Parsifal:

(Laß o Welt o Schreck laß nach!)

Parsifal sagt nichts. Er verbeißt sich sein Inneres, reißt sich den Schmerz aus der Brust und sucht und sucht und sucht. Bevor er findet, muß der Boden gefegt werden. Aber irgendjemand versteht darunter: Es muß der Boden hinweggefegt werden. Die Lippen drücken zwischen sich ihr Geheimnis zusammen und machen sich sofort an die Arbeit. Etwas singt. Parsifal freut sich so, daß er hier sein darf, im ewigen Sand, der bis ans leere Hausdach steht, das sich über der leuchtenden Wunde wölbt, dieser zarten alten gebrechlichen Wunde, und er sagt es auch. Aber er läßt den Kopf jetzt hängen, denn er sieht den Sand, und er sieht, er hat eine bodenlose Aufgabe zu bewältigen, er hat den Verlust aller liebevollen Unschuldigkeit zu gewärtigen, und er hat dafür sein Führungszeugnis zu verlieren, das ihm, dem inzwischen schwer Bescholtenen, doch seine Unbescholtenheit bescheinigen soll. Er weiß, er hat das Führungszeugnis irgendwo hingelegt. Dabei warten hier so viele, die geführt werden wollen! Er sagt viel zu ihnen. Trotzdem wissen sie nicht wohin mit sich. Er verbeißt sich die Kränkung, warum ist er nur so beleidigt worden?, und ist extra nach Afrika, um sich dort als Wasser auf diesen bodenlosen Grund zu vergießen, damit von ihm nichts übrigbleibt als ein leises Zischen. So zischt eine Schlange, wenn sie liebt! Aber auch der heiße Stein, wenn man ihm Wasser gibt. Parsifal muß das verstehen lernen.


area 7, Probe

Er kommt also nach Afrika, er kam und ging, er kommt und geht, niemand wundert sich. Er sagt, er solle hier inszenieren, unter dem Zorn der Hohen Pforte, die den Fluß Bay (bei Reuthe!) überspannt, und da trifft er auch schon, kaum hat er den Fuß auf Afrikas bodenlosen versteppten Boden gesetzt, da trifft Parsifal auch schon diesen Bey, dem er den Bogen überspannt hat, noch bevor er ihn in die Hand gedrückt bekommen hat. Zum Überspannen des Bogens braucht man zwei Hände, so, und wie legt man jetzt den Pfeil hinein? Wozu denn sonst die ganze Spannung? Den Liebespfeil, jawohl, kleiner Amor! Wie sollst du dich denn sonst amortisieren? Das ist ein afrikanische Festival, eigens für die Ureinwohner ins Leben gerufen, bevor die Ureinwohner alle aus dem Leben wieder abberufen werden, das ist keine Gratis-Suppenküche! Ich meine Parsifal. Der wird selber gegessen. Von den in ihrer Hitze eingebrannten Eingeborenen. Der ist ein ziemlich kleiner Bissen. Liegt keinem lang im Magen. Er kommt also an den Fluß Bay, und dan merkt er, daß dieser Fluß in Afrika liegt, wo er eh schon lang hinwollte. Also schön. Warum nicht? Warum darf das nicht sein? Es darf nicht sein. Das genügt. In Afrika herrscht also der Bey, und er ist sich seiner Position auch bestens bewußt. Er betrachtet alle mit kalten Blicken, und alles duckt sich unter seinen halbgeschlossenen Augen und seinem entsetzlichen Akzent, wenn er Französisch spricht. Er ist der Zaubermann. Der große Zauberer Afrikas. Parsifal ist zum Großen Medizinmann gekommen und hat geglaubt, er dürfe jetzt endlich er selber bleiben. Dabei ist er längst nicht einmal mehr bei sich. Er ist aus sich herausgetreten. Man muß Abenteuer erleben, Leute kennenlernen, die verschiedenen Städte sehen! Auch die großen Flüsse. Manche Heiler können hier nicht heilen, weil zuviel Wasser da ist, da fällt das Heilen ins Bodenlose. Daß zuviel Wasser da ist, ist auch der Grund, weshalb viele Heiler von hier weggehen, um ihr Opfertier ins Trockene zu bringen. Wo er sich doch so lang schon gesucht hat und so oft gefunden zu haben glaubte! Parsifal! Der Bau dieser Kathedrale von Yamoussoukro, dem Heimatstädtchen von irgendwem, der Gott selbst war und sich noch einmal den Petersdom erbaut hat, nur wo anders als vorgesehen (und auch ausgeführt! Das ist eine Kathedrale, die an der langen Leine geführt wird!), doch lange hat er den Platz nicht suchen müssen, wie Afrika ja überhaupt Forscher haßt, und es haßt das Forschende, das Suchende, das Abenteuer, das Nicht-Traditionelle. Afrika bleibt, wo es ist, das ist seine Tragödie, und es läßt alles, wo es ist. Neugier ist eine Untugend. Wissensdurst ist eine Untugend. Parsifal ist hier völlig falsch, zum Glück weiß er es nicht. Daß er wo anders ist,  das erlaubt ihm der Medizinmann aber auch nicht. Er muß hier sein, und die Verpflichtung, bei jedem Fest dabei zu sein, ist gegeben. Der Medizinmann erlaubt ihm nicht, von eigener Güte umflossen zu werden. Die Geschenke werden verteilt. Der gierige Gral will sie alle aufsaugen und kriegt eine aufs schmatzende Maul. Schön der Reihe nach! Es kommt jeder dran, das ist bei der Geschenkverteilung sehr sehr wichtig, man muß aufpassen, niemanden zu kurz kommen zu lassen, sonst wäre es besser, überhaupt nicht gekommen zu sein. Das gilt auch für die eigene Lust, unbewußt. Parsifal sagt: aber die Güte bring ich mir gern selber mit, ich habe einen eigenen Kühlschrank dafür. Nein, nichts da. Der Zauberer sagt: Er, Parsifal, muß ein andrer werden, oder er soll gar keiner mehr werden. Ich glaub auch schon, ich wird nicht mehr! Unter Medizinmännern, Griots, Féticheurs! Wer möchte da nicht Medizineur sein oder doch zumindest die Medizin selber? Mitten im Gral: Afrika! Afrika mitten im Gralsfieber, das von Mücken übertragen wird, während man seinen Koffer mit dem Gral mühsam durch den Staub schleppt, weil das Gruppentaxi wieder mal völlig überladen war. Woher nimmt Parsifal den Mut, den Medizinmann und seine Sippe überhaupt anzuschauen? Den Blick zu ihm aufzuheben, zu diesem Berg. Angekettete Tiere überall. Parsifal tritt vor und wird sofort ins Glied zurückgetreten. Außerdem schießt einer und klaut auch noch den Rucksack mit allem, auch der nagel-neuen Wunde. Wie unvorsichtig, sie dort hineinzulegen! Aber er hat sie immer bei sich, da kann man nichts machen, da ist mit Parsifal nicht zu reden, leider, die gerechte Aufteilung der Gralswunde an alle im Kral wäre so aufwendig, würde soviel mathematisches Wissen erfordern, daß Parsifal sie im Rucksack behält, im Ganzen. Er verschenkt seine Wunde nicht, das ist sein Fehler und seine Stärke. Er hat diese Wunde bekommen, und jetzt gibt er sie ums Verrecken nicht mehr her. Das ist billig, was man verschenkt. Was man behält, ist teuer, aber mit etwas Teurerem, einem guten Rat, wie man diese teure neue Wunde frischhalten könnte und den dazugehörigen Frischhaltebeuteln, also mit etwas, das er sich nicht leisten darf, das wäre ja schon Aufbegehren!, hat er ohnehin nichts am Hut. Parsifal. Der Medizinmann beschreibt ihm ausführlich seine, des Medizinmanns Besitzungen und seine Projekte. Er mustert Parsifal aus seinen kühlen, blauen, halbgeschlossenen Augen.


area 7, Beuys Totenmaske

Ein Mann, der es gewohnt ist, Anordnungen ohne Widerspruch zu erteilen. Es wird einer wie ein Hund angeschnauzt, weil er zu langsam war. Ich glaube, es war kein Hund. Der Medizinmann redet nur über sich. Seine Sippe steht im Hintergrund und ist bekleidet wie es in Afrika üblich ist, nur teurer, das heißt sie hat alles übereinander angelegt, was es gibt. Der Medizinmann spricht und springt von einem Thema zu anderen. Er gibt Parsifal seine Karte, mit der Parsifal aber nicht Einlaß, sondern nur Auslaß bekommt. Ein kleines Loch, durch das er Blut aus der Wunde ablassen kann, wenn er es braucht. Wenn er was zu trinken braucht. Es gibt ein kleines Foto mit blutigem Anzug und blutiger Krawatte, das abgedruckt wird, ich meine, die Menschen, obwohl Zauberer, tragen echte Anzüge und selbst bedruckte (nicht selbstbedruckte!) Krawatten und Abendkleider die Frauen, die aber auch Menschen sind. Auch die Frauen sind hier überhaupt sehr sehr mächtige Menschen, unversöhnlich den Mann verlassend und ihn versöhnlich wiederholend, bis er zu mehreren ist. Bis die Männer so viele sind, daß die Frauen wieder genug von ihm, dem Mann, haben. Zwischen Handy-Telefonaten werden prominente Freunde aufgezählt. Der Zauberer und Féticheur sagt zu Parsifal: Schau dir meine Insel doch mal an, du bist ja aus einem Tourismusland, wo Festspiele stattfinden, die Festspiele der Heiligen Wunden, aber auch andre, sag mir, was du davon hältst. Kann man da was entwickeln? Läßt sich da was draus machen? Ich brauche jemanden, der das Ganze schaukelt. Parsifal sagt: Das geht nicht, aber machen Sie sich nichts draus! Es wird ihm die Insel trotzdem im Schnellverfahren gezeigt. Der Zauberer hat den Mund voll Essen. Parsifal ist begeistert. Plantagen, Wälder, Strand, ein Fluß, da muß der Tourismus boomen! Wunderbarer Platz! Hier kann Parsifal die Zeit bis zum Abfluß (wovon? Wohin?) in Ruhe verbringen, wenn man ihn läßt. Er fragt, ob er bleiben kann. Der Zauberer taxiert ihn mit kühlen Blicken und führt eine blitzschnelle Kosten-Abnutzungsrechnung durch. Es kostet ihn das Übliche, Parsifal hier übernachten zu lassen, und vielleicht kann ihm Parsifal eines Tages abnützlich sein, wer weiß. Du kannst ein kleines Ruderboot haben, um hier herumzufahren, und gib mir deine Adresse und Telefonnummer! Wir rufen dich an. Ruf du uns nicht an! Wir rufen an! Die Weiber kichern und trinken und kichern und trinken und kichern und trinken. Der Zauberer erledigt sein nächstes Telefonat.


area 7

Parsifal sucht und sucht. Der Zauberer wird zu einem Kongreß fliegen, zu einem Feuer- und Wasser- und Unwetter-Kongreß. Parsifal bedankt sich für die Gastfreundschaft und geht, um sie in Anspruch zu nehmen. Im Hinausgehn hört er noch, wie der Zauberer einen  seiner Diener anschreit und die Frauen kichern. Man wird von ihnen noch mehr hören. Aber manche hören eben nie. Es ist nichts geschehen. Laß, o Welt, o laß mich sein! Sagt Parsifal. Aber die läßt ihn nicht. Lockt nicht mit Liebesgaben, läßt dies Herz alleine haben seine Wonne, seine Pein. Moment, ich glaube, Parsifal selbst will auch noch etwas dazu sagen, nein, stoppen können Sie ihn jetzt nicht mehr, obwohl er eigentlich träge ist und Frauen manchmal nicht umarmen will. Außerdem hat er Angst, daß ihm dann die Wunde aus dem Rucksack gestohlen wird, mitsamt seinen Papieren. Die Wunde ist im Grunde das einzige, was nicht aus Papier ist. Dennoch – es ist jetzt alles gestohlen und gilt auch als gestohlen. Es wird ein Zimmer angeboten und genommen, aber wer soll es jetzt bezahlen? Eine Frau wird auch angeboten und genommen. Eine Wunde wird gleich roh gegessen, ohne daß sie einem einer angeboten hätte. Eine ausführliche Begrüßung wird angeboten. Linien in Händen, die einer Schrift ähneln, die niemand kennt, werden begutachtet, leise murmelnd wird ein paarmal hineingespuckt, in diese Linien, und sie verschwinden auch wirklich nicht, wie es prophezeit wurde. Die Wunde verschwindet nicht, die Linien verschwinden nicht, die Schrift verschwindet nicht. Man muß sich das Gesicht damit einreiben, mit der Spucke, und dann wird ein Messer in eine rechte Hand gelegt, das auch vorher bespuckt wurde, und dann erst kommt die Wunde die Wunde die Wunde. Sie spricht so wunderbar, wie ich es von ihr erwartet hatte. Sie sagt: War verreist war verreist aus der Welt, verreist, indem ich wiederkehr und höre Unfug aus der Stadt. Ich schwing mein Haar wie Lassostäbe, bald fällt der Kopf vom Rumpf und der dort auch, doch nie der meine, wens trifft, mir ists egal. Die Frauen werfen uns aus unsren Schlummer schnell, alte, junge, sogar Ältere, sieh an! Die Mutter, sie steht mittendrinnen, so, mein Haar schling ich um ihren Hals, bevor sie mich erwürgen kann. Ich bin ein Gott, in meine eignen Hüften eingenäht von all den Badehosen, die ich trug, die von vielen Liebesbünden mir auf den Leib geschneidert worden sind. Es fällt die Hose, und ich werde toll und falle falle, nicht ins Reisen, nur die Körperteile reisen, sind Alleinreisende, kriegen die schlechtesten Zimmer -  zerstückelt von Titanen sind sie, aber andrerseits: Noch die Stücke werden verehrt, aber nur meine, nur meine! Ich meine nicht Theaterstücke, meine zerfetzten Körperstücke meine ich, diese Leiden, die das mit sich bringt, das Zerstückeln, diese Umwandlung in Luft, Wasser, Erde und Feuer. Noch dazu. Fall gleich ganz aus der Welt, die ich bin, ich ich ich. Was hab ich mit der Welt doch zuviel Zeit verbracht, ich bin ganz außer mir, wieviel an Welt ich von den Reisen mitgebracht, jedes leidende Stück von mir, es schlüpft in jüngst entbundene Mütter, in Säuglinge, jedes Stück von mir, das mach ich alles durch, damit das Individuum zählt. Die Mütter trink ich leer, die Milch spritzt mir in den Mund, ich schlag an den Felsen, ach was, die Welt, die Welt, die wird noch von mir hören, auch wenn sie so lange nichts von mir vernommen hat, ich bin im besten Einvernehmen mit der Welt, sie klebt an meinen Joggingschuhen, die Welt, die mich verhöhnt, das kann sie überall, zur Zeit in Afrika? Zur Zeit in Afrika. Laß o Welt, o laß mich sein, wo ich bin, wo keine Zukunft ist und kein Gedanke, daß es eine geben könnte. So ists gut, dann kann sie mich nicht mehr verlieren. Ich sie aber auch nicht. Uns hat man zusammengeflochten, Hasso Welt, Fido Welt, Hasse Welt, feiere Welt und mich. Ich und Welt: Wir gehören zusammen, sage ich, und zerr an Hose Nummer fünf, es ist ein Aufbegehren gegen Gott allein, denn nur er weiß, was morgen sein wird, mich darf es nicht kümmern. Man fragt, was morgen ist, und kommt der Welt heut schon abhanden, während man noch fragt, nein, indem man fragt. Macht nichts, in dieser Welt verdirbt die Zeit, this is Africa, my friend, bei uns wird alles geteilt, auch der Gestank, doch im Gestank der toten Zeit will ich nicht weiterleben, die Zeit will es auch nicht, wills mit mir auch nicht mehr versuchen, die mit ihrer krankhaften Furcht vor hübschen kleinen Mädchen, Zuckerpüppchen, die den Männern nur die Kraft wegnehmen, ja, auch sie warten dringend auf die Zeit, damit sie schnell erwachsen und nicht wie Zigaretten angezündet werden. So viele Zeit verdorben, die nicht mehr leben wollte und jetzt tot ist, still und kalt!, und auch als sie gelebt hat, war die Zeit nicht gut zu mir. Jetzt steh ich auf, bring mein Rehfell wieder in Ordnung, so, die Schleifen zu, den Steifen in die Badehose, irgendwie muß der noch rein, sind auch die Glieder alle wieder hübsch gefügt, fragt meine Mutter, ja, sag ich, sie sinds, es ist noch alles da, bis auf den Kopf, den unglückselgen Kopf, wo ist denn der jetzt hin, du hast den, ich hab das doch die ganze Zeit gewußt! Gib ihn sofort aus deiner unglückselgen Hand, gib ihn zurück! Der kommt zu andern Leib, den brauch ich sogar ganz besonders! Da leckt mir ja schon wieder eine Frau die Wange, sie hat ein scheckiges Flies oder Vlies, die heben junge Rehe oder Wölfe auf und säugen sie an ihrer Brust, auch wenn sie grade erst entbunden, iiieh, da ist ja noch so Blut so Blut am Unterkörper, diese Frauen, die kriegen nie genug vom Spaß, die Frauen, bis aufs Blut geht das, bis auf das Blut! Diese Frauen, die sofort von ihren eignen Kindern geflohen sind, weg sind, die Frauen sind der Spaß, die wollen ihre eigenen Kinder gar nicht wahrhaben, die Geburt ja auch nicht, die stört nur den Spaß, den die Frau derweil haben könnte, die ganze Zeit, und dann ab in den Blumenkübel, rein mit dem Geburtslappen in den Betonkübel, in die Tiefkühltruhe, wo sie sich die Füße kühlt, die kochend heiß vom Tanzen sind. Jetzt tritt sie auf ihr Kind, das spürt nichts mehr. Besser, es wär beim Arschloch, diesem Sack mit Gummiringerl oben zum Verschließen, rausgekommen aus dieser bereits sehr verschlossnen Frau, das wär inzwischen längst schon wieder zu, der liebe braune Ring, der ist ja sowas von praktisch. Auf den ist Verlaß, auf den Verschluß, auf den ist Verlaß. Auf auf, ins Wirtshaus, denn das wartet schon, das Kind, das wartet, das Wirtshaus wartet nicht, das Kind kommt mit erstickter Stimme in den Kübel. Die Landschaft schön, die Sonne brennt, das werden wir ihr noch vergällen, dazu nehmen wir den Wald plus Schatten. Das Wild, auch das, es rennt erregt umher, der Wald schwingt seine Lauer, auf der er liegt, um mich zu fangen, bevor ich es kriege. Aas von verwester Zeit liegt hier herum, oder liege ich, verwese selbst?  Verderbe ich, in der Zeit? Verderbe ich Zeit mit mir? Verderbe ich es mir mit mir, wegen der Zeit, die ich in mir verbringen muß? Nichts nichts nichts. Die Welt wird noch von mir hören! Wo hab ich mein Telefon, können Sies mir leihen, was müssen Sie hier dieses wohlgenährte brüllende Kalb mit der Arme Kraft auseinanderzerren, Sie Frau, die Sie keine sind, denn Sie sind ja ganz außer sich, ich kann gar nicht erkennen, was Sie sind. Schauen Sie her, damit ich mit dem Telefon ein Foto machen kann! Nur in sich sind Sie eine Frau, die schnell die Fleischbekleidung aufgeschlitzt! Dann kommen Sie halt raus aus sich! Und raus kommt dieses Tier jetzt auch, dieser Stier, von hundert Frauenarmen angerissen wie eine Zeichnung in der Höhle, angerissen, da zuckt die Wimper, fällt das Horn, na, ich versteck mich lieber! Hier sitz ich also jetzt im Dreck, forme, wenn auch unter Druck, Menschen, wenn auch aus Dreck, nach meinem Bild im Dreck, ein Geschlecht aus Dreck, das mir, Dreck, gleich sei, zu leiden im Dreck, zu weinen im Dreck, zu genießen Dreck und zu freuen sich am Dreck, und deines Drecks nicht zu achten, wie ich, Dreck! Sie hat so lange nichts gehört von mir, die Welt im Druck: schön! die Welt im Dreck: grauenhaft, aber wahr. Wo ist die Karte, auf die ich mich noch schreiben könnte? Die Welt ist ein Betongefängnis, siedend heiß wie Afrika, die Wände überschwemmt vom Regen, ausgewaschen das Pastell der Mauern, ich setz das ganze Zimmer 5cm unter Wasser, der Betonkubus ohne Fenster, 5cm nun unter Wasser, damit die Welt vor meinen Augen verdunsten kann, mich kühlen auf dem schmalen Saumpfad dort am Ufer Afrikas, dort zwischen Müllbergen, Dreck Dreck Dreck, und Gärten muß es liegen, ja, da liegt das Ufer, Dreck, von einer kühlen Brise abgekocht, eine Naturwidrigkeit,  und vernimmt von mir, daß es mich gibt, einen Widerling von Natur aus, aber von der Natur her gesehen, eine ungeheure Naturwidrigkeit für Widerlinge wie mich, die sich in ihren fünf Badehosen nicht mal umdrehn können – jawohl! Alle übereinander, die Schwimmhäute! – sie muß als Folge jeder Ursache vorausgehen, die Natur, und diese Ursache wieder muß die Folge folgen, schön brav, denn wie sollte man der Natur ihre Geheimnisse entreißen, sie zwingen, wie denn wie denn? Indem man sich ihr entgegenstellt, entschlossen entgegen, entgegen dem Dreck, der, wie Schaum, im Hafenbecken auf den Wellen dümpelt, kommt Unrat, kommt Untat, kommt Naturwidrigkeit, kommt Unnatürlichkeit. Kein Anzeichen von Aufbruch.  Da müßte man, wie sagt man, einer sein, der noch nach etwas strebt, so fängt es schon mal an: der Frevel vom Mann, die Sünde von der Frau, zusammen ergibt das wieder: Dreck. Dreck Dreck Dreck! Dabei sollte alles verständlich und verständig sein, um schön zu sein. Doch hier verstehe ich nichts. Wo es an Einsicht mangelt, dort steigt der Wahn wie eine Springflut an mir hoch bis zum äußersten Rand der Hosen. Da können sie versuchen, soviel Sie wollen, sich von der Zivilisation zu befreien, doch es gelingt nicht, Sie selbst sind der Barbar, für den Sie andre halten. Was Ihnen jedoch bleibt: Sie sind ein Typ, Sie sind der Typ des theoretischen Menschen, in Ihrem Afrikawahn liegt Ehrlichkeit, aber weit werden Sie dort damit nicht kommen, mit Ihrem unendlichen Vergnügen am Vorhandenen. Doch Afrika ist nicht vorhanden. Es ist nur in Ihren verzückten Blicken, die hängenbleiben, als wären sie geblendet, theoretischer Mensch, ja Sie meine ich, werfen Sie bitte eine Enthüllung ab oder mehrere, Sie haben ja so viele! Doch auch diese Enthüllung bleibt nur Hülle, bleibt nur Jacke wie Hose. Afrika kriecht darunter hervor. Afrika kann nicht streben, nirgendshin, oder überallhin, Platz genug, dort gibt es nämlich keine Menschen, und wo keine Menschen sind, da gibt es auch keine Trennung zwischen ihnen. Sehen Sie, das finde ich komisch: Ich sehe dort nur Frevel, schrottreife Autos, das Recht des Stärkeren, Krankheiten, mit Drogen vollgepumpte Kinder mit MPs, wo bleibt Apoll, ich hab vor zweihundert Jahren den schon angerufen, und davor noch einmal vor zweihunderfünfzig, und wieder davor noch öfter, da hatte ich noch mehr Hoffnung, daß ich ihn erreiche, na, egal, wann ich anrufe, es ist gestört, das Telefon. Von mir aus. Wahrscheinlich zuviele Einzelne wieder mal ins Allgemeine gedrängt! Kein Wunder, daß es zusammenbricht, das gute Menschengespräch mit dem Geschlecht, das sich jeden Abend versteift, und dann kann man nicht mehr reden mit ihm, weil es nicht mehr mit sich reden läßt. Schuld und Leiden. Sowas gibt es in Afrika, aber das gibt es auch wieder nicht. Es gibt zwar Schuld und Leiden, aber keine Verursacher, wie soll ich das besser erklären? Es gibt Schuld, Leiden und natürlich Leiber, davon wieder zuviele, aber keine Verursacher, es gibt kein Verursacherprinzip, wo Schlangen einem das Blut vom Angesicht weglecken. Am Telefon könnte ich es erklären, aber so... kann ich es nicht. Also, wo ist es, wo ist es jetzt: das titanisch strebende Individuum, das ja erst überhaupt leiden und freveln kann? Es ist also in Afrika, soso, das hab ich mir schon gedacht, und es ist nicht in Afrika, soso, das hab ich mir auch gedacht, weil es nämlich keine Individuen dort gibt. Es gibt dort Gruppen und Reisegruppen, aber keine Menschen. Es gibt Wesen, die eine ungeheure Tiefe durchgraben, jeder ein winziges Stückchen weiter, aber sie kommen nicht durch, und sie werden nicht durchkommen. Sie werden nicht am Zaun von Ceuta und nicht an dem von Melitta oder wie das heißt durchkommen. Ich sagte es schon: keine Grenzlinien. Aber wenn, dann wenigstens solche, wo man nicht durchkommt. Wo die Hosen im Zaun hängenbleiben, beim Übersteigen, ja, oft auch die armen Sportjacken, die hängen da wie tote Vögel im Zaun, und den Zaun haben sie eh schon auf sechs Meter erhöhe, da haben sie gedacht: hier ist kein Durchkommen mehr, kommen Sie wo anders, wo man Ihr Stöhnen nicht so laut hört, wir sind doch nicht in einem Porno, wir sind in der Hardcore-Wirklichkeit, aber nein, aber nei, sie kommen, sie kommen! Angeblich kommen sie, weil sie arm sind in Afrika. Bitte. Man kann im Prinzip jedes Land beleidigen, wenn man sagt, es sei arm. Wir haben im Moment nur nicht die nötigen Mittel, um unseren wirtschaftlichen Aufschwung zu forcieren, antwortet das Land betreten, es schaut dabei verlegen auf seine Schuhe, doch es hat keine. Würden es mehr betreten, dann hätten sie auch die Mittel, um Afrika mit Schuhen zu betreten. Oder auch nicht! Zuviel Platz. Doch kein Platz. Ich verstehe es nicht. Da kommt der Gott, sagen wir, da komme ich, der Gott des Westens, ja, von mir aus, auch des Nordens, daher, um diese stinkenden schwitzenden Leiber endlich zur Ruhe zu bringen, keiner außer mir könnte es, und jetzt muß ich erkennen: ich kann es auch nicht, ich kann es nicht, indem ich: wie soll ich sagen? erkennen kann. Die Tatsache, daß ich erkennen kann, hindert mich daran zu erkennen. Ich schäme und ich fürchte mich. Ich scheitere ja schon daran, daß ich Gesetze fordere, bitte, ich habe früher schon Selbsterkenntnis und Maß gefordert, weiß zwar nicht von wem, aber ich hab es gefordert, das weiß ich bestimmt, denn das braucht sogar der Frevler, der die kleinen Wellen, die die Individuen mit ihrem kleinen Wollen machen, auf seinem Rücken trägt und wieder auskippt, immer jemand anderem vor die Füße. Doch kein Rücken ist so breit, daß er das tragen kann. Er wirft es weg, der Atlas wirft es weg, jetzt ist er ein Gebirge, höher wird sein Rücken, einer gräbt immer noch, der dort auch, und der dort drüben gräbt und gräbt genauso, einer gräbt auf dem andern, und einer gräbt den anderen im Graben ein, ein andrer fängt wo anders an, und dort, immer wo anders, dort bleibt Afrika jetzt unbeweglich liegen, von den Schaufelhieben ganz durchbohrt wie Tiere von den Zähnen.


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Afrika, unter ihm, als Traum, als Wache seiner selbst, das niemand stiehlt, das Selbst stiehlt niemand, zumindest dieses nicht, hier sehen Sie Afrika als Dreck, als Nichts, und dort, ja dort steht immer noch der eine Mensch und gräbt sein Grab, denn er kennt keinen andren Menschen, der das für ihn machen würde. Da ist kein Gesetz, das zu erfüllen wäre, da ist nur das Loch, das zu graben wäre. Afrika. Bei uns wird alles geteilt, nur nicht mein Rad, nur nicht mein Moped, nur nicht mein Motorroller! Und wie kann man der Natur, dem Dreck, den Holzkohlenfeuern, den plärrenden Transistorradios, dem Röhren der Muezzine, der roten Wüstensonne, dem staubigen Horizont, den schreienden Zigarettenverkäufern, Afrika Afrika Afrika, wie kann man dieser Naturwidrigkeit widerstehen, wenn nicht durch das Unnatürliche? So, jetzt schauen wir also mal auf Ödipus, den Vatermörder und motherfucker, ein dreister Mensch, da gibts nichts, blind sein ist das mindeste, was ihm gebührt, das gibts ja nicht, wer was andres über ihn sagt, der spinnt, das ist doch längst geklärt. Das darf ihm jeder nachsagen, alles was recht ist. Ob ich auch blind werde? Das möchte ich gerne wissen, weiß es aber nicht. Noch sind meine Blicke verzückt wie die meines Vaters nicht. Noch hängen sie, fast geblendet, aber eben nur fast, an der Wahrheit, die sich grad die Badehosen auszieht, soviele Badehosen, da erwartet man sich aber was drunter! Naja, der Schwanz ist nicht schlecht, da kann man sagen, was man will. Aber nach all den vielen Hosen hätte ich mir doch mehr erwartet. Nach der Enthüllung bleibt immer noch die Hülle meiner Augen übrig, die Hornhaut, die Netzhaut, die Containerhaut, die Lastwagenhaut, die Einkaufswagenhaut, die Superwagenhaut (Supermarkthaut?). Ein Mensch wie ich kann sich noch an der Hülle befriedigen, aber irgendwann mal greift er einem Fremden in die Hosen. Und wundert sich, daß es soviele sind. Nein, nicht soviele Fremde. Dabei müßte er ihm nur ins Gesicht schauen um zu sehen, ob der blind ist oder nur geblendet von meiner Sonne, meiner Sonne Afrika. Unbewußt, höchste Lust! Liebestod nicht einer am andern, aber an der Welt. Höchstes Lustziel der aus eigener Kraft gelingenden Enthüllung. Was nützt sie einem, diese Enthüllung, wenn man nicht mehr sieht, was man da enthüllt hat, mein Vater sieht es leider nicht mehr, ich sehe es noch, aber vielleicht nicht mehr lange. Ich muß jetzt schon mein Bewußtsein zu Hilfe nehmen, wenn ich was sehen will, meine Augen versagen den Dienst, sie kündigen ihn mir auf. Aber immerhin, im Gegensatz zu diesem bewußtlosen Kontinent, auf dem wir uns befinden und, wie immer, über Fußball streiten, ist Ödipus, der ewige Vater, gleichzeitig der Vatermörder, motherfucker, ein echtes Individuum, ein Einzelgänger, ein Barzahler, einer, der nicht mit Billigfluglinien umgehen kann und letztlich, wenns ans Zahlen geht, doch immer den teuersten Preis fürs Ticket zahlt, dafür aber in bar, und sowas kennen die im dunklen Kontinent, der sie selber sind, ja nicht. Die zahlen gar nichts. Die zahlen nie für irgendetwas. Und Schulden wollen sie auch nicht, also müssen wir sie ihnen erlassen. Sie wollen nicht zahlen, aber Schulden wollen sie auch nicht. Egal. Sie nehmen die Schuld ohnehin nicht zur Kenntnis, da sind sie dem König, den ich meine, total ähnlich. Diesem König, diesem König Ödipus, der träumt, und daher braucht er den Traumdeuter, der ihm sagt, was er auch mit durchgestochnen Augen sehen hätte können sonnenklar. Er hätte es sehen können, als wären seine durchgestochnen Augen nichts als Ohrläppchen, eine Zierde, mehr nicht. Aber Afrika ist doch selbst der Traum, und den kann keiner deuten, verstehen Sie? Da ist nichts zu deuteln und nichts zu deuten. Wo kein Wille, da kein Weg. Wo kein Land, da keine Straße. Wo kein Mensch, da kein Traum. Wo kein Traum, da kein Mensch. Afrika Afrika. Nichts davon! Keiner kommt davon! Nix Traumdeuten, das brauchen wir alles nicht mehr, das lassen wir aus, das lassen wir weg, denn deutet man ihm seinen Traum, so wird der Mensch in seinen eigenen Zustand hineingeworfen und in sich verortet, versöhnt mit der Welt. Nichts davon in Afrika, das selbst der Traum ist, von Apoll, wer ist denn das nun wieder, ich glaub, das ist dieser Weiße, der nie da war, aber immer da ist, und der deutet Träume, das ist wie ein Spiel mit Steinen. Und die schwarzen Steine schiebt er Afrika zu, diesem dunklen Rausch, wer braucht da noch zu sublimieren? Wo kein Wille, dort kein Weg, wo kein Traum, dort ist ja alles Traum. Wo keine Wünsche, dort auch kein Sublimieren, keine Deutung, nur ein Es, ein Dreck, ein Es, ein Dreck, ich sage Ihnen: Sogar die Selbstentäußerung des Rauschs, egal durch Drogen oder Gewalt oder Hexerei oder penis shrinkers oder Menschenfraß, ich habe alles gesehn, Oberschenkel, Gehirn, Schädel, auch den Rost, auf dem das Menschenfleisch gegrillt, ja, und nein, den Kopf tun wir vorher weg, der ist sinnlos, weil er keinen Sinn kennt, wozu also der Kopf? Die Mutter, diese Hexe, hat ihn abgehackt, und annähen kann man ihn jetzt nicht mehr. Sagt der Papa noch: Was schlingst du deine Arme um mich, du armes Weib, wie um den grauen abgelebten Schwan sein Kind? Das versteh ich nicht und aus. Der Schwanz ist auf der andren Hälfte drauf, er ist mit draufgegangen, dort unten wars, wo unten? Immer unten unten unten. Dieser Mann ist hauptsächlich an Frauen interessiert, nur Frauen ißt er, und im Auftrag von Frauen, Hexen, ißt er andre Frauen, aber auch Männer, aber hauptsächlich Frauen, diese Bestie, braucht den Menschen als Material, wir nicht, wir nicht, wir brauchen ihn überhaupt nicht mehr, den Menschen, er ist überflüssig, was wir zum Menschenspiel trinken, ist nicht der flüssige Mensch, es ist was andres, was andres, was andres! Was uns verbindet, ist das Wappentier, der Geier, der die Hexe frißt und Mensch und Welt verbindet, ja, und dieser elektrische Verbund mit übernatürlichen Mächten, der kommt dann noch dazu, bis alles verbunden ist und, so verbunden, nie mehr heil wird, na, egal, wo keine Deutung, dort nichts, was gedeutet werden kann. So entsteht kein Mensch. Ich schaue Ihnen jetzt seit einer halben Stunde zu und garantiere Ihnen: So entsteht kein Mensch. Das macht man anders. Der Mensch entsteht durch Ficken. Und Ficken ist das nicht, was sie hier machen! Ich weiß nicht, was er nachher macht im Großen Traum, in dem er lebt, in Afrika, dem Großen Traum des Unbewußten, nein, nicht mal des Unbewußten. Wo kein Bewußtsein, da kein Bewußtes, da kein Unbewußtes. Ich gehe sogar noch weiter, also wo man nur Welt hat, die keine ist, braucht man keinen Traum, kein Traumbild, nicht einmal den Rausch (wer immer im Rausch ist, braucht jetzt das Haus des Traums nicht mehr), der braucht nicht niederzusinken neben sich oder neben einem anderen, zu dem es keine Grenze gibt im Dreck, denn da offenbart sich kein Traumbild, da wirft man sich nicht aus der Höhe der Selbstentäußerung durch Sublimierung, da wirft man sich ins Nichts, in den Dreck. Afrika in der Klemme seiner selbst, aber sogar diese Klemme ist zu kraftlos, und eine Klammer, die den Körper zusammenhalten könnte, haben wir nicht. Afrika fällt unten immer wieder aus der Klemme heraus, in die es sich selbst gebracht hat. Der andre? Hat die bessren Hexen und aus. Er ist kein Individuum und aus. Aber, ich wiederhole mit dem Denker, ich spreche ihm nach: Man kann die Natur nur dann zur Preisgabe ihrer Geheimnisse ZWINGEN (damit meine ich, daß sie diesen stinkenden Dreck endlich wegräumt, die Holzfeuer auslöscht, die Tierkadaver entfernt, den Abfall trennt und dann getrennt entsorgt, denn Abfälle hat Gott nun gewiß nicht zusammengefügt, das war eindeutig der Mensch, und das muß er sofort wieder rückgängig machen, befehle ich!), wo war ich, also ja, zwingen, durch das Unnatürliche! Nur wenn man das Unnatürliche riskiert, kann man die Natur zu etwas zwingen, und zwar, daß sie nicht so entsetzlich aufdringlich ist, das geht mir schon die längste Zeit auf die Nerven. Das ist die entsetzliche Dreiheit des Ödipusschicksals (ich allein kenne mindestens vier Leute, die Schrecklicheres mitgemacht haben und auch nicht mehr leben! Aber vorher – da wars schon arg, und sie tun mir auch echt leid), er ist derselbe, der das Rätsel der Natur (der Doppelsphynx mit ihrem Einfachsphinkter, das mußte ja kommen, so wie wir Sie kennen!) löst, und der muß auch als Mörder des Vaters und Ficker der Mutter jede Ordnung zerbrechen, und sehen Sie, genau das ist in Afrika schon lang passiert. Und abgehakt. Und durchgefickt. Afrika, komm jetzt und stell dich ringsherum auf, was, das kannst du nicht, du bist nur Einer? Das kannst du schon! Stell dich auf, Afrika, stell dich auf die Hinterbeine und pack diesen Baum an, hörst du, Afrika, und jetzt wühlen wir diesen Baum gemeinsam aus dem Boden, den Baum, in dessen Krone Afrika leider immer selber sitzt, weil es immer selber einen in der Krone hat, dann soll es halt auch auf der Krone sitzenbleiben, aber diese Frauen, mit ihren Tausendfüßlerhänden, die wühlen den Boden auf, der Baum, der fällt, Afrika fällt auch, und alle, die Frauen, diese Hexen, fallen über das arme Afrika her, und Afrika spricht: ich bin es, Mutter, bin dein eignes Kind, das du selbst gebarst, erinnerst du dich denn nicht? Erbarm dich, liebe Mutter, und ermorde nicht dein eignes Kind, Afrika, das du selbst gebarst, dessen Gebarung dir aber offenbar seit längerem schon nicht mehr gefällt, und übrigens stimmt auch die Endsumme nicht, trotzdem, ermorde mich nicht, ermorde nicht, um seiner Missetaten willen, den Sohn! Doch der Frau, dieser Hexe, steht längst der Schaum am Mund, sie hat jede Ordnung längst zerbrochen und nur Unordnung gemacht, und sie ärgert sich, weil ihr Sohn Afrika auch nichts als Unordnung und Ärger und frühes Leid macht, seit ich ihn nicht kenne und nicht kennen will und auch das Leid nicht kennen will und die Mutter es nicht kennenlernen will. Jaja. Wissen ist furchtbar. Wissen ist das Letzte, das Macht wäre. Wissen hat mit Gewissen nichts zu tun und mit Gewißheit schon gar nichts. Wissen ist schwer und schrecklich. Ich will kein Wissen, und ich will sowieso nichts wissen. Hier sitz ich im Dreck und so weiter.


area 7

Afrika. Ich bin gestorben in in diesem Weltgewimmel und ruh in einem stillen Gebiet. Ich muß wohl falsch ruhen, denn still ists hier nicht, weder im Heim, noch in den Gassen aus Lehm, noch in den Basaltebenen, noch in den endlosen Trockentälern, noch in der Hitze am Nachmittag, wie trocken kann Luft eigentlich werden? Keine Ahnung. Geht das auch in den Minusbereich so wie bei der Temperaturskala? Keine Ahnung. Ich würde auf Minus 10% tippen, doch tatsächlich beträgt die Luftfeuchtigkeit in dieser Landschaft ca. 5-10%. Also kann ich nicht hier ruhen, es ist zu ruhig, um zu ruhen, andrerseits wieder: still ist es hier nie, nicht einmal in der Nacht, da erst recht nicht. Also leb ich in mir und meinem Himmel, wo? Wo bitte ist das und wie komme ich dorthin? In eine Liebe, in ein Lied? Irgendeins, irgendeine? Egal. Ich halte mich dort auf, das soll wohl heißen, ich bin noch nicht tot. Ich bin tot. Dort, die zwei Gazellen, die gehalten sind, gehalten zu  werden, über ihre stark gewundnen Hörner sind rote Plastikschläuche gestülpt,  die Hörner dieser Tiere überziehend, wer hat das veranlaßt? Als ob nicht auch sonst genug zu tun wäre und nicht getan wird, so etwas Sinnloses, wer hat das gemacht? So, ich geh ein bißchen weiter, Schritt und Tritt, da ist schon eine Krankheit, die mir gilt und in mir Platz nimmt, mich von meinen Reiseschmerzen abzulenken. Die Gazellen folgen mir in den Normalzustand, der Krankheit heißt in Afrika. Das Land ist eine einzige Krankheit, Gesundheit ist die Ausnahme, soviele kranke Menschen wie noch nie, die Medikamente gibts beim Straßenhändler. Ich bin doch nur krank, bin noch nicht tot, wie kann die Welt an sich nur halten bei meinem Anblick. Ob sie mich für gestorben hält? Also für mich ist sie gestorben! Mit soviel Krankheit kann keiner leben. Das steht fest. Sie will mich nicht, das Malariamittel, das die hier verkaufen, kann mich töten, sehe ich am Beipackzettel, kann mich blind machen zumindest, diese Nuß hier kann mich auch töten, weil ich allergisch gegen sie bin, alles, alles ist besser, nur nicht blind sein! In die Welt schaun! Ins Gewimmel Afrika, wo nirgends ruht ein stilles Gebiet, ein stilles Gebet, Gott ist halt selbst verantwortlich dafür, was er schluckt, und wenn man tot ist, ist es die Malaria auch. Der Dreck am Boden! Bin das ich? Bin ich die Welt? Nein, es ist Afrika, am Boden steht ein Lehmhaus, dort ein Stapel voller Kleidungsstücke, Geschirr, Essensresten, Schmutz und Fliegen. Lassen wir den Kadaver, der ich bin in dieser Welt, in die ich nicht gehöre, einfach liegen? Ja, wir lassen ihn, in dem Gewimmel all der Fliegen bin ich blind, erstickt im Müll, ein König meiner selbst. Im Dreck ein König meiner selbst, allerdings nur dort, sonst nirgends. Die Karawane zieht mit mir, die ist mein Mutterkuchen, mein Garantieschein, daß auf die Welt ich kommen werde irgendwann, daher sind viele da um mich herum mit Scheiße an den Fingern, wo es klebenbleibt, was von der Welt noch übrig ist. Ich habe kein Papier, das ich mir zwischen die Hinterbakchen schieben könnte. Wie soll ich schreiben schreiben schreiben ohne das Papier, es ist schon unerträglich heiß, es wird zu Handreichungen kommen, niedrigster Art, nicht einmal das Handtuch ist mehr Papier. Mehr Papier bitte! Wer schreibt, bitte? Der Dämon riecht daran und schweigt betreten wie die Welt von mir nicht ist. Ich lache gellend, rieche laut, recht hab ich, ich lache wie ein Ersatzminister in einem Schlagbohrerloch, in einem Schlagloch. Ich bin der Welt abhanden gekommen, so stehts hier, das Wort bricht jetzt aus mir hervor wie eine Krankheit, Fieber, Durchfall, Dreck, Gestank, das Wort, es bricht, und es wird mir gebrochen, und es wird von mir gebrochen, kaum daß ichs gegeben, denn mein Gegenüber schweigt und schweigt und schweigt. Ich spreche immer mehr, kann nicht an mich halten, und nichts hält mich hier, die Welt und ich, wir kralln uns aneinander, doch wir kommen uns abhanden, wir, das elende Geschlecht, des Zufalls Kinder und der Mühsal all des Krempels um das Kind im Fieber, das man nur noch anzünden kann, aber nicht mehr muß, es ist ja kochend heiß, wozu noch brennen?, doch brennen muß es, die einzge Möglichkeit, daß es noch heißer wird, das Mittel wird ihm nicht gegeben, dieses Fieber zu ersticken, bald erstickt es selbst, das Kind des Zufalls, und was zwingst du mich zu sagen, was du besser nicht gehört hättest? Das Allerbeste ist für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, nichts zu sein. Das Zweitbeste aber ist für dich – bald zu sterben! Kann man das, bitte, nicht auch anders sagen, daß auch ich, ein Gott, es verstehe? Doch, kann man. Nicht geboren zu sein, übertrifft jeden Begriff. Doch wenns erschien, ist das zweite weithin dies, eilends zu gehen, von wannen es kam. Wer oder was? Wie soll denn ich das wissen? Wie soll ich verlernen, was ich nie gewußt hab? Kaum streckt ein Gott die Hand aus, mich im Leben festzuhalten, eile ich schon wieder fort. Kaum bin ich festgebunden an das Kind, das kocht und siedet in dem Fieber, reißt es mich schon wieder fort. Zum grünen Forst oder was oder wie? Jawohl, zum grünen Forst, von mir aus, und die Füße trampel ich mir aus den Banden frei, das steht mir zu, daß ich die Füße frei hab wie den Kopf. Der Mensch, der will kein Fieber, will nicht außer sich geraten, der will seine Ordnung, und bringt die Schönheit Ordnung rein in den Betrieb? Bricht da nicht eine Rose krachend und trampelnd aus dem Gebüsch? Ja, ist das überhaupt eine Rose? Was ist das, was ist das, um Gottes willen? Und das soll Ordnung sein? Trampelt doch alles nieder! Was Ordnung hätte sein oder doch machen können! Das ist es, was Sie darunter verstehen? Na, danke! Wer kann sein leben denn ertragen, wo ein Kind an Fieber stirbt, an dem kein Kind mehr sterben müßte, wenn er nicht Ordnung hätte, wenn er nicht, um einer höheren Ordnung willen, sich selbst in seinem Gott sich zeigen könnte, in dem Menschengott, der nur geschaffen wurde, damit der Mensch was eignes schafft. Oder was? Betonghettos, Wellblechsiedlungen, eine Schachtel Zigaretten an der Ecke, der Fischgeruch vom Wasser und die Kühle aus dem Fahrtwind, in den wir uns, um Kühlung zu erhalten, selber halten, halt die Flasche in den Fahrtwind!, doch da kühlt nichts ab. Ich kehr mich in mir selber um, ich schau auf mich, ich brech, wie dieses Kind, in Fieber aus, was braucht dieses Kind ein Fieber, was muß es außer sich geraten, wo doch ich das will, das Fieber und den Rausch? Man wird mich noch als Außenseiter denunzieren, von Neid getrieben und von Mißgunst. Ich siede ebenfalls, bin außer mir, doch immerhin, ich hab was, wo ich wieder reinkann, und wenn ich nicht mehr in mich reinkomm, hol ich mir den Traumdeuter her, jawoll, Apoll, den kauf ich mir: Schauen Sie jetzt weg! Wer das Tragische nicht ertragen kann, der soll es ziehen oder mit dem Auto führen, mit dem verrosteten Jeep da zum Beispiel, den können Sie gleich nehmen, der gehört keinem, wie alles hier, worauf keiner sitzt und worauf keiner setzt. Nehmen sie ihn ruhig, Sie müssen nur noch tanken, aber ich mache Sie aufmerksam, der Tank hat ein Loch, was keiner merkt, denn hier ist keiner aufmerksam. So, da hab ich eine Idee gehabt! Was meine Idee ist, ist in Afrika und kommt aber auch im Popkonzert vor, das für Afrika veranstaltet wird: mein Idol! Mein Idol singt! Mein Idol hat für Afrika gesungen! Abbild meiner selbst, nur eben schöner und größer. Nein, eigentlich nicht Abbild, Vorbild als Abbild. Vortritt als Abtritt. Ich mit meinem schleudernden Gang und meinem schleudernden Lassohaar, ja, ich, au! Will selbst ein Vorbild sein, habe aber kein Handy, damit ich das Vorbild machen kann. Man macht es, indem man die Hand vor die Augen hält und dann abdrückt.  Wenn man das speichert und es sich nachher anschaut, erscheint man in der Vielfalt von Gestalten, nur in Klein, doch keine ist meine, denn in Afrika gibt es nur Gestalten, keine Individuen. Nichts verstrickt sich in seinem Willen, denn einen Willen gibts hier nicht, sowas führen wir nicht, wir führen selber, es wird Einzel gespielt, kein Doppel, und nein, ich sehe, es wird derzeit auch kein Einzel gespielt. Aber gespielt wird. Eher zuviel als zuwenig.


area 7, Hagen und Strauß

So. Ich als Gott fahre nach Afrika, und so erfahre ich mir als Gott die Leiden der Individuation, erstehe auf, und, weil ich das zu schnell gemacht habe, fallen die Individuen alle von mir wieder runter. Das kann aber ohnedies keiner hier nachvollziehen, denn hier gibts ja gar keine Individuen und hat es nie welche gegeben. Sehen Sie hier welche? Nein! Hallo! Hier ist Afrika, he, hier ist Afrika, verstehn Sie? Haben Sie das verstanden? Bitte, ich habe auch so klein angefangen, als Stücke sogar, als Knabe von Titanen zerstückelt, na, ist das nichts, so ein Leiden, was ich damals gehabt habe! Noch bevor ich erwachsen war! Es heißt, der Mensch muß leiden, und zwar weil er es kann. So einfach ist das. Doch wenn Sie selbst es sind, der leidet, ist es wieder nicht so einfach. Das Tier leidet mehr, weil es das Leiden halt nicht kann. Es kann ja nichts lernen außer Sitz! Und Pfotegeben. Und Platz! Platz haben wir, aber sonst haben wir nichts. Das Tier in uns will nicht leiden, weil es sich das aussuchen kann. Es wählt sich also naturgemäß, nicht zu leiden. Es nimmt sich, was es mag und will. Afrika. Ich bin ein Gott, der lächelt, und aus meinem Lächeln kommen Hexen, Dämonen, Götter, Fetische, aber aus meinen Tränen kommen Menschen. Menschen. Menschen im Dreck, aber immerhin Menschen. Will nicht so weit gehen zu sagen, wie ich schon gesagt habe, das wären Individuen. Trotzdem, sind doch nicht schlecht geworden, oder? Ach, bei der Hitze wird doch alles so schnell schlecht! Aber wenn ich sie mir anschaue, muß ich zugeben: Menschen sind das irgendwie schon! Man muß nur sehr genau schauen. Kaum zu glauben! Was bin denn dann ich, wenn das Menschen sein sollen? Sollten wir wirklich den Zustand der Individuation als den Grund alles Leidens, als etwas Verwerfliches betrachten? Ich kann es nicht. Ich kann es nicht. Diese Zerstückelung meiner Person sollte zu so etwas wie Menschen geführt haben? Nein, nicht möglich! Ich glaube nicht, was ich sehe, und ich kann mich nicht betrachten, kann überhaupt die Hände nicht befrein und nicht die Füße, man hat mich gefangen, ich kehr mich selber mühsam, fühl mich in meinen Fesseln als, na, sagen wir: ein Symbol der vortechnischen Gesellschaft, was ich sicher nicht bin (ich hätte auch ein Symbol für was andres, für alles andre sein können!), ich bin mit dem Wagen hergekommen, ich kehr mich also um und sage: für jeden Menschen ist das allerschlimmste, bald zu sterben, und das Zweitschlimmste ist, überhaupt einmal zu sterben, aber man weiß nicht wann. Man will es auch nicht wissen, wenn man aus der Welt schon fällt, bevor man richtig auf ihr steht. Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben. Die Welt. Die Sohlen fallen ihr bei jedem Tritt aus den Schuhn, kein Wunder, bei dem Gewimmel, bei dem Gewimmer dauernd, wenn da ein Mensch mit einfällt und sich als Gesang erbricht, hier, dort und dort auch. Aber es wird nicht Gesang, es bleibt Gewinsel. So, der Mensch fällt also hinterher in die Ekstase in das Schreien vor und nach dem Krieg, ins Seiende, ins Ur-Eine, als das ewig-Leidende, was mir schon widerspricht, ich bin ja aus der Welt und kann nun nicht noch noch mehr leiden, na, sagen wir es trotzdem: das Widersprüchliche, indem es leidet, bis eine Vision erscheint und sich verbeugt, es folgt jetzt ihre Nummer, diese Telefonnummer der Vision, die heute ansteht und drängelt, damit sie endlich vorankommt, das Ticket ist ja längst bestellt, auf dem sie reisen will, und zwar aus der Welt heraus, so sage ich: wir brauchen diesen Schein, der keineswegs ein heller ist, zur stetigen Erlösung, nicht zu sein und fort zu sein. Und wir brauchen diesen Schein, weil wir damit irgendwohin fahren wollen, und der Schein wird kontrolliert. Ich brauche also den Schein. Sonst muß ich leider auf der Stelle wahnsinnig, tödlich getroffen wie ein Tier geworden sein, damit man mich für würdig hält, für würdig, überhaupt gefangen zu werden, und gefangen hält der Schein mich, ists die Kunst?, die Kunst ist immer Schein, sie ist das Wahrhaft Nichtige, sie ist, was nicht ist, denn sie ist das Werden hier in diesem Raum, der stinkt vor Dreck und Müll und Scheiße und Pisse und Fieberkrankheit, wie jedes Spital in Afrika stinkt, naja, auch eine Möglichkeit, außer sich zu geraten, das Fieber, ich wills nicht, wollen Sies? So nehmen Sie sichs doch, wenn sie das Fieber wünschen, kriegen Sies! Auf der Stelle, denn Sie haben sich dafür die falsche Stelle ausgesucht. Vielleicht im Fieber, in der Vision, ist das Werden endlich aufgelöst, und keiner von uns wird mehr genötigt, etwas als Realität zu sehn und zu empfinden. Wovor ich mich fürchte? Vor dem Traum, da ich zur Kunst nicht fähig, ist der Traum das Zweitschlimmste überhaupt, man kann wohl kaum was gegen ihn unternehmen, oder? Entweder Traum oder kein Traum. Er ist der Schein des Seins, und wenn man sich abhanden und der Welt abhanden ist gekommen, dann muß man in den Traum sich schmeißen, nein, das muß man nicht, der kommt schon selber über uns, der Sprung ist nicht mehr nötig, und wer sollte den auch kitten, ist er einmal ausgeführt? Was ausgeführt wurde, muß auch ausgefüllt sein. Und nicht mal ausfüllen, nicht mal ausführen kann man diesen Sprung! Der Schein des Scheins, der Sinn des Sinns, der Unsinn des Unsinns, der Widerschein von Nichts, das nur so strahlt von all dem Anschauen. Na, genießen Sies, bald sind Sie aus der Welt, der Traum spuckt Sie zurück, Sie suchen einen andern Weg in den Palast des Seins. Da merken Sie, Sie sehn nichts mehr. Blind! Blind wie eine Salzplatte in der Wüste! Sie sehen nicht den Schein, Sie sehen nicht, wie jemand kommt, um Sie zu erlösen, Sie sehen den Erlös von der Blindenlotterie nicht, Sie haben ohnehin nichts gewonnen, Sie sehen den Schein des Scheins auch nicht, Sie sehen dieses leuchtende Schweben in reinster Wonne und dem schmerzlosem, aus weiten Augen strahlenden Anschauen, das sehen Sie nicht, das Anschauen, das sehen Sie nicht, und das spüren Sie nicht auf der Haut, die weit aufgerissen ist und klafft wie die Frau nach der Geburt, nein, nicht nach ihrer. Trotzdem, Sie spüren es nicht, und Sie sehen es nicht. Sie sehen auch nicht, wie sehr Sie die Welt lieben (Sie sehen es nicht, aber Sie wissen es, was uns allen scheißegal ist!), Sie müssen wegen dieser Liebe zur Welt von den Geiern zerrissen werden, wenn Sie sich nicht endlich mäßigen und die Mutter nicht endlich auslassen, an die Sie sich klammern, weil Sie sie ficken wollen. Sie sehen schon nicht mehr, daß der Papa tot ist, war der nicht auch blind?, keine Ahnung, sehen Sie wenigstens diese Vision, die ich Ihnen da beschert habe? Nein, auch die nicht? Dann lese ich sie Ihnen vor, also, sie lautet in der uns allein gegebenen Sprache und wenn wir auf äquivalente Weise einen Baum mit etikettierten Knochen (soll das nicht Knoten heißen?) benutzen, folgendermaßen. Der Übergang von dieser Darstellung zu jener, keine Ahnung, von welcher zu welcher, läßt sich auf rein mechanische Weise vollziehen, und der Satz lautet also: Der hungrige Hund bellt klagend nach der Karawane. So. Das ist der bequemste Weg eines Satzes. Und aus. Und mehr Sätze gibts nicht. Genug. Ich ruh in einem stillen Gebiet, da brauch ich diesen Anblick von diesem zerfetzten Körper nicht, da brauch ich diesen Löwenkopf nicht eigens aufzuspießen und herumzutragen, ich weiß eh, wer das ist, es ist mein Sohn mein Sohn mein Kind mein Kind. Was trägt hier meine Hand? Sie trägt natürlich das, was dein Bauch getragen hat, liebe Mama. Das ist dein Kind. Auch wenn es anders ausschaut, ist es immer noch dein Sohn. Ich schwöre es. Aber wie soll ich denn wissen, daß das mein Sohn ist, wo doch ganz entstellt von Blut sein Haupt es ist, noch bevor ich es gewußt, daß er es war! Wie geriet der Sohn in meine Hand? Ich habe echt keine Ahnung. Da kommt die Wahrheit, wie immer zur Unzeit, aber zur Brotzeit kommt sie zurecht. Mahlzeit. Fressen Fressen Fressen Fressen! Ich weiß nicht, wie ich dazukomme und dazugekommen bin, aber der Kopf in meiner Hand, das Pfand, was soll damit geschehn? Auch fressen? Die Augen raus, die Wangen raus und fressen? Also wenn nicht einmal die Mutter weiß, was mit dem Kind geschehen soll, da kann auch ich ihr nicht helfen. Wie ist es denn überhaupt möglich gewesen, daß der Sohn von meinem Wahn, meinem Wahn als Mutter, so berührt worden ist, daß er jetzt total zerfetzt ist wie nach einem Autounfall? Die Überlebenden lassen sich mitnehmen, lassen sich verarzten oder verapotheken, lassen sich einen Leihwagen geben, lassen sich zum Flughafen fahren, lassen sich sein, o Welt, lassen sich endlich sein, lassen auch dich sein, o Welt, lassen sein lassen sich sein lassen sein. Ich gönn mich keinem andern, also laß mich sein!


area 7

Euripides: Die Bakchen
Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik
David Signer: Die Ökonomie der Hexerei
Friedrich Rückert, Eduard Mörike
Viele weblogs – danke fürs Reisen!

Für Area 7 - Eine Matthäusexpedition mit Christoph Schlingensief, (Burgtheater Wien)

Fotos: Georg Soulek / Christoph Schlingensief, aus Area 7, Burgtheater Wien

13.2.2006


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