Ritterin des gefährlichen Platzes

Ich sehe in Harper's Bazaar eine Frau, 1,80m groß, scheinbar ungeschminkt, mit entschlossenem Gesicht und deutlichem unteren Vorbiß, der diese Entschlossenheit noch betont, beinahe nackt unter einem durchsichtigen eisblauen Minikleid von Versace. Die Beine sind muskulöser als bei einem Model üblich, die Frau ist ja auch keins, sie ist eine berühmte Schauspielerin und heißt Sigourney Weaver, und vor einem Jahr hat sie (es ist die Oktobernummer '96) ihre Haut, die in den "Alien"-Filmen bereits ziemlich viel aushalten mußte, wieder einmal zum Markt getragen. Die Haut scheint sich seit dem letzten Mal erholt zu haben. Auf der nächsten Seite trägt sie ein, ebenfalls durchsichtiges, aber dafür bodenlanges Kleid von Dolce & Gabbana, mit Tigerstreifen gemustert. In dem Interview, das dazu abgedruckt ist, spricht die Frau über Sex, anläßlich eines Theaterstücks, das dieses Thema zu haben scheint, und in dem sie die Hauptrolle spielt. In den Alien- Filmen spielt Sex keine Rolle. Stattdessen spielt Sigourney die Hauptrolle.
 

 

Sigourney Weaver, Photo: Harper's Bazaar

Es ist erstaunlich, in wie vielen Räumen man Menschen vorfindet, und man erkennt sie dennoch an ihren Gesichtern, die uns manchmal direkt liebgeworden sind, vor allem, wenn sie Filmschauspielern gehören, die man einfach überall wiedererkennen würde, nur vielleicht nicht, wenn sie einem im eigenen Stammlokal entgegenkämen, denn das sind von Natur aus gewiß keine entgegenkommenden Leute. Sie sind uns dauerhaft entzogen und doch, in den Zeitschriften, scheinbar zum Angreifen nahe, wenn sie auch niemals handzahm werden. Das geschieht im allgemeinen dadurch, daß der imaginäre Raum auf der Leinwand immer, selbst wenn er alltägliche Genreszenen zeigt, vom Raum des Alltäglichen getrennt ist. Er fordert die Betrachter auf, danach zu greifen, aber diese ungreifbare, ungerechte Verteilungsgleichung geht nie auf, es ist, als tauchte man seine Hand in Wasser, das ja immer ausweicht. Ist schon der Raum, in dem man lebt, obwohl naturwissenschaftlich recht genau definiert, selbst an der Stelle, an der wir uns aufhalten, deswegen dort noch nicht fester oder dichter, so könnte man dem Geschehen auf einer Filmleinwand, die aber schon das einzige Dichte und Feste am Film ist, an keiner Stelle eine größere Dichte oder Ballung zusprechen, egal, was im Film gerade passiert. Es rauscht vorbei, nicht zu fassen, was da geschieht. Ist der Film ein Krieg der Welten zwischen dem Realen und dem Irrealen, das für uns aber real zu sein hat, je realer desto lieber? Und je unwahrscheinlicher das Irreale des Films ist (am unwahrscheinlichsten naturgemäß in Science-Fiction-Filmen, die ja den gesamten Weltraum mit einbeziehen, also unseren Planeten verlassen), umso mehr bemühen sich die Regisseure, besonders real erscheinen zu lassen, was da gezeigt wird. Möglicherweise damit wir umso leichter Beziehungen zwischen dem Gezeigten und unserer Realität herstellen können.

ALIEN3 (David Fincher, 1992, Photo CentFox), aus METEOR, 1997, 11

Vielleicht rührt die unwillkürliche Scheu, ja Angst, die man normalerweise bei den Kampfszenen mit diversen Monstern (und die "Alien"-Filme gehorchen ja dem uralten Schema Mensch gegen Ungeheuer, welches eben nicht-menschlich ist) empfindet, von der Ahnung her, daß es auch hinter dem Raum, in dem sich diese Kämpfe abspielen, (so sehr wir auch wissen, daß es ihn gar nicht gibt), noch einen weiteren geben könnte und dahinter dann noch einen und so fort, Räume, die einen einzusaugen drohen, und in denen nichts geschieht, das sich noch auf den Realraum beziehen würde - es sind ja schon die Welt der Zuschauer und die sich erhellende Leinwand, auf der einem etwas "erscheint", Räume, welche in vollkommenster Trennung voneinander existieren - und dann ist da ja noch das Geschehen auf dieser Leinwand: Das wäre dann ein weiteres Kontinuum, das sich nicht mehr definieren läßt, weil die Eigenschaften unseres Lebensraumes darauf nicht zutreffen, auch wenn uns vieles bekannt vorkommt. Daß uns das, was dort oben alles möglich ist, Angst macht, wäre die einfachste Erklärung. Aber vielleicht ist ja alles ganz anders und das, was man als Leere bzw. Räume unterscheidet, sind Teil von ein- und derselben Mechanik: Die ursprüngliche Naturhaftigkeit dieser Räume, auch derer, die, im Sci-Film, erst erobert werden müssen, wäre längst gezähmt durch Fleiß und Industrie, und die Verursacherin von alldem wäre: Eine Firma, die alles in der Hand hat und die Räume durch ihre Kolonisten, ihre Fracht- und Handelsschiffe sowie ihre Abgesandten jeder Ordnung, von der Kommandantin bis zum Androiden, der natürlich von Den Herren Der Firma hergestellt und programmiert worden ist, zähmen und beherrschen will, wozu? In erster Linie natürlich um sie auszubeuten. Der US-amerikanische Romancier Thomas Pynchon (DER Autor der paranoischen Weltverschwörung, der die "Alien"-Filme erfunden haben könnte und vielleicht auch erfunden hat) hat, präzise wie kaum ein andrer vor ihm, von der Naturhaftigkeit (alles an ihnen hängt zusammen, eins ist mit dem andern verknüpft, und der Zusammenhang ist die paranoische Verschwörung, und das einzige, das schlimmer ist als Teil der Verschwörung zu sein wäre: nicht Teil der Verschwörung zu sein) der großen Konzerne gesprochen. In "Gravity's Rainbow" ist die Rede vom Schöpfer des kartellisierten Staates, dem später ermordeten deutschen Außenminister und Sohn des Begründers des ersten großen Elektrizitätskonzerns AEG, Walther Rathenau, der, durch die Verknüpfung horizontaler mit vertikalen Strukturen, dessen Verkünder und Architekt war (allerdings als Sozialutopist, sozusagen als "guter" Vater seiner Angestellten, während, ebenfalls in der Weimarer Republik, Alfred Hugenberg, der dazu auch noch die öffentliche Meinung, die Presse und die Filmstudios, und damit im wahrsten Sinn des Wortes die Menschen selber besessen hat, vielleicht als "böser" Herrscher fungieren könnte), gleichzeitig aber letztlich auch der Auslöser Der Universellen Paranoia. Im modernen Nachkriegsstaat (gemeint sind nicht nur die beiden Weltkriege, sondern ALLE Kriege, die anschließend, auch wenn noch partiell gekämpft werden mag, immer vom Geschäft abgelöst werden, wie nicht zuletzt die Frachtschiffer in "Alien" uns zeigen) würde keine politische Gruppierung mehr als Siegerin hervorgehen, sondern eine rationale Struktur, in der das Geschäft die wahre, die rechtmäßige Autorität darstellte - eine Struktur, die, wenig überraschend, auf dem basieren würde, was Rathenau und, mit noch weiter reichenden Konsequenzen, Hugenberg in Deutschland aufgebaut haben.

Daraus folgt, daß hinter jeder Macht eine weitere stehen muß, und ihren Eroberungen entsprechen, konkretisiert, alle diese Räume, hinter denen immer schon die nächsten warten, hüben wie drüben. Es gibt Die Firma, einen gesichtslosen Kraken, eine Organisation, die mehr weiß als alle übrigen, weil sie alles steuert, und Die Firma kennt auch die schreckliche Struktur hinter all den Eroberungen, hinter all den Fassaden von Vielfältigkeit, Marktwirtschaft, Kolonisierung, Furcht und Strafe. Und vielleicht hat Die Firma das Alien selbst gebaut bzw. gentechnisch gezüchtet? Egal wozu. Um Menschen an ihm zu erproben oder es an Menschen zu erproben. Vielleicht besitzt Die Firma das alles, was sie zu erobern und auszubeuten vorgibt, bereits und will nur Menschen und Androiden billig entsorgen, so wie die I.G. Farben, das Kartell, das sich in Auschwitz, scheinbar widersinnig und gegen die eigenen Produktionsinteressen, wie z.B. Hannah Arendt nachweist, zur Vernichtung, nicht zu Arbeit und Produktion niedergelassen hatte. Der Paranoia sind keine Grenzen gesetzt, sonst wäre sie ja keine. Und immer ähnlicher wird, was Menschen gemacht haben und machen können, dem was sie nicht machen können, außer bei Zeugung und Geburt: Natur, zumindest ihre Nachahmung. Aus Kohlenstoff entstehen organische Verbindungen, entsteht der Benzolring (ein Gebilde von eigener Schönheit), so hat es angefangen. Inzwischen wächst Das Kartell selbst organisch, es kann nicht anders, wie die Natur, und die einzige Konstante in den Alien-Filmen ist die Heldin, Ripley, Sigourney Weaver, sie ist die einzige, die immer gleich bleibt, nicht einmal altert, denn sie reist ja so durch die Zeit, daß diese, für sie, nicht vergeht; alles andre ändert sich, sogar die Tochter altert und stirbt schließlich als alte Frau (in der Kinofassung geschnitten). Doch, wie in einem entropischen Vorgang, kann man eine paradoxe gegenläufige Bewegung wahrnehmen, daß nämlich, je mehr Sigourney rackert und arbeitet, je mehr sie plant und lenkt (einmal mit Der Firma, einmal gegen sie. Ist sie die Firma? Ist die Firma sie? Weiß sie überhaupt von den Machenschaften Des Kartells? Ist sie Teil davon?), nur die Unbelebtheit wächst, die Beteiligten immer häufiger sterben (die kleine Newt, die gerade noch, in Teil 2, gelebt hat und liebevoll zur Ruhe gebettet wurde, ist zu Beginn von Teil 3 durch eine Crashlandung einfach tot und aus, weg mit ihr!) und alles immer tiefer in einen Todesschlaf zu sinken scheint, zu allererst Sigourney selbst, die immer resignierter, starrer, immer steinener zu werden scheint, obwohl sie doch der Angelpunkt von alldem ist. Und dem Kartell, das alle, auch ihre Fäden zieht, was sie selbst möglicherweise vergessen hat, vielleicht aber auch nicht, entspricht eine Film-Firma, die, wie naturhaft, immer neue "Alien"-Filme produziert, die einfach nicht aufhören kann, warum? Weil es sich längst verselbständigt hat? Weil sie immer noch Geld damit verdienen können? Fast scheint letzteres wieder eine zu banale Erklärung zu sein.

Das alles zu zeigen, ist in letzter Konsequenz nur im Sci-Film möglich, denn nur in diesen Filmen besitzen die gezeigten Räume (jeder von ihnen seinerseits auch wieder vieldimensional) gleichzeitig die größte Realität wie die größte Irrealität, und keine andre Filmgattung kann die Räume, die Verschwörung Dahinter dermaßen plastisch bis in allen Einzelheiten evozieren. Dieses Dahinter muß allerdings dann allein aus sich selbst heraus zeigen, welche Regeln in ihm gelten: Es sind Regeln, die irgendwelche Leute aufgestellt haben, die nicht genannt zu werden wünschen, auch wenn sie gezeigt werden. Sie haben keine Ähnlichkeit mit Spendern, die gerne ungenannt bleiben möchten. Uns Zuschauern sind die Erfahrungen jedenfalls nicht gegönnt, die Sigourney Weaver in den Alien-Filmen machen muß, sie erfährt das alles an unserer Statt, wir würden sowas nicht im Traum erleben wollen, wie man so sagt, aber anschauen wollen wir es uns schon, und wäre es zwischen den vor die Augen gehaltenen Fingern hindurch. Was wir dort aber wirklich sehen könnten, die totale Macht, der wir längst verfallen sind, das wird uns als möglich gezeigt, weil in diesen Filmen einfach ALLES möglich ist, nur damit man vergißt, daß Tod in noch mehr Tod verwandelt wird, damit man dieses Prinzip unter sehr viel Technik (das heißt: sich Auskennen mit etwas) und Effekten gleichzeitig wieder verbergen kann. Solange wir aber nicht versuchen, die Regeln in ihrem imaginären Raum hinter der Leinwand zu entziffern, solange werden wir auch nicht entschlüsseln können, was diese Schauspielerin dort auf der Leinwand tut. Doch das ist erst der Anfang. Wir werden es nie wissen, und wenn wir in das Innerste ihrer Moleküle vordringen würden. Es ist nur logisch, daß in Teil 4 die Heldin Ripley aus Molekülen und DNA wieder ganz neu zusammengesetzt wird und selbst nicht weiß, wer oder was sie ist, Untier oder Mensch.

Eine zweite, äußerlichere, Komponente ist, daß es Ripley inmitten all des planetarischen Schutts und Mülls, den die Entropie bereits hinterlassen hat, hinter all den Ursachen und Wirkungen, die man hierzulande "Geschichte" nennt, aber in Wirklichkeit läuft die ja Dahinter ab, eben hinter den Räumen, die uns zugänglich sind, oft schwerfällt, überhaupt etwas zu tun, denn in diesen Filmen ist die Leinwand meist sehr vollgeräumt, als wäre sie mit einer wild gemusterten und auch noch lebendigen! Tapete zugeklebt, von der sich die Heldin und ihre Mit-Spieler, die kleine Newt, Bishop, der Androide - der zuerst nichts als ein sehr hochentwickelter (hoch- "gezüchteter"!) Roboter ist, aber im Lauf der Filmhandlungen immer menschlicher wird, bis er der Menschlichste von allen geworden ist, Mensch und Maschine gleichzeitig, ein Schöpfergeschöpf, denn jetzt merken wir es erst: der Androide hat ja die ganze Zeit das Gesicht seines Meisters gehabt! (doch da ist schon wieder ein ganz andrer Raum, in dem dann der Meister das Gesicht und das Innere seines Geschöpfs angenommen hat, vielleicht weil er inzwischen verstorben ist?) - und die Kämpferinnen und Kämpfer (alle scheinbar dem gleichen, androgynen, muskulösen Geschlecht zugehörig mit Ausnahme des Kindes, das als einzige eindeutig weiblich ist und auch so erscheinen darf - eine Umkehrung der Legende vom noch "geschlechtslosen" Kind) nur undeutlich abheben können; ja, sie müssen alle wild herumfuchteln, schwitzen, Flammen werfen, schießen, rackern, um sich den Raum der Leinwand irgendwie freizukämpfen und damit ihren Weg - anders übrigens in Teil 3, "in der Strafkolonie", denn da haben die Protagonisten überhaupt keine Waffen, außer den primitivsten, die man schon in der Steinzeit hatte, und da müssen sie, die, beinahe vollständig ausgezogen (stripped to the bones) und dazu sogar kahlgeschoren sind (was die Androgynität natürlich bis zum Äußstersten steigert), ihre Körper selbst als Waffen einsetzen, also: sich buchstäblich selbst als Pfand einsetzen. Den Platz auf der Leinwand Einräumen, Vollstellen, heißt, daß erscheinen darf, was je schon da, was "auf Zelluloid gebannt" ist, um uns auf unsre Plätze im Davor zu verweisen. Sich Platz auf der Leinwand zu schaffen, bedeutet, von der Seite der Akteure her gesehen, ein vielarmiges amorphes Ungeheuer von ihr erst mal zu vertreiben, das einfach überall ist, und scheint es einmal nicht zu Hause zu sein, entsteht natürlich die Spannung dadurch, daß man weiß, es ist da, aber werden die es noch rechtzeitig finden? (na, die Filmmusik hilft ihnen wenigstens dabei), ein tentakelbewehrtes Schauergeschöpf, zusammenschmelzend, schon bevor es wirklich verbrannt wird (das alte Schicksal von Hexen!), ein schauerlicher Embryo, über den sich Ripley, noch im Flammensturz, mit dem sie die Welt rettet, sich aber mitsamt ihrem "Kind" vernichtet, irgendwie beinahe sorgend beugt - die absolute Parodie auf die Jungfrau Maria und das kleine Jesuskind. Das Ungeheuer wird, auch wenn es wie ein Blitz herumzuckt und partialisiert auftaucht - wahrscheinlich damit man das "Gemachte", Gebaute, Gebastelte der Sache nicht allzu genau unter die Lupe nehmen kann - , also nur ein Stück Schwanz, ein, zwei Sekunden der Kopf, etc. zu einem beweglichen Hintergrundmuster, da es ja "überall" sein kann und überall ist, aus dem heraus der Star Sigourney, die Anführerin, und ihre Mitspieler sich Breschen schlagen müssen, um überhaupt einmal anständig filmschauspielen zu können. Die Filmkunst setzt ja, wie jede andre Kunst, bei der etwas entsteht, "gemacht" wird, ein Werk in Gang, das alles um es herum verdrängt; manchmal kann man dieses Werk auch Wahrheit nennen, jedenfalls besteht es aus Gängen und Räumen, die aus dem unbewegten Raum herausgeschlagen werden.

Brigitte Helm und Heinrich George in METROPOLIS (Fritz Lang, 1926, Photo ORF), aus METEOR, 1997, 11

In Fritz Langs "Metropolis" von 1926 entsprechen diesen Tentakeln des Ungeheuers, des "Aliens - des Fremden", die bemalten, als Modelle gebauten, mit Spiegeln trickbelebten Gänge der Arbeiterstadt Metropolis, bei der Oben und Unten, Herrscher und Arbeiter, streng getrennt sind, und der Herrschersohn ist der Verbinder zwischen den beiden Sphären, der Wanderer, der die Bresche schlägt. Wie lebende Greifarme durchziehen die futuristischen Verkehrslinien das Filmbild, und die Arbeiter (Ernst Jünger bringt "Der Arbeiter" erst 1932 heraus, muß aber, denke ich mir, auch von diesem Film beeinflußt worden sein) füllen, fuchtelnde Wasserfluten, den Raum dann irgendwann einmal vollständig aus; die lebendigen Menschen verkitten sozusagen allen Raum zwischen den Verkehrsadern und den Verkehrsmitteln zu einem Ganzen, aus dem nichts mehr zu entfernen ist. Ja, die Straßen werden förmlich zu Menschen, die, vielleicht aus Angst vor der Leere, und aus Angst, daß es hinter der Leere noch eine weitere, viel umfassendere, geben könnte, in dieses Vakuum gesogen werden und dann das Eigentliche des Filmraums werden, sein Negativ, ein andres als jeder Film "natürlich" (ohne Negativ kein Positiv!) hat und haben muß. Bewegung entsteht durch eine intrikate, aber im Grunde simple Einzelchoreographie der Protagonisten, vor allem der Schauspielerin Brigitte Helm, die ja in einer Doppelrolle auftritt: jener der (heiligen Jungfrau - wieder eine!) Maria und des dämonischen, von einem Menschen geschaffenen Roboters, der Marias Züge trägt, darunter aber vollständig aus schimmerndem Metall besteht und die Massen zur Revolution aufhetzt, welche nur darin besteht, daß sie sich selbst, ihre Behausungen und ihre Kinder zerstören wollen. Das ist das Negativ der Revolution, die doch als Positiv gedacht war, aber nicht etwas Negatives, in das sie umkippt, sondern das "naturgemäße" Negativ, wie beim Film. Aber immerhin: in "Metropolis" ist der Herrscher, ist Die Firma noch zu sehen, so wie man die Rathenaus und die dämonischen Hugenbergs noch gekannt hat, in den Alien-Filmen zeigt sich der Konzern nicht mehr, nur seine Abgesandten zeigen sich noch. Die Katastrophe von Metropolis wird im letzten Moment von der hl. Jungfrau und dem mitfühlenden Unternehmerssohn verhindert, endlich einem, der die Parsifal'sche "Mitleidsfrage" einmal stellt (die Verbindung von Hand und Kopf, also Handarbeit und Kopfarbeit, "das Herz", und ohne dieses kann gar nichts gelingen, wie Fritz Lang sagt, vor allem das Atmen nicht, wie ich sage), die Revolte wäre "natürlich?" in jedem Fall, wie wir inzwischen vom Realraum ja gelernt haben, nicht gut ausgegangen. So. Der Feind kommt entweder von außen, das ist die harmlose Variante, oder von innen, dann wird es interessant (wir werden sehen, daß Metropolis wie Alien Mischformen sind und nicht zuletzt daher ihre Faszination beziehen), denn dieses Innen ist nicht einfach das Innere der Menschen, sind nicht einfach seine bösen oder guten Triebe und Pläne, sondern ihm entspricht eben auch ein ganz anderer Raum als der, den man sehen kann. In den "Alien"-Filmen kommt das Ungeheuer gleichzeitig von außen wie von innen, denn es wird fast immer erst als Ungeheuer erkannt, wenn es, geifernd, spuckend, fauchend, triumphierend, aus den Wirtskörpern, die es dabei zerfetzt, nach der Art eines Springteufels herausfährt, ausfährt wie ein böser Geist. Allerdings muß es zuvor in die Menschen hineingekommen sein. Wie löst Fritz Lang das Problem, seinen künstlichen Menschen, der ja auch von außen wie von innen kommt, ein Gemachtes ist wie etwas, das unerkannt "unter den anderen lebt" und als fremde Art nur vom Liebenden erkannt wird, seinen Roboter, der Marias, des Mädchens Züge trägt, einmal als Menschen, einmal als ins Verderben lockenden Dämon zu zeigen? Die Hexe Maria, das Böse schlechthin also (wichtig wäre zu sagen, daß Maria und Maria/Dämonin nicht nur identisch sind und natürlich von ein- und derselben Schauspielerin gespielt werden, sondern daß sie wirklich austauschbar sind, eine IST die andre, da das Böse, und hier kann das auch bewiesen werden, ja in letzter Konsequenz immer von Innen kommt, und nur die andre, die Böse, suggeriert uns diesen Zweitraum, der ein Ort ist, welcher den vorgegebenen verlassen und sich einen eigenen geschaffen hat, um sich dort entfalten zu können, uferlos, denn das Böse duldet, im Gegensatz zum Guten, das "etwas meint", im Sinn von Bedeuten, also zielgerichtet agiert, keine Abgrenzung), sitzt auf der Schulter eines der revoltierenden Arbeiter, die Massen drängen hinter ihr her, füllen die Projektionsfläche, als wären sie, genau wie Wasser eben, draufgeschüttet worden, und Maria-die-Teufelin, die Hände werfend und ein irres, gleichzeitig entrücktes Lächeln auf ihrem weichen Gesicht (man hat Brigitte Helm, die ja ein eher ovales, oder besser: herzförmiges Gesicht hat, nach der Mode der damaligen Zeit, für diese Szenen, in denen sie ja einmal nicht das unschuldige Mädchen ist, die Unterlider dunkel geschminkt, man hat ihr sozusagen künstliche Augenringe, das Zeichen der Dekadenz und der durchzechten Nächte, gemalt, was immer einen unheimlichen Effekt ergibt, einen lebenden Totenschädel - ähnlich schlicht mit etwas dunkler Farbe hergestellt auch, vierzig Jahre später, die Untoten in Herk Harveys "carnival of souls"!), dreht sich, und mit ihr natürlich der "Untermann", auf dessen Schultern sie breitbeinig sitzt, und der in Wirklichkeit sie dreht, rasend schnell, im wahrsten Sinne des Wortes "überdreht", im Kreis. (Die sich opfernde Ripley/Weaver sinkt mitsamt ihrem Ungeheuer/Kind, sich langsam um ihre Achse drehend, in resignierter Selbstaufgabe, schwebt, wie eine einzige skeptische Handbewegung ihres ganzen Körpers, in die Flammen hinab.) Aus dem Filmraum wird sozusagen, mittels einer aggressiven Kreiselbewegung, ein Segment förmlich herausgebohrt, ein Loch entsteht inmitten der Volksscharen, und durch dieses Loch, das von einem Menschen kraft Bewegung erzeugt wurde, kann dieser andere Raum, jener dahinter, vordringen, der dann das eigentliche Entsetzen beim Zuschauer auslöst. Dieser Raum Dahinter bohrt sich in ihn hinein und reißt ihn förmlich aus seinem Kinosessel heraus. Und, je mehr sich die Leinwand mit Menschenmaterial (die Arbeiter, das ist charakteristisch für sie, treten ja fast immer in "Massen" auf, bedrohlich, gesichtslos, amorph, daher geht eine solche Gefahr von ihnen aus, gleichzeitig sind sie aber Spielmaterial, man kann sie nicht auseinanderhalten, eigentlich sind sie Müll, Abfall, es gibt einfach zuviele von ihnen) füllt und wieder freigeräumt wird, scheinen die Massen nur aus dem Grund dort auf die Leinwand hinaufgeschickt worden zu sein, damit mit ihnen endlich aufgeräumt werde und wir dafür wieder mehr Platz haben, um leben und atmen zu können. Die Leinwand hat sich also angefüllt, das Wasser wird aber durch den Abfluß wieder abrinnen (Metropolis droht ja wirklich geflutet zu werden! Doch die wahre Flut sind eben die Menschen selbst), und dafür dürfen wir dann bleiben. Sind deshalb wir die eigentlichen Herrn der Leinwand? Haben wir sie gezielt für diese Vorgänge freigegeben, damit, wie in einem sakralen Akt, uns der Ort zum Wohnen wieder, heil und ohne daß man von fremden Elementen dabei gestört würde (diese fremden Elemente sind aber unter uns, nein, sie sind wir! Nicht im romantischen Sinn, daß wir alle Fremde auf Erden seien oder so, sondern umfassender: in der Totalität muß am Ende jeder dran glauben, auch wenn die Zerstörung ursprünglich nur einzelnen Gruppen gegolten hat), zurückgegeben wird? Ein paar Jahre nach "Metropolis" haben sie dann alle brav "Heil!" geschrien.

Skizze "New Alien" aus METEOR, 1997, 11

In "Alien"-Filmen findet, oberflächlicher gesehen, umgekehrt auch wieder ein Rückschritt noch hinter Fritz Langs ästhetische (natürlich betrifft das nicht die technischen) Möglichkeiten statt: Die Abstraktion des Filmkünstlers Lang wird in den Alien- Filmen, wie in einem Kinderfilm, wieder re-konkretisiert und tritt, als was wohl? natürlich! als vielarmiges Ungeheuer, als eine Art Hydra auf, als Material und gleichzeitig materialisiert. In Metropolis tragen die Menschen ihren Arbeitscharakter, also keinen, auf den anscheinend immergleichen "nichts-sagenden" Massengesichtern, und diejenigen, denen Individualität erlaubt ist, vor allem der Sohn des Herrschers und natürlich der Herrscher selbst, heben sich deutlich, nicht nur durch Kleidung und Großaufnahme, davon ab. Immerhin sind das Herrscher, die noch gezeigt werden können, hinter denen man keine weiteren mehr vermutet. Die Herrschaft hat es zu Beginn des kartellisierten Staates noch nicht nötig, ihre Spuren zu verwischen, da ihr, "normalen" Verhältnissen nichts streitig gemacht wird. Der Arbeitscharakter der Figuren in "Metropolis" ist so stark, daß er sich hinter diesen Nicht-Gesichtern verbergen muß (die Gesichter sind wahrscheinlich erst entstanden, als die Arbeit in ihre Züge, wie in Regale, eingeräumt wurde), und die Gesichter verschwimmen, verschwinden und, im Gegensatz zu den Herrschern und Maria, die herausgehoben ist unter den Weibern, sind sie nicht mehr als einzelne, individualisierte wahrnehmbar. Erst in der "Revolution", die in Wahrheit ja gar keine ist, werden dann, durch Großaufnahme, einzelne Arbeitergesichter wieder aus der Masse herausgeschält. Können wir daraus schließen, daß der Arbeiter erst in der Revolution, da blinder Wille (Er ist dazu da, Revolution zu machen. Er soll keine Revolution machen.) den einzelnen ergreift, wieder Mensch wird? Nein, können wir nicht.

Dieser Vorgang hat seine Parallelität auch in den Alien-Filmen. Dort verschwinden die "Arbeiter" (in diesem Fall: die Kolonisten und Weltraumkämpfer), die dem Alien und seiner immer weiter vorandrängenden Brut (!) (von ähnlicher Naturhaftigkeit sind auch die Individuen in "Metropolis", als wären sie frei zur Entnahme und damit gleichzeitig zur Auslöschung freigegeben, und es sollten ja in Deutschland bald Menschen aufgrund ihrer jüdischen Natur ausgemerzt werden!) gegenüberstehen, vor dem Hintergrund ihres riesigen "Werkstücks", der vielarmigen Hydra, des Kraken, das sie nicht vernichten können, das sie nicht vernichten DÜRFEN, denn sonst gäbe es ja nicht immer neue Fortsetzungen, aber das ist eben nur EIN Grund (und was sind dabei die Interessen Der Firma?). Die Konversion des "Arbeitscharakters" der Massen, bzw. der Kämpferklasse (im dritten Teil: "primitive" Sträflinge, meist Vergewaltiger, Fleisch, das sich auf Fleisch gestürzt hat, aber durch den Kampf gegen die Bestie nun offenkundig zum Kämpfer, wenn auch ohne technische Hilfsmittel, geadelt werden kann) in den Alien-Filmen in reinen Kampf-, Kriegscharakter trägt in beiden Filmen immer auch noch Werkstättencharakter, wenn man bedenkt, wie laut- und restlos Vernichtung längst stattfinden kann und stattgefunden hat. Bedeuten die Alien-Filme eine Art künstlerischer Regression, vergleichen mit "Metropolis"? Kann man es so interpretieren, daß ein Übertritt von der rein menschlichen Konstruktion "Die Stadt", einem Komplex, der als etwas Gemachtes zu erkennen ist und die unaufhaltsame Herrschaft der Technik, die wiederum kein Begriff des Machens, sondern einer des Wissens ist, signalisiert, stattgefunden hat, und zwar hin zu einer organischen Konstruktion namens "Das Ungeheuer"? Und gleichzeitig wäre dann eine geistige, dynamische Abstraktion, eine von Menschen übernommene Planung von Lebensraum, welcher nach diesen Menschen greift, sie aber andrerseits als solche überhaupt erst hervortreten läßt, paradoxerweise gerade indem er mit den Menschen, die dort wohnen, aufzuräumen scheint und dadurch ihnen ja den Platz überhaupt erst frei-"räumt"! übergeführt worden in Natur, in ein Wesen, halb Tier, halb Pflanze, das anfänglich aus einer Art Schote kommt (ein beliebtes Science-Fiction-Bild) sozusagen Natur ersten Grades, während die Naturhaftigkeit zweiten Grades der Metropolis-Bewohner, sosehr sie betont ist, um sie verschwinden lassen zu können, doch eine durch menschliche Arbeit erreichte, buchstäblich aus ihnen herausgemeißelte wäre. Und ihr Produkt, die gigantische Maschine in der Mega-Stadt-Maschine (also Maschine in der Maschine), Der Moloch im Film, ist zu sehen, drängt sich, als alles Überragendes, in die Beachtung, während die Technik, normalerweise das wichtigste in Sci-Filmen, "Alien" hinter der scheinbar "reinen Natur" des Ungetüms zurücktritt und dieser auch bereitwillig Platz macht, bis, wie gesagt, diese Natur die Leinwand überwuchert hat. Ich habe allerdings am Anfang dieses Textes zu beweisen versucht, wie trügerisch Naturhaftigkeit ist und daß das auch gezeigt wird, daß sie möglicherweise sogar die raffiniertere Form des Gemachten ist, da man ja nicht weiß, ob das Alien nicht von Der Firma hergestellt wurde bzw. ob die Firma nicht überhaupt das Alien IST. Anders gesagt: Während "Metropolis" die Spannung zwischen Natur und Zivilisation betont, indem die Menschen das von ihnen Geschaffene letztlich behalten dürfen und damit siegen (das sentimentale Drumherum braucht uns in diesem Zusammenhang nicht zu kümmern), wird gerade die Naturhaftigkeit in den "Alien"- Sci-Filmen als der Höhepunkt des Gemachten, Verfertigten, was ja nur heißt, daß etwas in die Welt hineingestellt wurde als etwas, das vorher nicht als ein Anwesendes vorlag, vorgeführt, vielleicht weil diese Filme inzwischen ja über jede Technik verfügen und daher Zukunftsvisionen zeigen können, in denen die Darsteller auf Technologien, die noch gar nicht erfunden sind, Zugriff haben. Die Natur wird gezeigt als eine siegende, auch über die Technik siegende. So sieht es vordergründig aus. Daß es so nicht stimmt, habe ich zu zeigen versucht. Ein zwar außerirdisches, aber immerhin eindeutig lebendiges Wesen scheint zwar immer wieder über all die Superwaffen und damit auch über die Menschen zu triumphieren, denn diesen Filmen ist ja immanent, daß sie immer weitergehen müssen, sonst wärs aus mit ihnen. Aber dieses Wesen ist wahrscheinlich auch nur Technik (was es im Film ja im wahrsten Sinn des Wortes ist), und die Herren der Technik, die "sich auskennen" in dem Sinn, daß sie erkennen was es zu erkennen gibt und wissen was es zu wissen gibt, haben ihre Gründe, weshalb sie der Natur, die nicht zu beherrschen ist, nicht trauen und sie lieber selber machen wollten, und zwar aus dem und mit dem, was heute ist, was sie heute können, und daher in der Zukunft immer noch besser können werden.

In einer ihrer besten Szenen muß Sigourney Weaver, in "Alien 2", um das kleine Mädchen Newt zu retten, als lebender Mensch sich durch eine Maschine sozusagen erweitern. Sie steigt in eine Art riesigen stählernen Greifbagger, um ihre Person zu vergrößern, um außen eine Maschine an sich anzubauen, die sie einerseits schützen, andrerseits das Ungeheuer von ihr abhalten soll. Sie wird unangreifbar, indem sie ihren Körper in die Maschine zwängt und seine Greifarme in Richtung Ungetüm bewegt. Die Hydra kann nicht an sie heran, aber die Greifklauen aus Stahl können die Hydra ergreifen und zerquetschen. Doch im Grunde ist gerade dieser Versuch Ripleys, die Technik buchstäblich in die Hand zu bekommen und die Natur in den Griff, ein Rückgriff auf die kritiklose Bejahung der Technik als etwas Unausweichlichem, entspricht also einer gängigen Vorstellung von Technik als Instrumentalität, und wirkt so beinahe wie ein Rückschritt im Vergleich zu jenem Raum, der von Herren (und ihren "Instrumenten", den Arbeitern) in "Metropolis" beherrscht wird, und der auf seine Weise ja auch planetarische, alles, auch das Draußen umfassende Dimensionen besitzt, die man hinter ihm ahnt: Der Weltraum des Weltraums! In Richtung Alien müssen die Planeten selbst ihre Leute ausschicken, in die "Kolonien", ein beinahe dörfliches Idyll, denn zu diesem Zweck müssen, auch wenn sich Gräßliches und Aufregendes in ihnen abspielt, eben kleine überschaubare Außenstellen, Doubles der Erde errichtet werden, um die Ereignisse konkret zu verorten. Metropolis aber ist überall. Davon ausgehend, kann man den Planeten beherrschen und jede Konstruktion Wirklichkeit werden lassen, auch die Frau als Roboter, die eine ununterscheidbar vom anderen (nur die Stimme der Liebe, der Sohn des Herrschers, kann zwischen ihnen unterscheiden, die übrigen erleiden inmitten all der Technik einen Rückfall in archaische Zeiten und Vorstellungen, der die Massen dazu treibt, die "Hexe" zu verbrennen. Die aber lacht nur, sie ist ja kein Mensch und kann daher nicht sterben, was sie natürlich weiß. In einer interessanten Entsprechung zur Hexenverbrennung in "Metropolis", bei der ja in Wahrheit ein künstliches Konstrukt verbrannt wird, stürzt sich in "Alien 3" Sigourney Weaver, die das Positiv einer Hexe ist, also die gute - weiße - Frau, die die Welt vor dem Ungeheuer rettet, das "in ihrem Leib heranwächst", also dem Bösen, das nun buchstäblich in ihr ist, selbst ins Feuer, aber den Bruchteil einer Sekunde lang ist sie dem Ungeheuer eben auch: eine Mutter!), und mit Hilfe derselben Technik wird, das führt ein Film wie "Metropolis" deutlich vor Augen, in dem die Schaffung des Roboters ein quasi medizinischer Schöpfungsakt ist, kein technischer, denn Brigitte Helms Gesicht wird dem Automaten aufprojiziert wie im Mickymausheft durch den genialen Daniel Düsentrieb das Gemüt eines mißmutigen Schweins auf ein fröhliches und umgekehrt, also Helm, Drähte, Gebritzel zwischen beiden, es wird nichts gelötet, geschweißt, geschnitten, der moderne Mensch, der Massenmensch, die Welt übernehmen, dessen Revolutionen immer wieder scheitern werden, der aber trotzdem, es gibt einfach zu viele von ihm, nicht umzubringen sein wird. Sehen wir es einmal mit unschuldigen Augen, welche Die Firma noch nicht geschaut haben, die, wie gesagt, ohnedies noch keiner gesehen hat, dann könnte die Sache andrerseits auch wieder recht einfach sein, so wie aus der Sicht des Arbeiters die Sache immer auch: einfach ist, er muß nämlich arbeiten um zu leben. Während die Bekämpfer der Fremden Wesen, der Aliens (und für die "Aliens" sind natürlich wiederum die fremden Kolonisten: aliens), hier also ihre Medizinstation aufgestellt haben und dort ihren Androiden, den - immer "menschlicher" werdenden Abgesandten Des Kartells (übrigens auch ein Hinweis, daß die Natur die äußerste Ausformung von Technik sein könnte und Die Firma den Menschen mit Der Natur nur etwas besonders Raffiniertes vorgaukelt: der Androide eben als menschlichster Mensch), dort drüben die Schlafkabinen und noch den und den Raum, den es zu erobern und zu halten gilt, und dahinter, ohne daß sie einer geklebt hätte (oder doch?) immer wieder diese Tapete, dieser originelle, aber letztendlich doch etwas schlichte Hintergrundeffekt, diese außerirdische Wucherung, die zwar das Wesentliche des Films ist, aber wesentlicher muß selbstverständlich die Heldin sein, Sigourney, die, am Ende schon fast resignierend, das Monster bekämpft, in einem Kolonisationsakt, der jedes Mal aufs neue gerade noch gut geht, aber suggeriert, daß es das nächste Mal wahrscheinlich nicht mehr klappen wird (Fortsetzung 3, da glaubt man wirklich, jetzt ist es aber endgültig aus), und damit wird uns natürlich auch jedes Mal aufs neue suggeriert, daß diese kolonisierbaren Räume nur deshalb da sind, damit Menschen mit Entschlußkraft, vorgerecktem Kinn (ungeschminkte Frauen im Film!), Liebe zu Kindern und einer guten, zum Glück schlanken und langbeinigen Figur in vernünftiger Baumwollunterwäsche wie auch ich sie trage (da ist das schlichte Baumwollkleidchen Marias in Metropolis ja geradezu übercodiert dagegen!), sie immer wieder unermüdlich freikämpfen können, um sich dann dort, in diese schöne neue Kolonie, die auszubeuten ist (endlich ist er, ebenfalls ungeschminkt, da, der Zweck von dem ganzen: Ausbeutung), an Stelle derer, die vorher da waren, selbst hineinzusetzen. Und das ganze Gerümpel, die ganzen schweizerischen Untier-Konstrukte und Belebungstricks, bewirken nur, daß jener tiefere und profundere Schrecken beim Betrachter einmal doch wieder ausbleiben wird, weil der Untergang immer auch Triumph (der Heldin) ist. Das Organische der Technik (ein Ungeheuer, das mittels Technik hergestellt wurde) und das Mechanische der Menschen (roboterhafte Arbeiter), dieser Gegensatz besteht immer noch und bedeutet, daß die Menschen ihren Räumen nicht, keinen Räumen gewachsen sind. Also müssen sie mit ihren organischen wie technischen Konstruktionen sich Räume erst freimachen ("Raum im Osten schaffen", das war einmal schon die schreckliche Folge, daß Belebtes aufgeräumt wurde, damit andres, angeblich andersartig Belebtes, selbstverständlich von höherem Rang, einziehen könne).

Das Freiräumen von Orten bedeutet jedoch nicht, daß es dahinter nicht andre, gefährlichere geben könnte, mit denen man uns drohen kann und die, da sie nicht mehr geräumt werden können, weil man nicht hineinkommt, in letzter Konsequenz auch nicht mehr zu benennen, nicht einmal zu zeigen sind. Dort wohnt dann Das Kartell selbst. Wir müssen draußen (drinnen?) bleiben. Die Kolonisten wie die Strafkolonisten in Teil 3 strengen sich an, das Untier zu zerstören, sie sind mit Schweiß überzogen, reine, personifizierte Mühe, als wären sie selbst Dinge, die, wiedrum durch Anstrengung, von andren hervorgebracht worden sind. Doch Anstrengung allein genügt nicht, ist noch keine Leistung an sich. Mir kommt vor, als dienten all die Mühen in diesen Filmen nur dazu, aus einer amorphen Masse an Menschen, die sich da abplagen, wieder Einzelwesen, Individuen zu erzeugen. Aber wehe, wenn die dann losgelassen würden! Am Ende fallen sich Frieder und Maria in Metropolis in die Arme und ergeben 1 Stück Paar, und auch Sigourney kommt davon, wenn auch am Ende von Teil 3 ziemlich zermantscht, eigentlich: verbrannt, aber das sieht man nicht mehr, sie kann aber offenkundig rekonstruiert werden, doch was aus ihr wird, scheint eine neue Gattung zu sein, eine neue Spezies, halb Person, halb Funktion, bzw. die Funktion ist ihr in Fleisch und Blut buchstäblich übergegangen. Ist das ein Rückschritt zu Teil3, in dem Fleisch und Fleisch sich sozusagen nackt und geschlechtslos gegenüberstehen mußten, und sogar die kleine Newt nur mehr ein Fleischklumpen ist, der, unter den Blicken der "bis ins Mark" getroffenen Ripley, seziert wird? Wer oder was wartet denn in Teil 4 eigentlich auf diese völlig neue Art, die wir da frisch hereinbekommen haben? Wieder einmal, wie schon immer: Herrschaft. Weil was leer ist auch beherrschbar werden soll, weil was chaotisch ist auch die Strenge des Gesetzes kennenlernen soll, das aber dann wirklich für alle gelten wird, weil was noch nicht da ist vielleicht einmal noch kommen wird. Es wird vielleicht sogar das Ewige einmal über die Zeit kommen, dann müssen da Dinge stehen, die dem gewachsen sein werden, und die von uns kommen, auch wenn sie uns niemand zugetraut hat, und wäre es, daß dann einfach wir hier wohnen und es uns nicht gefallen lassen.

Als hätte der Regisseur das geahnt, hat er Sigourney Weaver also im bisher letzten Teil, dem vierten (ich habe ihn noch nicht gesehen) offenkundig, da ihm die rein technischen Möglichkeiten und Ideen langsam ausgehen (und er, in Teil 3, schon auf die "natürlichen" zurückgreifen mußte), ähnlich der bösen Maria, dem Roboter, in Metropolis, da Sigourney/Ripley ja verbrannt, also restlos tot, ist, mithilfe ihrer DNA-Formel wieder neu zusammengesetzt, und nun scheint sie nicht genau zu wissen, ob nicht auch DNA-Masse des Aliens, welches sie, Ripley, getötet hat, bzw. welches sie in und mit sich gemeinsam getötet hat, in ihre Gene eingedrungen ist. Das wird interessant, denn jetzt ist der Feind eindeutig, ohne jeden Zweifel, ohne jede Ambivalenz, in einem selbst, aber man weiß es wieder einmal nicht genau. Oder man ist selbst sein eigener Feind. Na, aber gewiß doch! Das ist, immerhin, ein neuer Ansatz, daß nämlich die Heldin selbst nicht mehr weiß, ob sie menschlich ist oder nicht. Daß die Heldin wirklich, gerade indem sie Negativ wie Positiv in einem ist, "außerhalb" bleiben darf, wie alle Helden letztlich, und auch ein andres Symptom spricht dafür: Die Schauspielerin hat sich in einem Interview beklagt, daß in Teil 3 jene kurze Sequenz, etwa drei Minuten, aus dem Film herausgeschnitten worden seien, die zeigen, was Sigourney Weaver/Ripley überhaupt ticken lasse: ihre Tochter nämlich, und daß dieser aus Gründen der Zeitüberschreitung erfolgte Schnitt (im director's cut auf Video ist die Sequenz vorhanden!) das ganze habe kippen lassen, die Geschichte geändert habe ("If you bust your gut trying to play a character and then they take away your raison d'etre, it's such a slap in the face". In demselben Interview erzählt Weaver übrigens auch, daß sie selbst schwanger geworden sei, ein Kind gewollt habe, weil sie sich mit der Darstellerin der kleinen Newt so gut verstanden habe! Wenn das nicht heißt, daß Kunst und Leben ineinander übergehen können...!). Die Frage ist: Wurde dieses biographische Detail veilleicht auch aus dem Grund aus dem Leben Ripleys geschnitten, um ihr Menschsein zu unterlaufen? Um etwas anderes-als-einen- Menschen aus ihr zu machen, was sie in der bislang letzten Folge offenkundig wird? Wahrscheinlich wäre es wieder Paranoia, das zu glauben. Man wird von Sigourney Weaver wissen, daß sie dann immer noch durchsichtige Kleider und Bleistiftabsätze tragen und aussehen wird, als ob sie das jeden Tag täte, und zwar weil sie es ja ganz gewiß oft tut. Wie sich Brigitte Helm privat gekleidet hat, weiß ich nicht. Sie sind beide ja auch Räume hinter den Räumen, aber solche, die wir ruhig sehen dürfen.



(Der Aufsatz erschien in METEOR, 11, 1997)



Ritterin des gefährlichen Platzes © 1997 Elfriede Jelinek

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