„Recht muß Recht bleiben.“

 


Josef Friedl und Arigona Zogaj

Es gibt genug Lasten (Wirtschaftskrise!), auch ohne daß zusätzlich welche eingeschleppt werden müßten, meint offenbar (zum Fall Arigona Zogaj) die Innenministerin, eine Herrin über Schottergruben und Menschen, eine Menschenfrau, eine Bestimmerin über wertes und unwertes, über gutes und schlechtes Leben, nicht eine Bestimmerin von Pflanzen, sowas wächst nicht im Schotter, also bei der Frau stimmt einfach alles, und sie bestimmt jetzt, wer bleiben darf und wer nicht. Sie bestimmt das, sie darf es, sie ist zur Ministerin erwählt worden, und sie hat das Gesetzbuch geschlossen und für sich beschlossen, daß eine psychisch kranke Frau, die sich nicht selbst erhalten wird können im Kosovo, und ihre schöne junge Tochter abgeschoben werden sollen (die sich hier mühelos als jugendliche Prostituierte erhalten könnte, wenn sie wollte, einen Paten, einen Beschützer würde sie schon finden),  und auch die kleinen Geschwister (die älteren Brüder haben sowieso keine Hoffnung mehr) werden zurück müssen in den Kosovo, der dafür wie geschaffen wurde. Wofür hätten wir das Land denn geschaffen?, natürlich daß Menschen drin wohnen sollen!, sonst wäre ein neues Land ja vollkommen unsinnig, man könnte es höchstens als Weide für Tiere oder Depot für Atome verwenden. Während wir Alteingesessene Depots für Essen und gute Getränke sind. Weinkenner oft.


Kronenzeitung

Eine kranke Mutter und ihre minderjährige Tochter und ihre kleinen Geschwister müssen also raus. Recht muß Recht bleiben. Und das ist auch recht so, denn im Kosovo ist es jetzt recht sicher. Das Land ist erschaffen worden, wenn auch nicht von Gott, es ist ein schönes neues Land, frisch bereitgestellt für seine Bürger; da schaffen wir, da das Land erschaffen wurde, damit die Leute dort leben können, in Frieden leben können, da schaffen wir also Menschen, die seit vielen Jahren in Österreich leben, die Sprache sprechen, dort eingeschult wurden, die sich schon als Österreicherinnen fühlen, was für ein trügerisches Gefühl!, wie viele haben dieses Gefühl schon gehabt, und es hat ihnen nichts genützt!, (ich weiß nicht, als was sie sich fühlen, aber wie sie sich fühlen, das kann ich mir vorstellen), da schaffen wir die wieder raus, notfalls mit Gewalt, das schaffen wir noch, wäre ja gelacht, wie soll eine kranke Frau und wie sollen ihre Kinder ein Hindernis fürs Hinausschaffen sein? Da sind wir schon mit ganz andren fertig geworden! Die sind ja gar keine richtigen Gegner! Eigentlich schade!Die Frau Ministerin hat das letzte Wort, und das ist längst gesprochen, und es ist das Letzte. Die müssen endlich raus hier, wo sie sich schon so lange festgeklammert haben, die gehören nicht zu uns, weg mit ihnen, das ist das natürliche Bewußtsein eines großen Teils der eingestammten, eingesessenen, in Fett eingebratenen Bevölkerung, deswegen wird das ja gemacht, weil der größte Teil der Bevölkerung auf der eigenen, sicheren Seite ist, jeder für sich, ja, das kann man so sagen: Wir haben uns auf unserer Seite!, ein Drittel hat eine rechtsextreme Partei gewählt, was wird diese Bevölkerung also schon wollen? Sie hat ja bei der Wahl gesagt, was sie will, und sie sagt es uns auch noch öfter, sie sagt uns zu einem Drittel, was sie will. Was können wir also wollen, was die Bevölkerung nicht will? Nichts. Die müssen raus, die Zogajs, die Mutter mit ihren Kindern, die müssen fort, damit das Drittel, das für die Einheimischen und gegen die anderen gestimmt hat, zufrieden ist und so zufrieden auch bleibt. Das ist die Aufgabe der Politik, die wählende Bevölkerung, die zu einem Drittel rechtsextrem gewählt hat, zufriedenzustellen. Was kann ein Staat anderes tun, als einen großen Teil seiner Bevölkerung (denn zu dem Drittel kommen noch andre Drittabschlager dazu, man muß nur die Postings in den Tageszeitungen lesen, bei denen man den Eindruck gewinnt, die Zogajs hätten den Leuten ihre frisch gemästeten Kälber geklaut und für sich selber ausgeschlachtet) befriedigen, damit ein Friede ist, damit endlich eine Ruh ist, damit der Friede, der dann erreicht ist, wenn die paar Zogajs weg sind, gesichert werden kann, unter Befriedigung der extremen Rechten. Die rechten Extremisten und die halbrechten Gemäßigten und die unmäßigen Mehrheitlichen, die für das Recht sind und das Recht natürlich auch erhalten wollen, wie lobenswert von ihnen, daß sie sich für das Recht so aktiv und eifrig einsetzen!, die lassen ihr natürliches Bewußtsein von der Leine, und das Bewußtsein sagt: Wer nicht hierher gehört, muß halt weg, einen dritten Weg gibt es nicht, den haben schon viele gesucht, aber nicht gefunden; und das Recht erlaubt uns das, die wegzuschaffen, die Frau und ihre Kinder abzutransportieren, die Frau Minister, die weiß, wie man Schotter, Kies abtransportiert, die sagt, was recht ist und billig, denn wenn die weg sind, müssen wir nicht mehr für sie zahlen, und da könnte dann ja jeder kommen, da könnte dann jeder kommen und sein böses kleines Unrecht durchsetzen wollen, indem er es zum Recht macht, einfach so. Und wenn jetzt das Unrecht einmal siegt, dann will es vielleicht immer siegen, das geht nicht, die Frau und ihre Kinder, die müssen weg, die haben uns Unrecht getan, indem sie unser Recht, allein mit uns oder allein mit unsresgleichen hier im Wirtshaus zu bleiben, nicht geachtet haben, und die meisten anderen meinen das und sagen es auch (so stellt man sich Politik vor, und wenn man viele von den Postings in den Foren liest, kann man sich fürchten vor der Mehrheit, vor diesen Menschen des Rechts, die dieses Recht durchsetzen wollen gegen eine vollkommen hilflose Frau und ihre Kinder) , und diejenigen, die das Sagen haben, müssen befriedigt werden, überhaupt alle sollen befriedigt werden, die recht haben, die automatisch recht haben, nur weil sie hier ansässig sind, Befriedigung: wichtig!, man muß ihnen ab und zu ein paar Stück Menschenfleisch hinschmeißen, damit eine Ruh ist, und keine Ruh soll hin sein, auch wenn ein paar Herzen schwer sind. Wurscht.  Uns wird auch manches schwer, und wir klagen nicht, wir gehen ins Gasthaus und saufen es weg, wir werden schon damit fertig, wir werden mit allem fertig, und mit einer Frau und ihren Kindern, die da alleine stehen, mit denen schon lang, die sind ja gar kein wirkliches Hindernis für uns, stärkere Gegner, an denen wir uns beweisen könnten, wären uns lieber, aber so nehmen wir diese vaterlose Familie schon auch, anstelle von anderen, denen wir unseren Willen nicht (mehr) aufzwingen können, weil sie hier das Bleiberecht haben, das Leberecht durch Geburt hierorts, aber denen müssen wir unseren Willen ja nicht aufzwingen, die sind hier natürlich, natürlich!, ganz ungezwungen, die können ganz ungezwungen hier sein, nein, die brauchen keinen Zwang. Brauchen ihn nicht und wollen ihn nicht, außer es geht gegen andere. Aber die Familie Zogaj mit ihren Kindern, die brauchen einen Zwang, anders kapieren die es nicht, daß sie weg müssen. Die kapieren gar nichts, diese Leute. So sind die. Das ist das Bewußtsein der Mehrheitsbevölkerung (oder wie soll ich sie nennen, die da in ihrem angestammten Nest hocken, aber gern und oft auf Urlaub fahren, freiwillig, um wieder zurückzukehren), die im Recht ist, die Mehrheit hat immer recht, die Frau Minister verleiht dieser schlichten Wahrheit Ausdruck und Durchbruch, die läßt die Wahrheit im Bewußtsein der Bevölkerung jetzt raus und schmeißt die Zogajs weg, die Müllmenschen, die kann man ja nur wegschmeißen, sind ja nur Kinder und eine Frau, die kann man sowieso wegschmeißen, die sind zum Schmeißen! Dem natürlichen Volksempfinden (welches im innigen Volkston, den wir jederzeit fördern, Das Recht genannt wird) muß zum Durchbruch verholfen werden, diese Rigipskopf-Mauer muß durchbrochen werden, ist eh ziemlich dünn, diese Mauer des gesunden Empfindens, und durch das Loch, welches dann entsteht, schmeißen wir die Frau und ihre Kinder jetzt raus, wohin schmeißen wir sie?, vielleicht zuerst nach Ungarn?, das wissen wir jetzt noch nicht, denn ein neuer Antrag ist gestellt, diese Leute sind ja so raffiniert!, stellen Anträge, als könnten sie selbst uns noch ertragen, und in den Foren heult es wie von einem Wolfsrudel: Die narren den Rechtsstaat doch seit Jahren, auf die lieben Rehleinaugen der 17-jährigen Arigona können wir nicht achten, wenn wir Ministerin sind, aber auch die andren können es nicht, das Mehrheitsvolk kann es nicht, wir müssen auf das Recht achten, wir müssen auf die Mehrheiten achten, wenn wieder mal Wahl ist, und wie oft haben diese Leute schon von uns Bescheid, ich meine, einen Bescheid bekommen? Die beschäftigen ja schon alleine ein ganzes Amt für sich, mit unseren Steuergeldern! Wir können die Bescheide schon gar nicht mehr zählen! Andre wären längst gegangen, in Ordnung, in gesammelter Ordnung, mit ihren Bündeln, denn wer keine Geldscheinbündel und keine Geltung hat, der soll die Geltung des Gesetzes zu spüren bekommen. Das ist die Gewalt unseres geballten Willens, die hinter der Frau Ministerin steht, dieser geballte Wille wird von den Schaumkronen der Wahrheit fröhlich wippend getragen, es ist die wunderbar glitzernde Schaumkrone auf der Wahrheit. Unser natürliches Bewußtsein will, daß solche, die sich nicht an Abschiebungs- und Ausweisungsgesetze halten, nicht sein dürfen. Die können zwar sein, von uns aus gesehen woanders, also nicht bei uns. Das sagt uns das Bewußtsein, welches das einzig Wahre ist. Andre Bewußtseinsarten ausprobiert als unsere? Ja, ausprobiert – kein Vergleich! Nur unser Bewußtsein vom Recht zählt, das Recht spricht ja auch selber, es spricht durch eine Ministerin, das ist der hohle Mund der Wahrheit, und nur mit Gewalt kann das durchgesetzt werden, und Gewalt ermächtigt immer den Mächtigen, der sie ausüben kann, und es entmündigt den Machtlosen. Jedes Bewußtsein – hier als gesundes Volksempfinden vorhanden, das einmal da war, aber nie weggefahren ist, es ist nur kurz weggewesen, aber längst ist es zurück und kann nicht weggewiesen werden, und es spürt die Gewalt, die immer hinter ihm steht und es vorwärtsstößt – ist von dieser Gewalt hinter ihm, weil Recht eben Recht bleiben muß, wenn auch vielleicht nicht für lange (und dann gilt möglicherweise ein andres Recht), einerseits wie gelähmt und andrerseits stets gern bereit zuzuschlagen. Man ist dann schuld und gleichzeitig nicht schuld. Man wurde ja gestoßen, man hat nicht gesehen, wer einen gestoßen hat. Und dann ist es passiert. Hätten wir dieses natürliche Volksempfinden, dieses Bewußtsein, recht zu haben, nur weil wir hier sind und hier auch bleiben dürfen, nicht, so würde uns vielleicht eine Angst anschleichen, die Schlange einer Angst, die Vorboten des Sturms einer Angst, daß es dort, wo Recht Recht bleiben muß, auch immer Gewalt geben kann, und diese Gewalt richtet sich noch nicht gegen uns, nein, natürlich nicht, wie haben ja ein natürliches Recht, ein Naturrecht, hier zu sein, wir dürfen natürlich hier sein und hier ganz natürlich bleiben oder auch nicht, es bleibt uns überlassen, aber diese Gewalt könnte auch uns Rechtmäßige, die wir dem Recht zum Durchbruch verhelfen, obwohl wir nicht wissen, was auf der andren Seite auf uns wartet, hinwegfegen wie ein Sturm. Wer andre wegschickt, die hier bleiben wollen, der könnte selbst einmal wegmüssen, auch aus sich selbst, der könnte aus sich selbst vertrieben werden und dann ins Bodenlose stürzen, weil er diesen heiligen Boden, auf dem nur er und sonst niemand rechtmäßig leben darf, verlieren könnte, denn wo Recht Recht bleibt, da bleibt auch Gewalt Gewalt. Und die kann sich sehr rasch wenden. Wir sind zwar alle recht wendig, aber die Gewalt ist schneller. 

 


Innenministerin Fekter

Bilder: (1,3) Die Presse, (2) Kronenzeitung

17.1.2009


„Recht muß Recht bleiben.“ © 2009 Elfriede Jelinek

 

zur Startseite von www.elfriedejelinek.com