Meine Art des Protests

Wie ich schon öfter gesagt habe, scheint es mir, als könnte sich die Sprache, eine differenzierende, literarische Sprache, gegen diese bedrohliche, selbstgewisse, von keinem Selbstzweifel angekränkelte Sprache der feschen Technokraten und Rechthaber, die uns jetzt von überall her überschwemmen, nicht mehr durchsetzen.

Die Sprache der Literatur wird, wie es die extreme Rechte immer tut, von der brutalen Eindeutigkeit ihrer inzwischen sattsam bekannten Aussprüche, die das gesunde Volksempfinden hinter sich wissen oder zu wissen glauben, sozusagen niedergeknüppelt. Man kann sich nicht mehr mit Worten zwischen die Macht und die Wirklichkeit schieben, da ist kein Platz mehr für die Literatur. Ich habe es jetzt lange genug versucht, aber jetzt, scheint mir, werden die letzten Gatter geschlossen; man spricht davon, Kritik, Literatur ganz besonders frei zu halten von den staatlichen Machtmechanismen und weiß doch gar nicht, womit man es überhaupt zu tun hat. Sie haben es auch gar nicht nötig, sich damit zu beschäftigen.

Die Sprache kann aber nicht einfach selbst und von selbst auftreten, sie braucht dafür Platz. Von diesen Leuten will ich mir meinen Platz nicht zuweisen lassen, auch wenn die Theater unabhängig sind, sie bewegen sich ja doch im öffentlichen Raum.

Weshalb soll ich mir noch weiter die Mühe einer Auseinandersetzung mit diesen Leuten machen, wenn ich doch alle Mühe brauche, um meine Arbeit halbwegs in ihren Gleisen zu halten?

Die neuen Machthaber sind mit ihrer Prüfung der Wirklichkeit schon fertig, wissen alles und werfen es uns auch gleich aus dem Fernsehen als Wahrheit hin, ohne es überhaupt für nötig zu halten, was sie da verkünden auch vorher zu prüfen. Heute dies, morgen wieder was andres, sie sagen es und wenn sie es sagen, ist darin schon jeder Einspruch erstickt.

Es ist ihnen ja auch die Selbstprüfung grundsätzlich fremd. Was sie als absolut setzen, davon haben sie nicht einmal einen Begriff, nicht einmal eine Ahnung. Ich kann ihnen also auch meine Sprache als Objekt des Konsums und auch der Repräsentation (Theater, das ist ja im Allgemeinen ein Ort, wo der Staat sich repräsentiert) nicht länger lassen. Ich muss sie ihnen entziehen, um sie erhalten zu können. Das klingt sicher pathetisch, aber: Da ich also nicht gehen kann, können wenigstens meine Stücke weggehen, um woanders (hoffentlich) irgendwie zu wirken. Anders gesagt: Sie können nur wirken, gerade indem sie weggehen.

 

Der Text erschien am 7.2.2000 im "Standard" (Wien)


Meine Art des Protests © 2000 Elfriede Jelinek

 

zur Startseite von www.elfriedejelinek.com