Biomüll

Notizen vom 17.7.2003

Hier bitte, hier können Sie meinen Abfall für alle, die er genauso wenig angeht wie mich, auch noch dazu haben! Da wird aber kein schönes Büchel draus werden. Bei meiner Ehr, wie der Landwirt sagt. Das ist garantiert reiner Biomüll und wird ordnungsgemäß auf einen Haufen geschmissen, irgendein Zeug dazwischen, damit er noch schneller verrottet, und das ist meine Meinung, die ich hier zu meiner alleinigen Zufriedenheit äußern möchte, und dann wird sich dieser Berg hier irgendwann einmal auflösen. Ein Bergwerk wird der nie! Das freut mich aber! Von mir kriegt niemand mehr Arbeit. Mein Taktgefühl freut mich auch, ich habe an jedem Finger mindestens ein Dutzend Taktgefühle. Hab ich schließlich gelernt, auf dem Konservatorium.

Jetzt hab ich gestern im Staatsfernsehn leider gar nicht mehr den Grasser gesehen. Wo ich doch so auf ihn gewartet habe, damit ich "Platz" und "Sitz" zu ihm hätte sagen und sein Monolog den üblichen Verlauf hätte nehmen können. Ich hätte ihn so kritisiert, weil man am liebsten das kritisiert, was seinen üblichen Verlauf nimmt und was man schon kennt. Aber er ist nicht gekommen. Ich kenne ihn, und trotzdem ist er nicht gekommen. Ich hätte mich schon auf den seltenen Moment gefreut, in dem er, sehr gedehnt, man glaubt ja nicht, wie lang ein Moment dauern kann, seine ganzen insgesamten Verdienste für Österreich und seine Beleidigtheiten, daß Österreich sie noch nicht gesehen hat, hervorgestrichen hätte. Aber nix. Der Herr ist weder ernsthaft noch heiter gewesen, er ist gar nicht da gewesen.  Wir sind nicht an ihn herangekommen, weil er uns nicht herangebracht worden ist. Worauf bringt mich das? Dieser Mann ist, scheint mir, ein roher Entwurf für das, was ein Machtwesen hätte werden sollen, nein, er ist kein Entwurf, er ist das, was er sich unter Machtwesen vorgestellt hat, als er mit seinem lieben Schäferhund gespielt, gemountainbiked oder eingewindelt hat mit den stolzen Eltern. Wir sind ein Autoverkäufer. Schöner Beruf das, vor allem, wenn die Autos einem sogar gehören! Und wenn der Dickste aller Dienstwagen noch dazukommt. Jetzt sitzt er da, der Sohn, wir sehen ihn derzeit leider nicht, und er hält seine Wahrheiten gegens Licht, ob sie irgendwo schleissig sind, vielleicht zu schleissig, als daß er selber sich noch drauflegen könnte, na, er selber würde da wahrscheinlich nicht drauf setzen, auf seine Wahrheit, aber uns läßt er drauf liegen. Uns legt er auf die Matte. Sein Staatssekretär hat die gröbsten Löcher gestopft, und jetzt ist da nur noch ein einzelnes großes Loch, aber zum Glück nicht im Budget. Dort kommt es erst später hin. Da werden wir die ganze Zeit um die Wahrheit sozusagen enteignet, dafür muß man sie uns nicht eigens auch noch im Staatsfernsehen zeigen. Sonst kommen wir noch drauf, daß es eine gibt, eine Wahrheit. Wenn wir die Wahrheit nicht mehr sehen und dort, wo sie sein sollte, nur noch ein Loch ist, dann geht sie uns irgendwann einmal nicht mehr ab. Zuerst kommt aber noch der Senf des Volkstums drauf. Dann schlucken wir es leichter. Dann ist es gschmackig und rutscht besser. Bergab geht es sowieso.

Die Kritisierten scheissen sich jetzt eh nix mehr, ich sage, warum ich das glaube: weil Kritik als solche seit Jahren desavouiert worden ist, systematisch, untergraben, Promis beim Speisen, Promis in weißen Kleidern in weißen Pörtschach-Festungen, damit wir uns an das Weißwaschen gewöhnen, (wenn die dort oben so weiß sind, dann werden sie wohl wirklich weiß sein, auch wenn sie nicht grad oben sind, aber obenauf sind die immer) und weil die Kritiker, genauso systematisch, seit Jahren nur noch lächerlich gemacht wurden, und zwar interessanterweise zu allererst von denen, die jetzt am lautesten kritisieren und sich wundern, daß sie jetzt selber zwar interessant und neu, aber genauso lächerlich sind wie sie uns damals gemacht haben, uns Gutmenschen. Sie sind lächerlich, weil sie so plattgewalzt werden von den derzeitigen Macht- und Rechthabern. Und in dieser Form der Plattheit sind sie fünfmal so groß wie ursprünglich gemacht und gedacht, aber man erkennt sie nicht, wie sie da am Pflaster picken und ein Pflaster für ihre Wunden noch dazu wollen, aber das gibt ihnen keiner. Es hört ihnen keiner zu, und es gibt ihnen keiner was. So. Jetzt sehen sie, wie das ist. Mir macht das nichts mehr. Ich schaue mir das an, und die schauen zurück, das können wir endlos so weitermachen. Wie die alle noch im Aufstieg begriffen waren, da haben viele von uns das gesehen und geschrieben, obwohl wir damals schon geahnt haben: es ist vollkommen aussichtslos. Die haben ihre Beziehungen, und die halten fester als unsere, wir haben leider oft Beziehungsprobleme. Da hat einer doch wirklich einmal geschrieben, der Bernhard und ich, wir seien schuld daran, daß der Kärntnerbub, das Kreuz des Südens, so hochgekommen ist aufs Firmament, von wo er jetzt abstrahlt, mit viel mehr Watt als wir es je zusammengebracht hätten. Wir sind schuld an den Verhältnissen, die wir beschreiben. Wir verdienen ein Geld, indem wir die Verhältnisse so düster schildern wie sie einmal geworden sein würden. Die Ursprünglichkeit dieser Verhältnisse war für uns schon stark spürbar, aber was geht das uns an. Das war auch keine große Kunst, es ist für einen Menschen immer spürbar, wenn er ein Verhältnis hat, weil es da grauenhafte Szenen und Schreiereien gibt, daran erkennen wir, daß da ein Verhältnis ist, denn die Schreierei gehört immer dazu. Wen interessierts, was geschrien wird. Ist doch immer dasselbe, und dasselbe kennen wir schon. Ein andrer hat mir die Emigration nach Island empfohlen, geht nicht, zu kalt. Ist ja wurscht, ich wollte was ganz andres sagen und meine Entbehrungen und mein Selbstmitleid wenigstens einmal im Kasten bei meinen schönen Kleidern lassen, dort hab ich auch den leider nur sehr kleinen Pokal der Weltmeisterschaft im Beleidigtsein stehen, den ich gewonnen habe (früher war er noch in der Vitrine hinter Glas, schön wärs, wenn er schwerer gewesen wär, dann hätt ich ihn wenigstens jemand über den Schäden hauen können), o je, ich schweife immer wieder ab, aber hier darf ich es, hier darf ich Mensch sein, endlich endlich endlich, der Elektronik, der Technik sei Dank, hier darf ich alles, weiß aber schon jetzt nicht mehr, was ich eigentlich sagen wollte, da ich hier ja alles sagen darf wie einem Beichtvater. Dieser Halbleiter, dieser Volltrottel, Entschuldigung. Also, unsere lächerliche Kritik ist dadurch, daß einfach jede Art von Kritik immer nur lächerlich gemacht gemacht worden ist, die Kritik ist also an der Bevölkerung, die sich in ihrer Art von Zuhause, nämlich im Fernseher, aufgehalten hat, während wir draußen gequatscht und gequatscht haben, mit leeren Gläsern und die Birnen matschig, natürlich abgeprallt wie an einem Entensteiß das Wasser.  Die meisten haben sowieso nicht zu hören bekommen, was wir gesagt haben, obwohl wir doch so stolz drauf waren, es gesagt zu haben.  Ihre Genugtuung allerdings, wenn wir wieder mal eine in die Goschn gekriegt haben, war grenzenlos.  Die Leute fühlen sich in ihrem Zimmer wohl und speisen auch dort. Ein Lächeln überfliegt die Gesichter der Überflieger, vor allem wenn sie bis über Monaco fliegen. Warum in so rascher Fahrt den Wagen, ich meine natürlich den Formel 1-Boliden, wechseln, wo wir doch so gut sitzen und mit Dartspfeilen auf die Nestbeschmutzer zielen können. Kein Schuß kein Treffer. Jeder irgendwie im Ziel, aua, das war meine rechte Niere. Nein, ist das lustig! Na, Hauptsache, Ihnen gefällts. Ob Männer, Frauen oder Kinder, Hauptsache Ihnen gefällts. Die nehmen es schließlich vom Lebendigen, diejenigen, die ihnen alles nehmen werden, also freuen wir uns über jeden, der lebendig ist und den Zahltag erlebt.  Aber so schlimm wie es gekommen ist, hätten wir uns kritische Künstler das nicht vorgestellt, seien wir wenigstens einmal ehrlich! Aber bitte, wir haben doch geglaubt, wir sind immer ehrlich. Wen interessierts. Nur im Bekanntenkreis der bekannten Kaffeehauslinken interessierts noch. Die soll wen andern linken. Seien wenigstens wir ehrlich, wenn es schon kein andrer ist! Und gefallen wir uns dabei gut, während wir den Faden der Erkenntnis in die Wirklichkeit einfädeln, aber der rinnt dort durch wie Wasser. Wir haben vergessen, einen Knoten zu machen, und wir haben, als wir den Knoten endlich gesehen haben, vergessen, warum wir ihn gemacht haben. So schlimm haben wir es nicht dargestellt, wie es dann gekommen ist. Aber wir haben uns ja nicht vorstellen können, wie schlimm es einmal werden würde, weil wir nicht von hoch droben aus dem Stronach-Jet nach unten, nach Monte Karlheinz, ich meine Carlo, schauen haben können, der Wert des Fluges betrug 8000 Eier, ich meine Euro. Wie ist dieses Verhalten aus steuerlicher Sicht zu bewerten? Dieses Verhalten ist aus steuerlicher Sicht gar nicht zu bewerten, weil uns diese Sicht halt leider fehlt. Wir sehen ja nichts von oben, dort läßt man uns gar nicht hin. Deswegen fehlt uns auch die Übersicht. Würde da eine Schenkungssteuer anfallen, statt meinem blöden Abfall? Das wäre doch lieb, wenn einmal was anfallen statt abfallen würde, der Herbst kommt schließlich früh genug, und zwar wenn es tatsächlich eine unentgeltliche Leistung war. Ach was, die Natur leistet nichts und ist auch da. Wir können uns auch nichts mehr leisten. Egal. Na, der wird sich doch für diesen schönen Flug zum Formen 1-Rennen nicht noch zusätzlich bezahlen haben lassen, wo ihm eh schon der Flug gratis gegeben wird? So, wir schließen die Betriebsprüfung jetzt ab: keine Leistung zu erkennen, keine Fehlleistung zu erkennen; viele von uns haben aber noch nie einen ordentlichen Betrieb von innen gesehen, und wir werden die Betreiber des Betriebs nie mehr kennenlernen.  Als sie uns noch kennenlernen wollten, da haben sie uns nicht interessiert, und jetzt ist es zu spät. Bis sie sterben, werden wir streben, aber wir werden sie nicht kennenlernen, die Betreiberfirmen, die hinter alldem stecken.

Oh Schmerz, Scheisse,  jetzt sehen wir, also gestern abend zumindest haben wir nicht, ich hoffe wirklich sehr auf heute, aber derzeit jedenfalls sehen wir gar keine Bilder mehr von diesem bildschönen Steuermann, der keine Steuern zahlen muß für das, was er eingenommen hat, aber er ist so wahnsinnig einnehmend, gibt aber nichts her davon. Nur sein Aussehen gestern, das hat uns gefehlt, denn das können wir immer von ihm haben. Was werden wir uns wohl dafür kaufen? Dahinter läßt er nur noch den Spiegel sehen, nicht mehr sich selber, obwohl er ja von seinem Aussehen lebt und mit seinem Aussehen die Wahlen für die ÖVP ganz alleine gewonnen hat. Und die regieren uns jetzt nach ihren Regeln. Viele Kräfte werden vernachlässigt werden, viele wird es gar nicht mehr geben, aber die richtigen Kräfte, die werden jetzt zum Aufräumen antreten, allerdings nicht zum Gehalt von Reinigungskräften. Mehr verdienen werden sie schon, die Herren Pressesprecher, Kabinettschefs oder wie man sie nennt. Dann springen halt sie über die Klinge. Ein neuer olympischer Bewerb, mindestens so spannend wie das Beleidigtsein. Lohnen soll es sich schon irgendwie. Werden sie dann als ein andrer Posten zu uns rausschauen? Als ein Aufsichtsratposten oder was? Da wird keine Gebarung offengelegt, nur die Gebärden bei der Aufzucht und der Haltung von Schampusgläsern.  Die früher sowas von gemein zu uns waren, zu uns Tugendbolden und Übertreibungsbolzen (die waren doch eh schon so tief hineingetrieben, daß sie die ganze schöne Pappfassade dieses Landes von ganz allein vor uns, vor unserem Griff festhalten konnten, immerhin, so tief haben wir sie reingekriegt, die Bolzen, wir Tugendbolde, so, das hält! Was liegt, das pickt), die staunen jetzt, daß sie, wo sie selber die Kritiker sind und ganz tief in die Wirklichkeit hineingehen mit ihren Leichtwanderschuhen, mit denen sie sich in Angelegenheiten mischen, die sie gar nichts angehen, auch wenn sie glauben, die gehen sie was an, diese Staatskritiker, die mit heiler Haut aus dieser Sache herauswollen, bevor die Sache selbst sie verschlingt (ich sehe, sie kaut schon, und bald sind wir alle weg! Dann ist auch das gegessen), die Journalisten staunen also, weil man zwar auf sie hört, weil es recht interessant ist, was sie sagen, auch wenns keinen interessiert, wie sie über die Ökonomie nachdenken und überhaupt, wenn sie über die Ökonomen nachdenken, die sie auch selber lenken. Aber da stehen jetzt, ganz zufällig, welche davor, und so genau wie früher sieht man einfach nicht mehr. Man sieht nichts mehr. Wie man noch hätte sehen können, hat man behauptet, wir stünden, bereit zum Sündigen, davor, und man hat uns weggeschoben. Immerhin hat man uns nicht abtransportiert. Nur weggeschoben. Die Zeiten haben sich immerhin geändert. Nebel kommt auf. Aber sie haben vom Kalfaktor ihr Menschentum übernommen, die Journalisten, sie tragen es jetzt auf ihren nach vorn ausgestreckten Armen in ihre Zellen, schlapp hängt es links und rechts, vorn und hinten runter, sie kennen das Sein in diesem Land zumindest vom Sehen her, sie haben es sich ja lang genug angeschaut, wurscht, sie haben so lang auf die Gutmenschen eingeprügelt, die mit ihren moralisierenden Vorstellungen und unmoralischen Verstellungen, aber da, schauen Sie, da sehen sie jetzt wirklich einen Geworfenen in einem schicken dunkelblauen Scientology-Werberanzug, und sie werfen ihm dieses Menschentum, das sie sich eigentlich in ihrer Zelle in aller Ruhe (und ohne Einsicht) hätten anziehen sollen, ins Gesicht, aber da ist kein Gesicht mehr, das ist leider wegkritisiert worden. Sicher von uns Dummschreibern, oder? Das Gesicht der Macht gibt es nicht mehr, die hat vielleicht nie eins gehabt.  Wir haben nur vorgetäuscht, sie hätte eins. Bitte. Wir sind drauf reingefallen. Ich wollte nochwas zur Kritik sagen, als hätte ich nicht längst genug gesagt und als hätten nicht alle längst genug von mir, aber ich wollte es sagen, und hier sage ich es mir selbst, endlich, ich sage es mir mit einem seligen Genuß selber vor, weil ich doch so oft gehaut worden bin deswegen, weil ich halt zu oft auf den Putz gehauen habe, ja, deswegen, darauf wollte ich hinaus, ein Glück, daß ich hier unbegrenzt Platz habe, denn den hab ich mir selber genommen, den muß mir keiner mehr geben, den hab ich jetzt, die kleinen Elektronen rennen als ob sie was dafür gezahlt kriegen, sie genügen mir als Trägermedium, ich muß nicht rauf im Jet nach Monaco, ich muß mich nicht mehr gründen, ich habe schon meine homepage gegründet, wo ich zuhaus bin, ein schönes Fleckerl, wenn auch nicht aus Erde, und ich sage jetzt noch, was mir eigentlich am wichtigsten ist und was ich hätte gleich sagen können, bevor hier Menschen vor ihren Bildschirmen in Tiefschlaf verfallen, von wo man sie wegtragen kann, ohne daß sie es überhaupt merken, denn ihr Bildschirm vom Staatsfernsehen, der zeigt ihnen leider gar nicht mehr, was los ist, ich wollte, es ist mir ein Bedürfnis, noch einmal etwas scheinbar Paradoxes sagen: Kritik wird jetzt nur noch wahrgenommen, wenn sie vom lieben, trauten Jörgl kommt, dem wir doch so unbesorgt vertrauen können, sogar beim Essen, das da vor uns auf dem Tisch steht, der Jörg, den wir doch so lange wir kritisiert haben, und ein paar Unerbittliche tun es immer noch, obwohl sie doch so gebeten worden sind, es zu unterlassen, nein, im Gegenteil, niemand bittet sie, alle dürfen, alle dürfen. Ich darf endlich auch, aber jetzt will ich irgendwie nicht mehr. Er ist der Meistkritisierte. Und wenn jetzt er kritisiert, was passiert da? Da eilen dann die Apparate und die Scheinwerfer hin und werfen ihr Licht, obwohl er eh genug Licht abstrahlt, und holen sich seine Stimme. Sie wetteifern darin. Der Haider hat sich jetzt sozusagen selbst anstelle seiner Kritiker als absolut gesetzt, als die Kritik selbst. Sehr vernünftig von ihm. Diese Stelle hat ihm noch gefehlt. Wer hat das damals gesagt, der Haider ist der einzige wahre Aufklärer? Ich glaub, der Menasse. Er hat recht gehabt.  Wenn der einzige Aufklärer also kritisiert, dann rennen sie alle hin mit ihren Kameras und Mikros. Er ist jetzt die alleinige Stimme der Kritik geworden, das hat er von uns, die wir das früher waren, unsere Stimme hat er also (und dementsprächend komisch und erbärmlich waren wir, durch ihn, auch wenn man uns aufgeblasen hat, bis unsere Gummihaut geplatzt ist und das Ejakulat der Wirklichkeit überall rausgeronnen ist, aber nichts gezeugt und nichts erzeugt hat, was für ein besonders ekliges Bild, bitte um Entschuldigung, aber Ihnen wird das eh genauso wurscht sein wie das, was ich früher schon gesagt habe und jetzt nicht mehr sage). Also der Jörg ist jetzt die Stimme der Kritik, und zwar die alleinige geworden, und ihm hören sie wenigstens zu. Meinen Glückwunsch. Er ist die Kritik selber geworden. Und damit man ihm glaubt, daß er sich als Kritik soeben absolut setzt, sich selber als er selber in loser Folge an seine eigene Stelle setzt, als Geist, der stets verneint, aber mit viel mehr Worten als ich je gesehen habe, probiert er sogar das Gutmenschentum an sich selber aus,  vielleicht paßt es ja auch ihm, nachdem es bisher niemandem gepaßt hat und keiner es wollte; er macht also probeweise, wie dieses dämliche Gutmenschentum ihm wohl steht,  einen Selbstversuch, und er lädt ein paar ehemals vertriebene Juden nach Klagenfurt ein - mein lieber  Mann,  ist das aber, während ich ihm keine Beachtung mehr geschenkt habe,  ein lieber Mann geworden, ich hätte ihm schon früher keine Beachtung schenken sollen, das haben mir ja viele gesagt - also die, denen das Bärental gehören würde, hat er leider nicht eingeladen, aber das wäre auch zuviel verlangt gewesen von ihm, er hat sie nicht eingeladen, obwohl die doch auch in Israel wohnen wie manche, die dahergekommen und zum Glück schon wieder weg sind. Die sterben eh langsam aus.  Da holen wir uns noch schnell die Reste her, bevor es sie gar nicht mehr gibt. Und am ersten Tag haben sie noch gesagt, daß das eine politische Inszenierung war, zum Wohl, Herr Landeshautpmann, aber das ist dem Staatsfernsehen sofort verboten worden, und jetzt sagt das Staatsfernsehen, das, wie der Name schon sagt, was der Staat in Wirklichkeit meint, wenn er was sagt, das Staatsfernsehen spricht also in Gestalt von einem alten Mann, der damals in den Wirren der Zeit, dem Tornado der Zeit, in den Grauenhaftigkeiten der Zeitläufen, die er eh nie hätte gewinnen können, oder wie der Landeshauptmann das halt ausdrückt, im grauenhaft tobenden Sturm der Zeit, die bereits in Frage stand, als er sich erhob, in der Zeit des Sturms, die sich nicht mehr rechtzeitig niederlegen konnte, bevor sie sich zur Volkserhebung erheben konnte, kurzum, dieser alte Mann erklärt öffentlich, und  das Flugzeug öffnet schon sein Maul, um ihn, diesmal ein gutmütiges Tier, aufzunehmen und endlich wieder nach Hause zurückzubefördern, er sagt, der alte traurige Mann, nein, eine politische Inszenierung war das nicht vom Herrn Landeshauptmann, es war reine Güte. Es war absolut erstklassig. Nur Klagenfurt hat er nach 50 Jahren nicht mehr erkannt, der alte Mann. Keine Kritik darüber, daß Klagenfurt nicht so lang Klagenfurt geblieben ist, das kann man ja auch von keinem verlangen, nicht wahr.

Kurzum: Wir sind genügsam und wollen keine Kritik mehr dazu, wir sind bescheiden geworden, wir wollen nur, was uns zusteht, und Kritik steht uns nicht zu, sie steht uns auch nicht gut zu Gesicht, und wir unterlassen jetzt uns selbst,  indem wir kritisieren und kritisieren, aber dazu gehören zwei. Dazu gehört auch einer, der zuhört. Ich brauch den nicht mehr. Aber Ihnen, Ihnen wird er vielleicht fehlen, vielleicht fehlt er Ihnen jetzt schon, aber jetzt ist es zu spät.

17.7.2003


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