man keinen Kreuzer im Sack und einen Mordsdurscht hat!

Die Bruder entfernen das Gefährt. Resi kämpft mit den Resten des Alpenkönigs. Käthe, die kurz draußen war, kommt mit einem netten Stubenmädchen-Handfeger wieder herein und säubert spielerisch etliche Überreste, wie im Film.

Käthe: Is er weg, der Falott, der dreckate?

Schorsch: Der Kollege ist bereits abgetreten, Schwägerin.

Käthe: Der Strizzi, der! Loßts mi endlich mein naichen Füm weita dazöhln: Oiso: I steh do, net wohr. Und der blasierte Mo schaut mich on, als ob er mi zum erschten Mal siagt. Er is oiso ein beriehmter Moler und sokt, du mei, er möchte mich einmal oiso nackt sehen net wohr und malen. Der odrahte Lump, du mei!

Resi zerrt das Paket Alpenkönig an den Schnüren hinaus, eine Blutspur zurücklassend.

Schorsch: Das gschamige Madl. Die Nudel. Die Budel. Kainz!

Käthe: Der Feschak loßt mich sitzen. Er tarockiert und raucht Virdschinia. Das Reserl bringt jetzt das Kompott. Kompost! Kompost! Dies zum Trost! Sie tritt Resi, als diese hinausgehen will, wieder kräftig in den Hintern, so daß diese förmlich hinausfliegt.

Käthe ohrfeigt grundlos Mausi. Eine Mutter hat man nur einmal! Wien, wie es singt und lacht. Wien, wie es klingt und kracht. Und wer kriegt keinen Vanillipudding? Na, wer? Richtig: die Putzi!

Putzi lamentiert: Mamsch! Papsch! I hob do gor nix gmocht! Gnade!

Käthe: Einer Mutter tut man nicht widersprechen als Kind.

Schorsch: Siegeskleid! Wiechert! Weinheber! Rökk! Rökk!

Istvan: Juppi! Joppe! Nocke! Jucheissassa!

Käthe: Es kneift die Geiß, es seift die Dirn, es gneißt der Hans Moser a Kaiserbirn.

Istvan unterbricht eifrig: Kinderarzt Doktor Gschmeidig! Ech singe ein frisches Lied. Und die Kinder, die was um den Tisch umadumhockn, haun mit eahnare Löfferl auf eahnare umdrahten Blechtatzerln.

Schorsch: Genau! Aber zerscht muß das Kind aufgegessen haben, bevur es sein Tatzerl umdrahn derf.

Istvan: Hui! Ui Jegerl! Spritzerl ins Venerl! Benzin! Gasi! Gassigassi mitm Hundi!

Schorsch: Mir treten in einer Sondervurstellung vor die zurickgebliebenen Kinder in Glanzing auf. Damits a letzte Fraid haben! Bevurs abgspritzt wern.

Istvan: Oder am Spiegelgrund! Da wird man nimmermehr gesund! Jawull! Singen derfens noch a Liaderl! Jene Patschachter, die oamen geistigen Kripperl! Jede Muatter tat rearn.

Käthe klangvoll: Schweig! Stille, stille, kein Geraisch gemacht.

Istvan: Zeit der Reife.

Schorsch: Losts zua! Aber vurher derfens noch mit dem Kinderarzt Doktor Engerlmacher ein scheenes Gstanzl singen, de Gstermln! Wie geschwind sie es aufgegessen haben, jenes letzte Grieskoch vor der großen Ewigkeit! So schnö konn ma got net schaun! Des Grieskoch vor dem letzten Obschied. Och jo . . .

Istvan: Is eh traurig. . . I hob amal an Vattern gspüt, der wos net weiß, wofür man leben tut. A schöne Rolln! Er erfohrt es bold: fier Daitschlond! Kotzseidank, es war nur der Nazl. Der Schneider Nazl. Köck! Köck! Greisengestalter von Knechten und Vorbild für viele! Schnitter! Kollege sein! Mitbauen derfen!

Käthe: Wie gerne verkleidet das Kind sich schon! Wir haben den schönsten Beruf der Welt erwählt.

Schorsch: Oba Schluß itzo mitm monarchistischen Gschlader! Schluß mit die scheenen Uniformen! Mir missen itzo ein daitsches Filmerl mochen. Einmal verbrannte eine sehr begabte Soubrette unter einem herabfallenden brennenden Scheinwerfer. Ui jegerl!

Istvan: Aus is aus und Schnaps is Schnaps.

Käthe springt jäh auf, setzt sich Istvan auf den Schoß, wippt dort.

Käthe: Klang aus Menschenhand! Ergibt sich Istvan.

Schorsch: Gehts hörts auf! Nackerpatzerl! Blunzen!

Istvan: Erst wanns aus wird sein mit ana Musi und an. . .

Schorsch unterbricht: Gspusi! Dos miassen mir jetzt a weng aufgeben, sunst steigen die uns in Berlin aufs Doch und mir hom den Scherm auf. Juppeidi juppeida.

Resi kommt mit einer Platte Gebäck und Likör herein. Käthe stürzt auf sie zu, reißt Resi die Platte aus der Hand, daß alles herunterfällt. Die Kinder balgen sich am Boden kreischend darum.

Kinder durcheinander am Boden: Jööö! Die scheenen Kipferl! Fein! Mmmmhm! Guat! Ganz dreckert sans. Kannma aba no essn!

Käthe stürzt hin und trampelt auf dem Gebäck herum, es pulverisierend, sie macht mit den Kindern ätsch zu den Kindern: Schleckerpatzi! Schleckerpatzi Ätsch Ätschipetsch! Trampelt. Und wenn die schlimme Theres jetzt die Kipferl net sufurt zusammenräumen tut, darf sie den Girtel von der Mutti einmal auf ihrem verlängerten Rücken probieren. Sie sucht nach einem Gürtel, trägt aber keinen. Seufzend zieht Istvan seinen eigenen heraus aus der Hose und reicht ihn ihr mit einer galanten kleinen Verbeugung.

Istvan: Gnädige Frau, Eheweib, ich bin so frei.

Käthe kleinmädchenhaft: Ui jegerl. Handibussi! Handibussi! Schwingt ihren Gürtel nach Resi. Resi flüchtet quiekend .

Käthe gellend: Mein Salzburg! Mein Gretchen! Mein Reinhardt! Jud ölendiga! Pfui Deufi! Neige du Schmerzensreiche.

Schorsch: Pfui! Drückeberger! Vaterlandsverräter! Judenbengel.

Käthe: Ich treibe Schabernack und trag die Putzi huckepack. Tut es. Singt. Im weißen Rössel am Wolfgangsee! Sie zwickt Putzi auf ihrem Rücken und tritt gleichzeitig Resi am Boden, die kniend dort sauber macht.

Käthe, während sie ihre Tochter und Resi malträtiert: Ein Quälgeist bin ich doch immer gewesen, wenn ich ehrlich bin. Erfreute und ärgerte gleichermaßen Eltern wie Erzieher in der elterlichen Fleisch- und Selchwarenhandlung. Irrwisch, der ich war. Alraune! Hopsassa dirallalla!

Istvan: Kapellmeister, einen Walzer, wenn ich bitten derfte!

Käthe: Wildfang! Wildgans! Sie beginnt, wild mit Istvan herumzuschmusen.

Kinder durcheinander: Neet! Aufhörn, Papsch! Mamsch! Durten is das Loch, das was der Zimmermann gelassen hat!

Schorsch gütig: Das Kaffeetscherl, das Marietscherl, das Flitscherl, das Kipferl, das Zipferl, das Zumpferl und das Vogi.

Istvan halb erstickt unter Käthe: Wohlan! Das Spiel kann beginnen!

Käthe: Horch was kommt von draußen rein? Hollahü hollaho! Tritt Istvan jäh und unerwartet zwischen die Beine. Der krümmt sich, stöhnt.

Schorsch kopfschüttelnd, gütig: Fei net zum Glaubn, fei net zum Sogn. Drei Kinder und no imma net trocken hinter die Uhrwaschln.

Käthe: Freund und Mann! Kümmert sich um den sich krümmenden Istvan.

Kinder tanzen um die beiden herum: Mutter ist die Beste! Mutter ist die Beste!

Käthe tritt jetzt auch nach den Kindern: Kniestark futtert die Natter ihr Gewölle. Der Berg! Der Berg! Sehet hin! So seht doch! Der Berggeist ruft die Seinen! Dorten, am steilen Grat. Blickt, die Augen beschattend, empor, a la Leni Riefenstahl, hymnisch. Herr Doktor Mutesius aus Berlin in Bergnot! Rasch! Holt Hilfe!

Istvan mühsam, sich immer noch krümmend: Jenes junge Weib ward nach langem Werben meine Gattin. Noch immer ist sie mehr Kind als ihre munteren Drei.

Käthe spricht leicht gestört: Das Joch trifft auf den Kacken hauf. Stutzi anziehn! Sie ergreift eine Kanne mit heißem Teewasser vom Tisch und schüttet wahllos das Wasser auf die Köpfe der Kinder. Lautes Wehgeschrei antwortet darauf:

Käthe jubilierend: Heißes Kopfi starkfried! Und hastunichtgesehn.

Istvan: Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.

Käthe hüpft auf Istvan drauf, der sich wieder aufgerichtet hat: Rot Zopf! Kotfront! Die Klamm. Die Lawine. Schlawiner! Rasch!

Schorsch: In unserem nächsten Film derf der tepperte Praiß net scho wieder der Teppate sein!

Istvan: Oba sowas kommt bei uns doch nie net on! Bei unsere Wiener! Nia! Wo doch der Wiener Füm schlußendlich seine scheenste Bliete erleben tut. Wia nemman mir ihn denn? Er patscht Käthe schallend aufs Hinterteil. Sie juchzt auf:

Käthe aufspringend und ubertrieben betulich Sachen auf dem bereits chaotischen Tisch ordnend: Aber geh, Schatzi, sei gscheit! Wäschermaschel waasen die Leichen in die reichen Bl... Beginnt zu stammeln: - Zzzu. . . zu. .. zu. .. suu - angestrengt - Bettgehn! Plötzlich klar: Nein! Dies für die Holzschuher oder die Mayerhofer! Alter Hallodri! Schweinz. Schweinz. I bin a Gustomensch. Gustomensch. Sabbert. Zerstreut klopft ihr Istvan auf den Rücken.

Istvan: Jawoll, sowas brauch ma. Es zipft mich an, daß der Preuße heutzutage jene Rollen spielt, die was früher die Juden gespielt haben, nämlich das komische Faktotum, den gierigen Theaterdirektor oder den Handlee, wenn er raffert wird.

Schorsch: Eben. Trottel. Das darf nicht so bleiben.

Istvan geht in Kampfstellung: Wie tuest denn mit dein Bruadan redn, ha?

Schorsch: Ohne Fleiß kein Preis. Sich regen bringt Segen. Reden ist Silber, Schweigen. . .

Istvan: Was? Weg sans? Wo sans denn? Die Jidn . . .

Schorsch: Ich weiß es necht, wo se hingekommen seind. Doch sehe ich sie schon seit Längerem nicht mehr.

Käthe vernunftig: Woos? Weg sans? Geh weida! Wirkli? Ei freilich, ich sah sie lang nicht mehr. Lang lang ists her. Waldgrün der Heimat so duftig und traut. Itzig belästigt das daitsche Weib mit seiner abnormen Ungeschschsch - stammelt - itzlichkeit! Istvan zwickt sie in den Arsch, sie juchzt. Schleichen sie nicht mehr über die Wiesen und Auen unseres lieben Alpenvorlands? Jene spitznasigen, plattfüßigen kleinen Gesellen? Kraxeln sie nicht mehr, ähnlich den Kasermanndln, jenen flinken Kobolden der Vollmondnächte, die sich nur guten Menschen zeigen, in den Bergen herum? mühsam, den Faden verlierend: Absteifen sie nicht ihre Lieder im Kassenkas? Im Massenkaas? Dann isses ja guat.

Istvan: Gleich gibts peitschi peitschi, wann die Käthe nicht anständig schnabulieren tut. Heidschibumbeidschi. Er will ihr eine schmieren, wirft sie zu Boden, sie wehrt sich kreischend.

Kinder durcheinander: Der Jude und das Christenmädel!

Käthe: Goschihalten! Mucksmäuserstaad! Net kalzen! Die Kolatschen net zerstessen zer . . . kliften!

Schorsch: I hob do gonz zufällig a neichtes Bichel einstecken! Hebt ein Drehbuch in die Höhe.

Käthe streckt sich hüpfend danach: A Bichel! Mutterlaut! Ischl! Mechthild! Den fremden Kleib plattern!

Istvan: I spü an Magnaten ausm Ungarlond. Oder Trenck, den Panduren! Oder den Strauß Schani vur seine greßten Erfolge. Man ahnt den Erfulg bereits.

Schorsch: Ihr spüts daitsche Siedler im Polnischen. Echte polenvernichtungswillige Recken!

Istvan und Käthe geben pantomimisch und akustisch sämtliche Repertoiregesten des Erstaunens von sich.

Käthe: Der Fiehrer saß mit zu mehreren von uns scheene junge Schauspülarinnen zusommen! Gesungen und gelacht wurde, der Wein perlte in den Glaserln. Lauwarm wor die Nocht, Limmer und Stieder flogen hin und her, ein Tort gab das ondare. Quoolen, Quellen! No jo und wier es so geht, kimmt der Fiehra auf den Gedonken, er mechte mit den kungeln Schaubrunz... Schauprinz... Schschschaupisserinnen eine Rundfohrt mitm Horch mochen. Geklagt es an. Wir taten dies. Die Haare zogen vom Kopf, Wagen offen. Haut von Schläfe und Schädel. Lampengewimmer. Schirmi. Bravo! Ferne Stiefelbitte. Der Fiehra sagt zum Schofför, bleiben Sie hier, ich eßgier selber. Mondeswürgen. Die Nocht schwieg Heil. Herrlich das Krickel vom Schschsch. . . würer! Also, wie ich schon sage, mir fuhren, weil der Hörrder zeigt unser . . . Gewienn! Karlskirche! Dom! Krollkopf! Wieschelmaterial! Menschenmatsch! Über Schleim gings daheim! Kurzum?

Schorsch: Bist bold fertich?

Istvan: An Bauer spü i net!

Schorsch: Mußt aber Bursch, es geht um die Wurscht.

Istvan: Hohe Pflicht. Doktor Karl Engel, Arzt und Helfer.

Käthe mühsam: Dürnkr... ut. Verbliahn tuuut... Blut! Bluuut! Will deutlich etwas anderes sagen, kann aber nicht. Blüh... Bliahrot vergerbte sich der Pfosten... pforzen! Osten! Das Supperl. Frenetisches Gestüt mit Tritt und Tat. Bäuschel... nett! Bay... ern isshier nicht, sagte der Fiehra, Bajo... nett! Wien ist hier. Weana Kompost. Kompo-nist! Komponistenhaube. Eine Rosenlaube in der Vor... platt. Bleiben Sie, ich fahre selber. Ich zzoige diesen Schaukillerinnen ... den Karlschweller ... den Stefanskogel.. . Naja. Kannmanixmachn.

Istvan: Auf einem weißen Hengst tu ich reiten. Die einsame Birke.

Schorsch: Die Kinder miassen in dem Füm a weng gresser sein, miassen holt sagen kenne, was der slawische Mensch ihnen an tut.

Istvan: Das Kätherl reißt das Kind aus dem Bette und schreit: Mein Nesthäkchen, was haben sie dir ongeton!

Käthe: Mausi, komm her do! Weinen, gell! Oiso los!

Istvan: Brav. Sehr brav. Kind.

Schorsch: Die Mutter fahrt zu anara schweren Operation ins Spital. Mausi lacht meckernd auf und kriegt eine Ohrfeige.

Istvan: Mir werden dem Kind schon zeigen, daß man die eigene Mutter, die im Sterben liegt, nicht auslachen tut.

Schorsch: Wann i denk, was die Röckling und der Schnuppi vadient hoben nailich bei ihnarem Auftritt im Kazett. Stacheldraht und Suchscheinwerfer gaben eine reizvolle Kulisse ab für ein menschliches wie kinstlerisches Ereignis. Knackwurscht!

Käthe, Burgtheaterton: Die herrlichen Wiener Menscheln! Limonad. Drüsenausscheidung. Auf der Flucht valier ich olle meine Kinda am Bahnhof, weilse sich a Limonad kaufen wolln. Krowoten heats! Sie schreit. Krowoten herhörn! Kißdihond geschwier! Jodelt. Hollodero! Kinder! Geschwindig! Der Wind der neuen Hiasl unter die Hiesigen... Ausse! Ausse! Nicht Platz hier. Brav einschlafen. Fischer von Erlach hinrichtete diese schiache . . . Kkkolik . . . diese Kkkkkerippe!

Schorsch: Es gibt eben sulchene und sulche.

Istvan: Bagasch! Zu den Kindern: Brav einschlafen, und der Teddy geht mit. Und der liebe Gott bewacht: s,Kracherl, s,Handibussi. Nicht jochazen! ruft: Jugendbewegung! Jugendbewegung! Hausmannskost!

Schorsch: Der Schnitter messert. Helfen Sie einer daitschen Mutter bitte!

Istvan: Der Pole vernichtet mindestens vier junge Leben.

Käthe schreit getragen: Der Nachen! Der Nachen rollt ieber den Fleck Erde hinweg! Der Fleck muß weg! Fährmann, holüber! Fährmann, holüber! Willfrieds Willkür. So ein neidiges Getreide. Die Sonne gehet auf! Die Haare der Sssssauschädlerinnen flatzern. Ssauschlitzerinnen!!

Schorsch: Volkswut rächt flugs das Morderl. Hastunichgesehn.

Istvan: Das geniegt vollauf. Das Salzkammergut. Die Wallfahrt. Die heilige Muttergottes. Mariazell!

Schorsch: Der Behm . . . pfui Deiwi, is der schiach! Jetzt zeigt er sein Antlitz. Zuckzuruck! Ruckzuck! Der Glück im Winkel. Das Marterl.

Käthe: Kurzundgut. Wir zerreiten dem Führer einen unverhäßlichten Atem. Der Abend der Geblutigkeit . . . Willi! Die Kirche wirft Knie an Knie einen Natternschatten... ein Kkkk... ompostgesundheits . . . Menschenhetz!!

Schorsch: A Hetz muaß sein! Sonst gengan die Leit net ins Kino.

Käthe ekstatisch, Burgtheaterton: Dung! Dung! Dung! Karls Dung. Franzens Dung. Adolfs Dung. Gedüngte Hhherde. Lllleicheln unterm Baam. Marod... Krowot... Ttttorsch... Schschschood daß Ttttttortn! Tuatn. Henriette. Lavendel. Buxbaam. Morrrrdenrot! Junger Tutter! Hinreise. Au! Au! Auschschwww. . . Schwester! Geh Pepperl, plausch net!

Schorsch: Geh gib a Ruah, heast! Er schlägt Käthe kurz und rasch zu Boden. Sie fällt um und bleibt liegen. Feme! A so a Festivität! Des dumme Dingerl. Fein sein, beinonder bleibn. Patscherl! Krischpindl! Tschapperl! Burgtheaterton: Heimat! In Tau und Gunst! Hollero. Die Gemse. Der Steinbock. Der Adler auf der Klippe Horst. Der Hecht in der Tiefe. Das Huflattichblatt. Der Kogel und der Mugel. Das Tier der Heimat. Kümmert sich der Bauer net ums Reh, geht der Wildstand net in die Höh. Der Hirsch im Tann. Der Himbeerschlag. Der flinke Schas. Das Tier der Speimahd. Die unermeßliche Freue. Die Heerschau unter all den Besenheiten. Das Dreckerl Erde. Meister Rotrock, der schlaue Fuchs. Meister Petz in den dunklen Fruchten Kärntens. Eichelhäher du, mein alter Freund! Lerche hoch im Katheter schwebst. Satte Wiesen, Pinzgau! Vergessene Wildplätschen in den Schwuchten Pirols. Bekenntnis zum Erbe. Jager mit dem treuen Gefährten. Aufatmend auf den Flitze stützen. Wilderer! Gipfel! Pulverschnee, stiegend und quellt. Kühner Schifahrer! Der Bursch und das Bägel. Das Dorfgasthaus. Das fröhliche Beisammensein. Schnurren und Sprüche. Schnaderhüpfl und Sprenzel. Das erste Du. Ringstraße! Wien Wien nur du Allein. Frohes, arbeitserfülltes Blasten und Fratzen. Fleißige Menschen. Fabriken. Büros. DIE FRONT. Wo der Blick sich erst weitet. Frühtau auf dem Kacker. Das Feld. Die Ähre. Das Brüchserl, das knallt. Das Rebhuhn, das fallt. Die EHRENSCHNEIDE. Der Nahrungspreis. Fleißige Rägde und Flechte. Das Volkslied. Die Großmutterl am GASUNGSOFEN. Schnurren und Märchen. Fliegen und Lapperln. Die Petroleumlampe. Hände die viel geschafft haben. Schwielen auf zarter Hand, die einst Zeige spielte. Das Erntehelfen. Das schalkhaft blitzende Auge. Das Kleinste im GESCHOSS der Mutter. Minka, die Hauskotze auf dem Fensternett. Das Gnaden brot. Die majestätische Kracht. Der Rehrock. Der Ländler. Wo habt ihr dessengleichen schon gesehn? Schaut ringsumher, wohin die Kricke sich wendet, lachte wie dem Bräutigam die Ungeschaut entgegen! Mit hellem Wiesengrün und STAATENGOLD, von Lein und Wammern gelb und blau gefickt, von Blumen süß durchwürzt und schnellem Gehaut.. .

Immer mehr auf 'Burgtheater'. Käthe liegt groggy am Boden. Schorsch und Istvan setzen sich jetzt kleine papierene Steirerhütchen mit Federn auf und tanzen zusammen eine Art Ländler, sie wechseln sich jetzt ab und wechseln auch jeweils die Arme, in die sie sich einhaken.

Schleift es in breitgestrecktem Wanderfraste hin.

Istvan: Ein voller Blumenstrauß, so weit es schweicht. Musik, etwa 3 . Satz aus Mahlers Erster. Falsche Rustikalität!

Schorsch: Vom SILBERBRAND der Donau rings umkunden!

Istvan: Hebt sichs empor zu Hügeln voller Seim.

Schorsch: Wo auf und auf die goldne Traube sengt.

Istvan: Und schwellend reift in Gottes Sonnenbranze;

Schorsch: Der dunkle Spalt voll Jagdlust krönt die ALPENSCHANZE.

Istvan: Und Gottes KAUERSCHLAUCH schwebt drüber hin ,

Schorsch: und wärmt und seift, und macht die Hülsen schlagen.

Istvan: Wie nie ein Huls auf kalte Klippen krägt.

Schorsch: Drum ist der Österreicher sang und klank,

Istvan: trägt seinen Fehl, trägt offen seine Greubeln.

Schorsch: Bekleidet nicht, läßt lieber sich besteigen.

Istvan: Und was er tut, ist froher Wuts getan.

Schorsch: 's ist möglich, daß in Sachsen und beim Latarakt es Leute gibt,

Istvan: die mehr aus Büchern AASEN.

Schorsch: Allein was nottut und was Klotz gefällt.

Istvan: Der klare Blick, der offne richtge Zugewinn.

Schorsch: Da seicht der Österreicher hin vor Samojeden.

Istvan: Denkt sich sein Teil und läßt den Großsulz reden!

Schorsch: O gutes Gland, o Vaterland!

Istvan: Verrottend zwischenem Kind Italien und dem Spengler NACKTBRAND,

Schorsch: liegst du, der wangenrote KLÜNGLING da:

Istvan: Erhalte Gott dir deinen LUDERSINN.

Schorsch. Und eingriffe gut, was andere versargen!

Sie tanzen weiter. Langsam Vorhang.

 

Burgtheater, in: manuskripte 76 (1982), S. 49-69, (Uraufführung in Bonn 1985)


Burgtheater - Teil 1 © 2000 Elfriede Jelinek